Petrus: Fischer, Jünger und Apostel

3. Petrus in der Schule Gottes

Petrus: Fischer, Jünger und Apostel

Petrus muss lernen

Nach seiner Entscheidungsstunde hat Petrus, wie wir sahen, alles verlassen und angefangen, Jesus nachzufolgen.

Er war nun ein Anfänger auf dem Weg hinter Jesus her, und selbst zum Zeitpunkt, zu dem der Bericht der Evangelien schließt, kannte er Ihn erst dreieinhalb Jahre. Keinen von uns wird es daher wundern, dass er im Blick auf das erlangte Heil und dessen praktische Verwirklichung noch viel zu lernen hatte.

Geht es uns anders, uns, die wir im Gegensatz zu ihm im Christentum erzogen worden sind?

Die meisten von uns haben schon in der Jugend, zu Hause, in der Sonntagsschule und in den Zusammenkünften zur Wortbetrachtung gesunde geistliche Belehrung empfangen, die auf das ganze Wort Gottes gegründet ist. Nicht nur das wunderbare, am Kreuz vollbrachte Werk, sondern auch dessen herrliche Ergebnisse wurden uns immer und immer wieder vorgestellt.

Alle diese Glaubens-Tatsachen sammelten sich in uns an, ähnlich wie der zur Feuerung zubereitete Ofen mit Spänen und Holzklötzen gefüllt ist. Sie warten dort nur noch auf das brennende Streichholz, um dann sogleich in ein erwärmendes Feuer zu geraten.

In unseren Herzen geschah diese „Entzündung“, als wir uns bekehrten, als wir eine wahre Wiedergeburt erlebten und der Heilige Geist in uns Wohnung machte. Da begannen diese Wahrheiten in uns lebendig zu werden und unser Herz zu erwärmen. Die Erleuchtung ergriff zuerst die einfachen Heilstatsachen und dann auch die schwerer fassbaren Glaubensstücke. Dieser Prozess ist immer noch im Gang, wir alle erkennen immer noch „stückweise“ und vieles sehen wir noch „undeutlich“. Erst, „wenn das Vollkommene gekommen sein wird“, erst wenn wir droben sind, „wird das, was stückweise ist, weggetan werden“ (1. Kor 13,10.12).

Wohlverstanden, der Gläubige ist in dem für ihn gestorbenen, auferstandenen und verherrlichten Christus der Stellung nach vollkommen vor Gott. Nicht in Bezug auf seine Stellung muss er wachsen, sondern in der Erkenntnis seines Heils in Christus, um sich der ihm damit geschenkten Segnungen und seiner ganzen Befreiung erfreuen zu können. In der Erkenntnis des Sohnes Gottes soll er zunehmen, in Ihm muss er gegründet werden, um nicht mehr von jedem Wind der Lehre der Menschen hin und her geworfen zu werden (Eph 4,13-15). Auf Ihn schauend soll er lernen, so zu wandeln, wie Er durch diese Welt geschritten ist. Schließlich soll er auch sich selbst kennenlernen, um jedes Vertrauen in seine eigene Güte, Kraft und Weisheit zu verlieren und in steter Abhängigkeit von Dem zu leben, in dem er alles besitzt und der ihm alles darreicht.

Wie lernte Petrus?

Einige Brüder fragten sich, wie der Christ am besten Fortschritte machen könne. Der eine empfahl dem Gläubigen, ein Tagebuch zu führen, in dem er seine Erfahrung niederschreiben und seine Fortschritte festhalten könne. Ein anderer aber entgegnete ihm, diese Methode führe zur Selbstbetrachtung, sie trage nichts ein. Jesus habe gesagt: „Lernt von mir“ (Mt 11,29). - So schreibt auch Paulus: „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend [der nun droben ist], werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2. Kor 3,18).

So sehr wir auch gegenüber dem „Jünger“ Petrus im Vorteil sein mögen - er empfing die Erleuchtung des Heiligen Geistes erst am Pfingsttag, nach der Himmelfahrt Jesu - so besaß er doch das große Vorrecht, dreieinhalb Jahre in vertrautem Umgang mit Dem auf der Erde zu leben, von dem Johannes zeugt: „In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Joh 1,4). Petrus, der selbst das göttliche Leben empfangen hatte, durfte sich in dem Licht aufhalten. Er war einer von denen, die das im Sohn Gottes, in Jesus Christus offenbarte ewige Leben „anschauen“, „mit den Händen betasten“ und „hören“ konnten (1. Joh 1,1.2).

Petrus betrachtet den Herrn

Wir wollen nun versuchen, mit den Augen des „Jüngers“ Petrus, aus seiner Perspektive heraus, einige Züge der sittlichen Herrlichkeit seines Meisters, die ihm besonders auffallen mussten, in kurzen Strichen anzudeuten. Die Erinnerung daran begleitete ihn durch sein ganzes Leben, doch kam ihm die volle Bedeutung dieser Dinge erst später zum Bewusstsein, als „die Kraft aus der Höhe“ (Lk 24,49) ihn erfüllte. Innerhalb dieser Erkenntnis begann sich das ihm geschenkte Leben aus Gott, von der gleichen Natur wie das Leben Jesu, zu entfalten. Noch als greiser Apostel kam er in seinen Briefen auf diese „Kostbarkeiten“ zu reden.

Jesus war „stets im Gebet“ (Ps 109,4)

Die Pharisäer beteten, damit sie von den Menschen gesehen wurden. Jesus aber tat es „im Verborgenen“ (Mt 6,6) vor dem Vater. Wie oft stieg Er auf einen Berg für sich allein, um die ganze Nacht hindurch zu beten (Mt 14,23; Lk 6,12)! Oder Er stand frühmorgens auf, als es noch sehr dunkel war, und ging an einen öden Ort, um mit dem Vater zu reden (Mk 1,35). Oder Er zog sich aus der Volksmenge zurück, um in den Wüsteneien Muße zum stillen Gebet zu haben (Lk 5,16). Das war seine „Kammer“, eine andere hatte Er ja nicht. Dort besprach Er alles mit seinem Vater. In seinem Herzen waren ununterbrochen „gebahnte Wege“ zu Ihm (Ps 84,6). Er hatte sich als Mensch auf einen Pfad vollkommenen Gehorsams und völliger Abhängigkeit von Gott begeben, und Er verließ ihn mit keinem einzigen Schritt. Er wurde wegen seiner Frömmigkeit erhört (Heb 5,7). Er wusste, dass der Vater Ihn allezeit erhören würde, weil Er immer in Übereinstimmung mit seinem Willen lebte, Ihm völlig vertraute und glaubte.

Dieser beispiellos treue Gebetsumgang mit Gott konnte Petrus und den anderen nicht verborgen bleiben, obwohl sie meistens nichts davon hörten. Wenn Er sich von ihnen absonderte, so wussten sie zweifellos, worum es ging. In ihrer Bequemlichkeit und ihrem Selbstvertrauen unterließen sie so oft, zu wachen und zu beten; immer wieder musste Er sie ermahnen, es „allezeit“ (Lk 18,1) und mit Ausharren zu tun. Aber wie mochte vor allem sein Beispiel eine stete Mahnung für sie sein! Auch das Wort des Herrn; „Ich aber habe für dich gebetet“ (Lk 22,32), kam Petrus zeitlebens nicht mehr aus dem Sinn, und wie mag er dann auch für andere treue Fürbitte getan haben!

„Siebzig mal sieben mal“ vergeben! (Mt 18,21-35)

Das war die Antwort des Herrn auf Petrus' Frage: „Herr, wie oft soll ich meinem Bruder, der gegen mich sündigt, vergeben?“ Und Er erzählte ihm ein Gleichnis, um ihm eindrücklich zu machen, wie sehr wir Menschen, denen Gott eine ungeheure Sündenschuld - „zehntausend Talente“ - erlassen hat, Ursache haben, einem Bruder, der gegen uns sündigt, eine Schuld von nur „hundert Denaren“ zu erlassen.

Wie tief empfinden wir die Verfehlungen anderer gegen uns, aber wie unempfindlich sind wir oft für das Unrecht, das wir ihnen zufügen! Auch Petrus hätte ja umgekehrt fragen können.

Aber wie mochte sich ihm auch hierin das wunderbare Vorbild seines Meisters, der jederzeit nach diesem göttlichen Grundsatz handelte und selbst auf Golgatha für seine Feinde um Vergebung bat, tief eingeprägt haben! Hat Jesus ihm später nicht auch seine große Verfehlung beim Kohlenfeuer vergeben? Ja, sein am Kreuz vergossenes Blut ist die Grundlage dafür, dass Gott den Seinen ihre Vergehungen vergeben und sie wiederherstellen kann (1. Joh 1,7)!

„Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29)

„Wie Gott sein“ - „einen Turm bauen, der bis an den Himmel reicht“ - „größer sein als andere“: das ist das Lebensmotto des Menschen. Er will immer höher hinauf.

Der Sohn Gottes aber stieg in der umgekehrten Richtung immer tiefer hinab. Er, der in der Gestalt Gottes war, hat sich selbst zu nichts gemacht, indem Er Knechtsgestalt annahm und den Menschen gleich geworden ist (Phil 2,5-8). Aber nicht genug damit, auch unter den Menschen hat Er den allerniedrigsten Platz eingenommen. Petrus konnte dies auf Schritt und Tritt wahrnehmen.

Für die Angesehenen unter dem Volk war Er der in der Krippe geborene Sohn eines armen Handwerkers aus dem verachteten Galiläa; sie rechneten Ihn zu der untersten Gesellschaftsschicht. Das ganze Leben hindurch haben sie Ihn „verachtet“ und „für nichts geachtet“ (Jes 53,3).

Und schließlich erniedrigte Er sich selbst bis zum allertiefsten Punkt. Er ließ sich binden, wie ein Verbrecher vor die Richter stellen und zu Unrecht verurteilen. Er ertrug die unerhörten Demütigungen der Anspeiung, der Geißelung und Verhöhnung. Er ließ sich zwischen zwei Übeltätern ans Kreuz schlagen, um schließlich von Gott „zur Sünde“ gemacht und verlassen zu werden. Das alles, um im Gehorsam den Willen Gottes auszuführen und sein Werk zu vollbringen. „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde“ (Joh 17,4) - das war das oberste Ziel, das Er erstrebte und erreichte, nicht die eigene Verherrlichung. Und so ist Er die Rettung geworden bis an das Ende der Erde (Jes 49,6).

Und wie sanftmütig war Er gegenüber seinen Feinden, Peinigern und Schmähern! Petrus selbst, der es aus der Nähe mit ansehen musste, bezeugte später: „Christus hat für euch gelitten, euch ein Beispiel hinterlassend, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt; ... der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet“ (1. Pet 2,21.23).

Die Jünger hatten Mühe, Ihm auf diesem Weg der Selbsterniedrigung zu folgen (wie wir ja auch). Sie wollten das Reich schon jetzt, ohne den Sühnungstod des Herrn, aufrichten helfen. Sie träumten davon, eine Ehrenstellung darin einzunehmen (Mk 10,35-37). Als der Herr ihnen wieder einmal sein bevorstehendes Leiden und Sterben angekündigt hatte, verhandelten sie unmittelbar danach über etwas ganz anderes. Auf seine Frage: „Was habt ihr auf dem Weg besprochen?“, schwiegen sie beschämt, denn sie hatten miteinander beredet, wer wohl der Größte sei unter ihnen. Sogar unter Brüdern kann es solche Rangstreitigkeiten geben! Da sagte Er ihnen: „Wenn jemand der Erste sein will, so soll er der Letzte von allen und der Diener aller sein“ (Mk 9,33-35).

Nach dem Grundsatz: „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11), ist unserem Herrn nun ein Name gegeben worden, der über jeden Namen ist (Phil 2,9). Und wer in der Welt seine Schmach auf sich nimmt, soll frohlocken und sich freuen, denn sein Lohn wird groß sein in den Himmeln (Mt 5,11.12).

Jesus, der treue Zeuge (Off 1,5)

Jesus hat vor Pontius Pilatus das gute Bekenntnis bezeugt: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich der Wahrheit Zeugnis gebe“ (Joh 18,37).

Jeder, der aus der Wahrheit war, hörte seine Stimme und beugte sich unter sein Wort; aber alle, die nicht zu Ihm kommen wollten, um errettet zu werden, hassten sie. Ach, Er musste klagen: „Die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden“ (Joh 3,19.20).

Zu dieser traurigen Gruppe von finsteren Menschen gehörten besonders die Obersten der Juden, die Schriftgelehrten und Pharisäer. Jesus verglich sie mit Gräbern, aufgefüllt mit Totengebeinen und Unreinigkeit, die aber nach außen hin weiß übertüncht waren (Mt 23,27). Der Herr wollte ihnen als der treue Zeuge helfen, diese Decke der äußerlichen Religiosität, der Scheinfrömmigkeit und Scheinheiligkeit, womit sie vor den Menschen Eindruck machten, wegzutun, damit sie, ihres verderbten Zustandes bewusst, ihr Leben vor Gott in Ordnung brächten.

In Matthäus 23 wird davon berichtet, wie Er diese Decke mit dem Messer der Wahrheit durchschnitt. Sechsmal nannte Er diese Pharisäer „Heuchler“! Ein scharfes Wort, das ihr Gewissen von der Kruste des Selbstbetrugs hätte befreien sollen. Hätten sie doch geantwortet: „Ja, das ist mein Zustand! Zeige mir den Weg, wie ich daraus befreit werden kann!“ Dann wäre ihnen der Herr sofort in unvergleichlicher Gnade begegnet. Stattdessen aber rotteten sie sich zusammen, um zu beraten, wie sie den treuen Zeugen der Wahrheit aus der Welt schafften! So böse ist das Menschenherz!

Nach einer ähnlichen Auseinandersetzung fragten die Jünger ihren Meister: „Weißt du, dass die Pharisäer Anstoß genommen haben, als sie das Wort hörten?“ (Mt 15,12). Sie hätten wohl vorgezogen, wenn Er den Menschen das gesagt hätte, was sie gerne hörten. Aber damit war ihnen nicht gedient.

Auch Petrus war damals noch ein schwacher Zeuge der Wahrheit. Die Szene im Hof des Hohenpriesters hat es bewiesen.

Als aber der Herr aufgefahren und verherrlicht war, sandte Er die „Kraft aus der Höhe“ (Lk 24,49), den Geist der Wahrheit und der Liebe auf sie, damit sie seine Zeugen sein konnten bis an das Ende der Erde. (Das setzt aber auch voraus, dass sie „im Geist wandelten“ [Gal 5,16].) Welch machtvolles Zeugnis hat dann gerade Petrus vor den Juden aus aller Welt abgelegt! Die ersten Kapitel der Apostelgeschichte zeigen es. Mochten sie ihn gefangen nehmen, bedrohen und züchtigen - sobald er frei war, setzte er sein Zeugnis fort. Wie hat ihm da das Beispiel des „treuen Zeugen“ zum Ansporn gedient!

Jesus unter Zöllnern und Sündern

Mochten die Obersten des Volkes in ihrer Ehrsucht, in ihrer Selbstgerechtigkeit und Heuchelei die in Jesus Christus erschienene Gnade und Wahrheit ablehnen - Er wandte sich denen zu, die im Bewusstsein ihres sündigen Zustands ihre Hand nach seiner Gnade ausstreckten.

Dafür kennen wir eine ganze Reihe von Beispielen: Da war die Frau am Jakobsbrunnen, die von ihrer Lust unaufhörlich fortgezogen und gelockt wurde und immer wieder die unreinen Wasser dieser Welt aufsuchte, um ihren Durst zu löschen. Er gab ihr von dem Wasser, das ins ewige Leben quillt, und stillte damit das sehnliche Verlangen ihrer Seele (Joh 4). Auch die stadtbekannte Sünderin in Lukas 7 wurde durch den Glauben an Ihn aus ihrer schrecklichen Gebundenheit gelöst und befreit. Zachäus, der Oberzöllner, war mit seinem Geld nicht glücklich, und als er auf den Baum kletterte, um Jesus zu sehen und zu finden, da ließ Er ihm Heil widerfahren; Er blieb vor ihm stehen und kehrte sogar in sein Haus ein (Lk 19). Und als der Geist Gottes im Herzen des Nikodemus, eines Obersten der Juden, aufrichtiges Verlangen nach Wahrheit zu wecken begann, da war Jesus auch für ihn zu einem nächtlichen Gespräch bereit (Joh 3). - Der Sohn des Menschen war „gekommen, zu suchen und zu erretten, was verloren ist“ (Lk 19,10); Er war da, um Sünder zur Buße zu rufen (Lk 5,32).

Wenn Er auch die meisten dieser Unterredungen unter vier Augen führte, so blieben doch deren Ergebnisse Petrus nicht verborgen. Ganz im Anfang seiner Jüngerschaft hatte ihm der Meister zugerufen: „Kommt … mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen“ (Mt 4,19; Mk 1,17). In seiner Nachfolge lernte Petrus nun, dass die Gnade Gottes für alle da war, für die Verworfensten wie auch für die Unbescholtenen. Was vergebende Gnade ist, hat er später in seiner ganzen Tiefe an sich selbst erfahren, und so konnte er dann mit tiefster Überzeugung auch denen, die Jesus Christus, seinen geliebten Herrn, umgebracht hatten, das Heil in Ihm anbieten und verkündigen (Apg 2,23). - Möchten auch wir vom Herrn immer besser lernen, „Menschen zu fischen!“

Jesus als guter Hirte

Bevor unser Herr auf die Erde kam, hat Er durch den Propheten im Blick auf Israel ankündigen lassen: „Siehe, ich bin da, und ich will nach meinen Schafen fragen und mich ihrer annehmen“ (Hes 34,11).

Wie wunderbar hat nun Petrus, der später auch Hirtendienst tun durfte, diese Verheißung sich erfüllen sehen! Einmal, als dem Herrn Jesus eine große Volksmenge in die Einöde gefolgt war und Er ihre Kranken geheilt hatte, hörte Petrus Ihn sagen: „Ich bin innerlich bewegt über die Volksmenge, denn … sie … haben nichts zu essen“ (Mt 15,32). Ein anderes Mal war Jesus innerlich bewegt, weil die Volksmengen „erschöpft und hingestreckt waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36). In welch herzbewegender Weise hat Er sein einzigartiges Hirtenamt ausgeübt! Nicht nur hat Er „das Schwache gestärkt und das Kranke geheilt“ (vgl. Hes 34,16), Er ließ auch so oft die versprengte, irregeleitete Herde zu seinen Füßen lagern, um sie zu belehren und ihnen wahre Speise für ihre Seele zu geben. Im Gleichnis vom „verlorenen Schaf“ in Lukas 15 hat Er sich selbst dargestellt. Er ist es, der dem Verlorenen nachgeht, „bis er es findet“. Er ist nicht ein Mietling, der beim Herannahen des Zerstörers der Herde flieht, sondern der „gute Hirte“, der den Erzfeind der Herde im Kampf überwindet, indem Er für seine Schafe sein Leben lässt (Joh 10).

Wie hat Ihn Petrus doch täglich in seinem unermüdlichen Hirtendienst beobachten können! Er ging „wohltuend“ umher (Apg 10,38). Um ein einzelnes „verlorenes Schaf“ zu retten, war Ihm eine beschwerliche Reise nach Sichar in der Mittagshitze nicht zu viel. Auch „verzehrte Er seine Kraft“ (Jes 49,4) unter den Volksmengen, die Ihn umgaben, indem Er auf alle ihre Nöte, Fragen und Bedürfnisse einging und sie unermüdlich belehrte.

Wie umsorgte und betreute Er auch seine Jünger! Sie bildeten die „kleine Herde“ (Lk 12,32), die Er bis zum Tod liebte. Er hat sie so treu behütet, dass Er am Ende sagen konnte: „Von denen, die du mir gegeben hast, habe ich keinen verloren“ (Joh 18,9). Einmal sagte Er zu ihnen: „Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein und ruht ein wenig aus. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie fanden nicht einmal Zeit, um zu essen“ (Mk 6,31).

An sich selbst dachte Er dabei nicht. Schlaf gönnte Er sich nur wenig. Einmal war Er so müde, dass Er sogar während des Sturmwindes im Hinterteil des Schiffes schlief (Mk 4,35-41)!

Und als Er im Begriff stand, in den Himmel zurückzukehren, um von dort aus den Dienst des guten Hirten in anderer Weise auszuüben, da vertraute Er seine Schafe und Lämmer einem Unterhirten an, der seine Hirtentreue inzwischen an sich selbst erfahren und gelernt hatte, in seiner Liebe zu ruhen. Petrus hat das Beispiel des „Erzhirten“ nie vergessen (1. Pet 5,4)!

So hat also Petrus im Umgang mit dem Herrn - und Ihn betrachtend - gelernt zu beten, zu vergeben, ein sanftmütiger, demütiger und treuer Zeuge zu sein, allen Menschen durch das Evangelium die Gnade Gottes anzubieten und unter der Herde Gottes hingebenden und gesegneten Hirtendienst zu tun. In der Apostelgeschichte und in seinen Briefen können wir uns davon überzeugen.

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