Betrachtung über Markus (Synopsis)

Kapitel 8

Betrachtung über Markus (Synopsis)

Die Macht wurde nicht in der Mitte des offenbaren Unglaubens ausgeübt; und dies kennzeichnet klar die Stellung Christi zu seinem Volk. Er setzt seinen Dienst fort, zieht sich aber wegen des Unglaubens Israels zu Gott zurück, jedoch zu dem Gott aller Gnade. Hier fand sein Herz einen Zufluchtsort bis zu der großen Stunde des Sühnungswerkes. Aus diesem Grund wird uns, wie mir scheint, das zweite Wunder der Vermehrung der Brote mitgeteilt. Der Herr wirkt aufs neue zu Gunsten Israels, obwohl nicht mehr als Verwalter der messianischen Macht inmitten des Volkes, was, wie wir früher gesehen haben, durch die Zahl „zwölf“ ausgedrückt war; aber ungeachtet seiner Verwerfung durch Israel fährt Er fort, seine Macht in einer göttlichen Weise und abgesondert von dem Menschen auszuüben. Diesmal sind es „sieben“ Brote und „sieben“ Körbe mit Brocken (V 5. 8. 20). Die Zahl „sieben“ drückt stets eine übermenschliche Vollkommenheit aus, etwas Vollständiges, sei es in der Macht des Guten oder des Bösen, wenn es nicht menschlich und Gott untergeordnet ist. Hier ist es göttlich. Die Entfaltung der unermüdlichen und seiner Macht entsprechenden Dazwischenkunft Gottes ist der Hauptzweck der Wiederholung des Wunders.

Dann wird uns der Zustand der Obersten Israels sowie der des Überrestes vor Augen geführt (V. 10 u. f.). Die Pharisäer fordern ein Zeichen; aber jenem Geschlecht sollte kein Zeichen gegeben werden. Ihre Forderung war nur Unglaube, da ja Beweise dafür, wer Jesus war, in Überfluss vorhanden waren; diese Beweise hatten gerade die Forderung hervorgerufen. Der Herr trennt sich von ihnen (V.13). Aber es zeigt sich hier auch der blinde und unverständige Zustand des Überrestes (V.16). Der Herr warnt ihn vor der Gesinnung und der Lehre der Pharisäer, die fälschlich auf einen heiligen Eifer für Gott Anspruch machten; ferner vor der Gesinnung der Herodianer, der knechtischen Anhänger des Geistes der Welt, die, um dem Kaiser zu gefallen, Gott gänzlich beiseite setzten. Der von Ihm gebrauchte Ausdruck „Sauerteig“ gibt den Jüngern Anlass, ihren Mangel an geistlichem Verständnis zu zeigen. Wenn die Juden aus den Wundern des Herrn nichts lernten, sondern sogar noch Zeichen forderten, so verwirklichten selbst die Jünger die göttliche Macht nicht, die sich in den Wundern kundgab.

Der Blinde von Bethsaida ist, wie ich nicht bezweifle, eine bildliche Darstellung dieses Zustandes (V. 22–26). Jesus nimmt ihn bei der Hand und führt ihn aus der Stadt und von der Menge hinweg. Er wendet zu seiner Heilung das an, was von Ihm selbst war, was die Kraft seiner eigenen Person besaß 1. Die erste Wirkung dieser Handlung Jesus schildert deutlich den Zustand der Jünger: sie sahen ohne Zweifel, aber verworren; sie sahen „Menschen wie Bäume wandeln“. Doch die Liebe des Herrn wird durch die ungläubige Trägheit ihres Verständnisses nicht ermüdet. Er handelt nach der Macht seiner eigenen Absichten gegen sie und bewirkt, dass sie klar sehen.

Danach, fern von Israel, wird die Ungewissheit des Unglaubens mit der Gewissheit des Glaubens zusammengestellt, wie dunkel auch dessen Verständnis sein mag (V.27–29). Da die Zeit, Israel von den Rechten Christi als Messias zu überzeugen, vorüber war, so verbietet Jesus seinen Jüngern, von dem zu reden, was sie zuversichtlich glaubten, und verkündigt ihnen zugleich, was Ihm, als dem Sohn des Menschen, zur Erfüllung der Absichten Gottes in Gnade nach seiner Verwerfung durch Israel begegnen würde 2, so dass jetzt alles sozusagen an seinem Platz ist (V. 30. 31). Israel erkennt in Jesus nicht den Messias, und Jesus richtet sich demzufolge nicht mehr in diesem Charakter an das Volk. Seine Jünger glaubten, dass Er der Messias ist, und Er redet zu ihnen von seinem Tod und seiner Auferstehung.

Man kann (und dies ist eine höchst wichtige, praktische Wahrheit) den wahren Glauben besitzen, ohne dass das Herz für die volle Offenbarung Christi zubereitet, und ohne dass das Fleisch nach dem Maß der Erkenntnis, die man von dem Gegenstand des Glaubens hat, praktisch gekreuzigt ist. Petrus erkannte allerdings durch die Unterweisung Gottes, dass Jesus der Christus war; aber er war weit davon entfernt, ein nach den Gedanken Gottes in Christus lauteres Herz zu haben. Wenn daher der Herr seine Verwerfung, seine Erniedrigung und seinen Tod verkündigt, und zwar vor aller Welt, so zeigt das Fleisch Petrus, verletzt durch den Gedanken, einen so verachteten und verworfenen Herrn zu haben, seine Energie, indem es wagt, den Herrn selbst zu strafen (V.32). Dieser Anschlag Satans, die Jünger durch die Schmach des Kreuzes zurückzuschrecken, erregt das Herz des Herrn. Seine vollkommene Liebe zu seinen Jüngern und der Anblick dieser armen Schafe, vor deren Füße der Feind einen Stein des Anstoßes legen wollte, bringt einen scharfen Tadel über Petrus, der das Werkzeug Satans war und für ihn das Wort nahm. Ach! der Beweggrund Petrus war deutlich erkennbar; er sann auf das, was des Menschen, und nicht auf das, was Gottes ist; denn das Kreuz fasst die ganze Herrlichkeit Gottes in sich. Der Mensch aber zieht die Herrlichkeit des Menschen vor, und auf diese Weise beherrscht ihn Satan.

Dann ruft der Herr die Volksmenge und seine Jünger zu sich und erklärt ihnen bestimmt (V. 34), dass, wenn sie Ihm nachfolgen wollten, sie auch das Los mit Ihm teilen und ihr Kreuz aufnehmen müssten. Denn wenn sie auf diese Weise ihr Leben verlören, würden sie es erretten; und die Seele war wohl alles Übrige wert. Wer sich aber Jesus und seiner Worte schämen würde, dessen würde sich der Sohn des Menschen schämen, wenn Er kommen würde in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen heiligen Engeln. Denn Ihm gehörte die Herrlichkeit, wie tief auch seine Erniedrigung sein mochte. Und dieses zeigt Er den hervorragendsten unter seinen Jüngern im nächsten Kapitel, um ihren Glauben zu stärken.

Fußnoten

  • 1 Der Speichel (in Verbindung mit der Heiligkeit der Rabbiner) wurde von den Juden als heilkräftig geschätzt; allein hier knüpft sich seine Wirkung an die Person Dessen, der ihn anwendet.
  • 2 Wir hören hier nichts von der Kirche noch von den Schlüsseln des Reiches. Diese Dinge stehen in Verbindung mit dem Teil des Bekenntnisses Petrus, der hier nicht erwähnt wird, nämlich dass Christus der Sohn des lebendigen Gottes sei. Hier haben wir die Herrlichkeit des in Macht kommenden Reiches im Gegensatz zu dem verworfenen Christus, dem Propheten und Diener in Israel.
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