Der Brief an die Kolosser

5. Christus in dem Gläubigen (Kapitel 3,12-4,6)

Der Brief an die Kolosser

Wir haben gesehen, dass der große Gegenstand des Briefes ist, die Herrlichkeiten Christi, des Hauptes der Versammlung, vorzustellen, damit der Charakter des Hauptes in seinem Leib sichtbar wird.

Nachdem der Apostel die praktische Anwendung der großen Wahrheiten gemacht hat, dass die Gläubigen mit Christus gestorben und auferstanden sind (Kapitel 2,20-3,11), ermahnt er uns nun, die Eigenschaften Christi praktischerweise anzuziehen. In der zukünftigen Herrlichkeit werden wir vollkommen wie Christus in einer Szene sein, in der jeder Ihm gleichen wird. Heute aber ist es das hohe Vorrecht des Gläubigen, die Eigenschaften Christi in einer Welt zu offenbaren, die auch nicht im geringsten Maß wie Christus lebt oder moralisch handelt. Zudem wird dieser neue Charakter des Gläubigen nicht nur in einem bestimmten Bereich oder bei einer bestimmten Gelegenheit gezeigt, sondern überall da, wo der Christ den Auftrag hat, sich aufzuhalten.

Natürlicherweise stellt uns der Apostel zunächst den Ausdruck der Eigenschaften Christi im christlichen Bereich vor (Kapitel 3,12-17), dann im Bereich der Familie (Kapitel 3,18-21), dann in den sozialen Bereichen (Kapitel 3,22-4,1). Schließlich soll der Charakter Christi auch denen gegenüber sichtbar werden, die draußen sind (Kapitel 4,2-6).

Christus - offenbart im christlichen Bereich (Kapitel 3,12-17)

„Zieht nun an, als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut“ (Vers 12).

Der Apostel gründet seine Ermahnung auf die wunderbare Stellung, in welcher der Gläubige vor Gott steht. Wir sind „Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte“. Als „Auserwählte“ sind wir aus der Welt für den himmlischen Segen ausgewählt worden in Übereinstimmung mit der Absicht Gottes. Als „Heilige“ sind wir für Gott zur Seite gestellt worden aus der gegenwärtigen Welt. Als „Geliebte“ sorgt Gott für uns bei jedem Schritt unserer Reise durch diese Welt.

Unser Lebenswandel und unsere Praxis hätte diesen bevorrechtigten Platz vor Gott nie erwerben können. Unsere Stellung im Segen ist vollkommen das Ergebnis der Gnade Gottes, die uns durch Christus geschenkt worden ist. Während wir jedoch durch unseren Lebenswandel nicht in der Lage sind, diese bevorrechtigte Stellung zu erwerben, sollte die Stellung, in der wir stehen, sicherlich unseren Lebenswandel prägen.

Zeigen uns diese Segnungen nicht die Stellung Christi, als Er in dieser Welt war? War Er nicht der Auserwählte Gottes, der Eine, der aus den Menschen in einer ganz besonderen Weise erwählt worden ist? Er war auch im absoluten Sinn des Wortes der Heilige. Und an zwei Gelegenheiten kam eine Stimme aus dem Himmel, die sagte: „Dieser ist mein geliebter Sohn.“ Wir sind allein durch Gnade in dieselbe Stellung gebracht worden. Die Folge dieses Geschenks muss sein, dass wir einen solchen Lebenswandel führen, wie Er es getan hat. So offenbaren wir seine Charakterzüge.

Der Charakter unseres geistlichen Lebens ist wichtiger als Dienst

Es ist beachtenswert, dass in den Gebeten, in der Lehre und in den Ermahnungen dieses Briefes die besonderen Gnadengaben und die Ausübung des öffentlichen Verkündigungsdienstes in der Arbeit für den Herrn kaum oder gar nicht erwähnt werden. Solche Themen sind von großer Wichtigkeit und haben ihren Platz in anderen Briefen. Hier jedoch geht es um das, was von noch größerer Wichtigkeit ist: das geistliche Leben und der geistliche Charakter des Christen - das ist das große Thema.

Was wir sind, ist von viel größerer Wichtigkeit als das, was wir tun. Wir neigen dazu, einander wegen des Eifers und der Aktivitäten vor Menschen wertzuschätzen, nicht jedoch im Blick auf unser geistliches Leben und unseren geistlichen Charakter vor Gott. Wenn ein Gläubiger eine Gabe und Fähigkeit besitzt, ist es relativ einfach, in der Öffentlichkeit eifrig und aktiv zu sein. Es bedarf einer größeren Gnade, Christus in dem ruhigen und vergleichsweise verborgenen täglichen Leben zu offenbaren. Ein engagierter Arbeiter unter Gottes Volk oder in der Welt zu sein mag einen großen Eindruck machen. Aber ein geistlicher Mensch zu sein, der die Charakterzüge von Christus in Sanftmut und Demut, in Langmut und Geduld offenbart, wird schwerer wiegen und von größerem Wert sein in den Augen Gottes. Der Schmuck eines sanftmütigen und stillen Geistes ist in den Augen Gottes von großem Wert (vgl. 1. Pet 3,4).

Einer Martha zu gleichen mit einer hastigen Aktivität, ist nicht so schwer. Aber eine Maria zu sein, die still zu den Füßen Jesu sitzt, verlangt eine viel tiefere geistliche Gesinnung. Es ist ja nicht so, dass ein Gläubiger mit einem stillen Geist inaktiv wäre, was gute Werke betrifft. Aber das „Leben“ wird den „Werken“ vorausgehen und wird, was die praktische Verwirklichung betrifft, immer die erste Sorge des Christen sein. Maria, die vom Herrn gelobt wurde, da sie das „gute Teil“ gewählt hatte, wurde auch für ihr „gutes Werk“ gepriesen. Aber das „gute Teil“ kam vor dem „guten Werk“. Das Ergebnis des guten Teils, das Maria gewählt hatte - das Sitzen zu den Füßen Jesu, um sein Wort zu hören - bestand darin, in ihr die Charakterzüge und die Gnade Christi zu bilden.

Die Ermahnungen, die jetzt in diesem Brief in gesegneter Weise folgen, offenbaren diesen Charakter Christi - gekennzeichnet durch Gnade (Verse 12.13), durch Liebe (Vers 14) und Frieden (Vers 15).

Die Gnade Christi im Leben des Erlösten

„Zieht nun an, als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut, einander ertragend und euch gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat gegen den anderen; wie auch der Christus euch vergeben hat, so auch ihr“ (Verse 12.13).

Die ersten sieben Ermahnungen offenbaren die verschiedenen Wege, in denen sich die Gnade Christi zeigt.

  1. Herzliches Erbarmen ist Gnade gegenüber denjenigen, die in einer gewissen Weise von uns abhängig sind und ein spezielles Bedürfnis haben.
  2. Güte beinhaltet nicht notwendigerweise, dass einer direkten Not begegnet wird oder materielle Geschenke jemand, der von uns abhängig ist, gegeben werden. Es geht eher darum, zum Glück und Trost anderer beizutragen, die kein besonderes Bedürfnis haben.
  3. Demut bezieht sich auf uns selbst. Sie denkt gering von sich oder gar nicht an sich.
  4. Sanftmut bezieht sich auf andere. Sie ist nachgiebig anderen gegenüber. Diese beiden herausragenden Eigenschaften werden durch das Wort illustriert: „In Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst“ (Phil 2,3). Der demütige Mensch sorgt sich nicht um seinen Ruf; der sanftmütige Christ beachtet die Vorzüge der anderen und nicht die eigenen.
  5. Langmut bezieht sich mehr auf übende Umstände.
  6. Einander ertragend bezieht sich auf Personen, die uns Schwierigkeiten machen. Wir sprechen zu Recht von einer Person, die viel erträgt, obwohl sie geradezu herausgefordert wird. Diese Provokation kann ganz allgemein sein - irgendetwas, das ein Ertragen nötig macht.
  7. Es gibt persönlich erlebtes Unrecht, das zu Recht Anlass für eine Beschwerde ist. Solch persönliches Unrecht ruft nach Vergebung. Das Maß der Vergebung ist Christus und wie Er uns vergeben hat.

Die Liebe, die alles antreiben muss

„Zu diesem allen aber zieht die Liebe an, die das Band der Vollkommenheit ist“ (Vers 14).

Wir lesen dann: „Zu diesem allen aber zieht die Liebe an, die das Band der Vollkommenheit ist.“ Es geht nicht darum, diese Dinge mit Liebe zu überziehen, als ob über all diesen Eigenschaften die „Liebe“ als getrennter Charakterzug zu verstehen sei. Liebe ist dem herzlichen Erbarmen, der Güte und allen anderen Eigenschaften hinzuzufügen. Alle diese gesegneten Tätigkeiten des neuen Menschen sollen der Liebe entspringen. Wenn wir Erbarmen oder Güte und Langmut oder Vergebung zeigen, sollte es so sein, weil wir unseren Bruder lieben. Liebe ist „das Band der Vollkommenheit“. Der Apostel spricht von der neuen Ordnung des Menschen, in der nur Vollkommenheit zu finden ist. In der alten Ordnung sind die Menschen hassenswürdig und einander hassend. In der neuen sind alle miteinander verbunden durch die ewigen Bande der Liebe. Jemand hat gesagt: „Die Beziehungen, die in der Liebe Christi und in der Arbeit für Christus zusammengenietet sind, überleben die zeitlichen Veränderungen und binden die Familie Gottes in den Wohnungen der Ewigkeit zusammen.“

„Und der Friede des Christus regiere in euren Herzen, zu dem ihr auch berufen worden seid in einem Leib; und seid dankbar“ (Vers 15).

Und der Friede des Christus regiere in euren Herzen.“ In Christus sehen wir eine neue Ordnung des Menschen in Vollkommenheit vorgestellt. Er kam vom Himmel auf die Erde und konnte von sich sprechen als dem „Sohn des Menschen, der im Himmel ist“ (Joh 3,13). Er führte seinen Lebenswandel inmitten der Unruhe der Erde, aber lebte in der Ruhe des Himmels. Wir gehen durch eine Welt, in der es keinen Frieden gibt. Politisch betrachtet handelt es sich um eine Welt von Kriegen. Sozial und wirtschaftlich und religiös betrachtet ist alles Unruhe und Aufruhr. Das Vorrecht des Christen ist es, durch diese Welt hindurchzugehen, wie Christus es getan hat: mit dem Frieden und der Ruhe des Himmels im Herzen, wie auch immer die Umstände sein mögen, durch die er zu gehen hat.

Zudem soll der Friede nicht nur in unseren Herzen regieren, sondern auch in der Gemeinschaft mit anderen Christen genossen werden. Denn dazu sind wir „berufen worden in einem Leib“. Einheit des Leibes verlangt Frieden zwischen den Gliedern, wenn der Leib mit dem Wachstum Gottes wachsen soll. Wenn dann Friede im Herzen genossen wird, wird es auch Dankbarkeit Gott gegenüber geben. Wenn wir dann durch Gnade, Liebe und Frieden gekennzeichnet sind, wird der schöne Charakter Christi in seinem Volk wiedergegeben werden.

Der Dienst Christi

„Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade. Und alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus, danksagend Gott, dem Vater, durch ihn (Verse 16.17).

Der Charakter Christi, der in den Heiligen gezeigt wird, wie ihn die Verse 12-15 vorstellen, bereitet für den Dienst Christi vor, wie er in den Versen 16 und 17 gelehrt wird. In diesen Versen spricht der Apostel von Lehren, Ermahnen, Singen, Tun und Danksagen. Die Bedeutung von Vers 16 ist die Folgende: Es gibt hier drei verschiedene Ermahnungen.

  1. „Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen.“
  2. „Lehrt und ermahnt  euch gegenseitig in aller Weisheit.“
  3. „Mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern singt Gott in eurem Herzen in Gnade.“

Die erste Ermahnung ist persönlich gemeint. Jeder von uns soll belehrt sein in der Gesinnung Christi. Wenn wir dann die Gesinnung Christi für uns selbst gelernt haben, sollen wir einander lehren und ermahnen. Diese Ermahnung scheint sich nicht auf öffentlichen Dienst zu beziehen, der von einem besonders begabten Bruder ausgeübt wird in der Lehre. Es geht wohl mehr um ein gegenseitiges Lehren und Ermahnen in persönlicher Weise. Das ist das Ergebnis davon, dass jeder von uns das Wort des Christus besitzt, indem er sich zu den Füßen Jesu niedergesetzt und seinen Worten zugehört hat. Die dritte Ermahnung gibt die eigentliche Haltung wieder, die wir haben sollten: Gott preisen. Wenn wir Gott singen, sollte dies mit einem Geist der Gnade in unseren Herzen geschehen und nicht einfach mit einer Melodie auf unseren Lippen.

In Vers 17 kommen wir dann dazu, etwas zu tun. Was auch immer wir in Wort oder Tat machen, alles sollte im Namen des Herrn Jesus geschehen. Was für eine einfache aber zugleich herzerforschende Lebensregel. Wie schön wird das Leben sein, in dem nichts gesagt oder getan wird, was nicht passend ist für diesen einen gesegneten und heiligen Namen. Wie viele Fragen, die uns im täglichen Leben begegnen und verunsichern, würden durch diesen einfachen Test sofort geregelt sein: „Kann ich das tun oder sagen im Namen des Herrn Jesus?“

Die abschließende Ermahnung ist: „danksagend Gott, dem Vater durch ihn.“ Inmitten aller Umstände sollen wir danksagen. Als der Herr von Israel verworfen wurde, konnte Er sagen: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde“ (Mt 11,25). Paulus konnte im inneren Gefängnis lobsingen, als seine Füße in den Stock festgeschlossen waren. Wir lernen von diesen Ermahnungen, wie direkt der Charakter Christi in den Heiligen und das praktische Leben, das sie führen, miteinander verbunden sind. Die Charakterzüge, die wir anziehen, müssen unser Leben beeinflussen. Und dass muss in unseren Worten und Taten sichtbar werden.

Christus - offenbart im familiären Bereich (Kapitel 3,18-21)

In den Versen 18 bis 21 haben wir praktische Ermahnungen in Verbindung mit den natürlichen Beziehungen, die Gott auf der Erde eingerichtet hat: Ehefrauen, Ehemänner, Kinder und Väter. Auch wenn uns das Christentum in Beziehungen eingeführt hat, die über den irdischen Beziehungen stehen, setzt es diese irdischen Beziehungen nicht beiseite, während wir noch hier auf der Erde leben. Sie sind von Gott eingerichtet und durch den Herrn bestätigt worden und sollten von jedem Christen respektiert werden.

Der gefallene Mensch hat diese Beziehungen missbraucht. Als Christen werden wir belehrt, wie wir sie aufrechterhalten nach den Gedanken Gottes, damit in der Familie die Herrlichkeit Christi offenbar wird - in Unterordnung, Gehorsam, Liebe und Gnade. Das sind die Kennzeichen, die auch den Weg des Herrn über diese Erde kennzeichneten.

Ehefrauen und Ehemänner

„Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich geziemt im Herrn“ (Vers 18).

Christliche Frauen werden ermahnt, die Autorität ihrer Ehemänner anzuerkennen, indem sie sich ihnen unterordnen. Das ist angemessen für diejenigen, die bekennen, sich dem Herrn zu unterwerfen. Als solche, die sich „im Herrn“ unterordnen erhalten sie von Ihm Kraft, um die Ermahnung zu verwirklichen, wobei sie zugleich davor bewahrt werden, in dieser Unterordnung so weit zu gehen, dass sie auch in Böses einwilligen.

„Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie“ (Vers 19).

Ehemänner sollen ihre Frauen lieben und nicht bitter gegen sie werden. Stattdessen sollen sie das Wesen Christi offenbaren, indem sie die ihnen anvertraute Autorität in einer Gesinnung der Liebe ausüben.

Kinder und Väter

„Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem, denn dies ist wohlgefällig im Herrn“ (Vers 20).

Kinder sollen ihren Eltern in allem gehorchen. Sie tun das nicht einfach, um der Familie zu gefallen, sondern dies ist wohlgefällig im Herrn. Wenn sie im Gehorsam ihren Lebenswandel führen, werden sie etwas von dem schönen Charakter Christi offenbaren, der „in den Tagen seines Fleisches“ seinen Eltern untertan war (vgl. Lk 2,51).

„Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, damit sie nicht mutlos werden“ (Vers 21).

Väter sollen sich hüten, ihre Autorität in einer willkürlichen Weise auszuüben und die Zuneigungen der Kinder durch ungerechte Strafe zerstören. Sie sollen die Kinder auch nicht dadurch entmutigen, dass sie ständig auf Fehlersuche sind. Sie sollen die vollkommene Weisheit Christi offenbaren, der wusste, wie Er seine Jünger korrigieren musste, während Er dafür sorgte, dass ihre Zuneigungen intakt blieben (vgl. Lk 22,24-30).

Diese Ermahnungen setzen voraus, dass es sich um einen christlichen Haushalt handelt, bei dem eine richtige Autorität ausgeübt wird, und zwar unter der Führung des Herrn. Sie wird daher in einer Gesinnung der Liebe ausgeübt, die dem Herrn gefällt.

Diese speziellen Ermahnungen im Bereich der Familie sind klar an Christen gerichtet. Wenn wir im christlichen Bereich gut stehen und das suchen, was droben ist, dann werden wir die Glieder des Fleisches töten. Dann werden wir auch den alten Menschen praktischerweise ausgezogen und den neuen angezogen haben. So werden wir geprägt durch die Gnade, Liebe und den Frieden des Christus, damit wir fähig sind, in der richtigen Weise die Beziehungen in der christlichen Familie zu verwirklichen.

Dennoch ist das Fleisch noch immer in uns. Daher wird jeder von uns im Blick auf das ermahnt, worin er fallen könnte. Das Fleisch in der Frau mag manchmal Rebellion gegen die Autorität des Mannes sein. Daher wird sie ermahnt, sich unterzuordnen. Beim Mann können die Zuneigungen zur Ehefrau schnell abkühlen. Daher wird er ermahnt, sie zu lieben. Kinder neigen dazu, ihren eigenen Willen zu tun. Daher werden sie ermahnt zu gehorchen. Väter mögen in einer willkürlichen Weise erziehen. Daher werden sie davor gewarnt, ihre Kinder zu provozieren.

Wie schön ist die Familie, in der die Frau sich im Herrn unterordnet und wo der Mann seine Autorität in Liebe ausübt. Wenn die Kinder gehorsam sind, um dem Herrn zu gefallen und wenn die Väter in der Weisheit Christi handeln, wird Friede gefunden.

Christus - offenbart im sozialen Bereich (Kapitel 3,22-4,1)

Sklaven und Herren

„Ihr Knechte, gehorcht in allem euren Herren nach dem Fleisch, nicht in Augendienerei, als Menschengefällige, sondern in Einfalt des Herzens, den Herrn fürchtend. Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen, da ihr wisst, dass ihr vom Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet; ihr dient dem Herrn Christus. Denn wer unrecht tut, wird das Unrecht empfangen, das er getan hat; und da ist kein Ansehen der Person. Ihr Herren, gewährt euren Knechten das, was recht und billig ist, da ihr wisst, dass auch ihr einen Herrn im Himmel habt“ (Kapitel 3,22-4,1).

Man wird bemerken, dass die ersten der genannten Beziehungen bereits im Garten Eden existierte: Frau und Mann. Dann sahen wir Beziehungen, die nach dem Sündenfall entstanden: Kinder und Eltern. Schließlich kommen wir zu Beziehungen, von denen wir bis zur Sintflut nichts hören: Diener und Herren (1. Mo 9,25).

Offensichtlich konnte man Herren und Sklaven in der Schöpfungsordnung nicht sehen. Vor diesem Hintergrund könnte man denken, dass das Christentum diese Einrichtungen unter den Menschen vollständig übergehen oder sogar verbieten würde. Das aber ist nicht so: Wir lesen nicht, dass das Christentum die Sklaverei gutheißt oder verdammt. Denn es ist nicht Teil des Werkes der Gnade, „den Zustand der Welt und der Gesellschaft zu verändern“ (J. N. Darby). Seine große Absicht ist es, Menschen aus der Welt zu rufen und zu Christus zu führen, indem sie in neue und himmlische Beziehungen eingeführt werden.

Die Christen, die sich in den verschiedenen sozialen Stellungen wiederfinden, werden jedoch belehrt, in ihnen so zu handeln, dass sie etwas vom Charakter Christi offenbaren.

Christliche Sklaven sollen ihren Gehorsam ihren Meistern gegenüber in einer Weise zeigen, der nichts mit Schmeichelei zu tun hat. Sie sollen auch nicht versuchen, sich oder anderen zu gefallen, sondern sollen ein Herz haben, das durch den Wunsch regiert wird, dem Einen zu gefallen, von dem geschrieben steht, dass „auch der Christus nicht sich selbst gefallen hat“ (Röm 15,3). Was auch immer zu tun ist, sei es eine niedrige oder auch ermüdende Tätigkeit, soll als dem Herrn getan werden. So kann der Christ, auch wenn er ein Sklave von Menschen ist, dem Herrn dienen. Wenn er dem Herrn dient, wird er auch vom Herrn belohnt werden. An dem kommenden Tag der Belohnung, wenn nicht sogar schon in der heutigen Zeit, wird offenbar werden, dass es beim Herrn kein Ansehen der Person gibt. Derjenige, der Böses tut, sei er Herr oder Sklave, wird im Blick auf das Böse, das er getan hat, Vergeltung empfangen.

Herren sollten ihren Sklaven in der Furcht des Herrn begegnen. Sie sollten bedenken, dass sie einen Herrn im Himmel haben. Wenn ihnen das bewusst ist, werden sie ihren Sklaven das geben, was recht und billig ist.

Gebet, Wachen und Fürbitte

„Verharrt im Gebet und wacht darin mit Danksagung; und betet zugleich auch für uns, damit Gott uns eine Tür des Wortes auftue, das Geheimnis des Christus zu reden, um dessentwillen ich auch gebunden bin, damit ich es offenbare, wie ich es reden soll“ (Verse 2-4).

Die speziellen Ermahnungen an verschiedene Personenkreise werden durch eine allgemeine Ermahnung zum Gebet abgeschlossen, die sich auf alle Heiligen bezieht. Es ist nicht genug, dass jeder in diesen verschiedenen Beziehungen die Gedanken des Herrn kennt. Erkenntnis als solche ist nicht Kraft. Wir haben es nötig, in der abhängigen Gesinnung des Gebets bewahrt zu werden, wenn wir die Ermahnungen in der Praxis ausführen wollen. Daher werden wir ermahnt, im Gebet zu verharren und darin zu wachen mit Danksagung.

Das Verharren im Gebet schließt ein, sich nicht nur in einer besonderen Not an Gott zu wenden, sondern die gewohnheitsmäßige Haltung der Abhängigkeit von Gott zu haben. Was auch immer die Schwierigkeit sein mag und wie lange die Prüfungen anhalten mögen, sollten wir im Gebet verharren, auch wenn die Antwort sich verzögern sollte. Das Gebet soll von Wachsamkeit und Danksagung begleitet werden.

Schon der Herr hatte seine Jünger ermahnt zu wachen und zu beten. Es ist nutzlos, im Blick auf eine besondere Prüfung oder Versuchung zu beten, wenn wir nicht zugleich wachsam im Blick auf diese Prüfungen sind. Gebet ohne Wachsamkeit wird zu einer reinen Formalität. Es kann auch sein, dass sich die Ermahnung zu Wachsamkeit auf unsere Erwartungshaltung bezieht, die wir im Blick auf die Antwort unserer Gebete einnehmen. In diesem Sinn sollen wir ein wachsames Auge für die Antwort Gottes haben.

Während der Apostel andere ermahnt zu beten, fühlt er das eigene, tiefe Bedürfnis der Gebete des Volkes Gottes. Daher bittet er um ihre Gebete, damit Gott ihm eine Tür öffnen möge, um reden zu können. Und wenn dann diese Tür geöffnet sein würde, bittet er um ihre Gebete, damit er das Geheimnis des Christus entfalten könne, und zwar in der richtigen Art und Weise, wie er „reden soll“.

Christus - offenbart gegenüber solchen, die draußen sind (Kapitel 4,5.6)

„Wandelt in Weisheit gegenüber denen, die draußen sind, die gelegene Zeit auskaufend. Euer Wort sei allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt, so dass ihr wisst, wie ihr jedem Einzelnen antworten sollt“ (Verse 5.6).

Schließlich werden wir ermahnt im Blick auf unseren Lebenswandel und unseren Umgang mit solchen, die nicht innerhalb des christlichen Bereichs sind. Ein richtiger Lebenswandel bedarf der Weisheit und der Bereitschaft, die Gelegenheiten zu nutzen, die sich bieten, um für den Herrn zu sprechen. Die Gefahr besteht darin, dass wir zwar Weisheit haben, uns aber der Mut fehlt. Oder dass wir einen großen Mut haben, aber mit wenig Weisheit.

Wir tragen die Botschaft der Gnade weiter, die in Worten der Gnade ausgedrückt werden muss. Zugleich soll unsere Rede mit dem Salz der Heiligkeit gesalzen sein. Wenn wir so sprechen, wird unsere Gnade nicht dazu führen, dass wir leichtfertig über Sünden hinweggehen. Und unsere Treue wird nicht dazu führen, dass wir Sünder in Härte verdammen. Für diese Kombination von Gnade und „Salz“ haben wir die Weisheit Christi nötig, der nicht nur immer wusste, seinen Fragern oder Feinden die richtigen Antworten zu geben. Er antwortete auch immer in der richtigen Art und Weise, um den Bedürfnissen eines jeden zu entsprechen.

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