Der Galaterbrief

Der Freie bringt durch den Geist die Frucht des Geistes hervor

Der Galaterbrief

„Für die Freiheit hat Christus uns freigemacht; steht nun fest und lasst euch nicht wieder unter einem Joch der Knechtschaft halten“ (5,1).

Wir sollen auf der einen Seite die Magd „hinaus stoßen“ und so den Grundsatz aufgeben, Segen unter dem Gesetz zu suchen. Denn das kann nur in die Knechtschaft führen. Lasst uns auf der anderen Seite danach trachten, in der Freiheit „festzustehen“, für die uns Christus freigemacht hat. „Lasst euch nicht wiederum unter einem Joch der Knechtschaft halten.“

Siehe, ich, Paulus, sage euch, dass, wenn ihr beschnitten werdet, Christus euch nichts nützen wird. Ich bezeuge aber wiederum jedem Menschen, der beschnitten wird, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Ihr seid abgetrennt von Christus, so viele ihr im Gesetz gerechtfertigt werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen“ (5,2–4).

Der Apostel warnt diese Gläubigen aus den Nationen mit großer Klarheit in seinen Worten. Er war der Apostel, der ausgewählt worden war, das Evangelium für die Nationen zu verkünden. So war er zu ihrem Segen benutzt worden. Aus diesen Gründen sollte sein Wort größeres Gewicht bei ihnen haben als das von anderen Männern. Es scheint so, dass er sie genau daran erinnern will, wenn er sagt: „Siehe, ich, Paulus, sage euch, dass, wenn ihr beschnitten werdet, Christus euch nichts nützen wird“ (5,2).

Beschnitten zu sein bedeutete für diese Gläubigen, dass sie sich selbst unter das Gesetz stellten. Das wiederum hatte zur Folge, dass sie, um Segen zu erhalten, das Gesetz auch halten mussten. In diesem Fall beraubten sie sich aber selbst des Segens, den die Gnade durch Christus und sein Werk bereithält. Was ihre Erfahrungen betraf, hatten sie sich jeder von Christus und seinem Werk ausgehenden Wirkung beraubt. Sie waren aus der Gnade gefallen.

Die wahre christliche Stellung

Denn wir erwarten durch den Geist aus Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit. Denn in Christus Jesus vermag weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe wirkt“ (5,5.6).

Der Apostel fährt nun in seinem Thema fort und gibt eine sehr schöne Zusammenfassung der wahren christlichen Stellung. Diese stellt er dem Zustand unter Gesetz gegenüber. Die christliche Stellung ist durch „Hoffnung“, „Glaube“ und „Liebe“ gekennzeichnet. Wir arbeiten nicht, um darauf zu hoffen, gesegnet zu werden. Wir erwarten die Herrlichkeit, die durch das Werk Christi bereits gesichert ist. Wir warten nicht auf Gerechtigkeit, sondern auf die Erfüllung der Hoffnung, die denen zu eigen ist, die bereits durch den Glauben an Christus Jesus gerechtfertigt worden sind.

Da wir aus Glauben gerechtfertigt sind, „rühmen wir uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“ (Röm 5,2). Gerechtigkeit schenkt mir Herrlichkeit, nicht einfach Gnade. Unter Gesetz verlangte Gerechtigkeit, dass ich von der Herrlichkeit ferngehalten werde. Denn da kein Mensch das Gesetz gehalten hat, „haben alle gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,23). Unter Gnade verlangt die Gerechtigkeit, dass der Gläubige in die Herrlichkeit kommt, genauso wie Gerechtigkeit dadurch verkündet wird, dass Christus in die Herrlichkeit versetzt wird (Joh 16,10). Es steht Christus zu, dass Gläubige durch Sein Werk am Kreuz bei Ihm in der Herrlichkeit sind.

Durch das Unterpfand des Geistes können wir schon jetzt durch den Glauben einen Vorgeschmack des Segens dieser Hoffnung genießen. „In Christus Jesus“ kann Beschneidung dem Segen nichts hinzufügen. Genauso kann Vorhaut den Segen nicht behindern. Der Gläubige, der in Christus als vor Gott stehend gesehen wird, befindet sich sowohl außerhalb der jüdischen als auch der heidnischen Kreise. Die neue Stellung kann nur durch Glauben verstanden werden. Und Glaube „wirkt durch die Liebe“. Der Apostel hatte in diesem Brief bereits gesagt: „Ich lebe durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (2,20).

Die Auswirkung einer gesetzlichen Haltung auf den praktischen Lebenswandel

„Ihr lieft gut; wer hat euch aufgehalten, dass ihr der Wahrheit nicht gehorcht? Die Überredung ist nicht von dem, der euch beruft. Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig. Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn, dass ihr nicht anders gesinnt sein werdet; wer euch aber verwirrt, wird das Urteil tragen, wer er auch sei“ (5,7–10).

In dem früheren Teil des Briefes hatte der Apostel schon klar gezeigt, dass diese Gläubigen durch ihre Umkehr zum Gesetz von der Wahrheit abgewichen waren. Von Vers 7 bis zum Ende des Briefes spricht er von der Auswirkung dieses Übels auf ihren praktischen Lebenswandel. Er erkennt damit auch an, dass sie in vergangenen Zeiten einen guten Lebenswandel geführt hatten, als sie nämlich der Wahrheit gehorcht hatten. Aber sie waren aufgehalten worden, indem sie ihr Ohr den Verführungen falscher Lehrer geliehen hatten. Diese Verführer hatten Unruhe in ihre Mitte gebracht.

Die praktische Auswirkung auf ihren Lebenswandel und ihre Wege hatte deutlich bewiesen, dass diese Unruhestifter nicht durch den Gott geleitet worden waren, der uns berufen hat, „mit Ausharren den vor uns liegenden Wettlauf“ zu laufen (Heb 12,1). Lasst uns nicht vergessen, dass „ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert“. Jedes Abweichen von der Wahrheit wird, wenn es nicht gerichtet wird, zu weiterem Verfall führen. Das wiederum hat den allmählichen Verfall und sogar Zerfall des ganzen Leibes der Versammlung (Gemeinde, Kirche) zur Folge.

Das Übel der Galater ist heute charakteristisch für die Christenheit

Zeigt aber nicht der Zustand der Christenheit mit ihrer Vermischung von jüdischen und christlichen Elementen leider sehr klar, dass sie mit dem Übel der Galater durchsäuert worden ist? Paulus sah schon allein in dem Bewusstsein dieser falschen Lehre voraus, dass sie zur Zerstörung der ganzen Versammlung führen würde. Dennoch steht der Herr über allem. Und der Blick zum Herrn gab dem Apostel das Vertrauen, dass diese Gläubigen letzten Endes dazu gebracht würden, diese Lehrer und ihre falsche Lehre mit seiner eigenen Gesinnung zu sehen, mit der Gesinnung des Herrn.

Was diese Unruhestifter betraf, war der Apostel sicher, dass sie ihre Schuld selbst zu tragen hätten. Das galt auch für das Gericht über ihre den Glauben zerstörende Lehre.

Wie gut ist es für uns alle, in den Schwierigkeiten, die unter dem Volk Gottes aufkommen, über die Verwirrung und die Unruhestifter hinaus auf den Herrn zu sehen, der über allem steht. Er ist der Eine, der sein Volk von jedem Fallstrick befreien kann. Und Er kann und wird mit denen handeln, die diese Verwirrung bewirken.

Der gesetzliche Weg erspart jedes Leiden auf der Erde

„Ich aber, Brüder, wenn ich noch Beschneidung predige, was werde ich noch verfolgt? Dann ist ja das Ärgernis° des Kreuzes weggetan“ (5,11).

Der Apostel berührt nun etwas, was die Lehre dieser Irrlehrer so raffiniert machte. Wir haben schon gelernt, dass ihre wirklichen Motive darin bestanden, sich selbst anziehend zu machen (4,17). Nun lernen wir, dass sie dies taten, indem sie den Gläubigen einen Weg vorstellten, der sie von jeder Verfolgung befreien würde. Auf diesem Weg würde das Ärgernis des Kreuzes weggenommen.

Nichts ist für den religiösen Juden unter dem Gesetz anstößiger als das Kreuz. Denn es ist die vollständige Verurteilung des Menschen vor Gott und zugleich der Beweis, dass das Gesetz gebrochen wurde und sich der Mensch unter dem Fluch befindet. Die Predigt des Evangeliums, das in souveräner Gnade Segen durch den Glauben an Christus verkündet, wird immer Widerstand bei denen wachrufen, die auf ihrer eigenen Werke vertrauen, um Segen zu erhalten. Der Apostel sieht daher sehr klar, dass wir durch den „Gehorsam gegen die Wahrheit“ Verfolgungen erleiden werden, wie unterschiedlich die Art dieser Verfolgungen im Verlauf der Zeiten auch aussehen mag.

Der Apostel war in Bezug auf die christliche Lehre vollkommen intolerant

Verse 12–15: Da der Apostel die schlimme Wirkung dieser falschen Lehre sieht, kann er nur wünschen, dass diese Irrlehrer von den Gläubigen abgeschnitten würden. Seine Liebe zur Wahrheit und das Wohl der Gläubigen machten ihn vollkommen intolerant für die, deren Lehre die wahre Freiheit der Gläubigen raubte. Denn diese Lehre führte zu einer Praxis, die nicht nur im Widerspruch zum Christentum steht, sondern zugleich auch vollkommen im Gegensatz zu dem Gesetz, zu dem sie sich umwandten. „Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Während aber das Gesetz Liebe fordert, gibt es keine Fähigkeit, dieser Forderung gerecht zu werden und da das Gesetz heilig ist, kann es uns nur verdammen. Denn es „sieht“, dass wir darin versagt haben, diese Forderungen zu erfüllen.

Im Gegensatz zum Gesetz gibt uns das Christentum eine neue Natur, die es liebt zu gehorchen und den Willen Gottes zu tun. Und wir erhalten eine neue Kraft, den Heiligen Geist, um die Wünsche der neuen Natur auch ausführen zu können. Das ist wirklich Freiheit. Aber diese soll in der Tat nicht als ein Anlass für das Fleisch benutzt werden, um sich selbst zu erhöhen, sondern um einander zu dienen. Das Fleisch liebt es, bedient zu werden. Aber Liebe freut sich, selbst zu dienen.

Das Fleisch ist immer unzufrieden

So, wie diese Unruhestifter wünschten, dass die Gläubigen sich gegen den Apostel wandten, um selbst für diese anziehend zu sein (4,17), wird die Eitelkeit des Fleisches immer dazu führen, im anderen Fehler zu finden und die anderen herabzusetzen. Das Ganze geht einher mit der Anstrengung, sich selbst zu erhöhen. Auf diese Weise entstehen Konflikte und Streit im Volk Gottes.

Und wenn dann einmal Brüder damit beginnen, einander zu beißen und zu fressen, dann sollten sie wirklich „zusehen“! Denn wenn diese Haltung nicht durch Selbstgericht behandelt wird, wird es nicht lange dauern, bis sie voneinander verzehrt werden. Leider müssen wir feststellen, dass so viele Gemeinschaften des Volkes Gottes zerstört und zerstreut wurden, weil Einzelne miteinander stritten und einander beleidigten, anstatt einander in Liebe zu dienen.

Nur ein Lebenswandel im Geist entgeht den Schlingen des Fleisches

Verse 16.17: Nun werden wir daran erinnert, dass wir den Begierden des Fleisches nur dadurch entgehen können, dass wir unseren Lebenswandel im Geist führen. Der Heilige Geist ist hier, um Christus zu verherrlichen. Das Fleisch sucht dagegen jede Gelegenheit, um seine Eitelkeit durch Selbsterhöhung zu befriedigen. Es ist daher klar, dass das Fleisch dem Geist entgegengesetzt ist, und der Geist dem Fleisch. Wenn wir unseren Lebenswandel im Geist führen – denkend, sprechend und handelnd im Geist – werden wir davon befreit, die Dinge zu tun, die uns auf natürliche Weise als gefallene Menschen zueigen sind.

Der Apostel sagt im Übrigen nicht, dass ein Lebenswandel im Geist dazu führt, dass das Fleisch nicht mehr in uns ist. Und auch nicht, dass das Fleisch aufhören wird, Begierden zu wecken. Nein, es ändert sich überhaupt nicht. Aber wenn wir im Geist unseren Lebenswandel führen, werden wir seine Begierden nicht vollbringen. Jemand hat zu Recht gesagt: „Das Fleisch streitet, um uns daran zu hindern, in Übereinstimmung mit dem Geist unseren Lebenswandel zu führen. Und der Geist widersteht dem Wirken des Fleisches, um zu verhindern, dass es seinen Willen ausführt“ (J. N. Darby).

Durch den Geist leiten lassen

Vers 18: Darüber hinaus sind wir nicht unter Gesetz, wenn wir uns durch den Geist leiten lassen. Der Geist ist gekommen, um von den Dingen Christi zu nehmen und sie uns zu zeigen (Johannes 16,15). Er führt uns zu der Beschäftigung mit Christus, des Einen, der für uns gestorben ist und nun für uns lebt. Der Geist wird uns nicht unter ein Gesetz führen, das Anforderungen an uns stellt, die wir überhaupt nicht erfüllen können. Aber der Geist führt uns unter den Einfluss einer Liebe, die die Erkenntnis übersteigt. Und die neue Natur freut sich, auf diese Liebe eine Antwort zu geben.

Verse 19–21: In den verbleibenden Versen des Kapitels stellt der Apostel die Werke des Fleisches der Frucht des Geistes gegenüber. Paulus scheint mir die Werke des Fleisches unter sieben Überschriften zusammenzufassen:

7 Charakterzüge des Fleisches

  1. Paulus bezieht sich auf die Begierden des Fleisches: Hurerei, Unreinheit, Ausschweifung.
  2. Dann spricht er vom Aberglauben des Fleisches: Götzendienst, Zauberei.
  3. Danach behandelt er die Boshaftigkeit des Fleisches: Feindschaft, die zu Streit führt.
  4. Darauf kommt die Eifersucht des Fleisches: Eifersucht, die zu Zorn und Zank führt.
  5. Sodann spricht Paulus von den Überlegungen des Fleisches, die zu Zwietracht und Sekten führen.
  6. Im Anschluss daran weist er auf die Selbstsucht des Fleisches hin, die zu Neid und Totschlag führt.
  7. Schließlich behandelt er die weltliche Genusssucht des Fleisches, die zu Trunkenheit, Gelage und dergleichen führt.

UNSER Fleisch verbessert sich NIE

Das ist der schreckliche und unveränderbare Charakter des Fleisches. Paulus fügt hinzu, dass diejenigen, die in diesen Sünden leben, das Reich Gottes nicht erben werden.

Wir wollen uns daran erinnern, dass wir genau dieses Fleisch in uns selbst tragen. Es wird sich nie ändern! Wir müssen das Ausbrechen der schlimmsten Sünde fürchten, es sei denn, dass unsere Seelen in der Kraft des Geistes mit Jesus beschäftigt sind. Wir sollten nach Ihm ausschauen, um Gnade für jeden Augenblick unseres Lebens zu erhalten.

Verse 22–23: Wenn wir unseren Lebenswandel in dem Geist führen, werden wir nicht nur von den „Werken des Fleisches“ bewahrt bleiben, sondern zugleich die „Frucht des Geistes“ hervorbringen. Das Fleisch hat seine Werke, bringt jedoch keine Frucht für Gott hervor. Der Geist bewirkt sowohl gute Werke als auch Frucht. Allerdings spricht der Apostel in diesem Abschnitt nicht direkt von Werken, sondern von dem schönen christlichen Charakter, von dem jedes wahre Werk ausfließt.

Die Frucht des Geistes enthält sieben Schönheiten

Nicht alle von uns sind besonders begabt oder berufen, als Lehrer und Prediger tätig zu sein. Auch ist nicht jeder aufgerufen, großartige Werke auszuführen. Aber „die Frucht des Geistes“ ist sowohl für den jüngsten wie auch den ältesten Gläubigen möglich. Sie zeigt den wesentlichen Zustand, der Voraussetzung für jeden Dienst ist.

„Liebe“, „Freude“ und „Friede“ sprechen von der innerlichen Erfahrung der Seele. „Langmut“ und „Freundlichkeit“ ist die Haltung der Seele anderen gegenüber. „Gütigkeit“ und „Treue“ sind Eigenschaften, die uns in unserem Verkehr mit anderen Menschen antreiben sollten. „Sanftmut“ und „Enthaltsamkeit“ schließlich sind Eigenschaften, die uns dazu bringen, voller Geduld mit anderen umzugehen – im Gegensatz zu dem Selbstbewusstsein des Fleisches.

Gegen diese Eigenschaften, die wir auch bei Christus finden, gibt es kein Gesetz. Das Gesetz kann das Fleisch nicht kontrollieren. Vor allem ist es nicht in der Lage, die gesegnete Frucht des Geistes hervorzubringen. Aber daraus dürfen wir nicht den falschen Schluss ziehen, dass das Gesetz gegen diese vorzüglichen Eigenschaften ist.

Das Fleisch gekreuzigt haben

Verse 24–26: Paulus fügt hinzu, dass diejenigen, die des Christus sind, das Fleisch mit seinen Leidenschaften und Begierden gekreuzigt haben. Die wahre christliche Stellung bedeutet, dass wir das Kreuz Christi als Gerichtsurteil Gottes über das Fleisch anerkennen, damit wir nicht länger durch das Fleisch leben, sondern „durch den Geist“.

Wenn wir aber durch den Geist überhaupt leben können, dann lasst uns auch durch den Geist unseren Lebenswandel führen. Wenn wir so unser Leben führen, werden wir nicht voll eitler Ruhmsucht sein. Und wir werden uns als Gläubige nicht gegenseitig durch Neid provozieren.

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