Der Brief an die Kolosser

3. Die Fallstricke für die Versammlung (Kapitel 2,1-19)

Der Brief an die Kolosser

Im ersten Kapitel hat der Apostel die Herrlichkeiten Christi entfaltet und sich auf die Herrlichkeit des Geheimnisses bezogen: Christus in den Heiligen, „die Hoffnung der Herrlichkeit“. Das sind die zwei großen Themen des Briefes:

  1. Die Fülle aller unserer Quellen in Christus, dem Haupt der Versammlung.
  2. Christus in den Heiligen, vollständig am kommenden Tag der Herrlichkeit, und moralisch in ihrem heutigen Leben auf der Erde.

Im zweiten Kapitel warnt uns der Apostel und gibt uns Belehrungen. Er warnt uns vor den verschiedenen Wegen, auf denen der Teufel die Heiligen von Christus wegzuziehen sucht. Und er belehrt uns im Blick auf die Vorsorge, die Gott getroffen hat, damit wir auf der einen Seite vor diesen Fallstricken bewahrt werden und damit auf der anderen Seite, Christus in unserem Leben sichtbar wird.

Die Seelenübungen des Apostels (Kapitel 2,1-3)

„Denn ich will, dass ihr wisst, welch großen Kampf ich habe um euch und die in Laodizea und so viele mein Angesicht im Fleisch nicht gesehen haben, damit ihre Herzen getröstet werden, vereinigt in Liebe und zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses, zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, in dem verborgen sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ (Verse 1-3).

Die einleitenden Verse offenbaren uns die tiefen Seelenübungen des Apostels. Er sah sehr deutlich, dass der Feind die Versammlungen in Kolossä und Laodizea von Christus abbringen wollte. Und solange sie nicht in der großen Wahrheit des Geheimnisses Gottes gefestigt waren, würden sie durch diese bösen Verführungen von der Wahrheit abirren können.

Es ist für uns lehrreich, den Charakter dieser Übungen zu erkennen. Zunächst einmal hatte Paulus große Angst, dass die Heiligen nicht mehr in einem richtigen geistlichen Zustand wären. Statt durch die Attacken des Feindes deprimiert zu werden, wünschte er, dass sie ermuntert und getröstet würden. Anstatt in Streit und Zänkereien durch die Verführungen von Menschen zu versinken, wünschte Paulus, dass sie dem Feind gegenüber eine vereinigte Gemeinschaft bilden würden, die in Liebe zusammengewachsen war. Es ist für den Feind sehr schwer, einen Fuß in eine Gesellschaft von Heiligen zu setzen, die in Liebe zusammengewachsen sind.

Darüber hinaus war Paulus nicht nur im Blick auf den christlichen Dienst ängstlich, was diesen richtigen geistlichen Zustand der Kolosser betrifft, so wichtig dieser auch ist. Er hatte Sorge, dass sie wirklich das richtige Verständnis der geistlichen Wahrheit besäßen. Nur wenn die Versammlung sich in einem richtigen Zustande befindet, vereinigt in Liebe, kann sie in der Erkenntnis der Wahrheit wachsen. Zwar gab es vieles in der Versammlung in Kolossä, für das der Apostel danken konnte. Offensichtlich aber kamen sie zu kurz in der Wahrheit des Geheimnisses Gottes und standen so in Gefahr, durch die überredenden Worte von Menschen von der Wahrheit abzuirren.

Daher wünscht der Apostel, dass die Gläubigen in den ganzen Reichtum der Wahrheit des Geheimnisses eingehen mögen, damit sie eine volle Gewissheit des Verständnisses hätten, das aus der vollen Kenntnis des Geheimnisses Gottes hervorkommt. Diese große Wahrheit sagt den Gläubigen, dass sie aus dem Juden- und Heidentum herausgenommen worden sind, um miteinander und mit Christus in der Herrlichkeit durch den Geist vereinigt zu werden. So bilden sie eine ganz neue Gesellschaft, die weder vom Tod noch der Macht des Feindes überwunden werden kann. Diese Versammlung (Gemeinde) ist zwar in der Welt, aber nicht von der Welt. Sie geht zwar durch die Epoche irdischer Zeit hindurch, gehört aber in ihrem Wesen der Ewigkeit an. So wird sie zwar auf der Erde gebildet, ist aber für den Himmel bestimmt.

Menschen mögen mit ihren Wissenschaften und Philosophien Anspruch erheben, die Höhen der Weisheit und Erkenntnis zu erfassen. Aber in dem Geheimnis Gottes allein werden die Schätze der Weisheit und der Erkenntnis gefunden..

Darüber hinaus wünscht der Apostel, dass die Heiligen in diese Wahrheit des Geheimnisses eingehen, damit sie den Fallstricken des Feindes entgehen, denn Paulus fügt sofort hinzu: „Dies aber sage ich, damit niemand euch verführe.“ So wünscht er einen richtigen geistlichen Zustand, damit wir fähig wären, die geistliche Wahrheit des Geheimnisses zu verstehen und auf diese Weise der geistlichen Bosheit zu entgehen.

Nachdem der Apostel seine tiefen Herzensübungen ausgedrückt hat, fährt er fort, die verschiedenen Listen des Feindes zu entlarven. Er belehrt uns, wie wir davor bewahrt werden, verführt und von Christus weggelockt zu werden. Es gibt vier große Gefahren, vor denen Paulus uns warnt:

  1. Überredende Worte (Vers 4)
  2. Rationalismus (Vers 8)
  3. Ritualismus (Vers 16)
  4. Aberglaube (Vers 18)

Es ist bemerkenswert, dass keine dieser üblen Dinge die große Unmoral der Welt darstellen, sondern eher Sachen, die den Intellekt bzw. die religiöse Seite der menschlichen Natur ansprechen. Gerade deshalb stellen sie eine ganze besondere Gefahr für Christen dar.

Überredende Worte (Kapitel 2,4-7)

„Dies sage ich aber, damit niemand euch verführe durch überredende Worte“ (Vers 4).

Die erste Warnung besteht darin, sich nicht durch überredende Worte verführen zu lassen. Das ist eine Warnung vor Irrtum, der in einer attraktiven Weise durch menschliche Redeweisheit vorgestellt wird. Zum Teil werden auch christliche Ausdrücke verwendet, die ein Stück Wahrheit enthalten.

Nie war diese Warnung angemessener als in unseren Tagen 1, in denen die Welt überflutet wird von populären religiösen Büchern, die tödlichsten Irrtum enthalten, aber in gewählter Sprache vorgelegt werden. Dieser Irrtum wird verborgen unter ansprechenden Gefühlen und einem christlichen Deckmantel.

Dankbarkeit und Sorgen des Apostels

„Denn wenn ich auch dem Fleisch nach abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch, mich freuend und sehend eure Ordnung und die Festigkeit eures Glaubens an Christus“ (Vers 5).

Der Apostel war umso ängstlicher für die Heiligen in Kolossä besorgt, als er sich in vielerlei Hinsicht über sie freuen konnte. Er sah ihre Ordnung und ihre Festigkeit in ihrem Glauben an Christus. Dennoch fühlte er, dass solange sie nicht in die Erkenntnis des Geheimnisses Gottes eingingen, sie nicht fähig wären, gegen die Listen des Feindes zu bestehen. Während wir dankbar annehmen, dass wir durch Gnade als Sünder gerettet worden sind, müssen wir zugeben, wie langsam wir darin sind, die weitere große Wahrheit anzuerkennen, dass wir als Heilige mit Christus im Himmel vereinigt sind, der das Haupt des Leibes ist, der Versammlung. Dort ist Er das Zentrum der unermesslichen neuen Schöpfung nach den ewigen Ratschlüssen Gottes.

Wir kennen die Gnade Gottes, die uns Errettung schenkt. Wir versagen aber oft darin, in die Ratschlüsse Gottes einzugehen im Blick auf die Herrlichkeit Christi und die Segnungen der Heiligen. Deshalb ist der weitaus größte Teil der Christen zu einer Beute der Listen Satans geworden, von denen Paulus an dieser Stelle spricht.

In Ihm wandeln

„Wie ihr nun den Christus Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm“ (Vers 6).

Die überredenden Worte der Menschen scheinen uns den Blick für einen breiteren Segen, tiefere Erkenntnis und größere Nützlichkeit zu öffnen. Aber die wirkliche Folge würde sein, Seelen von Christus wegzuführen. Der Apostel wendet unsere Gedanken daher sofort zu Christus. Er ermahnt uns als solche, die Christus als Retter und Herrn angenommen haben, „in ihm“ unseren Lebenswandel zu führen. Wir sollen in Abhängigkeit von Ihm leben, geführt und bewahrt vor jedem Fallstrick durch die Gnade und Weisheit in Ihm. 

„Gewurzelt und auferbaut in ihm und befestigt in dem Glauben, so wie ihr gelehrt worden seid, überströmend darin mit Danksagung“ (Vers 7).

Als Erlöste sind wir in Ihm, der Quelle all unseres Segens, gewurzelt. Daher sollte es unser Wunsch sein, in unseren Seelen in der Wahrheit aufgebaut und befestigt zu werden. So erhalten wir Gewissheit und werden im Glauben gewurzelt. Diese praktische Bestätigung des Glaubens erleben wir, wenn wir die Wahrheit nach der Lehre der Apostel festhalten. Das, was in der Schrift gelehrt worden ist, sollten wir nicht halbherzig festhalten. Wir sollten vielmehr den Wunsch haben, in der Wahrheit mit Danksagung überströmend zu sein.

Leider zeigen die Gläubigen oft, wie wenig sie im Glauben befestigt sind, wie er durch die Apostel gelehrt worden ist. Denn wie leicht wird durch überredende Worte einiger Führer das aufgegeben, was man bekannt hat zu glauben. Wie sehr benötigen wir daher die Warnung: „damit niemand euch verführe durch überredende Worte“. Was auch immer wir hören und von woher es auch immer kommen mag: Wir sind nur dann sicher, wenn wir es durch „den Glauben“ prüfen, wie wir „gelehrt worden sind“ in dem Wort Gottes.

Rationalismus (Kapitel 2,8-15)

Philosophie

„Gebt Acht, dass nicht jemand da sei, der euch als Beute wegführt durch die Philosophie und durch eitlen Betrug, nach der Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt, und nicht nach Christus“ (Vers 8).

Im achten Vers warnt uns der Apostel vor einer zweiten großen Gefahr: der List des Rationalismus' oder der Anstrengungen, alles durch menschliche Überlegungen erklären zu wollen, um göttliche Offenbarung auszuschließen.

Philosophie ist die Liebe zur Weisheit. Aber es handelt sich um menschliche Weisheit, durch die man alle Dinge „unter der Sonne“ zu untersuchen und zu erklären sucht. Diese menschliche Weisheit lässt jedoch Gott außen vor und führt zu „eitlem Betrug“, wie zum Beispiel die Evolutionstheorie, die ein Universum ohne einen Schöpfer-Gott haben möchte. Auch der Modernismus ist die Folge solchen Denkens, der gerne eine Form von Christentum hätte, in der es aber keinen Platz für den Christus Gottes und die Sühnung der Bibel gibt.

Der Apostel antwortet auf diese Gefahr von Philosophie, indem er diese im Blick auf drei Aspekte verurteilt.

  1. Zuerst sagt er, dass diese menschliche Weisheit „nach der Überlieferung der Menschen“ ist und nicht das Ergebnis der Offenbarung Gottes. Aus diesem Grund schließt sie den Grundsatz des Glaubens aus. Denn die Lehren der Menschen haben weder etwas mit dem Glaubensgut noch mit dem Glaubensvertrauen auf Gott zu tun. Aussagen anzunehmen, weil Menschen sie gemacht haben, selbst wenn diese Überzeugungen richtig sind, haben nichts mit Glauben zu tun. „Glaube ist die Annahme eines göttlichen Zeugnisses durch die Seele“, sagte einmal Bruder John Nelson Darby.
  2. Die Philosophie ist nach den Elementen dieser Welt. Daher kann sie durch die Welt auch wertgeschätzt werden. Da die Philosophie von der Welt anerkannt wird, lässt sie ihre Verehrer auch in der Welt. Im Gegensatz zur Philosophie ruft das Christentum Menschen aus der Welt heraus, um sie in den Himmel zu führen.
  3. Schließlich ist die Philosophie „nicht nach Christus“. Sie führt zu Spekulation, nie jedoch zu Christus. Aus diesem Grund wird die Philosophie, einmal abgesehen von anderen Erwägungen, von dem wahren Christentum verurteilt, das nämlich durch Glauben geprägt ist, Menschen aus der Welt zieht und zu Christus versammelt.

„Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Vers 9).

Der Apostel hat uns vor dem Fallstrick gewarnt, durch die Philosophie verführt zu werden. Sofort schließt er die große positive Wahrheit an, die uns davor bewahrt, durch die Leere menschlicher Weisheit zum Irrtum geführt zu werden.

1. Zuerst wendet er sich Christus zu: „In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“ Anstelle der nebligen Spekulationen der Menschen haben wir Gott vollkommen offenbart in all seiner Fülle in Christus. Es gibt keine einzige Eigenschaft der Gottheit, die in Christus fehlen würde.

Darüber hinaus wohnt die Fülle in Ihm „leibhaftig“. Christus hat einen Leib angenommen und ist im Fleisch gekommen, so dass die Fülle der Gottheit in einer Weise vorgestellt werden konnte, die sogar von dem einfachsten Menschen verstanden werden kann. Es mag den Intellekt eines Riesen nötig machen, die Grundbegriffe zu verstehen, mit denen die Philosophie kämpft, um ihre Spekulationen auszudrücken. Aber einfache Fischer aus Galiläer können die Fülle der Gottheit in Christus sehen und so in Wahrheiten eingehen, die außerhalb des Verständnisses des größten natürlichen Intellekts liegen.

Bruder John Nelson Darby hat einmal geschrieben: Für den Glauben, der durch den Schleier der Erniedrigung Jesu hindurchsehen konnte, als Er hier lebte, gab es keinen Charakterzug, keine Handlungsweise und auch keinen Gefühlsausdruck des Herzens Jesu, der ausging zum Elend um Ihn herum, der nicht eine Offenbarung der Gottheit war.“

Der Gläubige ist in Christus vollendet

„Und ihr seid vollendet in ihm, der das Haupt jedes Fürstentums und jeder Gewalt ist“ (Vers 10).

2. Darüber hinaus gilt, dass Gott uns gegenüber nicht nur vollkommen in Christus offenbart worden ist, sondern dass die Gläubigen in Ihm vollkommen vor Gott repräsentiert werden. Jeder Segen, den Gott für die Gläubigen vorgesehen hat und den Christi Werk uns erworben hat, ist in Christus selbst zu sehen, in seinem Platz in der Herrlichkeit über jedes Fürstentum und jede Gewalt. Unser Teil und unsere Stellung ist vollkommen, wie sie in Christus sichtbar wird. Keine philosophischen und intellektuellen Anstrengungen der Menschen könnten zu der Fülle der Gottheit, wie sie in Christus offenbart ist, und zum vollendeten Teil des Gläubigen, wie es in Christus sichtbar wird, irgendetwas hinzufügen.

Was ist die Gerechtigkeit, die wir besitzen? Sie wird in Christus gesehen als vollkommen passend zu Gottes heiliger Natur, so dass wir fähig gemacht sind zum Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht, genauso wie Christus im Licht ist. Was ist das Leben, das wir besitzen? Christus in der Herrlichkeit ist unser Leben, es wird in Ihm sichtbar. Was ist die Beziehung, in die wir gebracht worden sind? Sie wird in Christus offenbart: Sein Vater ist unser Vater, und sein Gott ist unser Gott. Was ist die Herrlichkeit, die uns als Ziel der Reise sicher ist? Sie kann in Christus gesehen werden. Die Herrlichkeit, die Er als Mensch besitzt, ist uns geschenkt worden. Wir sind vollendet in Ihm.

Beschneidung

„In dem ihr auch beschnitten worden seid mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus“ (Vers 11).

Der Apostel hat die große Wahrheit betont, dass wir einen vollständigen Segen besitzen, wie er in Christus schon heute sichtbar ist. Nun fährt er fort, den Weg zu zeigen, den Gott gewählt hat, um dem Gläubigen zu begegnen und ihn von all dem Bösen in sich und von jedem Feind außerhalb von ihm zu befreien. Das Ziel Gottes dabei war, uns zu diesem wunderbaren Platz des Segens in Christus zu bringen. Paulus lässt vor uns dieses große Werk Gottes vorüberziehen, indem er die Beschneidung, das Begräbnis, die Auferstehung und das Lebendigmachen erwähnt.

Beschneidung ist das Abschneiden des Fleisches eines Mannes. Geistlicherweise zeigt die Beschneidung uns, dass im Tod Christi auch das Fleisch mit all seiner Sünde aus dem Blick Gottes hinweggebracht worden ist. Das tat Gott, ohne dass der Mensch hier irgendwie hätte eingreifen können. Es geht nicht um die Frage, etwas zu erlangen oder christliche Erfahrungen zu machen, auch wenn diese Wahrheit natürlich praktischerweise verwirklicht werden und auch die geistliche Erfahrung in dieser Verwirklichung sein muss. Denn wenn wir anerkennen, dass Gott mit dem Fleisch gehandelt und es am Kreuz verurteilt hat, dann muss es für uns klar sein, dass das Fleisch nicht über unser Leben regieren darf.

Taufe und Auferweckung

„Mit ihm begraben in der Taufe, in dem ihr auch mitauferweckt worden seid durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den Toten auferweckt hat“ (Vers12).

Von der Beschneidung geht der Apostel über zur Taufe. Darin wird die große Wahrheit ausgedrückt, dass wir mit Christus begraben worden sind. Durch das Begräbnis gerät ein Mensch aus dem Blickfeld. Das ist auch geistlicherweise wahr: Der „alte Mensch“ muss außerhalb jeden Blickfelds kommen. Es stellt die vollständige Trennung von dem „alten Menschen“ dar - das Leben mit all den Charaktereigenschaften, die uns als natürliche Menschen geprägt haben. Abraham sagt: Lasst mich „meine Tote begraben vor meinem Angesicht“ (1. Mo 23,4). Das, was tot ist, soll außerhalb des Gesichtsfelds der Lebenden gebracht werden. Wenn wir unsere Taufe geistlicherweise verwirklichen, leben wir als neue Menschen. Dann ist es schwierig für die Welt, und auch die Heiligen, etwas darüber zu sagen, was für Menschen wir vor unserer Bekehrung waren, als „alte Menschen“. Der „alte Mensch“, der mit Christus gekreuzigt worden ist, ist bei einem Christen, der die Taufe praktisch verwirklicht, dann außerhalb jeder Sichtweite.

In Kapitel 1 sind wir ermahnt worden, „würdig des Herrn zu allem Wohlgefallen“ unseren Lebenswandel zu führen. Wir sollen unter dem Auge des Herrn leben und seine Zustimmung in allem suchen. Dagegen sollten wir nicht darauf aus sein, wichtig vor Menschen zu sein oder die Zustimmung der Welt zu erhalten. Wenn unser Fleisch so außerhalb des Gesichtfeldes dieser Welt bewegen, wir also nicht das Rampenlicht suchen, werden wir wirkliche Zeugen Christi.

Von der Taufe geht der Apostel dann zur Auferstehung weiter. Die Taufe trennt uns von der Welt und dem Menschen, der in der Welt lebt. Die Auferstehung bringt uns in das Licht einer anderen Welt. Gott hat Christus aus den Toten auferweckt. Durch Glauben wissen wir, dass wir zu Genossen des auferstandenen Christus gemacht worden sind. Wenn die Welt hinter uns verschlossen ist, dann ist der Himmel vor uns offen (Kol 3,1-4).

„Und euch, als ihr tot wart in den Vergehungen und der Vorhaut eures Fleisches, hat er mitlebendig gemacht mit ihm, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat; als er ausgetilgt hat die uns entgegen stehende Handschrift in Satzungen, die gegen uns war, hat er sie auch aus der Mitte weggenommen, indem er sie an das Kreuz nagelte; als er die Fürstentümer und die Gewalten ausgezogen hatte, stellte er sie öffentlich zur Schau, indem er durch dasselbe über sie einen Triumph hielt“ (Verse 13-15).

Gott hat die Gläubigen lebendig gemacht. Es gibt ein positives Werk Gottes in der Seele, durch das Gläubige mit Christus lebendig gemacht worden sind zu einem Leben, das frei von Sünde und Tod ist. Der Körper ist noch nicht lebendig gemacht. Darauf müssen wir noch warten. Aber wir haben ein Leben, das uns fähig macht, uns der Dinge zu freuen, die droben sind, und in Gemeinschaft mit Christus auf unserem Weg zum Himmel zu leben.

Wir lernen so: Mit allem, das in uns ist und uns daran hindert, das Leben Christi zu leben, ist gehandelt worden ist. Das Fleisch ist durch die Beschneidung des Christus zum Tod verurteilt worden. Der alte Mensch ist mit Ihm begraben worden. Die himmlischen Dinge kommen in unser Blickfeld durch seine Auferstehung, und wir sind zu einem neuen Leben mitlebendig gemacht worden, so dass wir jetzt in himmlische Dinge eingehen und sie genießen können.

Darüber hinaus lernen wir, dass nicht nur mit dem Bösen in uns gehandelt worden ist, sondern dass auch jede widerstehende Kraft außerhalb von uns von Gott verurteilt worden ist. Unsere Sünden sind uns vergeben worden. Wir wurden durch das Kreuz von der Handschrift in Satzungen befreit, die Ansprüche auf unser Leben geltend machte, die wir nicht erfüllen konnten. Diese Handschrift in Satzungen verlangte zudem  eine Gerechtigkeit, die wir nicht erfüllen konnten. Über jede geistliche Kraft, die gegen uns stand, wurde triumphiert.

Ritualismus (Kapitel 2,16.17)

„So richte euch nun niemand wegen Speise oder wegen Trank oder hinsichtlich eines Festes oder Neumondes oder von Sabbaten, die ein Schatten der zukünftigen Dinge sind, der Körper aber ist des Christus“ (Verse 16.17).

In den folgenden Versen warnt uns der Apostel vor einem dritten großen Fallstrick, dem die Heiligen ausgesetzt sind: dem judaisierenden Bösen. Damals gab es solche, die das christliche Leben bereichern wollten durch das Bestehen auf jüdischen Anordnungen. Paulus nennt Beispiele wie Essen und Trinken, das Halten von bestimmten Tagen als heilige Versammlungen wie Neumond oder Sabbat.

Dieser Fallstrick, dem die Heiligen in Kolossä ausgesetzt waren, ist zu einem Ritualismus in der heutigen Zeit geworden. Mit einem Vers verurteilt Gott diese Haltung als eine Rückkehr zu Schatten vergangener Epochen. In den damaligen Tagen waren die Anordnungen des Judentums Vorbilder der echten Realitäten, die allein in Christus zu finden sind. Dennoch ist die Christenheit in diesen Fallstrick gefallen. Und dadurch, dass man sich zu den Schatten zurückgewandt hat, ging der Körper des ganzen verloren.

Aberglaube (Kapitel 2,18.19)

„Niemand bringe euch um den Kampfpreis, der seinen eigenen Willen tut in Demut und Anbetung der Engel, indem er auf Dinge eingeht, die er nicht gesehen hat, grundlos aufgebläht von dem Sinn seines Fleisches und nicht festhaltend das Haupt, aus dem der ganze Leib, durch die Gelenke und Bänder unterstützt und zusammengefügt, das Wachstum Gottes wächst“ (Verse 18.19).

Schließlich werden wir in den Versen 18 und 19 vor einem vierten Fallstrick gewarnt: der Anbetung von Engeln und dem Eindringen in Dinge, die wir nicht gesehen haben. Das ist nichts anderes als Aberglaube des Fleisches, das neugierig in die unsichtbare Welt eindringen möchte und mit dem Unbekannten herumspielt. Es mag den Anschein von Demut haben, dass man bereit ist, sich geistlichen Wesen unterzuordnen. In Wirklichkeit ist es nichts anderes als das Fleisch, das seinem eigenen Willen frönen möchte. Bruder William Kelly hat mit Recht geschrieben: „Diese Dinge haben mit uns zu tun, wir aber nicht mit ihnen. Wir sollten unser Leben mit Gott führen.“

Der Apostel entlarvt dieses Böse als Stolz einer fleischlichen Gesinnung, die vorgibt, die Geheimnisse des Himmels zu durchdringen. Zudem warnt er uns, dass die Beschäftigung mit dieser unsichtbaren Welt Christus, das Haupt seines Leibes, beiseite setzt. Wer Engel oder ein anderes Geschöpf, sei es die sogenannte Jungfrau oder sogenannte Heilige, zwischen unsere Seelen und Christus bringt, leugnet unsere direkte Einheit mit Christus. Er ist das Haupt aller Fürstentümer und Mächte. Und als Haupt des Leibes dient Er auf direkte Weise mit jeder geistlichen Ernährung durch die geistliche Hilfe, die von den Gliedern des Leibes geleistet wird. So wird das geistliche Wachstum der Seele aufrechterhalten und der Leib Christi wächst mit dem Wachstum Gottes. Das geschieht vollkommen getrennt von dem Dienst der Engel, die in der Schrift immer verbunden sind mit der Fürsorge für den natürlichen Leib des Gläubigen.

Zusammenfassung

Der Apostel hat uns vier verschiedene Fallstricke vorgestellt, die vielleicht wenig Eindruck machten auf das grobe Fleisch des Gläubigen mit seinen Begierden. Aber sie sind sehr attraktiv für das religiöse Fleisch. Eine Sache prägt alle diese Fallstricke: Sie führen nicht zu Christus.

Irrtum verbirgt sich in überredenden Wortes, um Seelen von der Festigkeit ihres Glaubens an Christus zu verführen (Verse 4.5).

Rationalismus mit seiner Philosophie und dem eitlen Betrug nach den Lehren der Menschen ist „nicht nach Chrisus“ (Vers 8).

Ritualismus mit seinen Riten und Festtagen beschäftig die Seele mit den Schatten, nicht jedoch mit Christus (Vers 17).

Aberglaube mit dem Eindringen in die unsichtbare Welt setzt Christus, das Haupt, beiseite (Verse 18.19).

Überredende Worte mögen besonders solche abziehen, die unwissend sind. Rationalismus ist vor allem attraktiv für den Intellekt, Ritualismus für die Gefühle und Aberglaube für die Einbildung. Aber keines dieser Dinge wird der Seele Christus offenbaren oder Christus zum Inhalt unseres Lebens machen. Sie führen nicht zu Christus.

Um diesen Übeln zu begegnen und uns vor ihnen zu bewahren, hat der Apostel uns Christus vorgestellt. Wenn wir Christus empfangen haben, dann ist Er die Kraft für unseren Lebenswandel (Vers 6). In Ihm haben wir alles (Vers 9). Wir werden mit Ihm einsgemacht (Verse 11-13). Und schließlich bekommen wir jede Nahrung von Ihm (Vers 19).

Fußnoten

  • 1 Man sollte bedenken, dass Hamilton Smith diese Auslegung 1933 geschrieben hat. Wie viel passender sind seine Gedanken heute ...
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