Was von Anfang war
Eine Auslegung der Johannesbriefe

1.Johannes 1,1-4

Was von Anfang war

Einen so erhabenen Anfang wie dieser Brief hat kein anderer, mit Ausnahme des Hebräerbriefes, der sich aus bestimmten Gründen von allen anderen Briefen unterscheidet. Beide Briefe stellen uns ohne jede Einleitung den Mensch gewordenen Sohn, das fleischgewordene Wort vor Augen. Im Hebräerbrief geschieht dies, um den Blick der Juden, die Jesus als den Christus bekannten, im Glauben auf Seine verherrlichte Person und auf Seinen Dienst im Himmel zu lenken, der sich auf Sein Erlösungswerk gründet. Der Zweck des ersten Johannesbriefes dagegen ist es, alle Gläubigen vor jeder Neuerung in Lehre und Praxis zu bewahren; sie werden an das erinnert, „was von Anfang war“ in der unveränderlichen Gnade und Herrlichkeit Seiner Person, in welcher Er sich auf der Erde offenbarte: Ebenso wahrhaftig Gott wie Mensch in Ihm für immer vereint. Der Hauptgegenstand des Hebräerbriefes ist der in die Himmel eingegangene Mensch; der des ersten Johannesbriefes die Tatsache, dass Gott in Christus herabgekommen ist, um ewiges Leben zu geben. Jedoch ist der Hebräerbrief auch reich an Einzelheiten über Seine Person, wie umgekehrt der erste Johannesbrief auch ausführlich auf Sein Sühnungswerk eingeht.

Es ist auch auffallend, dass in beiden Briefen die Namen der Schreiber als auch der Empfänger fehlen. Dafür mag es verschiedene Gründe geben; der wichtigste ist wohl die überragende Bedeutung Christi für ihre eigenen Herzen und der Wunsch, diese Größe nach dem Willen Gottes, des Vaters, den Lesern des Briefes besonders eindrücklich vorzustellen. Der Apostel der Nationen hatte, selbst in seinem direkten Arbeitsfeld unter den Nationen, stets in Wort und Tat zum Ausdruck gebracht, dass das Evangelium Gottes Kraft ist, zum Heil jedem Glaubenden, sowohl den Juden zuerst als auch den Griechen. Nun sendet er im Hebräerbrief seine letzte Botschaft an diejenigen, die geglaubt hatten, wobei seine eigene Person in bewundernswerter Weise ganz zurücktritt. Indem er den Herrn als Apostel und Hohenpriester des christlichen Bekenntnisses vorstellte (der die Vorbilder des Mose und Aaron in Sich vereinigt, aber weit über ihnen steht), erwähnt er weder die zwölf Apostel noch sich selbst unter dieser Bezeichnung. Er schreibt mehr in der Art eines christlichen Lehrers, der das Alte Testament auslegt (wie es nur ein inspirierter Schreiber konnte), als dass er mit der Autorität eines Apostels und Propheten neue Wahrheiten offenbart.

Der Apostel kannte die Voreingenommenheit seiner Brüder nach dem Fleische gegen ihn, der so eifersüchtig darüber wachte, dass die Freiheit der Nationen nicht eingeschränkt wurde. So mag seine Liebe zu diesen Brüdern zunächst wenigstens ein Grund gewesen sein, seinen Namen nicht zu nennen. Nachdem der Brief jedoch den Weg bereitet und die Wahrheit ihre Herzen mit Dem erfüllt hatte, der aus dem Himmel zu ihnen sprach, konnte am Schluss durch die Erwähnung des Timotheus auf dessen großen Freund Paulus als den Schreiber des Briefes hingewiesen werden. Noch ein anderer Gedanke mag von Bedeutung gewesen sein: die Anweisung des Herrn bei der Aussendung (nicht der Zwölfe nach Lukas 9, sondern) der Siebzig in Lukas 10, 4: „ Grüßet niemand auf dem Wege!“ Es handelte sich damals um eine abschließende Sendung. Zeiten ernster Gefahr und drohenden Verfalls erfordern Eile. So musste der freundliche Gruß auf dem Wege dem Ernst einer solchen Botschaft weichen, die ihren Verächtern die schwersten Folgen ankündigte. Auch dieser Gedanke mag die inspirierten Knechte Gottes bewegt haben.

Der eine Schreiber richtete die letzte Botschaft an seine jüdischen Brüder, damit sie angesichts der bevorstehenden Zerstörung der Stadt und des Tempels ihre Herzen auf das himmlische Heiligtum richteten und aus dem Lager zu Ihm hinausgingen, Seine Schmach tragend, ehe sie durch das Gericht dazu gezwungen wurden. Der andere Apostel schrieb mit gleicher Eindringlichkeit an die Familie Gottes nicht nur angesichts des sich einschleichenden Bösen, sondern noch mehr im Blick auf den weit furchtbareren Charakter der „letzten Stunde“, die für die Christen schon gekommen war. Viele „Antichristen“, die einst bei ihnen gewesen waren, gingen jetzt in offener Feindschaft hinaus; doch sie waren „nicht von uns, denn wenn sie von uns gewesen wären, so würden sie wohl bei uns geblieben sein“.

Wie dem auch gewesen sei, jeder Gläubige darf gewiss sein, dass der Heilige Geist gute Gründe hatte, die beiden Schreiber in so ungewöhnlicher Weise zu leiten, dass sie ihre Namen in diesen Briefen nicht erwähnen. Wir wollen uns nun dem Anfang unseres Briefes zuwenden.

Der erste Vers des ersten Johannesbriefes deutet darauf hin, dass das Johannesevangelium bereits geschrieben und den Lesern bekannt war. Der Ausdruck „das Wort des Lebens“ wäre unverständlich, wenn wir nicht Johannes 1 hätten, wo uns vieles über Ihn offenbart wird. Das Johannesevangelium öffnet uns also den Weg zum Verständnis der Eingangsworte dieses Briefes. Doch gibt es auch einen auffälligen Unterschied, der als Zeugnis für die Wahrheit äußerst interessant und wichtig ist. Im Evangelium lesen wir: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. „ Dem, dessen Herrlichkeit noch nie so einfach und zugleich so tief offenbart worden war, gebührte diese einzigartige Darstellung der Gnade und Wahrheit. Welch einen grundlegenden Kontrast bilden diese klaren Mitteilungen an die Gläubigen zu der mystischen Philosophie eines Philo, des alexandrinischen Juden und teilweisen Zeitgenossen des Apostels! Kein anderes Evangelium besitzt eine Einleitung wie die in den ersten achtzehn Versen dieses Kapitels. Der erste Titel Christi ist „das Wort“. „Im Anfang“ (V. 1 u. 2) bedeutet „vor der Schöpfung“. Das wird deutlich durch Vers 3, wo dem „Wort“ das Bestehen des gesamten Weltalls zugeschrieben wird. Er gab in so absoluter Weise allen Dingen ihre Existenz, dass nichts ohne Ihn bestehen konnte. Gehen wir in unseren Gedanken so weit zurück, wie es uns nur möglich ist, stets war Er „bei Gott“ und hatte doch, im Gegensatz zum Geschöpf, Seine persönliche Existenz als Gott. Es gibt keine Zeitspanne in der Ewigkeit vor dem Beginn der Schöpfung, von der nicht gesagt werden kann, dass Er „im Anfang“ da war. Das Fehlen des Artikels im Griechischen unterstreicht in feiner Weise diese Wahrheit, die wir nicht ausdrücken können, denn der Artikel vor dem Wort „Anfang“ hätte im Griechischen auf einen bestimmten Zeitpunkt hingewiesen. Dieser Gedanke soll jedoch gerade ausgeschlossen werden. Das unerschaffene Sein des „Wortes“ soll durch diesen Ausdruck angedeutet werden, der auf das Grenzenlose hindeutet. „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“: damit beginnt die Zeit. „Im Anfang war das Wort“: das versetzt uns in die Ewigkeit. Man hat daher mit Recht gesagt, dass Johannes 1,1 zeitlich vor 1. Mose 1,1 liegt.

Wenn Johannes 1,1 uns mitteilt: „Im Anfang war das Wort“, so sagt uns V. 14: „Das Wort ward Fleisch“, und zwar in der Zeit. Mit dieser göttlich wunderbaren Tatsache, die von so reichem Segen für alle Gläubigen ist und auch für die Sünder, die wir ja alle einst waren, fängt der erste Johannesbrief an. Das Wort war nicht nur von Ewigkeit her da, sondern es wurde zur bestimmten Zeit Fleisch. Daher heißt es im Johannesbrief nicht „im Anfang“, sondern „von Anfang“.

Den gleichen Ausdruck verwendet auch der inspirierte Evangelist Lukas unter der Leitung des Heiligen Geistes in seiner Darstellung des Lebens des Herrn auf der Erde.

Anders als Markus, beginnt er nicht mit Seinem Dienst am Evangelium („Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes“). Lukas, der allem von Anfang an genau gefolgt war, geht weiter zurück. Deshalb zeigt er uns auch, mehr als alle anderen Schreiber, den Herrn in Seiner frühen Jugend. Er geht auf das heilige Menschsein des Herrn ein, beschreibt das Kindlein in der Krippe und im Tempel, als Gegenstand der Huldigung von Simeon und Anna und als ein Zeugnis für alle, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. Bei Lukas finden wir die rührende Szene im Tempel, wo Er in der Mitte der Lehrer sitzt, ihnen zuhört und Fragen stellt. Alle, die Ihn hörten, waren erstaunt über Sein Verständnis und Seine Antworten. Vor und nach dieser Begebenheit dürfen wir einen kurzen Blick auf den heranwachsenden Knaben im Elternhaus werfen. Lukas stellt den Herrn also, mehr als alle anderen, „von Anfang an“ als Menschen auf der Erde dar. Sogar wenn er von denen spricht, die uns die Dinge, die unter uns völlig geglaubt werden, überliefert haben, beschreibt er sie als solche, die „von Anfang an“ Augenzeugen und Diener des Wortes waren.

Auch die viel sagende Bezeichnung „das Wort des Lebens“ verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Sie steht in engstem Zusammenhang mit dem Hauptgegenstand des Briefes; doch abgesehen von der Einleitung in Johannes 1 werden wir hier bei ihrer ersten Erwähnung nicht im Geringsten darauf vorbereitet. Plötzlich und unvermutet wird dieser erhabene, göttliche Gegenstand vom Heiligen Geist aufgenommen und uns vorgestellt. Welch ein Zeugnis für den Herrn war es, in Johannes 1 mit dem Wort in Verbindung mit der Ewigkeit, hier aber in Verbindung mit Seiner Person als Mensch zu beginnen! Die Empfänger des Briefes und sogar der Apostel Johannes müssen zurücktreten, um dem Gegenstand des Glaubens Platz zu machen. Das Wort, das Wort des Lebens, wird plötzlich ins Blickfeld des Gläubigen gerückt. Besser könnte die Ehrfurcht, die das Herz des Apostels erfüllte und die sich auch für unsere Herzen geziemt, nicht zum Ausdruck gebracht werden. In beachtenswerter Weise wird hier das Wort des Lebens als Mensch an den Anfang gestellt, und zwar nicht als im Himmel befindlich, sondern auf der Erde. Der verherrlichte Mensch droben auf dem Thron Gottes ist einer der Hauptgegenstände des Apostels Paulus. Hier wird jedoch mit großer Sorgfalt „das Wort“ gezeigt, wie Er auf der Erde wandelte; nicht vor Seiner Fleischwerdung (davon spricht V. 2) oder nach Seinem Tod und Seiner Auferstehung, wie an anderen Stellen in diesem Brief. Diese Stellungen, die unser Herr einnahm, kommen in passender Weise am rechten Ort zur Geltung. Hier ist jedoch von dem ewigen Leben die Rede, das sich auf der Erde offenbart und sich voll und ganz bezeugt hat und das die alleinige Quelle der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne ist. Völlige Freude ist das Teil derer, die diese Gemeinschaft durch Gottes Gnade genießen. Deshalb lässt der Apostel auch sogleich die Darstellung des Wortes des Lebens folgen, wie die Jünger Ihn auf der Erde gesehen und gehört hatten.

„Was von Anfang war“ – das war schon bevor ein Mensch Ihn gesehen hatte. „Was wir gehört ... haben“ – nur so konnte die Botschaft von dem Herrn Jesus sie erreichen. Die ersten Apostel waren Jünger Johannes' des Täufers gewesen. Es war ein Vorrecht des Apostels (obwohl hier nicht erwähnt), einer der ersten zu sein, die dem Herrn Jesus nachfolgten. Gleich manchen anderen hatten sie durch Seinen Herold von Ihm gehört, ehe sie Ihn selbst sahen. Tatsächlich war es das Zeugnis des Johannes über den Herrn, das zwei seiner Jünger veranlasste, ihn (zumindest später) zu verlassen und Christus nachzufolgen. Der eine war nicht Simon Petrus, sondern Andreas, der Bruder Simons. Wir brauchen nicht zu zweifeln, dass sein Gefährte Johannes war, der Schreiber des Evangeliums und der Briefe. Es ist gewiss von nicht geringem Wert zu wissen, dass Johannes mit Andreas schon so früh in die Nachfolge Jesu trat. Somit war er, wenn auch noch aus anderen, wichtigeren Gründen, besonders geeignet, uns über das Wort des Lebens zu berichten. Durch den Geist wurde er geleitet, von „uns“, den erwählten Zeugen, in ganz allgemeiner Weise zu sprechen. „ Was wir mit unseren Augen gesehen ... haben“. Es ist genau, was sie gehört hatten: „Siehe, das Lamm Gottes!“ Sie hatten das Zeugnis gehört und hatten mit ihren Augen die wunderbare Person gesehen, „und sie folgten Jesu nach ... und blieben jenen Tag bei ihm“. So begann die göttliche Verbindung zwischen dem Herrn Jesus und den Jüngern. Wenn wir bedenken, welchen besonderen Platz in der Zuneigung des Herrn Johannes unter den Zwölfen einnahm, wer hätte wohl geeigneter sein können als er, alles dieses in der Kraft des Heiligen Geistes und in seiner besonderen Art niederzuschreiben?

Auch die Verzögerung bei der Niederschrift ist beachtenswert. Wir hätten es für das beste gehalten, wenn Johannes seine Erinnerungen an die traute Nähe des Herrn für die Gläubigen niedergeschrieben hätte, solange noch alles frisch in seinem Herzen und Gedächtnis war. Gott aber leitete es so, dass die Wahrheit mindestens fünfzig Jahre zwar nicht im Innern seines Herzens verborgen blieb, aber nicht von seiner Feder niedergeschrieben wurde. Gottes Weg ist für alle stets der weiseste und beste, wenn auch der nichtige Mensch gerne seinen eigenen Weg gehen möchte. Aber der Heilige Geist sorgte dafür, dass durch das einsichtsvolle Warten auf Gott Sein Wille ausgeführt wurde. Nach Seinem Willen und zu Seiner Zeit sollte der Apostel Johannes, der als erster zum Herrn Jesus kam, Sein letzter inspirierter Zeuge sein. Ihm wurde der Auftrag zuteil, dem Engel der Versammlung in Ephesus (die noch leuchtend dastand, als der Apostel in seinem hohen Alter dorthin schrieb) die Mahnung des Herrn zu übermitteln: „Tue Buße und tue die ersten Werke; wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter aus seiner Stelle wegrücken. „ Er musste der Versammlung in Laodicäa die bedingungslose Drohung des Herrn mitteilen, sie aus Seinem Munde auszuspeien, obwohl er sie noch zur Buße aufrief. Aber ehe er die Briefe des Herrn an die sieben Versammlungen in Kleinasien sendet, schreibt der letzte Apostel bereits von dem bedrohlich aufkommenden Bösen und von dem Anbrechen der „letzten Stunde“ mit ihren „vielen Antichristen“.

Dadurch erhält der vor uns liegende Brief einen anderen Charakter als die Briefe des Petrus und Jakobus. Der Apostel Paulus beschreibt den Antichrist zwar in einem seiner ersten Briefe (ohne genauere Einzelheiten zu erwähnen) als den „Menschen der Sünde“, den „Sohn des Verderbens“ und den „Gesetzlosen“ (2. Thes 2). Aber nur der Apostel Johannes schreibt sowohl über die „vielen Antichristen“, die Vorläufer des großen Kommenden, wie auch über „den Antichrist“, der in Offenbarung 13,11–18 gesehen wird als das Tier aus der Erde mit zwei Hörnern gleich einem Lamme, der „falsche Prophet“. Johannes wurde es geschenkt, Christus besonders lebendig in Seiner göttlichen Würde darzustellen. So können wir es gut verstehen, dass es ihm auch gegeben wurde, den menschlichen Gegenspieler des Herrn, der von Seinem geistlichen Widersacher, Satan, erfüllt und gelenkt wird, unter der Bezeichnung Anti-Christ zu beschreiben. Wenn es auf der Erde ein Herz gab, das einen Schlag, der den Herrn Jesus traf, tief mitempfand, dann war es das des Apostels Johannes, der Seine Liebe mehr als andere genossen hatte und Ihn vielleicht mehr liebte als alle anderen. In der Regel versteht derjenige die Liebe des Heilandes am besten, der seine Sünden am tiefsten empfindet. So erklärte der Herr es jenem Mann, der von keinem von beiden das rechte Verständnis hatte: derjenige liebt am meisten, dem am meisten vergeben ist. Zweifellos besaß der geliebte Jünger ein besonders zartes Gefühl für die Liebe seines Herrn zu ihm persönlich und auch eine entsprechend tiefe Sündenerkenntnis. Die Apostel Petrus und Paulus schätzten und empfanden Seine Liebe ebenfalls, doch wohl auf eine andere Weise. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Johannes auserwählt wurde, um uns Worte voll inniger Liebe und tiefen Ernstes niederzuschreiben. Es sind Worte der Gnade und der Wahrheit, die ganz besonders geeignet sind, den Gläubigen auch in den größten Gefahren auf der Erde, vor den listigen Versuchen, den Namen Jesu zu verdrehen und zu verleugnen, zu bewahren. Gerade damit beschäftigen sich diese Briefe, vornehmlich der erste.

Der Brief stellt also die Person des Herrn Jesus vor unsere Blicke, jedoch nicht als in Herrlichkeit aufgenommen. Der verherrlichte Mensch droben ist dazu angetan, den Gläubigen über die (vergängliche) Schein-Herrlichkeit dieser Welt zu erheben, wie auch die Kraft Seiner Auferstehung geeignet ist, ihm einen festen Halt gegenüber den irdischen Anmaßungen der Scheinreligion zu geben. So brachte die Macht des Geistes Saulus von Tarsus durch den Anblick Christi in der Herrlichkeit zur Bekehrung. Der verherrlichte Christus wurde damit der besondere Gegenstand sowohl seines Dienstes am Evangelium als auch in seiner Darstellung Christi als Haupt der Versammlung – dieser großen Wahrheit, die er mehr als jeder andere inspirierte Schreiber verkündete. Der Apostel Johannes geht jedoch aus Gründen, die Gott, dem Geber jeder guten Gabe, ausreichend und weise erschienen, zu dem Christus auf der Erde zurück, dem wahren Menschen und zugleich wahren Gott. Seine Absicht ist nicht so sehr, Ihn als den Himmlischen zu schildern, sondern zu bezeugen, dass Er, der wahre Mensch, eine göttliche Person ist. Der himmlische Mensch hat uns aufgrund der Gnade Gottes herrliche Vorrechte gegeben. Doch muss das Himmlische dem Göttlichen Platz machen. Gott benutzt die himmlische Verbindung der Gläubigen dazu, sie von der Neigung zu irdischer Gesinnung zu lösen, aber nur die Kraft des göttlichen Lebens macht dem Stolz des Menschen, seinen Begierden und seinem Willen, sich selbst gegen den Vater und den Sohn zu erheben und dadurch dem Satan zur Beute zu fallen, ein Ende. Die Gesinnung des Fleisches widersteht nicht nur dem Herrschaftsanspruch Christi, sie ist auch vollkommen blind für die Überragende innere Herrlichkeit Seiner Person als Gott, welche die ihm als Mensch verliehenen Rechte weit übertrifft. Der Apostel Paulus verweilt mehr bei der Herrlichkeit, die Ihm gegeben wurde, während Johannes uns insbesondere Seine Herrlichkeit beschreibt, die Er von Ewigkeit her besaß, d. h. nicht als der Erstgeborene aus den Toten, sondern als der eingeborene Sohn. Als solcher steht Er allein da. Paulus schreibt über die Einheit der Glieder Seines Leibes mit Ihm, Johannes über die Liebe des Vaters zu denen, die bereits jetzt Seine Kinder sind. Daraus war zu folgern, dass jetzt die Stunde war, jeden irdischen Gottesdienst – auch den im Heiligtum zu Jerusalem – zu verlassen und als wahre Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anzubeten, „denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter“. Lasst uns daher danach trachten, dem Herrn treu zu sein, Sein Wort zu bewahren und Seinen Namen nicht zu verleugnen.

Es steht außer Frage, dass die Wahrheit, die wir im ersten Johannesbrief jetzt betrachten wollen, die positive Seite des Lebens, wie es in Ihm und in den Seinigen jetzt auf der Erde dargestellt wird, besonders hervorheben soll, denn sie steht in Verbindung mit der persönlichen Herrlichkeit des Herrn. Jeder geistlich Gesinnte, dem die in den letzten Jahren auf diesem Gebiet entstandenen Irrtümer bekannt sind, wird bestätigen müssen, dass weder das Evangelium noch der Brief des Johannes auch nur die geringste Grundlage für derartige Fehlschlüsse enthalten, sondern sie mit Entschiedenheit ausschließen. Manche von uns haben zu ihrer Betrübnis zwei Angriffe auf die Person des Herrn miterlebt (in den vierziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts), während wir in der Erwartung der glückseligen Hoffnung und Erscheinung unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus stehen. Heute wie in den vergangenen Zeiten haben die Kinder Gottes allen Grund, mit Herzensentschluss dem Herrn anzuhangen und im Bewusstsein des ewigen Lebens, das sie in Ihm haben, immer tiefer gegründet zu werden, damit sie auch den schwächeren Gläubigen helfen können, dieses Leben als ihren bleibenden Besitz zu erkennen. Dadurch wird selbst die List Satans zum Nutzen derer dienen, die Ihn lieben und nach Vorsatz berufen sind. Lassen wir uns nicht von denen verführen, die sich und anderen einreden wollen, man habe Charakter und Anwendung dieser so klaren Wahrheit missverstanden. Dieser Einwand wird stets erhoben, wenn eine falsche Lehre bloßgestellt wird. Danach versucht man, das Böse zu bemänteln und zu beschönigen, wenn man es nicht ganz leugnen kann, um dadurch Aufdeckung und Misstrauen zu verhindern. Wie anders, wenn Aufrichtigkeit vor Gott vorhanden ist! Hat sich ein aufrichtig gesinnter Gläubiger in eine falsche Lehre verstrickt, so wird er nur allzu dankbar sein, wenn der Irrtum aufgedeckt wird und er sich unter Trauer und Demütigung davon lossagen kann. Für diejenigen, die einst um der Wahrheit willen vieles in der Welt aufgegeben haben, ist es unwürdig, einen so schwerwiegenden Irrtum zu verdecken, zu verkleinern oder zu entschuldigen. Sie begeben sich dadurch in die Gefahr, selbst in den Irrtum verstrickt zu werden, mit dem sie sich beschäftigen, oder ihr geistliches Unterscheidungsvermögen zu verlieren. Das aber ist bereits die Wirksamkeit des Geistes des Irrtums.

Der erste Vers beschreibt den Herrn Jesus, wie Er auf der Erde im trautesten Umgang mit den Jüngern geschaut und betrachtet werden konnte. Er unterschied sich denkbar weit von den Machthabern jener Zeit, besonders denjenigen des Orients, die ihre Ehre und Herrlichkeit dadurch zu mehren trachteten, dass sie sogar die Großen ihres Reiches in gebührendem Abstand hielten. Damals bedeutete es, wie wir alle wissen, den sicheren Tod, wenn jemand dem „großen König“ ohne eine Aufforderung nahte. Das Leben des Hinzunahenden war davon abhängig, ob die Hand des Königs ihm das goldene Zepter entgegenstreckte. Doch hier gesellte sich Er, der höher ist als die Höchsten, in gnädiger Herablassung zu den Geringsten und Niedrigsten. Er stieß keinen Sünder von sich, der zu Ihm kam. Er berührte und heilte Aussätzige. Er weinte am Grabe dessen, den Er von den Toten auferweckte. Wer war jederzeit und für jeden so zugänglich wie Er? Wie gab Er denen, die Er ausdrücklich erwählte, um „bei Ihm zu sein“, Gelegenheit, Ihn mit ihren Augen zu sehen, anzuschauen und sogar zu betasten! Es war daher kein Zweifel möglich, dass der Heilige Gottes zugleich wahrer Mensch war. In Vers 3 lesen wir: „ Was wir gesehen und gehört haben. „ Es ist gut, darauf zu achten, dass es in Vers 1 zuerst heißt „gehört“ und danach erst „gesehen“. Die Wahrheit wird immer zuerst durch das Ohr aufgenommen, nicht durch das Auge. Sie „hörten“ und glaubten. Der Glaube ihrer Seelen gründete sich auf das Hören, nicht auf das Sehen. Doch konnte Christus auch mit den Augen gesehen werden, nicht nur einmal, sondern sie konnten Ihn anschauen und mit ihren Händen betasten, um anderen Zeugnis von Ihm geben zu können. Welch eine wunderbare Wahrheit, dass der Schöpfer Himmels und der Erde Mensch wurde und Sein Menschsein so unter Beweis stellte, dass Menschenhände Ihn betasten durften! Er erlaubte dies selbst nach Seiner Auferstehung; zwar nicht einer Maria Magdalena, aus besonderen Gründen, wohl aber den Frauen aus Galiläa sowie dem ungläubigen Apostel Thomas: „Reiche deinen Finger her!“ So war es auch, als Er noch auf der Erde wandelte. Der Herr erkannte im Voraus die schreckliche Bosheit, die es wagen würde, Sein wahres Menschsein zu leugnen, und sorgte somit für den klaren Gegenbeweis. Wir dürfen darin Seine Gnade uns gegenüber bis zu Seinem Tode erblicken.

Ebenso klar, vielleicht noch schärfer, wird die andere böse Lehre abgewehrt, welche leugnet, dass Er Gott war. Sie sieht in Ihm nur einen mit außergewöhnlichen Kräften begabten Menschen, unter Ausschluss seiner Göttlichkeit. Aber Er war wahrer Gott und wahrer Mensch in einer Person. Deshalb wird Er hier „das Wort des Lebens“ genannt. Alles was in Vers 1 gesagt wird, betrifft „das Wort des Lebens“. Das „Leben“, hier das höchste geistliche Leben, gehört Gott allein. Es ist etwas anderes und Höheres als die Schöpfermacht, wie wir bei einem Vergleich von Johannes 1,3 und 4 sehen. Entsprechend dem Zweck dieses Briefes kombiniert der Ausdruck hier das „Wort“ und das „Leben“. „ Und das Leben ist offenbart worden. „ Diese Wahrheit wird hier einfach als Tatsache festgestellt, ohne Angabe, wem die Offenbarung galt. Jeder konnte es betrachten, d. h. alle, die den Herrn Jesus Christus sahen, sowohl Gläubige wie auch Ungläubige. Für die letzteren blieb es allerdings ein flüchtiger Eindruck ohne Leben spendende Wirkung; sie empfanden kein Bedürfnis nach Ihm und konnten daher nicht von Gott über Ihn belehrt werden. Denn nur wenn wir im Bewusstsein unserer Sünden kommen, können wir wahren Segen empfangen. Aber wenn sie auch Seine wunderbare Person nicht erkannten, konnten sie doch sehen, wie wunderbar Er mit allen handelte, die zu Ihm kamen, ob es Männer, Frauen oder Kinder waren. Ihren blinden Augen konnte Er jedoch Gott und sich selbst nicht offenbaren, wie Er es bei der Sünderin im Hause Simons, des Pharisäers, bei der Samariterin und dem glaubenden Räuber am Kreuz tat. Ihnen blieb es nicht verborgen, dass Er weit mehr als nur ein Mensch war. Jeder von ihnen konnte an diesem Wendepunkt seines Lebens tatsächlich das Wort des Lebens zu seinem Heil hören. Wenn der Sünderin, in deren Seele offenbar bereits Glauben und Buße vorhanden waren, Vergebung und Frieden geschenkt wurden, so waren es zweifellos die Worte des Heilandes, die in der Samariterin und dem gekreuzigten Räuber neues Leben bewirkten. Der letztere erkannte die unendliche Gnade und Würde des Herrn Jesus in der Stunde Seiner größten Schmach und Verachtung.

„Und das Leben ist offenbart worden.“ Das ist der Grundton des Briefes: es wurde hier offenbart. „ Und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, welches bei dem Vater war und uns offenbart worden ist“ (V. 2). Hier wird das „Hören“ nicht mehr erwähnt. Es wird vorausgesetzt, dass sie den Herrn bereits kannten, und daher heißt es: „Wir haben gesehen und bezeugen. „ Jetzt ist nicht mehr, wie am Anfang, vom Hören und Sehen die Rede, sondern vom Sehen und Bezeugen und davon, dass den Gläubigen das ewige Leben verkündigt wird, welches bei dem Vater (d. h. von Ewigkeit) war und uns in der Zeit offenbart worden ist, als Er auf der Erde weilte. Es ist wohl vielen bekannt, dass der eigenartige Versuch unternommen wurde, gerade im Neuen Testament einen Unterschied zwischen „Leben“ und „ewigem Leben“ zu machen. Wird das hier nicht widerlegt? In Vers 1 heißt es: Das Wort des Lebens“, zu Anfang von Vers 2 einfach „das Leben“, und bald danach finden wir im gleichen Vers „das ewige Leben“. Mit den beiden Bezeichnungen „das Leben“ und „das ewige Leben“ ist somit sicherlich genau das gleiche gemeint, nur von etwas verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet. Es ist mit der Person Dessen verknüpft, der das „Wort“ ist, und ist in dem Herrn Jesus Christus offenbart. Das ist doch völlig klar. Der eingeschaltete Vers 2 teilt uns die weitere große Wahrheit mit, dass das „ewige Leben“ bei dem Vater war, ehe Es auf der Erde im Fleisch offenbart wurde. Er war nicht nur „das Wort“ und der eingeborene Sohn, sondern auch „das ewige Leben“. Er war damals in gleichem Maße das ewige Leben, wie zu dem Zeitpunkt, als Er sich herabließ, zur Ehre Gottes und zum Heil und Segen des Menschen von einem Weibe geboren zu werden und dadurch das Leben, das Er dem Gläubigen schenkt, zu offenbaren.

Es ist beachtenswert, dass hier dem ewigen Wort, dem Sohn Gottes, ewiges Leben zugeschrieben wird, ehe Er in die Welt kam. Das ewige Leben konnte aber erst als das Teil des Gläubigen gekannt werden, nachdem Christus auf der Erde offenbart war. Als Er in den Himmel zurückkehrte, wurde es nicht offenbart, sondern im Gegenteil in Gott verborgen. Nein, hier in der Welt voller Sünde, Kummer und Elend, wo der erste Mensch so vollkommen versagt hatte, dass der Tod die Folge war, da offenbarte der zweite Mensch das ewige Leben, indem Er gehorsam wurde bis zum Tode. Durch Seinen Tod besiegte Er Satan und legte die Grundlage für eine ewige Erlösung für alle, die an Ihn glauben. Sie besitzen ewiges Leben in Ihm, sie leben jetzt aus Seinem Leben, nicht mehr aufgrund ihres eigenen gefallenen Lebens.

Die Offenbarung dieses Lebens fand nirgends anders als ausdrücklich auf dieser Erde statt. Der Himmel ist nicht der Ort seiner Offenbarung. Es ist auch falsch zu behaupten, das Leben sei offenbart worden, als es bei dem Vater war. So weit es uns Menschen betrifft, fand diese Offenbarung erst statt, als der Sohn Gottes Mensch wurde und als der treue und wahrhaftige Zeuge Gottes, des Vaters, gesehen und gehört wurde. Erst mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes, und zu keinem anderen Zeitpunkt, wurde das ewige Leben offenbart, welches bis dahin bei dem Vater war. Das Leben befand sich in Seiner sichtbaren wirklichen Person auf der Erde in gleicher Weise, wie es bis dahin im Himmel in Ihm gewesen war. Eine auserwählte Schar von Jüngern, die Ihn gehört hatten, sah unter den verschiedensten Umständen das Leben in Ihm. Das befähigte sie, anderen zu bezeugen, dass Gott Mensch geworden und das ewige Leben in Christus in seiner unbefleckten, vollkommenen Vortrefflichkeit den Menschen auf Erden offenbart worden war. Welch ein Segen für uns, wenn auch im Bewusstsein unserer eigenen Schwachheit, unsere Aufgabe nun aufnehmen zu können, indem wir auf die Gnade unseres Herrn blicken.

Christus selbst ist unser höchstes Gut, heute noch wie einst für die Empfänger unseres Briefes. Der Apostel schreibt ihn an seine „lieben“ Kinder oder „Kindlein“, die Familie Gottes, die heute so wirklich existiert wie damals. Diese Gemeinschaft bleibt bestehen, solange die letzte Stunde andauert. Wenn bei uns heute auch viel Zukurzkommen ist, dürfen wir doch die Worte des Apostels in Demut für uns nehmen, dürfen an die Liebe des Vaters glauben, die Gnade und Herrlichkeit Seines Sohnes, des Herrn Jesus, bezeugen und uns auf den in uns wohnenden Geist Gottes stützen, um so Nutzen aus dem zu ziehen, was bereits am Anfang dieser letzten Stunde mitgeteilt wurde. Wir kennen unsere große Not, aber auch die Barmherzigkeit und Güte Dessen, der einst die Empfänger des Briefes und heute uns dahin bringen will, in Christus die unfehlbare Stütze für den Glauben und die Antwort auf jedes Bedürfnis zu finden.

„Was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch, auf dass auch ihr mit uns Gemeinschaft habet. „ Welch ein kostbares Vermächtnis der Liebe Gottes angesichts des Verfalls und der heutigen Gefahren! Welch eine gesegnete Gemeinschaft ist die Gemeinschaft oder der Zusammenhalt der Apostel unter solchen Umständen (vgl. Apg 2,42)! „ Und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesus Christus“ (V. 3). Bald sollte die Hand des letzten Apostels aufhören zu schreiben. Aber selbst wenn er bis heute geblieben wäre, hätte der Apostel etwas Tröstlicheres oder Ermutigenderes schreiben können, als dass die Gemeinschaft der Apostel, die am Pfingsttag begann, noch besteht? Ja, noch mehr, dass die Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesus Christus bleibt, die wir aufgrund des ewigen Lebens, das im Sohne ist, durch Glauben genießen dürfen. Der ausdrückliche Zweck dieser göttlichen Mitteilung ist somit, uns in die gleiche Gemeinschaft einzuführen, wie sie die Apostel mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesus Christus genossen, und die gnädige Absicht, unsere Herzen dadurch mit Freude zu erfüllen. Wenn solche Segnungen dazu nicht in der Lage wären, was dann? Gibt es eine andere Gabe, die unsere Herzen mit so unvergleichlicher Freude erfüllen könnte, als die, das in dem Herrn Jesus offenbarte ewige Leben als die neue, göttliche Natur in uns zu besitzen und so Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne zu haben? Das erfüllt uns mit einer Freude, die in ihrem Ursprung und Wesen göttlich ist. Lasst uns daher die Gnade und Wahrheit in Christus, wie sie uns als Grundprinzip und Leitgedanke in der Einleitung dieses Briefes dargestellt werden, mit der gebührenden Ehrfurcht betrachten.

In wenigen Worten wird hier die zentrale Wahrheit des Christentums aufgezeigt. In dunkelster Stunde, wenn Satan es wie nie zuvor darauf anlegt, die Person Christi anzugreifen, ist es ihr besonderes Ziel, die Gläubigen mit Gottes eigener Freude zu erfüllen.

Wir finden hier keinen Aufruf zur Wachsamkeit durch eine ausführliche Aufklärung über die verschiedenen Irrlehren und ihre verderblichen Auswirkungen. Ebenso wenig werden die Diener Gottes aufgefordert, ihre Kräfte einzusetzen, um allen Nationen das Evangelium zu predigen. Auch finden wir hier keine Enthüllungen über die Drangsale, die der Christenheit sowie der Welt im Allgemeinen bevorstehen, und der danach folgenden Herrlichkeiten. Diese Dinge – nicht das, „was ist“, sondern die kommenden Gerichte – sind ausführlich in der Offenbarung beschrieben. Den alttestamentlichen Propheten wurden Dinge mitgeteilt, die, wie sie erfuhren, nicht für sie selbst, sondern für uns bestimmt waren (1. Pet 1,12). Gleichermaßen werden auch die Gläubigen in der Zeit nach der Entrückung der Versammlung den Geist der Weissagung als das Zeugnis Jesu haben (vgl. Off 19,10). Das ist eine bemerkenswerte Bezeichnung für den Heiligen Geist. Er ist dann nicht mehr als die Kraft der gegenwärtigen Gemeinschaft anwesend, sondern, wie in früheren Zeiten, als Geist „der Weissagung“, indem Er die Gläubigen auf die Zukunft hinweist, auf die Ankunft Jesu in Macht und Herrlichkeit.

Im Gegensatz dazu steht die Tätigkeit des Heiligen Geistes in der jetzigen Zeit. Was offenbart ist, ist uns offenbart; und was uns offenbart ist, soll dazu dienen, dass wir Gott im Geiste erkennen und die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne genießen. Die Kinder Gottes sollen auch in der schweren Zeit diese Dinge nicht nur kennen, sondern in vollem Umfang genießen. Alles, was uns offenbart ist, soll wie ständige Segensströme in unsere Herzen fließen. Der einzige richtige Anfang ist die Wiedergeburt und die Sündenvergebung durch Christus und Sein Werk. Denn wir lernen Gott kennen, wenn Sein Geist das Gewissen erweckt. Wir entsprechen Gottes Gedanken über uns aber keineswegs, wenn wir dabei stehen bleiben, auch wenn wir großen Eifer bei der Verbreitung des Evangeliums an den Tag legen. Nachdem wir das ewige Leben empfangen haben, sollen wir durch Christus in die Gemeinschaft eingeführt werden, die uns, wie hier so klar dargestellt, mit Freude erfüllen soll. Von Natur sind wir sündige Geschöpfe, die blindlings dem Gericht entgegen gehen. Durch die Annahme des Herrn Jesus werden wir aber aus Gott geboren, und als solche, die auf dem Erlösungswerk ruhen, empfangen wir die Gabe des Heiligen Geistes als Salbung und Versiegelung.

Durch das neue Leben erhalten wir die Fähigkeit und durch den Geist die Kraft, auch den Vater zu erkennen, nachdem wir den Sohn angenommen haben. Durch den Willen und das Wort Gottes empfangen wir die volle und glückliche Gewissheit, dass der Genuss dieser Gemeinschaft unser herrliches Vorrecht ist.

Lasst uns nicht auf diejenigen hören, die meinen, dass solche Segnungen für uns jetzt auf der Erde unerreichbar seien! Er, der für den heimkehrenden Sohn das beste Kleid bereithielt, möchte, dass du als Sein Kind die Gemeinschaft mit Ihm und Seinem Sohne genießt. Das ist allerdings etwas, wozu die menschliche Natur unfähig ist. Dieses Vorrecht ist für solche, die Teilhaber der göttlichen Natur geworden sind. Seine Quelle ist die Liebe des Vaters und des Sohnes, und die Kraft dazu der vom Himmel gesandte Heilige Geist, der für immer in uns ist und bei uns bleibt. Es ist daher für den Christen von besonderer Bedeutung, und das umso mehr, als das heutige christliche Bekenntnis nach außen hin voll von Irrtum und Bösem ist. Wer den Vater und den Sohn leugnet, wird diese Gemeinschaft zweifellos als Fabel und Täuschung hinstellen. Aber warum solltest du, als Christ, deshalb auf das dir zugedachte Teil verzichten?

Alle Kinder Gottes, selbst die Kindlein – oder „Säuglinge“ – der Familie Gottes, haben in ihrem Maße ebenso teil an diesen Segnungen wie die Kräftigeren und Gereiften. Daher werden auch die „Säuglinge“ aufgefordert, in diese Gemeinschaft einzutreten und sie völlig zu genießen. Auf welcher Grundlage? Das ewige Leben in Christus ist die Grundlage dafür. Kostbar ist die Rechtfertigung aus Glauben, das Bewusstsein der Errettung, wenn die Frage der Sünden und der Sünde vor Gott geordnet ist. Aber die Wahrheit, die uns hier so eindrücklich vor Augen gestellt wird, ist die positive Seite, das ewige Leben. Der Apostel Paulus hat wie kein anderer sowohl die persönliche Rechtfertigung des einzelnen Gläubigen wie die Teilhaberschaft an dem einen Leibe des Christus und die damit verbundenen himmlischen Vorrechte bezeugt. Dem Apostel Johannes oblag es, in den Tagen des Verfalls das ewige Leben in einer Weise darzulegen, wie es selbst der große Apostel der Nationen nicht in solcher Fülle getan hat.

Was ist die Quelle der Freude, die der Geist Gottes uns hier vor Augen stellt? Was ist die Grundlage und das Wesen dieser Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne, zu der wir berufen sind? Welches ist der Zugang zu dieser göttlichen Freude? – Was bewirkt in dem Christen den Hass gegenüber dem Bösen und die Liebe zum Guten gemäß den Gedanken Gottes? Wodurch werden seine Zweifel und Befürchtungen für immer zerstreut? Weshalb kann er mit vollem Vertrauen dem Vater nahen und sich im Sohne erfreuen? Das alles wäre unmöglich ohne den Glauben an das Sühnungswerk des Heilandes, aber die wahre Befähigung hierzu ist das Leben, das ewige Leben, das Leben Christi.

Betrachten wir jedoch die Kinder Gottes, so sehen wir ein unterschiedliches Maß an geistlichem Leben. Könnten wir die Schar aller Gotteskinder überblicken, so würden wir bei jedem einzelnen ein anderes Maß feststellen. Unser geistliches Leben offenbart sich, was seine Äußerungen betrifft, in ebenso verschiedener Weise wie unser natürliches Leben. Selbstverständlich ist es bei allen dasselbe Leben, aber durch eine Vermengung mit dem alten Leben, die ja eigentlich nicht stattfinden sollte, werden diese Unterschiede hervorgerufen. Bei dem einen mag vielleicht etwas mehr von dem neuen Leben sichtbar sein als bei einem anderen, aber unmöglich kann uns ein so wechselhaftes Bild befriedigen. Nur bei Christus, der das ewige Leben selbst ist, findet es seinen wahren Ausdruck, ohne die geringste Beimischung oder irgendeinen Schatten. Nur wenn wir den Herrn Jesus betrachten, wie Er uns in den Evangelien vorgestellt wird, sehen wir das Leben in seiner ganzen Vollkommenheit. Da erblicken wir Gerechtigkeit und Gnade; erhabene Würde und Unterordnung; Ernst und Zartheit; glühenden Eifer und Demut des Herzens; Reinheit in Sich Selbst und Mitleid für andere; Liebe zu Seinem Vater, zu den Gläubigen und zu den Sündern. Wir erblicken den gehorsamen Menschen und zugleich das Wort und den Sohn Gottes. Alles das, was durch den Vorhang Seines Fleisches hindurch erstrahlte, war das ewige Leben; und nur in Ihm kann die Fülle dieses Lebens geschaut werden.

Wenn wir dieses Leben im Sohne besitzen, was wäre dann von größerer Bedeutung, als klar und in allen möglichen Umständen zu erkennen, wie dieses Leben wirklich beschaffen ist? Es ist ja unser Leben und zugleich unsere Lebensregel. Auch hat der Heilige Geist es uns mit einer Ausführlichkeit veranschaulicht, die in der Heiligen Schrift ohnegleichen ist. Durch das Wort Gottes wollte Er uns die vollständigste Einsicht in das schenken, was die Wonne des Vaters war. Wir sollten gemeinschaftlich die Freude genießen, dass dies unser wirkliches neues Leben ist, zugleich aber auch ein beständiges Vorbild und eine Richtlinie für unser Selbstgericht. Einerseits soll die Freude völlig werden, andererseits sollen wir im Bewusstsein unserer eigenen Unzulänglichkeit in unseren eigenen Augen nichts sein. Das ist es, was der Christ von Seiten Gottes benötigt; und das ist es, was Er als unser Vater uns in Christus bereitet hat.

Welche Unterweisungen empfangen wir, wenn wir Ihn als Denjenigen betrachten, der Knechtsgestalt annahm – ein beständiger Wohlgeruch für den Vater! Niemals hat Sein Gehorsam versagt. Es war ein bedingungsloser Gehorsam gegenüber Seinem Vater, der sich in jedem Wort und Werk, ob groß oder klein, offenbarte. „Der Eifer um dein Haus hat mich verzehrt. „ Kraft und Macht hatten auch andere; aber wer außer Ihm hat nie seinen eigenen, sondern immer den Willen des Vaters getan? Ob in Leiden, Verachtung, Verleumdung, die das Herz erforschen – stets erniedrigte der Herr der Herrlichkeit Sich in Seiner Sanftmut bis zum Äußersten. Obwohl Er den Schmerz tief empfand, der Ihm durch den Unglauben des Volkes bereitet wurde, wandte Er Sich in derselben Stunde mit Dank und völliger Unterwürfigkeit an Seinen Vater. Wenn das erwählte, aber stolze Volk Ihn in seiner Blindheit ablehnte, so eröffnete die Gnade den Unmündigen das, was den selbstzufriedenen Weisen und Verständigen verborgen blieb. In solchen Szenen sehen wir die Tätigkeit und Darstellung des ewigen Lebens. Wenn alles einzeln aufgezeichnet würde, wie es sich gebührte, so könnte selbst die Welt die geschriebenen Bücher nicht fassen, wie der Apostel Johannes uns am Ende seines Evangeliums sagt. Die Bibel enthält die vom Geist Gottes getroffene Auswahl. Kein anderer wäre dazu in der Lage gewesen. Er reicht uns darin die Speise Gottes als unsere Speise dar; denn unsere Gemeinschaft besteht darin, dass wir Anteil an dem haben dürfen, was der Vater im Sohn und der Sohn im Vater gefunden hat. Das ist nicht nur das Teil der Apostel, sondern des einzelnen Christen und der Familie Gottes.

Denken wir einmal an Mose, der einen ganz besonderen Platz im Blick auf Israels Erlösung und die Gesetzgebung sowie als Schreiber des Pentateuchs (der fünf Bücher Mose) einnahm. Wie wenig wissen wir eigentlich über seine Person! Wie hielt er sich im Hintergrund, der der sanftmütigste unter allen Menschen war, bis Christus die Erde betrat. Aber was war Mose, wenn wir ihn mit Christus vergleichen?

Auch über Paulus, der unter den Aposteln und im Neuen Testament einen außergewöhnlichen Platz einnimmt, wissen wir nur wenig Persönliches. Wie viele haben schon gewünscht, mehr über ihn zu erfahren. Aber die besonders ausgeprägten Züge seiner Persönlichkeit – wie auch des Petrus und Johannes, um die bekanntesten zu erwähnen – zeigen den großen Unterschied zum Herrn, bei dem alle Charakterzüge in vollkommener Harmonie vorhanden waren. Bei den Aposteln stach manche Seite stark hervor, nicht so bei Ihm. Er war vollkommener Mensch für Gott, vollkommener Gott für den Menschen und zugleich ewiger Sohn innerhalb der Personen der Gottheit!

So ist das ewige Leben nicht lediglich der Messias, der als vollkommener Mensch kam, sondern das Wort und der Sohn Gottes in einem für Ihn bereiteten Leibe, obwohl Er der Sohn der Jungfrau war. In der Vereinigung von Gottheit und Menschheit in dem Herrn Jesus liegt das Wunder Seiner Person hier auf Erden und der Segen der Offenbarung des ewigen Lebens in Ihm beschlossen. Das ist das Wesen des neuen Lebens für den Gläubigen, für dich und mich. Wenn wir von Ihm im Wort der Wahrheit lesen, Ihn ehren, wie wir den Vater ehren, und in Ihm das finden, was in besonderer Weise unsere Liebe – die Liebe jedes Christen – hervorruft, können wir dann, wenn Seine Gnade und Wahrheit unsere Herzen erleuchten, ausrufen: Das ist mein Leben! Das ist dein Leben, mein Bruder“? Dadurch haben wir Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesus Christus. Erfüllt dieses unvergleichliche Vorrecht unsere Herzen nicht mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude?

Wir sind gemeinsame Teilhaber an den Segnungen des ewigen Lebens durch den Glauben an Christus. Wir haben zunächst Gemeinschaft mit dem Vater, weil wir Seinen Sohn Jesus Christus besitzen. Der Sohn ist die Wonne des Vaters, und Er ist es auch für dich und für mich. Der Vater und Seine Kinder finden ihre völlige und gemeinsame Freude im Sohne. Der Vater hat uns den Sohn gesandt und gegeben; so besitzen wir nun den Sohn. Wer aber den Sohn hat, hat das Leben. Wir haben dieses wunderbare Leben, weil wir den Sohn haben. Der Sohn muss in Seiner anbetungswürdigen Person die Wonne derer sein, die ewiges Leben haben. Nur der Vater kennt den Sohn vollkommen, daher schätzt auch nur Er den Sohn so, wie es Ihm gebührt. Von uns wagen wir das nicht zu sagen, obwohl wir den Sohn haben, Ihn lieben und uns nach unserem Maß an Ihm durch den Geist Gottes erfreuen. Das ist Gemeinschaft mit dem Vater in dem Sohne Jesus Christus.

Aber wie haben wir Gemeinschaft mit Seinem Sohn? Wir haben sie in dem Vater, der sowohl Sein Vater wie auch unser Vater ist.

Der Sohn stand als solcher in ewiger Beziehung zu dem Vater. In Übereinstimmung mit dem Wille ' n und der Gnade des Vaters gefiel es Ihm, Ihn uns als unseren Vater bekanntzumachen (vgl. Joh 20,17). Es war Ihm nicht genug, uns den Vater zu zeigen. Das hätte zwar dem Apostel Philippus genügt, nicht aber der Liebe Gottes. Gott wollte unser Vater sein und uns als Seine Kinder besitzen. Solche sind wir nun geworden und haben daher durch die Gnade Gemeinschaft mit dem Sohn, während der Vater Ihn als Sohn in den Rechten der Gottheit hat.

Wir haben somit Gemeinschaft mit dem Vater im Besitz des Sohnes und mit dem Sohn im Besitz des Vaters. Sollte unsere Freude da nicht völlig sein? Im Vergleich dazu treten selbst der Himmel und die ewige Herrlichkeit zurück, obwohl auch diese unser Teil sind. Wenn wir von einer solchen Gemeinschaft wüssten, sie aber nicht besäßen, wie könnte unsere Freude dann so voll sein, wie sie es jetzt ist? Um diese Gemeinschaft zu besitzen, brauchen wir nicht zu warten, bis wir abscheiden, um bei Christus zu sein, oder gar bis zur Umgestaltung unserer Leiber in Sein Bild bei Seiner Ankunft. Nur der Unglaube kann ein Kind Gottes darin hindern, sie jetzt und hier auf der Erde zu genießen. Der Heilige Geist ist jedem einzelnen von uns persönlich gegeben worden, damit Seine göttliche Kraft diese Gemeinschaft in uns bewirken möge. Der Sohn kam auf diese Erde hernieder, sonst könnten wir diese Gemeinschaft – wenn überhaupt – nicht in der Form haben, wie es jetzt der Fall ist. Der Apostel beginnt seine Belehrungen mit der Tatsache, dass der Herr zu diesem Zweck auf die Erde kam und damit die Grundlage zur göttlichen Gemeinschaft im ewigen Leben gelegt hat. Nur mittels des ewigen Lebens können wir diese Gemeinschaft als unser Teil besitzen. Ohne das ewige Leben wäre sie unmöglich, denn mit dem Fleisch kann es keine göttliche Gemeinschaft geben. Deshalb bezeugte der Herr wiederholt, dass der gegenwärtige, bewusste Besitz des ewigen Lebens die Grundlage des Christentums und dieser Gemeinschaft ist – dieser Gemeinschaft als der reichsten Gabe aufgrund des ewigen Lebens, das in Ihm ist und das Er uns mitgeteilt hat.

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