Der Galaterbrief

Christus wäre umsonst gestorben!

Der Galaterbrief

Vers 1: Vierzehn Jahre später besuchte der Apostel Jerusalem erneut, zusammen mit Barnabas und Titus. Dieser Besuch, von dem wir weitere Einzelheiten in Apostelgeschichte 15 finden, war ganz genau aufgrund dieser judaisierenden Lehre, die von den „nebeneingeführten, falschen Brüdern“ (2,4) aufgebracht worden war. Diese falschen Brüder beunruhigten die Versammlungen in Galatien.

Paulus und Barnabas hatten dieser falschen Belehrung in Antiochien widerstanden. Aber in seiner Weisheit führte es Gott so, dass diese Frage in Jerusalem aufkam und geklärt wurde. Daher ließ Gott es nicht zu, dass sie durch den Standpunkt, wie er in Antiochien deutlich wurde, so richtig er an sich war, geklärt werden durfte. Wäre die Frage in Antiochien endgültig beantwortet worden, hätte es möglicherweise eine Spaltung in der Versammlung (Gemeinde, Kirche) gegeben. Ein Teil, hauptsächlich aus Gläubigen aus den Juden bestehend, hätte sich an das Gesetz gebunden und sein Zentrum in Jerusalem gehabt. Der andere Teil hätte aus Gläubigen aus den Heiden bestanden und sein Zentrum in Antiochien gehabt.

Paulus kam aufgrund einer Offenbarung nach Jerusalem

Vers 2: In der Apostelgeschichte lernen wir, dass die Brüder in Antiochien entschieden, dass Paulus und Barnabas nach Jerusalem gehen sollten (15,2.3). Darüber hinaus erfahren wir, dass der Apostel infolge einer Offenbarung dorthin ging. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass er zwar in Gemeinschaft mit seinen Brüdern und mit ihrer Empfehlung handelte, dennoch wurde er hier durch eine direkte Offenbarung von Gott geführt.

Da das Evangelium in Frage gestellt wurde, verkündete er denen in Jerusalem, die besonderes Ansehen hatten, genau das, was er selbst gepredigt hatte. Er tat das nicht in einer Weise, die die Führer in Jerusalem prüfen sollten, welches Evangelium von Gott war. Vielmehr widersprach er mit seinen Worten diesem Ausbruch an Gesetzlichkeit, die sein Werk unter den Nationen zu zerstören drohte und somit seine Arbeit zunichte gemacht hätte.

Vers 3: In einem eingeschobenen Vers wird der Fall von Titus vorgebracht um zu zeigen, dass diese gesetzlichen Belehrungen in Jerusalem weder akzeptiert wurden, noch wurde auf ihnen in irgendeiner Weise bestanden. Denn auch wenn Titus ein Grieche war, wurde er nicht gezwungen, in Übereinstimmung mit dem Gesetz beschnitten zu werden.

Gesetzlichkeit führt aus der Freiheit in die Sklaverei

Verse 4.5: Der Apostel fährt nun in seinem Thema fort und verfolgt diese gesetzliche Belehrung der falschen Brüder, die nebeneingekommen waren. Ihr Ziel war es, die Gläubigen in die Knechtschaft zu führen. So sollten die Gläubigen hinter den falschen Lehrern hereifern (4,17). Solchen Menschen gab der Apostel auch nicht einen einzigen Augenblick nach. Unter keinem Vorwand war Paulus bereit, Gnade und Liebe zu erweisen und Zugeständnisse zu machen, wenn die Wahrheit auf dem Spiel steht. In anderen Schriftstellen werden wir ermahnt, „einander unterwürfig“ zu sein (Eph 5,21; 1. Pet 5,5). Wenn es aber um eine Frage von „falschen Brüdern“ geht und die Wahrheit auf dem Spiel steht, wäre der Apostel nicht bereit, sich auch nur einen Augenblick unterzuordnen.

Vers 6: Außer diesen falschen Brüdern gab es in der Versammlung solche, „die in Ansehen standen“. Solche mögen zu Recht – aufgrund einer Gabe, oder weil sie geistlich waren – einen herausragenden Platz einnehmen. Dennoch brachte die Tatsache ihrer angesehenen Stellung für den Apostel kein geistliches Gewicht mit sich, wenn die Wahrheit in Frage gestellt wurde. „Gott sieht keines Menschen Person an.“ Vor Gott zählt nicht das Ansehen, das ein Mensch vor seinen Zeitgenossen hat – auch nicht die Person –, sondern das, was von Christus in der Person zu finden ist. Paulus konnte Ihnen Ehre erweisen und sie als Brüder lieben, aber sie fügten ihm über die Autorität hinaus, die er bereits von Christus empfangen hatte, nichts hinzu.

Die Säulen der Versammlung erkannten die Apostelschaft von Paulus an

Verse 7–10: Diese Brüder, die einen herausragenden Platz einnahmen, bestätigen den Apostel in seiner Predigt für die Nationen. Sie erkannten an, dass die Predigt an die Nationen dem Apostel Paulus übertragen worden war, so wie die Predigt an die Juden Petrus übertragen worden war. Sie gestanden ein, dass Gott, der so eindrucksvoll durch Petrus gewirkt hatte, ebenso mächtig im Apostel Paulus zugunsten der Nationen tätig war. Darüber hinaus verliehen Jakobus, Kephas [Petrus] und Johannes nicht Gnade an Paulus. Vielmehr empfanden sie die Gnade, die dem Apostel gegeben worden war, und erkannten sie an.

Das Ergebnis war, dass die Führer in der Versammlung in Jerusalem dem Apostel Paulus und auch Barnabas die rechte Hand der Gemeinschaft reichten. So bestätigten sie die beiden darin, zu den Nationen zu gehen. Zugleich ermahnten sie diese, der Armen zu gedenken – eine Sache, die Paulus in der Tat immer bereit war zu tun.

Die Arbeit von Paulus bestätigte seine Autorität

So zeigt der Apostel, dass er jahrelang unter den Nationen gearbeitet hatte. Gott hatte mächtig durch ihn gewirkt, ohne dass er irgendeine Autorität oder einen Auftrag von anderen Aposteln erhalten hätte. Zu gegebener Zeit waren seine Arbeiten völlig durch andere Apostel in Jerusalem als von Gott kommend anerkannt worden. Diese Einzelheiten des Werkes des Apostels verurteilten die Versammlungen in Galatien auf so vollkommene Weise in ihrer Abwendung vom Apostel und in der Infragestellung seiner Apostelschaft. Indem sie dies taten, wandten sie sich nicht nur vom Apostel ab, sondern stellten sich zugleich in Opposition gegen die Säulen der Versammlung in Jerusalem. Denn diese hatten diese gesetzliche Lehre genau an dem Platz zurückgewiesen, wo sie aufgekommen war.

Zudem widerlegt dieser ganze Abschnitt sowohl die falsche Lehre apostolischer Nachfolge als auch die Meinung, dass der Apostel Petrus das irdische Haupt der Versammlung sei. Er selbst erkennt persönlich an, dass der Auftrag an die Nationen nicht sein Dienst ist.

Selbst Petrus hatte keine Autorität über Paulus

Verse 11–14: Der Apostel schließt diesen Teil seines Briefes, indem er einen anderen Vorfall in Erinnerung ruft. Dieser zeigt sehr deutlich, dass sogar Petrus nicht die geringste Autorität über Paulus besaß. Ganz im Gegenteil! Es gab eine Gelegenheit, als Paulus gezwungen war, Petrus zu widerstehen.

Als Petrus Antiochien besuchte, wo die Versammlung hauptsächlich aus Gläubigen aus den Nationen bestand, zeigt er, dass er persönlich völlig von den jüdischen Vorurteilen befreit worden war, dass er frei war, zusammen mit den Gläubigen aus den Nationen zu essen. Als dann aber einige Gläubige aus den Juden von Jerusalem kamen, wo bestimmte Christen immer noch darauf drängten, das Gesetz und seine Zeremonien einzuhalten, zog sich Petrus zurück und sondert sich von den Gläubigen aus den Nationen ab.

Das Fleisch rühmt sich gerne und ist Ursache für viel Versagen

Die Wurzel für das Versagen von Petrus lag – wie so oft auch bei uns selbst – in der Eitelkeit des Fleisches. Dieses will in den Augen von anderen gut dastehen. Petrus fürchtete, dass er sein Ansehen bei denen verlieren könnte, die „aus der Beschneidung“ kamen. Diese Furcht führte ihn dazu, sich zu verstellen und einen unehrlichen Weg einzuschlagen. So wandelte er nicht mehr aufrichtig in Übereinstimmung mit der Wahrheit des Evangeliums. Durch diese Tat missachtete er die Einheit des Geistes, verleugnete die Wahrheit des Evangeliums und spaltete die Gläubigen.

Die Tatsache, dass Petrus selbst die Stellung eines Apostels einnahm, fügte zu seiner Schuld nur noch hinzu, wie jemand gesagt hat: „Je mehr ein Mensch geehrt wird – und in diesem Fall gab es einen guten Grund für diese Achtung – umso schlimmer ist er ein Hindernis für andere, wenn er fällt.“ So sehen wir, dass in diesem Fall die Folge der Untreue von Petrus war, dass die in Antiochien lebenden Gläubigen aus den Juden ebenfalls heuchelten, so dass sogar Barnabas durch ihre Heuchelei mit fortgerissen wurde.

Unter diesen Umständen widerstand Paulus ihm zu Recht ins Angesicht, denn er erkannte, dass die Wahrheit Gottes auf dem Spiel stand. Daher wies Paulus seinen Mitapostel Petrus vor allen zurecht. Der Apostel sagte: „Wenn du, der du ein Jude bist, wie die Nationen lebst und nicht wie die Juden, wie zwingst du denn die Nationen, jüdisch zu leben?“.

Falsches Verhalten kann das ganze Evangelium zunichte machen

Verse 15.16: Paulus hatte durch das Anführen historischer Tatsachen begründet, dass er seine Autorität nicht von Menschen ableitete und dass er nicht bereit war, in irgendeiner Weise Zugeständnisse zu machen, wenn die Wahrheit auf dem Spiel stand. Nun fährt der Apostel damit fort, von dem Evangelium zu sprechen, das durch diese falsche Lehre verdorben wurde. Petrus hatte nicht nur geheuchelt, als er zunächst freimütig mit den Gläubigen aus den Nationen aß und sich unter sie mischte, während er dann zu verheimlichen suchte, was er getan hatte, indem er sich zurückzog und von diesen Gläubigen absonderte. Nein, er hatte das Evangelium gefährdet, denn die Tragweite dieses Verhaltens lag darin, wie der Apostel zeigt, dass Petrus die Wahrheit des Evangeliums zerstörte.

Die Wahrheit war nämlich, dass diejenigen, die wie Petrus, Paulus und andere von Natur aus Juden waren, festgestellt hatten, dass „der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben an Jesus Christus“. Nachdem sie dies gelernt hatten, glaubten sie an Jesus Christus, um auf dem Grundsatz des Glaubens an Christus gerechtfertigt zu werden, nicht aber durch Gesetzeswerke. Denn, fügt der Apostel hinzu: „Aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch gerechtfertigt werden“.

Die Rückkehr zum Gesetz macht Christus zum Diener der Sünde

Verse 17.18: Petrus hatte, wie auch die anderen Gläubigen aus dem Judentum, das Gesetz als Mittel der Rechtfertigung, um durch Christus gerechtfertigt zu werden, aufgegeben. Als er nun jedoch ablehnte, mit den Nationen zu essen, ging er zurück zu gesetzlichen Vorschriften – genau zu den Dingen, die er aufgegeben hatte. Wenn er recht darin hatte, das Gesetz als ein Mittel der Rechtfertigung aufzugeben, war es eindeutig falsch, wieder zu diesem zurückzukehren.

Er hatte aber um Christi willen das Gesetz aufgegeben. Wenn es jedoch richtig war, wieder zu dem Gesetz zurückzukehren, dann hatte Christus ihn dazu gebracht, das Falsche im Aufgeben dieser Verordnungen zu tun. Das war allerdings unmöglich! Denn Christus kann einen Menschen nicht dazu bringen, Unrecht zu tun. Christus ist kein Diener der Sünde! Es ist offensichtlich, dass ein Zurückgehen zu dem Gesetz als Mittel der Rechtfertigung dazu führt, dass wir die Dinge wieder aufbauen, die wir zuvor abgebrochen haben. Dann würden wir uns zu Gesetzesübertretern machen, als wir das Gesetz aufgegeben haben.

Der gläubige Christ ist dem Gesetz gestorben

Vers 19: Der Apostel wendet die Wahrheit nun auf sich selbst an und gibt eine schöne Zusammenfassung der christlichen Stellung. Das Evangelium verkündet dem Menschen die Gerechtigkeit Gottes. Das Gesetz verlangt Gerechtigkeit von dem Menschen und verkündet das Todesurteil über den Menschen, der das Gesetz nicht hält. Die Seele, die sündigt, wird sterben. Da wir alle gesündigt haben, wissen wir, dass weder Paulus noch sonst jemand das Gesetz gehalten hat. Daher kann das Gesetz nur das Urteil des Todes und Strafe für uns verkünden.

Vers 20: Für denjenigen, der an Jesus glaubt, ist dieses Urteil des Todes in dem Tod Christi, unseres Stellvertreters, ausgeführt worden. Sein Tod war der Tod unseres alten Menschen – des Menschen unter diesem Todesurteil. So kann der Gläubige sagen: „Ich bin mit Christus gekreuzigt“. Wer so durch den Tod hindurchgegangen ist – also in dem Tod unseres Stellvertreters war – ist frei von dem Gesetz. Das Gesetz kann einen Menschen aufgrund seines Lebens, das er gelebt hat zum Tod verurteilen. Aber der Mensch ist sofort tot, wenn er an Christus glaubt. Er lebt nicht mehr in dem Leben, an das sich das Gesetz wendet. Das Gesetz kann einem toten Menschen nichts mehr anhaben.

Wenn wir als Gläubige zudem dem alten Leben gestorben sind, an das sich das Gesetz richtet, besitzen wir ein neues Leben in Christus. So kann der Apostel sagen: „Und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir“.

Das Leben sehen wir vollkommen in Christus

Wenn ich dieses neue Leben in seiner ganzen Vollkommenheit sehen will, muss ich auf Christus schauen. Wie jemand gesagt hat: „Wenn ich meine Augen auf Christus richte, wenn ich seinen Gehorsam, seine Reinheit, seine Gnade, seine Zartheit, seine Geduld, seine Hingabe, seine Heiligkeit, seine Liebe, seine vollständige Freiheit von aller Art der Selbstsucht sehe: Dann kann ich sagen: Das ist mein Leben. Es mag in mir verdunkelt sein. Aber es ist dennoch wahr, dass dies mein Leben ist“ (J. N. Darby). So ist es unser Vorrecht, dafür zu halten, dass wir dem Gesetz tot sind, damit wir dieses neue Leben für Gott leben.

Eine weitere große Wahrheit ist, dass dieses neue Leben – wie alles Leben in der Schöpfung – ein Ziel vor Augen hat und haben muss, um das Leben aufrechtzuerhalten. Wenn der Herr Jesus unser Leben ist, dann ist Er zugleich ganz persönlich unser Lebensziel. So kann der Apostel hinzufügen: „Was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“. Der Glaube sieht Christus, schaut auf zu Ihm und vertraut sich Ihm an, nährt sich von Ihm, bleibt in seiner Liebe. Der Glaube verharrt in dem gesegneten Bewusstsein, dass Er in der ganzen Tiefe seiner Liebe, die Ihn dazu führte, sich selbst für uns zu geben, für uns ist.

Die Rückkehr zum Gesetz – Christus ist umsonst gestorben

Vers 21: Sich zurück zum Gesetz zu wenden bedeutet nicht nur, mich selbst zu einem Übertreter des Gesetzes zu machen, weil ich dieses als ein Mittel zur Rechtfertigung aufgegeben habe. Es bedeutet sogar, die Gnade Gottes zunichte zu machen. Und noch mehr: Wenn Gerechtigkeit durch das Gesetz möglich ist, gab es keine Notwendigkeit für den Tod Christi – „dann ist Christus umsonst gestorben“.

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