Was wahr ist in IHM und in euch

1. Johannes 1

Das ewige Leben, und weshalb es uns gegeben ist.

Kapitel 1, Vers 1

Wir finden in der Bibel verschiedene Anfänge. Aus dem „Anfang“ in 1. Mose 1,1 sind die Himmel und die jetzige Erde hervorgegangen. Der „Anfang“ in Johannes 1,1 stellt die ewige Existenz und Unveränderlichkeit Dessen vor uns hin, der vor allem Geschaffenen „war“. Hier, im 1.Johannesbrief aber haben wir den „Anfang“ der Offenbarung der Ratschlüsse Gottes durch die Ankunft des Sohnes Gottes auf der Erde. Um die Gläubigen vor den neuen Lehren zu schützen, erinnerte sie Johannes an das, „was von Anfang“ des Christentums in der unwandelbaren Gnade und Herrlichkeit der Person Dessen war, der sich auf der Erde zugleich als wahrhaftiger Gott und als wahrer Mensch offenbarte.

Das ewige Leben, das jetzt durch die Kraft des Wortes Gottes in dem Glaubenden hervorgebracht wird, hatten die Apostel damals in der Person eines auf der Erde wandelnden Menschen gesehen. Wie man das natürliche Leben in Adam wahrnehmen konnte, so können auch wir nun das göttliche Leben in Seiner ganzen Schönheit und Vollkommenheit in Christo sehen.

Vers 2

Das ewige Leben ist nicht nur ein Leben ohne Ende; es bringt uns auch in Beziehung mit dem ewigen Gott und macht uns fähig, Ihn zu erkennen und uns in Ihm zu erfreuen.

In der Person des „Wortes“, das Fleisch geworden, ist das ewige Leben, welches von Ewigkeit her, vor Grundlegung der Welt bestand und bei dem Vater war, nun herabgekommen und hienieden kundgetan worden. Johannes führt uns immer wieder zu dieser Tatsache zurück.

Die Ausdrücke „Leben“ und „ewiges Leben“, die sich in diesem Briefe abwechseln, sind gleichbedeutend.

Vers 3

Die Apostel und wir Gläubigen sind in den Besitz des ewigen Lebens gelangt, nicht nur, um in Beziehung zu Gott zu kommen, sondern auch um Gemeinschaft, ein Teil mit Ihm zu haben. Wir haben mit dem Vater Gemeinschaft der Gedanken, der Freude, des Wohlgefallens am Sohne, und mit dem Sohne am Vater. Wir haben auch Gemeinschaft mit den Aposteln, Anteil an dem, was sie gesehen und gehört hatten, so dass wir sagen können: Durch den Glauben haben auch wir das ewige Leben gesehen. Es ist beachtenswert, dass am Anfang des Briefes nicht erwähnt wird, auf welche Weise uns dieses Leben mitgeteilt worden ist. Die Erwähnung der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne setzt diese Tatsache zwar voraus, aber das Mittel, durch das uns auf Grund der Erlösung dieses Leben geschenkt worden ist – der Glaube und die Wiedergeburt – wird erst später genannt (Kap. 5,13). Am Anfang des Briefes wird nur von dem in der Person Christi geoffenbarten Leben an sich gesprochen, und wie es sich nun in den Gläubigen zeigt.

Die ungeheuer wichtige Tatsache, dass den Gläubigen das ewige Leben gegeben ist, macht das Wesen des Christentums aus. In den beiden letzten Kapiteln dieses Briefes zeigt der Apostel, dass dieses Leben in uns nicht unabhängig oder getrennt vom Leben Christi bestehen kann. Es bleibt in Beziehung zu seiner Quelle, die ausschließlich in Christo ist. Mein kleiner Finger lebt. Haust du ihn ab, so wird er sterben, weil er von seiner Quelle abgeschnitten ist. Der Christ ist mit Christo verbunden und muss durch den Geist mit Ihm eins bleiben.

Die erste Auswirkung dieses Lebens bei dem, der es besitzt, ist die, dass er Gott zum Gegenstand hat (Kap. 1). Im zweiten Kapitel finden wir dann einen zweiten Punkt: Das Leben das uns gegeben ist, wird sich vor der Welt durch Früchte, durch praktische Verwirklichung, kundtun. Dieses Leben soll Früchte tragen, die die Welt sehen kann. Sie vermag meine Gemeinschaft mit Gott nicht wahrzunehmen, sondern nur deren Früchte, die im zweiten Kapitel einzeln aufgezählt werden.

Vers 4

Der Apostel teilt uns diese Dinge mit, auf dass unsere Freude völlig sei. Der Christ besitzt dasselbe Leben wie Christus. Das ewige Leben gibt ihm Gemeinschaft, und das Ergebnis davon ist völlige Freude. In Johannes 15,11 steht die völlige Freude mit Gehorsam, in Kapitel 16,24 mit der Abhängigkeit, in Kapitel 17,13 mit der Sicherheit unserer Bewahrung und hier in 1. Joh 1,4 mit der Gemeinschaft im Zusammenhang. Die Gemeinschaft verbindet die Christen miteinander und sondert die ganze Familie Gottes von der Welt ab (Vers 7). Ohne Zweifel werden wir die Fülle dieses Segens erst im Himmel schmecken. Aber schon jetzt haben wir Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesus Christus. Eine größere Segnung wird es selbst im Himmel nicht geben.

Unser Wandel muss mit der Heiligkeit Gottes übereinstimmen

Verse 5–6

Nachdem der Apostel von Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne gesprochen hat, muss er die Botschaft ausrichten, „dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist.“

Damit wir in Gemeinschaft mit Gott leben können, muss der Zustand unserer Seelen in praktischer Übereinstimmung mit seinem Wesen sein. Der Apostel trat dadurch der völlig irrigen Meinung gewisser Christen entgegen, die da behaupteten, die Gegenwart Gottes genießen zu können, auch wenn der sittliche Zustand ihr nicht entsprach.

Unsere Beziehung zu Gott wird nicht zerstört, wenn wir uns schlecht betragen. Ich kann ein Kind haben, das mir Schande macht; wird es deshalb aufhören mein Kind zu sein? Der Wandel kann die Beziehung nicht abbrechen, wohl aber die Gemeinschaft mit dem Herrn, und dies in völligster Weise. Um den Strom der Gemeinschaft zu unterbrechen, genügt ein böser Gedanke, die Begierde einer Minute.

Im 6. Vers handelt es sich nicht nur um Menschen, die fern von Gott sind, sondern auch um Gläubige: Er sagt wir. [Der Apostel richtet sich in diesem Brief sowohl an wahre Christen als auch an bloße Bekenner, weil sich diese schon in jener Zeit zu vermischen begannen.] Johannes betrachtet die Dinge im Herzen des Christen und geht von da zu ihrer Quelle zurück. Wir besitzen das ewige Leben in Christo, von Anfang unseres Glaubenslebens an; die böse Natur aber haben wir von Geburt an in uns. Der Apostel lehrt mich, zwischen diesen beiden Naturen einen Unterschied zu machen, damit, wenn ich in meinem Herzen Finsternis entdecke, ich wisse, dass sie vom Teufel ist und ich mich davon absondere. Gleichzeitig macht er auch darauf aufmerksam, dass zwischen meinen Worten – „wenn wir sagen“ – und dem, was in meinem Herzen ist ein Unterschied bestehen kann; unser Zustand muss aber mit unserem Bekenntnis übereinstimmen.

Vers 7

„In dem Lichte wandeln“, ist der gesegnete, normale Zustand derer, die das Leben haben. Weil sie leben, wandeln sie darin, und zwar inmitten des Lichts, nicht nur mit dem Licht, so, wie man des Nachts mit einer Laterne wandert.

Welches sind die Folgen eines solchen Wandels?

1. Wir beurteilen dann alle Dinge wie Gott, mit Dem wir in dem Lichte Gemeinschaft haben;

2. Wir haben Gemeinschaft mit andern Gläubigen, welche dieselbe göttliche Natur, dasselbe Leben besitzen, in denen derselbe Geist wohnt und die in demselben Lichte wandeln.

3. Wir haben das Bewusstsein unserer vollkommenen Reinigung vor Gott durch das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes. Es geht hier um den Wert des Blutes an sich. Er hat uns dadurch von einer jeden unserer Sünden gewaschen, auch von den uns unbekannten. In dem Lichte wandelnd können wir uns freuen, dass wir vor Gott weißer sind als Schnee, so, wie Seine Augen und Sein Herz uns vor sich zu sehen wünschen.

Wir werden in diesem Vers in dem Zustand des neuen Menschen betrachtet, unter Ausschluss jedes anderen Zustandes. Es wird vorausgesetzt, dass alles, was diesem nicht entspricht, gründlich gerichtet ist. Aus diesem Vers lernen wir, wie der Gläubige gereinigt, aus Kapitel 2,1 dagegen, wie ihm vergeben werden kann.

Verse 8 u. 10

Heute wie damals kann man in der Christenheit die Behauptung hören: „Wir haben keine Sünde.“ Auf Grund unrichtiger Belehrung meinen viele, seit mehr oder weniger längerer Zeit, hienieden schon, die Vollkommenheit erreicht zu haben, einen Zustand, mit dem sie selbst befriedigt sind. Heute behaupten sie, vollkommen zu sein, und fallen vielleicht schon am nächsten Tag, ohne sich dies einzugestehen. Wer da sagt, keine Sünde – Wurzel und Frucht – zu haben, betrügt sich selbst, und die Wahrheit, das heißt, der mit der neuen Natur verbundene Gedanke Gottes, der die Dinge zeigt, wie sie sind, ist nicht in ihm. Im 10. Vers geht die Behauptung, „dass wir nicht gesündigt haben“, noch weiter. Hier macht man durch sein Verhalten Gott zum Lügner und verachtet Sein Wort, das uns vom Gegenteil überzeugt.

Der Christ kann von sich selbst nie sagen, er habe keine Sünde in sich und habe in sich selbst die Vollkommenheit erreicht. Bezüglich unserer Sünden erklärt Gott auf Grund des Werkes Christi, dass sie für Ihn nicht mehr existieren und Er sich ihrer nie mehr erinnern werde. Das ist unsere Stellung vor Gott. Aber in uns selbst ist es anders. In unserem Fleische wohnt der Wurzelstock der Sünde (vgl. Römer 7,17.18); und wenn wir nicht wachen, so wird er Gedanken- und Tatsünden hervorbringen. Jakobus erklärt: „Wir alle straucheln oft“ (Kap. 3,2); er stellt die Tatsache fest; Johannes dagegen schreibt uns, damit wir nicht sündigen (Kap. 2,1).

Johannes möchte, dass wir nur mit Christo beschäftigt wären. Wir sollen nicht sagen: Ich habe keine Sünde, sollten aber auch nicht sündigen. Wir besitzen das ewige Leben und wandeln in dem Lichte, wie Er in dem Lichte ist, damit wir nicht sündigen. Sind wir in einem schlechten Seelenzustand, so kann es uns leicht begegnen, dass wir darin fortschreiten und dabei andere zu einer Heiligkeit ermahnen, die wir selber nicht verwirklichen. Ein solcher Zustand führt uns notwendigerweise unter die züchtigende Hand des Herrn. Jesus war ein Mensch der alles, was Er sagte, völlig verwirklichte. „Wer bist du?“ fragten die Juden, und Er antwortete ihnen: „Durchaus das, was ich auch zu euch rede“ (Joh 8,25). Durch Gnade besitzen wir dieselbe Kraft wie Er; aber wir sollten uns mit dem Masse, wie wir sie anwenden, nicht begnügen, sondern sie in der Weise in Anspruch nehmen, wie sie sich in Christo geoffenbart hat.

Vers 9

Vom Augenblick an, wo ich den Boden praktischer Heiligkeit verlasse, kann ich nicht mehr mit Gott in Gemeinschaft sein, und es ist dann unbedingt nötig, dass ich meine Sünde bekenne. Das ist das einzige Mittel zur Wiederherstellung.

Der Gläubige, dem es von Herzen darum zu tun ist, in die Gemeinschaft mit Gott zurückzukehren, wird in Übereinstimmung mit Ihm ein gründliches Selbstgericht ausüben und Ihm seine Verfehlungen mit Namen nennen. Gott aber ist uns gegenüber treu in Seinen Verheißungen und gerecht gegenüber Christo, hinsichtlich des vollbrachten Erlösungswerkes, so dass „er uns vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“.

Gott kann uns in Seiner Gnade unverzüglich wiederherstellen. Wenn aber die Unterbrechung lange angedauert hat, ist oft ein tiefes Werk Seines Geistes erforderlich, damit der Strom der Gemeinschaft wieder ungehindert fließen kann.

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