Betrachtung über das Buch Esra (Synopsis)

Kapitel 9-10

Betrachtung über das Buch Esra (Synopsis)

Das Volk Israel hatte sich nicht von dem Volk der Länder abgesondert gehalten, und die Obersten und die Vorsteher waren in dieser Treulosigkeit die ersten gewesen. Esra ist dadurch wie betäubt, und er bleibt den ganzen Tag von Trauer überwältigt. Kann es sein, dass der Überrest, den Gott sozusagen aus dem Feuer gerissen hatte, so bald die Hand, die sie erlöste, vergessen und die Töchter eines fremden Gottes geheiratet hatte? Diejenigen, die vor dem Wort des HERRN zitterten, versammelten sich zu ihm, und Esra demütigt sich um dieser Dinge willen. Um die Zeit des Abendopfers ergießt er die tiefe Trauer seines Herzens vor dem Herrn. Einer großen Menge wurde das Herz durch die Gnade berührt. Es erklingt keine prophetische Antwort, wie es früher so oft in ähnlichen Umständen geschehen war; es ist aber eine Antwort aus Gott in den Herzen der Schuldigen da. „Wir haben gesündigt“, sagte einer unter ihnen, „nun aber ist noch Hoffnung für Israel betreffs dieser Sache.“ Und sie machten sich von Herzen ans Werk. Es ergeht ein Ruf an Israel, dass ein jeder, unter der Androhung ausgeschlossen zu werden, nach Jerusalem hinaufziehen sollte, und sie versammelten sich zur Zeit der Regengüsse, denn die Sache war dringend; und die Gemeinde erkennt an, dass es ihnen obliegt, dem Gesetz zu genügen. Unter der Hand Esras und durch den Fleiß derer, die zu diesem Werk bestimmt wurden, war die Angelegenheit in zwei Monaten vollendet. Alle diejenigen, die fremde Frauen genommen hatten, gaben ihre Hand darauf, dass sie ihre Frauen hinwegtun würden: sie bekannten ihre Sünde und opferten einen Widder für diese Übertretung.

Noch einmal finden wir, dass das, was das Wirken des Geistes Gottes und auch das Eingreifen Gottes unter seinem Volk wegen ihres Wandels und moralischen Zustandes kennzeichnet, die Absonderung von allen ist, die nicht zum Volke Gottes, wie es hier war, gehörten. Diejenigen aus der priesterlichen Familie, die ihr Geschlechtsregister nicht vorzeigen konnten, wurden als befleckt vom Priestertum ausgeschlossen; und diejenigen aus dem Volk, die sich in einer gleichen Lage befanden, wurden nicht anerkannt. Sie weisen entschieden alle Beteiligung des Volkes des Landes an dem Werk ab, die sich ihnen beim Bauen des Tempels anschließen wollen; und wegen ihrer eigenen Frauen, von denen einige ihnen Kinder geboren hatten, müssen sie diese schließlich hinwegtun und, koste es, was es mag, sich von allem, was nicht Israel war, absondern. Das ist es, was Treue in einer Lage wie die ihrige kennzeichnet; es war ein aus Babylon herausgekommener Überrest, der mit der Wiederherstellung des Tempels und des Dienstes beschäftigt war nach dem, was ihnen noch geblieben war.

Übrigens sehen wir, dass Gott es nicht unterließ, sie durch sein Zeugnis zu trösten – ein holdseliger und kostbarer Trost! Die Macht der Nationen war aber da. Das aber, was die Macht und den Thron in Jerusalem und die dazu gehörende Ordnungsgewalt betraf, wurde nicht wieder aufgerichtet. Die öffentliche Billigung Gottes wurde nicht gewährt. Nichtsdestoweniger segnete Gott den Überrest seines Volkes, wenn sie treu waren. Das Hervorragendste aber, und was wir uns zu Herzen nehmen sollten, ist die Gnade, die inmitten eines solchen Verfalls und in Gegenwart des durch die Sünde Israels aufgerichteten Thrones der Nationen immer noch sein Volk segnen konnte, obwohl sie den Thron der Nationen anerkannte, den Gott im Gericht über sie eingesetzt hatte. Ihre Lage wird klar und ergreifend in Kapitel 9, 8. 9 geschildert.

Es ist eine ernste Zeit, wenn Gott in seinem Mitgefühl den kleinen Überrest seines Volkes inmitten ihrer Schwierigkeiten unterstützt und sie nach einem Verfall, den ihre Treulosigkeit über sie gebracht hatte, wirklich liebt, soweit das möglich ist – nach einem Verfall, der Gott gezwungen hatte, von ihnen Lo-Ammi zu sagen.

Es ist sehr betrüblich zu sehen, wie sich das Volk nach so viel Gnade wieder in neue Untreue und Abtrünnigkeit von Gott stürzt. Doch so ist Gott, und so ist der Mensch.

Wir müssen immer im Sinn behalten, dass Israel ein irdisches Volk war, und dass ihr voller Platz des Segens jetzt 1 der Platz des Sitzes der Macht Gottes in Gerechtigkeit auf Erden ist, so dass ihre Beziehung zu einer anderen, unter den Nationen aufgerichteten Macht eine besondere war. Wenn man das aber, indem man den Inhalt auf andere Umstände anwendet, im Sinn behält, sind die Unterweisungen dieses Buches äußerst interessant, indem sie die Grundsätze des Verhaltens zeigen, in denen sich der Glaube in den Schwierigkeiten entfaltet, die mit einer teilweisen Wiederherstellung aus einem Zustand des Verfalls zusammenhängen, und die Abhängigkeit von Gott, durch die der Mensch inmitten dieser Schwierigkeiten aufrechterhalten wird, die Wege Gottes in Bezug auf seine Knechte, und das Fehlen jeglicher Anmaßung, das, was nicht in Kraft aufgerichtet werden konnte, wieder zu errichten. Daneben müssen wir das Buch Esra von dem Standpunkt aus betrachten, dass es uns jene besondere Entfaltung der Barmherzigkeit und der Wege Gottes gibt, die den Herrscherstab Judas bestehen lässt, bis Schilo kommt. Im Tempel war keine Schechinah, beim Priester keine Urim und Thummim. Es war aber ein unumschränktes Eingreifen Gottes in jener Güte, die ewiglich währt, so dass dem Kommen des Messias nach den den Vätern gegebenen Verheißungen Raum gemacht war. Das Gericht über die babylonische Macht der Nationen brachte das Zeugnis einer besseren Befreiung mit sich, aber dazu musste man auf die Zeit der Vorsätze Gottes warten.

Fußnoten

  • 1 Ich sage „jetzt“, weil bis zur Zeit Samuels Israel dazu berufen war, im Gehorsam unter dem Priestertum gesegnet zu werden, indem Gott ihr König war. Nach der Zeit Davids im Hinblick auf Christus aber wurde die Nation zum Sitz der Macht Gottes in Gerechtigkeit, insofern wie sie die Segnung genoss.
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