Die Apostelgeschichte

Kapitel 9

Die Apostelgeschichte

Saulus war immer noch mit Wut und Verfolgungswahn erfüllt, als der Herr ihn auf dem Weg nach Damaskus aufhielt und sich ihm in dem Glanz eines himmlischen Lichts offenbarte, das nicht nur um ihn her, sondern auch bis in sein Gewissen hinein leuchtete. In dem Bericht können wir die wesentlichen Merkmale jeder echten Bekehrung erkennen. Da war das bis zum Gewissen durchdringende Licht, die Offenbarung des Herrn an seinem Herzen und die Überführung von Sünde durch die Worte: „Was verfolgst du mich?“ Wird Jesus so erkannt und das Gewissen von Sünde überführt, und gibt es eine solche demütige Unterwerfung unter Jesus als Herrn, dann haben wir es mit einer echten Bekehrung zu tun, auch wenn noch sehr viel bleibt, was die Seele zu lernen hat. Die Bemühungen des Herrn waren ganz persönlich auf Saulus gerichtet, denn seine Begleiter waren wohl erstaunt, doch verstanden sie nichts von alledem, was geschehen war.

Durch diese gewaltige Offenbarung des Herrn wurde Saulus buchstäblich blind für die Welt. Nachdem er nach Damaskus geführt worden war, verbrachte er drei Tage, die er wohl nie vergaß, Tage, an denen die Bedeutung dieser Offenbarung sich seiner Seele einprägte. Im Zustand der Blindheit wurde sein Geist durch nichts abgelenkt, seine Gedanken wurden nicht einmal auf Essen oder Trinken gerichtet. Als Vorbereitung auf seinen Dienst hatte Hesekiel sieben Tage „betäubt“ inmitten der Weggeführten am Fluß Kebar gesessen (Hes 3,15). Saulus verbrachte nur drei Tage in einem solchen Zustand, doch seine Erfahrungen waren von viel tieferer Art. Eine gewisse Vorstellung davon vermittelt uns 1. Timotheus 1,12-17. Er war entsetzt über seine eigene riesige Schuld als der „erste der Sünder“, doch weit mehr staunte er über die überschwengliche Gnade des Herrn, daß er Barmherzigkeit empfing. In diesen drei Tagen durchlebte er offensichtlich einen geistlichen Prozeß des Todes und der Auferstehung. In seiner Seele wurde die Grundlage dafür gelegt, daß er später sagen konnte: „Ich bin mit Christo gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).

Während dieser drei Tage sah Saulus in einem Gesicht, wie ein Mann mit Namen Ananias eintrat und ihm die Hände auflegte, damit er wieder sehend werde. Dieses Gesicht erfüllte sich nach den drei Tagen. Ananias kam und tat, wie ihm gesagt worden war. Er erzählte Saulus, daß er nur der Bote des Herrn sei, Jesus, und daß er, Saulus, nicht nur wieder sehend werden, sondern auch mit Heiligem Geist erfüllt werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt war Saulus ein Gläubiger, denn nur Gläubigen wird der Heilige Geist gegeben.

Nachdem das entscheidende Werk in der Seele Saulus' vollbracht war, benutzte der Herr einen menschlichen Diener. Zweierlei an diesem Dienst ist bemerkenswert. Erstens war er nur „ein gewisser Jünger“, offensichtlich ohne besondere Bedeutung. Es war angebracht, daß der einzige Mensch, der Saulus in jeder Weise helfen sollte, sehr demütig war. Saulus war ein sehr bedeutender Widersacher gewesen, und er sollte bald ein ebenso bedeutender Diener des Herrn sein. Er erhielt Hilfe von einem unscheinbaren und bescheidenen Jünger, der aber dem Herrn nahe genug war, um Seine Anweisungen entgegenzunehmen und Zwiesprache mit Ihm zu halten. So ist es oft in Gottes Wegen. Zweitens wohnte Ananias in Damaskus und gehörte so zu denen, gegen die Saulus Drohung und Mord geschnaubt hatte. So wurde einer von denen, die Saulus ermordet haben würde, gesandt, um ihn „Bruder Saul“ zu nennen, seine Augen zu öffnen und auf daß er mit Heiligem Geist erfüllt würde. So wurde die Bosheit Saulus' auf diese überwältigende Weise mit Gutem vergolten.

Die Tage der Blindheit Saulus', sowohl körperlich als geistlich, waren nun vorüber. Er wurde auf den Namen dessen getauft, den er zuvor verachtete und haßte, und er verkehrte nun mit all denen, die er hatte vernichten wollen, denn er war einer von ihnen geworden. Er war ein „auserwähltes Gefäß“ genannt worden, so begann sein Dienst sofort. Jesus war ihm als der Christus und als der Sohn Gottes geoffenbart worden, und also predigte er Ihn. Zur Verwirrung seiner bisherigen Freunde bewies er aus den Schriften, daß Er der Christus war. Diese Freunde wurden jedoch sehr schnell seine erbitterten Feinde und hielten Rat, ihn umzubringen, genauso, wie er vor kurzem beabsichtigt hatte, die Gläubigen zu töten. Er hatte sich bereits mit einem gewissen Triumph als der Bevollmächtigte der Obersten Jerusalems in Damaskus einziehen sehen, doch nun kam er als ein gedemütigter, blinder Mann. Und als Flüchtling, der sich den Haß der Juden zugezogen hatte, verließ er, zusammengekauert in einem Korb, in wenig würdevoller Weise Damaskus.

So mußte Saulus gleich zu Beginn selbst alles das schmecken, was er anderen zugefügt hatte. Nach Jerusalem zurückgekehrt, mißtrauten ihm die Jünger, was ganz natürlich war, und so mußte Barnabas für ihn eintreten, bevor sie ihn aufnahmen. Barnabas konnte sich für das Eingreifen des Herrn und seine Bekehrung verbürgen und wurde so sein Empfehlungsbrief. Saulus legte in Jerusalem unerschrocken Zeugnis ab und kam dadurch mit den Hellenisten in Konflikt, möglicherweise genau mit den Männern, die die Verantwortung für den Tod des Stephanus trugen. Nun wollten sie den Mann ermorden, der die Kleider der Mörder des Stephanus verwahrt hatte. In alledem können wir die Auswirkung der Regierungswege Gottes erkennen. Die Tatsache, daß der Herr bei seiner Bekehrung solch erstaunliches Erbarmen bewiesen hatte, befreite ihn in diesen Regierungswegen nicht davor, das zu ernten, was er gesät hatte.

Erneut mit Ermordung bedroht, mußte Saulus nach Tarsus, seiner Geburtsstadt entweichen. Man mag sich fragen, wo jener Besuch in Arabien einzuordnen ist, von dem er in Galater 1,17 schreibt. Wahrscheinlich fand er während der „vielen Tage“ statt, von denen der 23. Vers unseres Kapitels spricht, denn wie Paulus dort sagt, kehrte er „wiederum nach Damaskus zurück“. Wenn das so ist, dann hat die Flucht aus Damaskus über die Mauer nach seiner Rückkehr aus Arabien stattgefunden. Wie dem auch sei, es war seine Abreise nach dem entfernten Tarsus, die für die Versammlungen die Zeit der Ruhe und Erbauung einleitete, was zur Vermehrung ihrer Zahl führte.

In Vers 32 kommen wir auf die Aktivitäten des Petrus zurück, damit wir sehen, daß der Geist Gottes nicht aufgehört hatte, durch ihn zu wirken, während Er es ebenfalls an anderen Orten so kraftvoll tat. Zuerst hatte es durch die Heilung des gelähmten Mannes ein großes Werk in Lydda gegeben. Dann wurde Petrus in Joppe benutzt, um Dorkas aufzuerwecken. Das führte dazu, daß viele in dieser Stadt an den Herrn Jesus glaubten. Es führte auch dazu, daß Petrus sich dort längere Zeit im Haus Simons, des Gerbers, aufhielt.

In der Zwischenzeit hatte der Geist Gottes auch an dem Herzen des römischen Hauptmanns Kornelius gewirkt, und als Frucht davon wurde er durch Frömmigkeit und Gottesfurcht gekennzeichnet, indem er Almosen gab und zu Gott betete. Nun war die Zeit gekommen, diesen Mann und seine gleichgesinnten Freunde in das Licht des Evangeliums zu stellen. Petrus waren ja die „Schlüssel des Reiches der Himmel“ (Mt 16,19) gegeben worden, und geradeso, wie er die Schlüssel am Pfingsttag benutzt hatte, um die Auserwählten aus den Juden zuzulassen, so war es jetzt seine Sache, die Auserwählten aus den Nationen zuzulassen. Dieses Kapitel hat davon berichtet, wie Gott den Mann, der der Apostel der Nationen sein sollte, berief und zur Bekehrung brachte. Das nächste erzählt, wie Petrus von seinen Vorurteilen befreit und weiter geführt wurde, die Tür des Glaubens für die Nationen zu öffnen und damit den Weg für den weiteren Dienst des Apostels Paulus zu ebnen.

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