Dies ist das ewige Leben
Eine Auslegung des ersten Johannesbriefes

Das Zeugnis Gottes

Dies ist das ewige Leben

Wir kommen nun zum dritten und letzten großen Abschnitt unseres Briefes. Er umfasst die Verse 6 bis Vers 21 und geht somit bis zum Schluss des fünften Kapitels.

Zu Beginn unserer Arbeit hatten wir jedem der drei übergeordneten Hauptabschnitte eine Überschrift gegeben, um damit eine Grobeinteilung des Briefes vorzunehmen. Die Überschriften beginnen jeweils mit einem „L“, wodurch man sie sich leicht einprägen kann. „Licht“ kennzeichnet den ersten Hauptabschnitt (Kap. 1 und 2), „Liebe“ den zweiten (Kap. 3 und 4). Für den dritten L-Abschnitt (Kap. 5) ist „Leben“ der übergeordnete Leitgedanke. Licht – Liebe – Leben, damit wird trefflich der Inhalt des ersten Johannesbriefes umrissen.

Für unsere Arbeit war uns allerdings diese Einteilung zu grob. Wir haben sie deswegen nicht direkt benutzt, sondern haben ein feineres Raster über den Text gelegt, um die Gliederungen und Strukturen der einzelnen Abschnitte deutlicher hervortreten zu lassen. Auch für den letzten Hauptabschnitt, der nun vor uns liegt, wollen wir so verfahren und ihn dreifach untergliedern.

Die Verse 6 bis 12 bilden den ersten Unterabschnitt. Er stellt uns das Zeugnis Gottes vor, das Christus und das ewige Leben zum Inhalt hat. Der zweite Unterabschnitt (Verse 13–17) zeigt uns das Leben des Glaubens unter besonderer Beachtung des Gebets. Der dritte Unterabschnitt (Verse 18–21) bringt dann noch einige gesicherte Tatsachen im Blick auf das ewige Leben vor uns.

Es sei bemerkt, dass der erste Unterabschnitt, dem wir uns nun zuwenden wollen, einer der tiefgründigsten im ganzen ersten Johannesbrief ist. Im Besonderen denke ich dabei an die ersten drei Verse dieses Abschnitts (Verse 6–8). Die äußerst knappe und abstrakte Sprache des Apostels in diesem komplexen (vielschichtigen) Text bedarf einer mehrfachen Deutung, ja fordert sie geradezu.

So blicken wir empor zu unserem Herrn und Heiland mit der Bitte, unser Verständnis zu erleuchten und uns Seinen Beistand zu gewähren. Ist Er es doch auch heute noch, der uns nicht allein die „Schriften“, sondern auch das „Verständnis“ zu öffnen vermag (Lk 24,32.45).

Wie Christus gekommen ist

„Dieser ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut, Jesus Christus; nicht durch das Wasser allein, sondern durch das Wasser und durch das Blut“ (1. Joh 5, 6ab).

„Dieser“ zu Anfang des Satzes weist zurück auf den vorigen Vers, wo von Jesus als dem Sohn Gottes die Rede war. Dort hieß es: „... der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist.“ Dadurch, dass vor „Sohn Gottes“ der Artikel steht {„der Sohn Gottes“), wird eine betonte Gleichsetzung mit „Jesus“ vorgenommen: Jesus ist der (eingeborene) Sohn Gottes.

Oder anders ausgedrückt: Der ewige Sohn Gottes ist ein und dieselbe Person wie der geschichtliche Jesus – eine Wahrheit, die, wie wir sehen werden, von Gottes Seite aus reichlich bezeugt wird.

Doch wenn wir soeben vom Glauben an den Sohn Gottes gehört haben, wird jetzt der Frage nachgegangen: In welcher Weise ist Er gekommen? Diese Fragestellung mag uns ein wenig überraschen, doch wir werden sehen, dass die Beantwortung dieser Frage von wesentlicher, ja fundamentaler (grundlegender) Bedeutung ist.

Die Tatsache, dass Er gekommen ist, ist allein schon großartig und des Nachdenkens wert. In Kapitel 1, Vers 2, wurde gezeigt, dass Er als das ewige Leben offenbart worden ist. In Kapitel 4, Vers 10, sahen wir, dass Er von Gottgesandt worden ist. Und jetzt heißt es, dass ILr gekommen ist. Ja, Geliebte, Er ist zu uns gekommen, nicht nur halben Weges, sondern ganz. Er ist gekommen, um uns in den Besitz all dessen zu bringen, was Gott für uns in Seinem Herzen hat. So nahe ist Er uns gekommen, dass wir Ihn – im Glauben – berühren können. Kostbarer Gedanke!

Durch Wasser und Blut

Aber dann wird uns die Art und Weise gezeigt, in der Er gekommen ist:

„Dieser ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut, Jesus Christus“ (Vers 6 a).

Manche meinen, dass mit „Wasser“ auf die Taufe des Herrn und mit „Blut“ auf das Abendmahl hingewiesen wird. Aber das ist nicht stichhaltig. Vielmehr spielt der Heilige Geist direkt auf

jenen Lanzenstich an, den ein römischer Soldat dem bereits gestorbenen Heiland beibrachte. Nur Johannes berichtet in seinem Evangelium von der geöffneten Seite unseres anbetungswürdigen Heilandes und bezeugt, dass sogleich „Blut und Wasser“ herauskamen (Joh 19,34). Und er fügt hinzu: „Und der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr; und er weiß, dass er sagt, was wahr ist, damit auch ihr glaubt“ (Vers 35). Bemerkenswertes Bezeugen des Todes Christi!

„Wasser“ und „Blut“ in unserem Text beziehen sich also auf den Tod des Herrn, nicht auf die Taufe und auch nicht auf die Geburt Jesu. Warum die Reihenfolge der beiden Stücke im Evangelium eine andere ist als im Brief, wollen wir später zu erklären versuchen. Wichtig ist zuerst einmal, die Bedeutung des „durch“ zu verstehen: „... gekommen durch Wasser und Blut.“ Die griechische Präposition (das Verhältniswort) „did“ (= durch) gibt im Allgemeinen das Mittel oder Werkzeug an, durch das etwas geschieht. Aber daraus folgernd beschreibt sie auch den Charaktery in dem eine Sache geschieht. Und das ist hier die Bedeutung. So deutet „did“ den Charakter an, in dem Christus (zu uns) kam: durch den Tod.

Wenn Christus wirklich zu uns kommen, wenn Er uns in unserem Sündenelend erreichen wollte, dann genügte Seine Menschwerdung nicht, auch nicht Sein heiliges Leben. Nein, dann musste Er für uns in den Tod gehen. Nichts Geringeres wird uns hier gezeigt. Welch eine Gnade, welch ein Erbarmen, dass „Dieser“, nämlich „Jesus Christus“, in diesem Charakter, in dieser ernsten Weise zu uns kam – nicht als siegender König in Macht und Herrlichkeit, sondern „durch Wasser und Blut“!

Gesegnete Ergebnisse des Todes Christi

Die Fortführung des Satzes sieht auf den ersten Blick nur wie eine bestätigende Wiederholung des bereits in Vers 6a Gesagten aus, sie ist jedoch unbedingt mehr als das.

„... nicht durch das Wasser allein, sondern durch das Wasser und durch das Blut“ (Vers 6b).

Der Unterschied zum Vorhergehenden liegt im Gebrauch der Präpositionen (Verhältniswörter). Zwar kommt auch in diesem Satzteil das „Durch“ vor, dreimal, aber im Griechischen steht jedes Mal nicht „diá“, sondern stets „en“ (= in). „En“ redet von der Kraft, die Christus gemäß dem Charakter von Vers 6 a entfaltete und die zu kostbaren Ergebnissen für den Glaubenden führt. Die Symbole „Wasser“ und „Blut“ erhalten unter dieser Blickrichtung eine weitergehende Bedeutung. Obgleich beide vom Tod Christi sprechen, drückt nun „Wasser“ den Gedanken von Reinigung, „Blut“ den von Sühnung aus. Insofern haben wir jetzt eine zweite Bedeutungsebene erreicht, in der uns anhand der beiden Symbole zwei wichtige Ergebnisse des Todes Christi vorgestellt werden.

Später, wenn es um das Zeugnis geht („Drei sind es, die Zeugnis ablegen“), kommt noch eine dritte Bedeutungsebene hinzu. Es ist so wie mit einem kristallklaren Edelstein. Er bricht das einfallende Sonnenlicht, so dass der Betrachter bei sich veränderndem Standpunkt jeweils eine andere Farbe leuchten sieht. Der Edelstein ist derselbe, nur die Farben ändern sich. So sind auch die vom Geist Gottes verwendeten Symbole dieselben, obwohl sich entsprechend der Blickrichtung ihre Bedeutung leicht verändert oder verschiebt.

Reinigung

Das zuerst genannte Ergebnis des Todes Christi für uns ist Reinigung. Es ist eine sittliche Reinigung, die wir als sündige Menschen nötig hatten. Unser ganzes „Dichten und Trachten“ war sündig, unrein, schmutzig. Aber nicht nur unsere Gedankenwelt war unrein, sondern auch unser Tun und Lassen. Um wirklich glücklich zu sein und Gemeinschaft mit Gott zu haben, mussten wir von diesem sittlichen Schmutz gereinigt werden, und der Tod Christi hat das für die an Ihn Glaubenden bewirkt. Dass das Wasser aus der Seite eines gestorbenen Christus floss, bezeugt diese glückselige Tatsache.

Der Herr Jesus hatte anlässlich der Fußwaschung zu Seinen Jüngern von einem „Baden“ gesprochen und gesagt: „Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein; und ihr seid rein ...“ (Joh 13,10). Dieses Baden geschah, als wir „von neuem“, als wir „aus Wasser und Geist geboren“ wurden (Joh 3,3.5). Dieser Vorgang der neuen Geburt ist unbedingt einmalig, und die damit eng verbundene Reinigung oder Heiligung ist es ebenso. Sie können nicht wiederholt werden. Das „Wasser“ ist hier das oft gebrauchte Bild von der Reinigung durch das Wort Gottes, angewandt in der Macht des Heiligen Geistes.

Wir haben denselben Gedanken auch in Epheser 5: „... damit er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort“ (Vers 26). Es ist grundsätzliche Reinigung und Heiligung zu Beginn unseres christlichen Weges. Auch in 1. Korinther 6 wird davon gesprochen, was daraus erhellt, dass die Rechtfertigung von den beiden ersten Segnungen unterschieden und erst an dritter Stelle genannt wird: „... aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes“ (Vers 11).

Der Apostel Petrus drückt dieselbe Wahrheit einmal so aus: „Und Gott, der Herzenskenner ... machte keinen Unterschied zwischen uns (den Juden) und ihnen (den Nationen), indem er durch den Glauben ihre Herzen reinigte“ (Apg 15,8.9). Dieses Zitat macht deutlich, dass das Reinigen auch eine Sache unserer Herzen, das heißt unserer Gedanken, Beweggründe und Zuneigungen ist. Als uns Gott bei unserer Bekehrung neues, göttliches Leben verlieh, schenkte Er uns damit auch neue Beweggründe und neue Zuneigungen, die wir früher nicht kannten und die uns zu Ihm, nach oben ziehen. Die Reinigung hat also durchaus einen positiven Charakter, ein nach oben gerichtetes Ziel. Es ist nicht nur das Entfernen dessen, was unrein ist. Was hier grundsätzlich von der Reinigung gesagt wird, hatten wir bereits in Kapitel 3, Vers 3, in praktischer Hinsicht vor uns.

Sühnung

Wenn wir jetzt zu dem zweiten Ergebnis des Todes Christi für uns, der Sühnung kommen, so können wir sagen, dass wir sowohl die Reinigung wie die Sühnung unter dem Gedanken der Reinigung zusammenfassen können. Nur ist die besprochene Reinigung eine Reinigung menschenwärts, Sühnung aber eine Reinigung gottwärts. Das eine ist eine sittliche Reinigung, das andere eine Reinigung durch Gericht. Die erste Reinigung geht mit der Heiligung einher, die Sühnung mit der Rechtfertigung. Darin liegt der Unterschied.

Wir hatten jedenfalls nicht nur die sittliche Reinigung nötig, sondern es musste auch der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes entsprochen werden. Wenn es aber um die Reinigung von unserer Schuld, von unseren Sünden, geht, dann ist es nicht eine Frage des „Wassers“, sondern des „Blutes“.

Wir hatten das schon ganz zu Beginn unseres Briefes gesehen: „Und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (Kap. i, 7). Ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung (Heb 9,22). Und wenn unser Gewissen von toten Werken gereinigt werden sollte, so konnte das nur durch das Blut des Christus geschehen, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat (Heb 9,14). In der Doxologie (Lobpreisung) von Offenbarung 1, in die wir so gern einstimmen, heißt es: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut ... ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (Verse 5.6).

Wie schon bemerkt, hatten wir beide Seiten der Reinigung nötig – Heiligung und Sühnung. Wir dürfen nicht die eine auf Kosten der anderen betonen, beide gehören zusammen. So sehr ist das der Fall, dass, wenn wir eines vom anderen trennen, wir beides verlieren. Aus der geöffneten Seite des gestorbenen Christus kam beides heraus – das Wasser und das Blut.

In der Christenheit hat es immer solche gegeben, die sich, um in der symbolischen Sprache unseres Bibeltextes zu reden, wohl für das „Wasser“ interessieren, nicht aber für das „Blut“. Die reinen sittlichen Grundsätze des Christentums sprechen sie an, und zum Teil versuchen sie, ihnen entsprechend zu leben. Aber die Notwendigkeit der Sühnung durch das Blut Jesu lehnen sie ab. Sie wollen Sein Leben haben ohne Seinen Tod. Um solchen Tendenzen entgegenzuwirken, wird hier in gewissem Maß dem Blut dadurch Nachdruck verliehen, dass ausdrücklich gesagt wird: „... nicht durch das Wasser allein, sondern durch das Wasser und durch das Blut.“ Beide sind absolut erforderlich, und beide können nur im Tod Christi gefunden werden.

Damit kommen wir zu der Frage, warum im Evangelium zuerst das Blut, im Brief des Johannes dagegen zuerst das Wasser genannt wird. Nun, im Evangelium haben wir den historischen Bericht über den Tod des Herrn, und dort wird die Aufmerksamkeit zuerst auf das Blut gelenkt, weil wir dies als Erstes nötig hatten: die Sühnung und Vergebung unserer Schuld. Das entspricht auch unserer Erfahrung. Als wir uns zum Herrn bekehrten, ging es uns zu allererst um Vergebung. Die Frage unserer sittlichen Reinigung und Heiligung schloss sich daran wie von selbst an.

Aber im ersten Johannesbrief liegt eine andere Gewichtung vor. Hier haben wir das ewige Leben vor uns, wie es sich in dem Kind Gottes offenbaren soll. Und für dieses ewige Leben in dem Gläubigen ist sittliche Reinheit ein wesentlicher Charakterzug. Doch in jedem Fall gehören die beiden Ergebnisse des Todes Christi, Reinigung und Sühnung, zusammen. Wie groß, dass uns beides geschenkt ist!

Der Geist legt Zeugnis ab

Der sechste Vers hat noch eine höchst bemerkenswerte Fortsetzung:

„Und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt, weil der Geist die Wahrheit ist“ (Vers 6c).

Warum wird jetzt die Person des Heiligen Geistes eingeführt? Weil die Gabe des Geistes ein drittes Ergebnis des Todes des Herrn darstellt. Die Innewohnung des Geistes Gottes steht hier zwar nicht im Vordergrund – das war der Fall in Kapitel 3, Vers 24, und Kapitel 4, Vers 13 –, aber sie wird vorausgesetzt. Als Siegel einer vollbrachten Erlösung kam der Heilige Geist auf die Erde, um in den Erlösten Wohnung zu nehmen und in ihnen Zeugnis von Christus und Seinem Werk abzulegen. Nur in der Kraft des Geistes können wir uns der gesegneten Ergebnisse erfreuen, die uns aus dem Tod Christi zufließen.

Wir haben also in Vers 6 drei Ergebnisse des Todes Christi für den Gläubigen: Reinigung (Wasser) – Sühnung (Blut) – Versiegelung (mit dem Geist). Es gibt eine interessante Parallele dazu im Alten Testament, in 2. Mose 29. Bei der Weihung der Söhne Aarons zum Priesterdienst wurde zuerst das Wusser angewendet (Vers 4), dann das Blut (Vers 20) und schließlich das Sulböl (Vers 21). Öl ist in der Heiligen Schrift oft ein Bild vom Heiligen Geist. Es sind dieselben Stücke – in derselben Reihenfolge wie in 1. Johannes 5, Vers 6.

Von diesem „Geist der Wahrheit“ hat der Herr Jesus schon vor Seinem Tod gesprochen. Hören wir nur zwei Zitate: „Der Sachwalter aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten ... Er wird mich verherrlichen“ (Joh 16,13.14). Diese Worte geben uns einen gewissen Eindruck davon, was es bedeutet, dass der Geist „Zeugnis ablegt“.

Unter diesem Blickwinkel also wird hier der Heilige Geist gesehen. Tatsächlich sind es drei, die Zeugnis ablegen, wie wir aus den beiden nächsten Versen 7 und 8 erfahren, nächst dem Geist das Wusser und das Blut. In Vers 6 wird allerdings nur vom Geist gesagt, dass Er Zeugnis ablegt. Er steht in dieser Hinsicht zunächst allein da – als eine Person in der Gottheit. Und als Grund dafür, dass der Geist Zeugnis ablegt, wird gesagt: „... weil der Geist die Wahrheit ist“.

Das schließt ein, dass das Zeugnis des Heiligen Geistes, das Er von Christus und Seinem Werk gibt, absolut wahr ist. Und wie glücklich können wir uns schätzen, dass wir solch ein göttliches Zeugnis besitzen, ein Zeugnis, das sich auf die inspirierten heiligen Schriften stützt!

Doch was am Ende von Vers 6 gesagt wird, geht weiter: Der Geist selbst ist die Wahrheit. Gott, der Vater, wird nie „die Wahrheit“ genannt, weil Gott als solcher nicht die Offenbarung Gottes ist. Aber der Herr Jesus nennt sich selbst „die Wahrheit“ (Joh 14,6), und Er sagt vom Wort Gottes: „Dein Wort ist Wahrheit“ (Joh 17,17). Und hier nun ist es der Geist, der die Wahrheit ist. Wie können wir die drei Aussagen miteinander in Einklang bringen?

Der Herr Jesus ist die Wahrheit im objektiven Sinn, das will sagen, Er ist der eigentliche Gegenstand, der zentrale Punkt der Wahrheit, auf den alles hinausläuft. Das Wort Gottes ist das Instrument, das Gott zur Offenbarung der Wahrheit benutzt. Der Heilige Geist schließlich ist die Wahrheit als innere Krajt in den Gläubigen – eine Kraft, die es ihnen ermöglicht, Christus zu erfassen und zu genießen. Hat Gott uns nicht in optimaler Weise mit allem ausgestattet, was wir nötig haben, um völlig glücklich zu sein und vor allem Falschen bewahrt zu bleiben?

Drei Zeugen

Bisher wurde als Einzigem vom Heiligen Geist gesagt, dass Er Zeugnis ablegt. Jetzt treten zwei weitere Zeugen hinzu:

„Denn drei sind es, die Zeugnis Megen: der Geist und das Wasser und das Blut, und die drei sind einstimmig“ (Verse 7.8).

Es sind drei Zeugen, aber nur ein Zeugnis, das sie bezeugen. In der Tat ist es das Zeugnis des Geistes, ist es Seine Gegenwart in uns, die uns fähig macht, den Wert des „Wassers“ und des „Blutes“ zu schätzen. Das „Wasser“ und das „Blut“ werden nur symbolisch „Zeugen“ genannt, sie werden gleichsam personifiziert. Aber der Heilige Geist ist wahrhaft eine Person in der Gottheit, und Seine besondere Funktion ist, auf der Erde ein Zeugnis zu geben. Das „Wasser“ und das „Blut“ sind mehr stille Zeugen, aber alle drei sind in ihrem Zeugnis einstimmig. Der Ausdruck bedeutet: Sie sind in ihrem Zeugnis „auf die eine Sache gerichtet“. Es ist mehr gemeint als nur Übereinstimmung.

Wir können sicher sagen, dass der Geist als einziger aktiver Zeuge das „Wasser“ und das „Blut“ als Instrumente benutzt. Den beiden Symbolen kommt unter dem Blickwinkel des Zeugnisses oder des Bezeugens eine leicht veränderte Bedeutung zu. Weiter oben hörten wir von einer dritten Bedeutungsebene. „Blut“ weist auf den Tod Christi hin als die Grundlage für jede Segnung, besonders die des ewigen Lebens, während „Wasser“ das schon bekannte Bild vom Wort Gottes ist. Wir hatten diese Bedeutung des „Wassers“ schon in Verbindung mit der neuen Geburt (Joh 3,5) und der sittlichen Reinigung (Eph 5,26) vor uns. Insofern können wir in dem „Wasser“ sowohl das Mittel oder Instrument erblicken, das Gott benutzt, als auch das dadurch erreichte Ergebnis.

Dies also sind die Träger des Zeugnisses Gottes: der Geist und das „Wasser“ und das „Blut“.

Auffallend und zunächst ein wenig verwirrend ist, dass der Apostel bis jetzt nichts über den Gegenstand und den Inhalt des Zeugnisses gesagt hat. Das tut er jedoch in den nächsten Versen. Die Verse 9 und 10, die gedanklich eine kleine Einschaltung bilden, zeigen uns den Gegenstand des Zeugnisses Gottes: Seinen Sohn. Erst die Verse 11 und 12 bringen dann den eigentlichen Inhalt des Zeugnisses vor uns: dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat und dass dieses Leben in Seinem Sohn ist. Um also den Gedankengang recht zu erfassen, müssen wir das Ende des achten Verses direkt mit dem Anfang des elften Verses verbinden.

Zusammenfassung

Sicherlich wird der Leser eine knappe Zusammenfassung dessen begrüßen, was in den inhaltsreichen Versen 6–8 vor uns war, ehe wir uns dann der bedeutsamen Einschaltung zuwenden. Wir haben gesehen, dass sich die Bedeutung der verwendeten Symbole (Wasser und Blut) entsprechend dem Textzusammenhang und der Sichtweise leicht verschiebt, so dass sich drei Bedeutungsebenen ergeben. Im Folgenden sollen in schematischer Form die Zusammenhänge noch einmal kurz aufgezeigt werden.

Ebene 1 (Vers 6a): „Wasser“ + „Blut“ als Charakter des Kommens Christi „ Tod.

Ebene 2 (Vers 6b): „Wasser“ + „Blut“ + Heiliger Geist als Ergebnis des Todes Christi für uns „ Reinigung (Heiligung und Rechtfertigung} und Versiegelung.

Ebene 3 (Verse 7.8): Heiliger Geist + „Wasser“ + „Blut“ als Instrumente und Zeugen Gottes zur Anwendung auf uns „ der Heilige Geist benutzt das Wort Gottes und den Tod Christi.

Das Zeugnis Gottes über Seinen Sohn

„Wenn wir das Zeugnis der Menschen annehmen – das Zeugnis Gottes ist größer; denn dies ist das Zeugnis Gottes; das er bezeugt hat über seinen Sohn“ (Vers 9).

Wir nehmen das Zeugnis glaubwürdiger Menschen ohne Weiteres an, nicht allein in untergeordneten Dingen, sondern durchaus auch in wichtigen. Das ganze System des Handels in der Welt beispielsweise beruht darauf.

Wir sind uns im Allgemeinen kaum bewusst, wie sehr wir im täglichen Leben von der Glaubwürdigkeit der Menschen ausgehen, mit denen wir es zu tun haben. Das „Wenn“ zu Anfang drückt denn auch keinen Zweifel aus – es ist, grammatisch gesehen, das „Wenn“ einer erfüllten Bedingung. Die vorgestellte Sache wird also Abgegeben angenommen, so dass wir übersetzen können: „Wenn wir schon das Zeugnis der Menschen annehmen ..“ Ja, wir tun das.

Doch das Zeugnis Gottes ist unendlich größer als das Zeugnis der Menschen, und das aus mindestens zwei Gründen:

  • Es ist Sein eigenes Zeugnis, das Er selbst bezeugt hat und das somit absolut wahr ist. Wenn wir schon das Zeugnis irrender Menschen als wahr annehmen, sollten wir dann das Zeugnis des großen, allmächtigen Gottes nicht annehmen – das Zeugnis Dessen, der „nicht lügen kann“ (Ti 1,2)?
  • Das Zeugnis Gottes hat nicht irgendeine geringfügige Sache zum Gegenstand, wie es zumeist bei uns Menschen ist. Nein, es geht um den größten und erhabensten Gegenstand, den wir uns denken können: um die Person Seines Sohnes.

Was der Geist und das „Wasser“ und das „BIut“ sagen, ist Gottes eigenes Zeugnis. Er selbst hat uns diese drei Zeugen gegeben, und durch sie redet Er zu uns, redet zu uns von Seinem Sohn. Es ist in diesen Tagen des Unglaubens von großer Bedeutung, dass, wenn Gott uns ein Zeugnis gibt, es über Seinen Sohn ist. Der Herr Jesus ist der Sohn Gottes. Das hat gerade unser Brief uns wiederholt und so deutlich bezeugt. Schon der nächste Vers legt erneut den Nachdruck darauf.

Wenn gesagt wird: „Denn dies ist das Zeugnis Gottes, das er bezeugt hat über seinen Sohn“, so unterstreicht das die beiden Tatsachen, die soeben vor uns waren: dass es das Zeugnis Gottes ist, und dass es Seinen Sohn zum Gegenstand hat. Aber dann ist die Perfekt-Form bei „er hat bezeugt“ bemerkenswert. Sie drückt eine vollendete und in ihrer Wirkung fortdauernde Tatsache aus: Die Bezeugung durch Gott reicht bis in die Gegenwart hinein. Dieses Zeugnis, einmal gegeben, steht heute, und es steht in Ewigkeit.

Als der Sohn auf der Erde war, legte Er von Gott Zeugnis ab. Heute, da der Geist Gottes hier ist, gibt Gott von dem Sohn Zeugnis – von Dem, dessen Herrlichkeit in der Christenheit vielfach geleugnet, ja, untergraben wird. Tatsächlich scheiden sich die Geister und entscheidet sich das Wohl und Wehe der Menschen nicht an dem Vater, sondern an dem Sohn. Wir haben das in Kapitel 2 gesehen: „Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater“ (Vers 23). Auch in den Versen 11 und 12 unseres Kapitels wird uns dieser enste Gedanke erneut begegnen.

An den Sohn glauben

Haben alle Leser dieser Zeilen das Zeugnis Gottes im Glauben angenommen? Wenn ja, dann können sie sich des Vorrechts erfreuen, von dem nun im ersten Teil des zehnten Verses gesprochen wird:

„Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich selbst“ (Vers 10 a).

Dieser Vers knüpft an Vers 5 an, erweitert ihn jedoch erheblich. Dort war der Glaube, dass Jesus der Sohn Gottes ist, die Voraussetzung für das Überwinden der Welt. Jetzt aber geht es um das Zeugnis Gottes über Seinen Sohn und um die alles entscheidende Frage, ob man es annimmt.

Eine textliche Besonderheit > Glauben an

Zum ersten Mal in diesem Brief wird hier das Verb (Tätigkeitswort) „glauben“ in Verbindung mit der Präposition (Verhältniswort) „eis“ gebraucht: glauben an. Wenn diese Konstruktion vor uns kommt, drückt sie zweierlei Gedanken aus: einerseits die Richtung, in der der Glaube wirksam ist, in der sich der Sinn bewegt; und andererseits den Gegenstand, den Ruhepunkt, auf dem der Glaube ruht. So sagte der Herr Jesus einmal zu Seinen Jüngern: „Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich!“ (Joh 14,1). Ihr Glaube ruhte auf Gott, Gott war der Gegenstand ihres Glaubens. Nun, als ihr Heiland von ihnen ging, sollte sich ihr Glaube auch in Richtung auf den Herrn zubewegen, sollte Ihn zum Gegenstand und Ruhepol für das Herz machen. Dieser Gebrauch von „glauben“ findet sich allein im Evangelium nach Johannes an die vierzigmal, zum Beispiel in Kapitel 6,47; 7,38; 12,44. In unserem Brief begegnet uns die Wendung „glauben an“ außer in der zweiten Hälfte unseres Verses noch einmal in Kapitel 5,13.

„Glauben“ mit dem Dativ (WEM-Fall) dagegen bedeutet einfach, jemandem glauben; bedeutet das zu glauben, was jemand sagt. So musste der Herr den Juden vorhalten: „Wenn ich nicht die Werke meines Vaters tue, so glaubt mir nicht; wenn ich sie aber tue, so glaubt den Werken - wenn ihr auch mir nicht glaubt“ (Joh 10,37.38). In der Apostelgeschichte heißt es einmal, dass die Samariter „dem Philippus glaubten“, nachdem er ihnen das Evangelium verkündigt hatte (Kap. 8,12). Dieser Gebrauch von „glauben“ mit dem Dativ liegt in unserem Brief in Kapitel 3,23 vor: „dem Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben“, wie es dort wörtlich heißt. Wir hatten darüber gesprochen. Doch auch der nächste Satz in unserem Vers 10 in Kapitel 5 bietet dafür ein weiteres, einleuchtendes Beispiel: „Wer Gott nicht glaubt...“, das heißt, wer dem nicht glaubt, was Gott gesagt hat.

Den Worten Gottes Glauben zu schenken ist eine Sache. Eine andere, weitergehende ist es, die Person Gottes zum Gegenstand des Glaubens zu haben und an Ihn zu glauben. Das erhellt schon daraus, dass ich durchaus zu jemand sagen könnte: „Glaube mir!“, aber niemals auffordern könnte, an mich zu glauben. An eine Person oder Sache zu glauben setzt voraus, dass diese weit über uns ist.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass „glauben“ im Neuen Testament auch noch in Verbindung mit der Präposition „epi“ (= auf) vorkommt. Dann steht die Grundlage des Glaubens oder des Vertrauens im Vordergrund. So wird in Apostelgeschichte 9 gesagt: „Es wurde aber durch ganz Joppe hin bekannt, und viele glaubten an den Herrn“ (Vers 42), wörtlich: Sie glaubten aufgrund des Herrn. Ein schöner Gedanke.

Damit kommen wir zu unserem Text zurück.

Als das erste Mal in diesem Brief vom Glauben gesprochen wurde (Kap. 3,23), haben wir schon ein wenig von dem Zeugnis Gottes gesehen, das Er über Seinen Sohn bezeugt hat. Die Herrlichkeiten und Vortrefflichkeiten Seines Sohnes hat Gott in Seinem heiligen Wort niedergelegt und offenbart, so dass sie den Menschen zugänglich sind.

Wer nun das Zeugnis Gottes annimmt und an Seinen Sohn als den Sohn Gottes glaubt, der hat nicht nur ein Zeugnis außerhalb von sich – wie die heiligen Schriften, so wichtig das ist und bleibt –, sondern er hat es auch in sich selbst. Denn Gott teilt dem Glaubenden ewiges Leben mit. Es ist Christus selbst, Christus durch den Geist in uns.

Das „Zeugnis“ ist hier nicht der Heilige Geist. Vielmehr wird damit beschrieben, was das Zeugnis in sich selbst ist, das Zeugnis im objektiven Sinn. Es ist der Gegenstand des Zeugnisses, der hier gemeint ist – Christus. So verstehen wir umso besser, dass das Zeugnis Gottes größer ist als das der Menschen. Wir haben die Sache selbst. In einem Wort: Wir haben

Christus, das ewige Leben. Es ist eine unermessliche Segnung, die wir schon heute besitzen und die das Teil all derer ist, die an den Sohn Gottes glauben.

Gott nicht glauben

„Wer Gott nicht glaubt, hat ihn zum Lügner gemacht, weil er nicht an das Zeugnis geglaubt hat, das Gott bezeugt hat über seinen Sohn“ (Vers 10 b).

Johannes betont, vertieft den Gedanken. Dabei ist es erstaunlich, wie der Heilige Geist, der durch ihn redet, verschiedene Ausdrücke sehr oft wiederholt. In den wenigen Versen 9–12 wird von „Gott“ immerhin siebenmal, von Seinem „Sohn“ sechsmal gesprochen. Der Ausdruck „Zeugnis“ mit dem entsprechenden Verb (Tätigkeitswort) „bezeugen“ wird nicht weniger als achtmal wiederholt. Eine ähnliche Häufung gab es schon im zweiten Kapitel. In den Versen 3–8 fand das Wort „Gebot“ häufige Erwähnung und in den Versen 24–28 das Verb „bleiben“. Derartige Häufungen bestimmter Ausdrücke sollen gewiss dazu dienen, den damit verbundenen Gedankengängen schon rein äußerlich Nachdruck zu verleihen.

Hier wird nun der Ungläubige in ernster Weise dem Gläubigen gegenübergestellt. Während der gläubige Christ „an den Sohn Gottes glaubt“, glaubt der ungläubige Mensch nicht den Worten Gottes, „glaubt nicht Gott“.

Dass er damit Gott zum Lügner macht (oder wörtlich: gemacht hat), wird dann noch mit den Worten begründet: „Weil er nicht an das Zeugnis Gottes geglaubt hat, das Gott bezeugt hat über seinen Sohn.“

Dreimal hintereinander treffen wir in dieser zweiten Vers- hälfte auf die Perfekt-Form: „Wer Gott nicht glaubt,

hat ihn zum Lügnergemacht,
weil er nicht an das Zeugnis geglaubt hat,
das Gott bezeugt hat über seinen Sohn.“

Über die Bedeutung der letzten Aussage haben wir schon in Verbindung mit Vers 9 gesprochen: Die Perfekt-Form drückt die bleibende Wirkung der Bezeugung durch Gott aus. Das ist nicht schwer zu verstehen.

Etwas schwieriger scheint die Erklärung der beiden ersten, den Ungläubigen betreffenden Aussagen zu sein. Offenbar soll gezeigt werden, dass der Ungläubige dies^Zzw hat, und zwar von jenem Augenblick an, als Gott Sein Zeugnis vor sein Herz stellte. Schon von diesem Moment an lehnte es der Ungläubige ab, Gott und Seinem Zeugnis über Seinen Sohn Glauben zu schenken. Und das Erschreckende ist, dass er noch immer in diesem Zustand ist (das drückt die Perfekt-Form ebenfalls aus) und – müssen wir hinzufügen – darin bleiben wird, wenn er sich nicht doch noch dem Wirken der Gnade öffnet.

Es heißt, Gott zum Lügner zu machen, wenn man es ablehnt, Ihm in irgendeiner Angelegenheit zu glauben. Hatten wir das nicht schon ganz zu Anfang unseres Briefes gesehen? Dort wurde festgestellt: „Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, so machen wir ihn zum Lügner“ (Kap. 1,10). Aber es stellt den denkbar schlimmsten Fall dar, Gott zum Lügner zu machen, wenn man das Zeugnis Gottes über Seinen Sohn verwirft.

Bedenken wir, liebe Freunde, wie weit das geht: Das staubgeborene Geschöpf macht den Allmächtigen, macht den über alles erhabenen Gott, der nicht lügen kann, zum Lügner! Es ist eine ungeheure, furchtbare Sünde. Jeder, der sich ihrer schuldig macht, wird sich dafür vor dem höchsten Richter verantworten müssen. Viele christliche Menschen halten sich für ehrbare Leute, und in gewissem Sinn mögen sie das auch sein. Aber Gott wird auch sie einmal fragen, was sie mit Seinem Zeugnis über Seinen Sohn gemacht haben. Das wird für ihr Wohl oder Wehe in der Ewigkeit entscheidend sein.

Oder sollte jemand wirklich meinen, er könne Gott, die höchste Autorität, ungestraft zum Lügner machen?

Gott gibt ewiges Leben

Nachdem wir die drei Träger des Zeugnisses Gottes kennen gelernt haben – den Geist, das Wasser und das Blut (Verse 7.8), erfahren wir jetzt, was den eigentlichen Inhalt ihres Zeugnisses ausmacht. Dieses Zeugnis ist zweifach:

„Und dies ist das Zeugnis: dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn“ (Vers 11).

Wir hatten gesagt, dass wir, um den Gedankengang recht zu erfassen, das Ende des achten Verses direkt mit dem elften Vers verbinden müssen. Tatsächlich ist der elfte Vers die inhaltliche Fortsetzung des achten. Dennoch können wir das Zeugnis Gottes über Seinen Sohn, das in den Versen dazwischen vor uns war, nicht von dem Zeugnis in Vers 11 trennen. Das wird besonders deutlich, wenn wir zu dessen zweiter Seite kommen. In Wahrheit steht jede Segnung, die uns geschenkt ist, in untrennbarer Verbindung mit dem Sohn, unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Nur durch Ihn kommt alles zu uns. Ich betone das deswegen, um zu zeigen, dass die Einschaltung (Verse 9.10) nicht so ganz beziehungslos zum Nachfolgenden ist, wie man es vielleicht vermuten könnte.

Zunächst wird uns also versichert, „dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat“. Das ist in dieser Fülle und Klarheit noch nicht in diesem Brief gesagt worden. Wohl gab es von Anfang an Hinweise auf diese große Segnung. Aber die jetzige Aussage macht doch deutlich, dass Johannes nunmehr zum Höhepunkt seines Briefes gelangt. Er hat sich gleichsam die Frage der Mitteilung des Lebens bis fast zum Schluss aufgehoben.

Zu Beginn des Briefes erfahren wir, dass das „Leben offenbart worden“ ist, das heißt, um uns zu erreichen (Kap. 1,2). Später wird gezeigt, welchen Weg die Liebe Gottes einschlug, um uns in den Besitz des Lebens zu bringen: Gott hat Seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt, damit wir durch Ihn, den Sohn, leben möchten (Kap. 4,9). Beachten wir das „durch Ihn“ in diesem Vers: Wir leben „durch ihn“. Auch können wir in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen Stellen in unserem Brief verweisen, in denen von solchen gesprochen wird, die „aus Gott geboren“ sind (Kap. 2,29; 3,9; 4,7; 5,1.18). Diese Neugeburt ist es ja, durch die wir ewiges Leben erlangen – natürlich nicht ohne Glauben an den Namen des Sohnes Gottes (Kap. 5,13; Joh 1,12.13).

Nun aber wird direkt gesagt, „dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat“. Wunderbare Segnung, die wir nicht hoch genug einschätzen können! Das im Griechischen bei „ewiges Lebern nachgestellte Eigenschaftswort (wörtlich: Leben, ein ewiges) erfährt durch diese Stellung nicht allein eine gewisse Betonung sondern es wird auch zu anderen infrage kommenden Eigenschaften in Gegensatz gesetzt: Es handelt sich um Leben, aber nicht um ein irdisches oder zeitliches, sondern um ein ewiges Leben.

Wir lesen nirgends in der Heiligen Schrift, dass Engel ewiges Leben haben. Sie haben eine ewige Existenz, gewiss. Aber ewiges Leben ist nicht ewige Existenz – es ist die Natur Gottes. Es ist somit auch nicht eine Sache, die dem Wachstum unterworfen wäre. Gott gibt es dem Glaubenden. Und wer an den Sohn und den Vater, der Ihn gesandt hat, glaubt, hat es (Joh 5,24).

Wir können Gott nicht genügend danken für dieses unermessliche Geschenk Seiner Gnade. Ewiges Leben ist ein geistliches Leben, das uns in unmittelbare Nähe zu Gott bringt. Es ist ein wirkliches Leben, das wir haben – ein Leben, das uns mit dem Sohn verbindet und das wir vorher nicht hatten. Kraft dieses Lebens können wir Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohn haben (Kap. 1,3). Dieses Leben versetzt uns in die Lage, die Personen der Gottheit zu erkennen und uns ihrer zu erfreuen (Joh 17,3). Wir singen und sagen mit Recht: „Was wäre der Himmel ohne Dich und alle Herrlichkeit?“ Ist doch unser Herr Jesus Christus der wahre Mittelpunkt von allem. Aber wir können auch fragen: „Was wäre der Himmel ohne den Besitz des ewigen Lebens?“ Das Blut des Lammes Gottes gibt uns ein Anrecht auf den Himmel und das Licht der Gegenwart Gottes. Aber es ist das ewige Leben, das uns dafür passend macht (Kol 1,12). Gott sei ewig Dank – Er hat uns beides gegeben!

Leben im Sohn

Dass das ewige Leben auch unverlierbar ist, bestätigt die zweite Vershälfte, wenn hinzugefügt wird:

„... und dieses Leben ist in seinem Sohn“ (Vers 11b).

Das ist der zweite Teil des Zeugnisses: dass das Leben – nicht in uns, sondern – in Seinem Sohn ist. Es ist daher nicht unsere Sache, es zu bewahren.

Obwohl wir das ewige Leben besitzen, ist es doch nicht eigentlich in uns. Es hat vielmehr seinen Sitz in dem Sohn Gottes, der von sich hat bezeugen können: „Denn wie der Vater Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, Leben zu haben in sich selbst“ (Joh 5,26). Das kann nie von uns Gläubigen gesagt werden. Aber wir haben das Leben in Ihm. Hat Er uns nicht die beglückenden Worte, kurz vor Seinem Tod im Obersaal gesprochen, hinterlassen: „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben“ (Joh 14,19)? Als der Herr diese Worte sprach, sah Er sich bereits jenseits des Todes, in Auferstehung. Und nicht nur das, sondern Er verband auch Seine Jünger mit sich in dieser neuen Stellung: Sie würden dasselbe Leben haben, würden Ihn als Leben in sich haben.

Der Apostel Paulus drückt dieselbe Wahrheit im Brief an die Kolosser so aus: „Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott. Wenn der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,3.4). Christus ist unser Leben, und unser Leben ist mit Ihm in Gott verborgen.

Welch ein Trost, welch eine Sicherheit liegt darin! Nur wenn Christi Leben beseitigt werden kann, kann auch unser Leben beseitigt werden, denn Christus zur Rechten Gottes ist unser Leben. Wenn der Tod nicht mehr über Ihn herrschen kann (Röm 6,9), so auch nicht über uns.

So lernen wir, welch eine unendliche Gnade darin liegt, dass der Sitz dieses Lebens nicht in uns, sondern in Christus ist. Die Quelle unseres alten Lebens war in Adam. Sie konnte von Satan angetastet werden. Doch die Quelle des ewigen Lebens ist „in seinem Sohn“, in Christus. Es ist somit sicher bewahrt, denn Er ist zur Rechten Gottes.

Ein einfaches Bild mag diese Gedanken ein wenig erläutern. Das natürliche Leben fließt durch meinen ganzen Körper, auch durch meinen Finger. Aber der Sitz meines natürlichen Lebens ist nicht in meinem Finger. Wird er – etwa durch einen Unfall – abgetrennt, so bleibt doch das Leben in meinem Körper. Trotzdem war mein Finger ebenso lebendig wie mein übriger Körper, aber er ist nicht der Sitz des Lebens.

So ist es auch mit dem ewigen Leben: Es hat seinen Sitz nicht im ersten Adam, auch nicht in uns, den Gläubigen, sondern nur in dem Herrn Jesus. Von Ihm, dem Verherrlichten, fließt das Leben beständig, Augenblick für Augenblick, in uns hinein und aus uns heraus. Das geschieht in der Kraft des Geistes, wie der Herr gesagt hat: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Joh 7,38). In dem Maß, wie wir dem Heiligen Geist Raum geben, wird dies in unserem praktischen Leben der Fall sein. Starker Wind mag einen brennenden Gasstrom fast ersticken, nahezu ausblasen. Aber der Gasstrom fließt weiter. Und lässt der Wind nach, brennt die Flamme wieder hell.

Wir haben nun in Vers n das Zeugnis der drei Zeugen vor uns gehabt mit seinen beiden Seiten: dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat und dass dieses Leben in Seinem Sohn ist. Aber wir wollen uns, bevor wir mit Vers 12 zum Schluss dieses Abschnitts kommen, noch einmal in Erinnerung rufen, dass der eine der drei Zeugen das „Blut“ ist. Tatsächlich kommt das Leben nur durch den Tod zu uns, durch den Tod des Herrn.

„Guter Herr, was hast Du erdulden müssen, damit wir in den Besitz dieser unendlichen Segnungen kommen konnten!“

Den Sohn haben

„Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht“ (Vers 12).

Diese Feststellung hängt unmittelbar mit dem vorhergehenden Vers zusammen, der uns den Inhalt des Zeugnisses Gottes in seinen beiden Seiten zeigte. Gott hat uns ewiges Leben gegeben, dieses Leben aber hat seinen Sitz in Seinem Sohn. Doch jetzt geht der Schreiber noch einen Schritt weiter. Christus ist nicht nur der zentrale Sitz des Lebens, sondern dieses Leben ist auch vom Sohn untrennbar. Man kann das Leben nicht haben, ohne den Sohn zu haben.

Nun ist die so schlicht klingende Formulierung „Wer den Sohn hat“ alles andere als einfach, und die damit ausgedrückte Segnung übersteigt unbedingt unser Fassungsvermögen. Es ist indes eine Parallele zu Kapitel 2, Vers 23, wo Ähnliches gesagt wurde: dass jeder, der den Sohn leugnet, auch den Vater nicht hat; dass aber der, der den Sohn bekennt, auch den Vater hat. Hier nun hat nur der das Leben, der den Sohn hat; wer den

Sohn Gottes nicht hat, hat auch das Leben nicht. Wenn wir einmal die positiven Feststellungen beider Verse aus Kapitel 2 und 5 zusammennehmen, so ergibt sich ein Bild von großer Schönheit und unermesslicher Tragweite. Wer an den Sohn glaubt und Ihn bekennt,

  • hat ewiges Leben,
  • hat den Vater,
  • hat den Sohn.

Was diese drei Aussagen in Wahrheit in sich schließen, vermögen wir nicht zu erfassen. Wenn schon der Besitz des ewigen Lebens wunderbar und letztlich unerklärbar ist, was sollen wir erst dazu sagen, dass wir auch den Vater und den Schn „haben“? Wir müssen wohl auf den Tag der Ewigkeit warten, um die Fülle und das Ausmaß dieser Vorrechte besser verstehen zu können. Aber dankbar wollen wir Gott dafür schon heute sein!

Aber dann gibt es noch den Fall derer, die den Vater und den Sohn leugnen, die daher „den Sohn Gottes nicht haben“. Es handelt sich in erster Linie um jene Antichristen und geistlichen Verführer, von denen Johannes schon vorher gesprochen hatte (Kap. 2) und die er stets im Blickfeld hat. Da sie den Sohn leugnen, haben sie weder den Sohn noch das Leben, das im Sohn ist. Es ist eine letzte, erschütternde Aussage – nicht nur über die Verführer selbst, sondern auch über alle die, die ihnen folgen – über alle Ungläubigen. Der Kontrast zwischen der einen und der anderen Familie könnte größer nicht sein.

Dieser Gegensatz wird noch durch zwei Besonderheiten im griechischen Wortlaut von Vers 12 verstärkt.

Im ersten Teil des Verses wird nur vom „Sohn“ gesprochen („Wer den Sohn hat ...“), im zweiten Teil jedoch vom „Sohn Gottes“ („Wer den Sohn Gottes nicht hat ...“). Das Erste, Bejahende, gilt von den Gläubigen. Sie wissen, wer „der Sohn“ ist

und müssen gleichsam nicht daran erinnert werden. Das Zweite, Verneinende, trifft auf die Ungläubigen zu. In ihrem Fall wird der volle Titel „der Sohn Gottes“ benutzt. Ihnen muss zum Bewusstsein gebracht werden, wer es ist, den sie im Unglauben ablehnen: der Sohn Gottes.

Und dann liegen in beiden Vershälften im Blick auf den Besitz des Lebens verschiedene Betonungen vor. Im ersten Teil des Verses wird der Ausdruck „das Lebern betont. Er steht ganz am Ende des ersten Teilsatzes: „... hat das Leben.“ Im zweiten Teil des Verses liegt die Betonung auf dem Wort „hat“. Dieser Teilsatz schließt so: „... das Leben nicht hat.“

Der Gläubige besitzt das Leben, es ist in dem Besitz des Sohnes eingeschlossen. Wer aber den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht. Nein, er hat es nicht! Die beiden in der Betonung unterschiedlichen Feststellungen fassen auf erstaunliche Art alles das zusammen, was der Apostel in seinem Brief bisher zu den Unterschieden zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen, den echten und den unechten Bekennern, zwischen den Kindern Gottes und den Kindern des Teufels zu sagen hatte.

Auf der einen Seite Leben, ewiges Leben. Auf der anderen Leere, absolute Leere – weder Vater, noch Sohn, noch ewiges Leben!

Die Worte in Johannes 3, Vers 36, weisen auf denselben, erschütternden Gegensatz hin:

  • „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben;
  • wer aber dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.“

Es ist, wie wir im Verlauf dieser Arbeit schon wiederholt gesehen haben, der Unterschied zwischen Himmel und Hölle.

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