Gedanken über das Buch Jona

Kapitel 3

In Römer 3 wird die Frage aufgeworfen: „Ist Gott der Gott der Juden allein? nicht auch der Nationen?“ Die Antwort lautet: „Ja, auch der Nationen, dieweil es ein einiger Gott ist, der die Beschneidung aus Glauben und die Vorhaut durch den Glauben rechtfertigen wird.“

In Jona 3 fällt zunächst auf, daß in Verbindung mit der Botschaft an Ninive nur der Name Gottes, nicht Jehovas (mit Ausnahme von Vers 1 und 3), genannt wird. Gott wird als der Schöpfer gesehen, der mit Seinen Geschöpfen in Erbarmen handelt, nicht als Jehova in Seiner Beziehung zu den Juden. In Kapitel 1 werden die Seeleute mit Jehova bekannt und bringen Ihm Schlachtopfer. So wird es in der späteren Segnungszeit mit den Heiden sein, „die Erde wird voll sein der Erkenntnis Jehovas“ (Jes 11, 9). Hier im 3. Kapitel handelt es sich um die Welt in ihrer Beziehung zu Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erde. Auch das Vieh wird in Ninive erwähnt. Es handelt sich gleichsam um die ganze Schöpfung, die einst freigemacht werden wird.

Die Verwerfung der Juden ist die Versöhnung der Welt (Röm 11, 15). Das Zeugnis Christi richtet sich an die ganze Welt. Jedoch konnte dies erst geschehen, nachdem Er gestorben und droben verherrlicht war. Als die Griechen Ihn während Seines Lebens zu sehen wünschten, sagte der Herr: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ Er starb nicht für das Volk Israel allein, „sondern auf daß er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte“ (Joh 11, 52).

„Und das Wort Jehovas geschah zum zweiten Male zu Jona also: Mache dich auf, geh nach Ninive, der großen Stadt, und rufe ihr die Botschaft aus, die ich dir sagen werde. Da machte sich Jona auf und ging nach Ninive, nach dem Worte Jehovas“ (V. 1. 2). Gott züchtigt uns, wenn wir untreu sind, mit dem Zweck, uns auf den Weg zurückzubringen, den wir verlassen haben. Seine Absicht ist erreicht, wenn wir dann bereit sind, den Weg der Treue zu wandeln.

Jona ist jetzt gehorsam und geht nach Ninive. „Ninive aber war eine außerordentlich große Stadt von drei Tagereisen“ (V. 3). Sie war von Nimrod erbaut worden, „der fing an, ein Gewaltiger zu sein auf der Erde“ (1. Mose 10, 8. 11). So ist Ninive ein Bild der Welt in ihrer Pracht und ihrem Glanz, wo der Mensch Ruhm und Ehre sucht und sich einen Namen machen will, wo man aber nicht nach Dem fragt, durch den alle Dinge sind und der alles trägt durch das Wort Seiner Macht. Sorglos lebt die Welt dahin, nicht wissend, daß das Gericht längst über sie ausgesprochen ist.

„Und Jona begann in die Stadt hineinzugehen eine Tagereise weit, und er rief und sprach: Noch vierzig Tage, so ist Ninive umgekehrt!“ (V. 4). Die Propheten des Alten Testaments reden nicht von der Ewigkeit in neutestamentlichem Sinne. Die angedrohten Gerichte und Segnungen beziehen sich immer nur auf die Erde und betreffen Völker, Reiche, Städte und Könige. Deshalb spricht Jona in seiner Botschaft nur vom Gericht und erwähnt nicht die Gnade.

„Noch vierzig Tage, so ist Ninive umgekehrt!“ Die Zahl vierzig hat in der Schrift die Bedeutung eines Zeitabschnittes der Prüfung, Versuchung und Läuterung. Israel war vierzig Jahre auf der Wüstenwanderung, der Herr war vierzig Tage und vierzig Nächte unter Fasten in der Wüste und wurde von dem Satan versucht, Moses war vierzig Tage und vierzig Nächte auf dem Berge ohne Speise, und das Volk verderbte sich. Die prophetische Bedeutung dieser Ankündigung des Gerichtes über Ninive ist daher die, daß die Welt, nachdem sie nach jeder Seite hin völlig erprobt wurde, zerstört werden wird. Die Sendung des Sohnes Gottes bildete den Höhepunkt der Erprobung; die Antwort war das Kreuz. Deshalb sagt der Herr: „Jetzt ist das Gericht der Welt.“ Das Gericht ist unwiderruflich ausgesprochen, und wenn es noch aufgeschoben ist, so doch nicht aufgehoben. Petrus sagt: „Er ist langmütig gegen euch, da er nicht will, daß irgend welche verloren gehen, sondern daß alle zur Buße kommen. Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb, an welchem die Himmel vergehen werden mit gewaltigem Geräusch, die Elemente aber im Brande werden aufgelöst und die Erde und die Werke auf ihr verbrannt werden“ (2. Pet 3, 9. 10).

Wie kraftvoll wird der Ruf des neuen Jona gewesen sein, denn die Wirkung war groß: „Die Leute von Ninive glaubten Gott“ (V. 5). Unwillkürlich werden wir an die ersten Tage der Kirche erinnert, als das Zeugnis Jesu, die Botschaft des Auferstandenen, durch die Apostel verkündigt wurde, denn „es wurden an jenem Tage hinzugetan bei dreitausend Seelen“, und „viele aber von denen, welche das Wort gehört hatten, wurden gläubig; und es wurde die Zahl der Männer bei fünftausend“ (Apg. 2, 41; 4, 4 ). Es sollte für uns ein Ansporn sein in diesen letzten Tagen der Gnade.

Die Bewohner von Ninive merkten auf, „sie riefen ein Fasten aus und kleideten sich in Sacktuch, von ihrem Größten bis zu ihrem Kleinsten“ (V. 5). Auf das Gebot des Königs und seiner Großen folgte ein allgemeines Fasten und ein Rufen zu Gott. Es ging um echte Buße: „Sie sollen umkehren, ein jeder von seinem bösen Wege und von dem Unrecht, das in ihren Händen ist“ (V. 8). Ist der Mensch wirklich von der Botschaft Gottes getroffen, wird sich dies durch aufrichtige Buße zeigen. Manche scheinbare Bekehrung erweist sich auf die Dauer als unecht, weil keine wahre Buße da war. Es ist daher wichtig, nicht nur Glauben, sondern auch Buße zu predigen.

„Wer weiß? Gott möchte sich wenden und es sich gereuen lassen, und umkehren von der Glut seines Zornes, daß wir nicht umkommen“ (V. 9). Jonas Botschaft enthält kein Wort von Gnade, darum ist bei dem König von Ninive nur ein unbestimmtes Hoffen auf das Erbarmen Gottes. Wie deutlich ist heute der Ruf der Gnade! Er redet von dem Gott, „der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, als auch wir in den Vergehungen tot waren“. Alle dürfen hören von dem „Heiland-Gott, welcher will, daß alle Menschen errettet werden“. Das kann jedem Sünder Mut geben, und es ist andererseits ernst für jeden, der sein Ohr dem Evangelium verschließt.

„Und Gott sah ihre Werke, daß sie von ihrem bösen Wege umgekehrt waren; und Gott ließ sich des Übels gereuen, wovon er geredet hatte, daß er es ihnen tun wolle, und tat es nicht“ (V. 10). In Ninive wurden der Buße würdige Früchte gesehen, sie verurteilten ihre Werke, ließen davon ab und kehrten um. Dazu bekannte sich Gott. Er ist nicht wie ein Mensch, der etwas bereuen könnte. Die Redeweise: „Gott ließ sich des Übels gereuen“, drückt nicht Schwäche, sondern Gnade aus. Er wollte Buße hervorrufen, und sobald Er sie sah, konnte Er Mitleid und Vergebung zeigen.

Auf die „Männer von Ninive“ weist der Herr in den Evangelien bei Seiner Mission an die hartnäckigen und gefühllosen Juden hin. „Sie taten Buße auf die Predigt Jonas' „ (Mt 12, 41; Lk 11, 32), doch dieses Volk verharrte in der Ablehnung und Verwerfung, obwohl „mehr als Jona“ in der Person des Herrn da war. Wie schwer sind die Folgen solcher Verstocktheit!

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