Die symbolische Lehre der Stiftshütte

Das Schuldopfer

Wir kommen jetzt zu dem Schuldopfer, das besondere und öffentliche Taten betraf, von denen einige unwissend, andere in vollem Bewusstsein getan worden waren. Wenn einer die Stimme des Fluches hörte und es versäumte, der Wahrheit gemäß das auszusagen, was er von der Schuld des anderen gesehen oder gehört hatte, so war er schuldig, und ein Schuldopfer wurde erforderlich. Wenn einer etwas Unreines anrührte, so war er, auch wenn es ihm verborgen war, unrein und schuldig. Wenn jemand schwor, Böses oder Gutes zu tun, und es ihm verborgen war – erkannte er es, so war er schuldig.

Ein Schuldopfer war dann nötig. Ein weibliches Kleinvieh oder, wenn der Schuldige zu arm war, um ein Schaf oder eine Ziege darbringen zu können, war es ihm erlaubt, zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben darzubringen.

Es ist interessant zu sehen, dass, wenn zwei Vögel dargebracht wurden, einer als Sündopfer und der andere als Brandopfer betrachtet wurde. Das zeigt, dass der Tod Christi mit all seinen Aspekten für den Gläubigen zum Segen ist. In diesem Fall hier kamen erst das Sündopfer und dann das Brandopfer – das entspricht der Reihenfolge, in der der Sünder den Wert des Todes Christi erfasst. Zuerst das Sündopfer, das die Reinigung darstellt; dann das Brandopfer, das Begnadigung und Annahme darstellt.

Und dann folgt eine rührende und außergewöhnliche Vorkehrung. Wenn einer so arm war, dass sogar ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben seine Mittel völlig überstiegen, war ihm erlaubt, ein Zehntel Epha Feinmehl zum Schuldopfer zu bringen. Eine Handvoll davon wurde von dem Priester auf dem Altar geräuchert, um Sühnung für ihn wegen seiner Sünde, die er begangen hatte, zu tun. Der Rest sollte dem Priester gehören, wie das Speisopfer.

Hier ist ein Sündopfer ohne Blut. Was kann das bedeuten? Eins ist sicher. Wir wissen, dass von Gott her alles, was zum Segen für den Sünder dient, sich auf dem kostbaren Blut Christi gründet, und auf keiner anderen Grundlage. Die Erklärung ist einfach und doch tiefgehend. Es ging um die außerordentliche Armut des Opfernden – Sinnbild für ein sehr schwaches und verwischtes Gefühl für Sünde und für die Art, wie diesem Rechnung getragen werden kann.

Manche Seele, glauben wir, wird mit einer praktisch sehr geringen oder überhaupt nicht vorhandenen Erkenntnis über die wirkliche Bedeutung des Todes Christi zum Herrn gezogen, und doch vertraut sie auf Ihn in eher unbestimmten und kindlichen Art, was ihren Segen und ihr ewiges Glück angeht. Und von solch einem Bild wie diesem hier werden wir ermutigt zu glauben, dass auch für solch einen Fall der Tod Christi Gültigkeit hat.

In alttestamentlichen Zeiten gab es Heilige Gottes, die nichts von Christus oder der vollen Bedeutung des Todes Christi, wie er schwach in den Opfern widergespiegelt wird, wussten, und doch waren sie, weil sie an Gott glaubten, im Hinblick auf das zukünftige Opfer gesegnet. Wir erkennen in dem folgenden Gegensatz zwischen den Gläubigen des Alten Testamentes und den Gläubigen dieser Zeit: „Gott hat Christus dargestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben an sein Blut, zur Erweisung seiner Gerechtigkeit wegen des Hinweggebens der vorher geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes“, d. h. über die Sünden der Gläubigen des Alten Testamentes wurde hinweggegangen, und sie wurden vergeben im Hinblick auf die zukünftige Gerechtigkeit, die erwirkt werden würde durch den Sühnetod Christi. Und nun lesen wir für die neutestamentlichen Gläubigen: „… zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist“ (Röm 3,25.26).

Wir wiederholen mit Nachdruck die Werte der Schriftstelle (Heb 9,22) „… und ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung“. Dank sei Gott für diese gnädige Vorkehrung, die sinnbildlich für die getroffen wurde, die ein vages oder schwaches Verständnis haben, oder die das Evangelium, so wie wir es kennen, nicht gehört haben; und doch strecken diese Seelen sich ehrlich zu Gott aus und erwarten ihre Erlösung von Ihm und finden sie in dem Sühnopfer Christi am Kreuz, selbst, wenn sie es nicht wissen.

Die übrigen Beispiele in diesem Kapitel 5, d. h. eine Sünde in den heiligen Dingen des HERRN oder gegen eine der Verordnungen des Herrn, wenn auch in Unwissenheit, führen ein neues Element ein, nämlich die Erstattung.

Ein Widder sollte zum Schuldopfer gebracht werden. Der Gegenwert des begangenen Betruges und ein Fünftel mehr wurde gefordert. Wo ein Betrug stattgefunden hatte, war die Erstattung eine sehr heilsame Prüfung der Reue. Irgendein Versuch, das zu umgehen, würde zur Folge haben, dass der Priester das Schuldopfer nicht darbringen konnte, denn das Opfer und die Erstattung mussten zusammenwirken.

In 3. Mose 5,20 ff., wo die Sünden eindeutige Vergehen gegen einen Mitmenschen sind, kommt erst die Erstattung und dann das Opfer. Bei diesen Verfehlungen musste man erst mit dem ins Reine kommen, gegen den man gesündigt hatte – eine richtige und dringende Sache in Gottes Augen –, bevor man mit Gott selbst versöhnt wurde.

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