Jakob - Gott kommt zum Ziel

Jakob betrügt Isaak (1. Mo 27)

Jakob - Gott kommt zum Ziel

Das vor uns liegende Kapitel gleicht einem Becher, der bis zum Rand mit Sünde und Schande für alle Beteiligten gefüllt ist. Allerdings erweckt Isaak dabei durchaus unser Mitleid, auch wenn er hier wirklich ungeistlich und ohne Gottesfurcht handelt. Im Grunde ist sein Verhalten ebenso unverzeihlich wie das von Rebekka und Jakob. Doch im Folgenden wollen wir uns nicht weiter mit den Eltern beschäftigen, sondern mit Jakob selbst.

Er liefert uns hier ein Beispiel davon, wie weit ein Gläubiger absinken kann. Gleichzeitig aber sehen wir auch die Langmut und Gnade Gottes. Wenn Er nicht der Ewige wäre, der sich nicht verändert und zu seinen Verheißungen steht, wären Jakob und seine Nachkommen unweigerlich zugrundegegangen (wie uns der letzte Prophet im Alten Testament mitteilt, vgl. Mal 3,5.6). Gott zeigt uns in seinem heiligen Wort, dass Er in seiner sittlichen Regierung mit Jakob genauso handelte, wie Er es später mit seinem Volk tat und tun wird. Beide begannen äußerst armselig, und doch lässt uns das erste Buch Mose viel von dem Glanz sehen, den die göttliche Barmherzigkeit über das Ende Jakobs ausgoss.

Ganz anders war es bei Isaak, der schon lange vor seinem Abscheiden aus dem Blickfeld verschwand. Selbst in Abrahams Leben gab es am Ende nichts, was mit den letzten Tagen Jakobs vergleichbar gewesen wäre. Jakobs Augen, die in der Jugend nur auf seinen Vorteil gesehen hatten, waren im Alter von Gott geöffnet und sahen klar die Zukunft seiner Söhne, ja das Ende der Tage. Da bewahrheitete sich, „dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist. Denn die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist“ (2. Pet 1,20.21). Gott hört nicht auf, immer wieder seinen herrlichen Vorsatz in Bezug auf die Zukunft Christi zu offenbaren.

Doch zurück zu Jakobs Betrug. Haben wir in unserer bösen Zeit nicht auch manches zu bekennen? Daher benutzt Gott die Schilderungen in der Bibel, um uns immer wieder zu ermahnen und zu warnen. Das ist demütigend, aber ganz sicher gut und nützlich für uns. Wird dadurch nicht offenkundig, dass Gott in uns nicht das findet, was Ihm gefällt? Dass Er es aber in seiner Liebe in uns erwecken will, damit die innere Leere oder noch Schlimmeres aus unseren Herzen vertrieben wird? Gott ist es, der uns den Sieg gibt, und zwar durch den Glauben. Andererseits nimmt Er von jedem unserer Fehler vollständig Notiz und züchtigt uns dafür gemäß seiner sittlichen Regierung. Dass dies notwendig ist, wird uns klar, wenn wir bedenken, wer Gott ist und was der Mensch ist – „damit sich vor Gott kein Fleisch rühme“, denn „wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn“ (1. Kor 1,29.31).

Wer außer Gott hätte durch Jesaja sagen können: „Fürchte dich nicht, ich helfe dir! Fürchte dich nicht, du Wurm Jakob, du Häuflein Israel; ich helfe dir, spricht der HERR, und dein Erlöser ist der Heilige Israels“ (Jes 41,13.14). Festen Grund zur Ruhe finden wir nur in dem, was Er für uns ist, nicht in dem, was wir für Ihn sind. Dagegen werden die, die auf ihre eigene Gerechtigkeit vertrauen und es in ihrem Hochmut ablehnen zu glauben, eines Tages umkommen. Nur wer Christus als seine Gerechtigkeit besitzt, wird sich in Ihm freuen und sich seiner rühmen.

Deshalb gefällt es dem Heiligen Geist, diese Szene in all ihrer Schändlichkeit vor uns zu bringen. Es ist eine Szene, bei der die eigentlich Gerechten versagten, weil nicht einer von ihnen durch Glauben wandelte, sondern alle auf das Sichtbare sahen, und wo wir dem, der keinen Glauben hatte, als dem Geschädigten eine gewisse Sympathie entgegenbringen. Zwar bekam auch er einen Lohn – aber für seinen Unglauben: Fern von der Fettigkeit der Erde sollte sein Wohnsitz sein und ohne den Tau des Himmels von oben her. Von seinem Schwert würde er leben und seinem Bruder dienen, bis er schließlich das Joch seines Bruders von seinem Hals zerbrechen würde (V. 39.40). Er kümmerte sich nicht um „Verheißungen“. Was sollte er mit einem „Bund“, wenn er doch nur sich selbst und seinen Begierden lebte?

Jakob war dem schlechten Rat seiner Mutter gefolgt, getreu der Devise: „Lasst uns das Böse tun, damit das Gute komme“ (Röm 3,8). Aber so schlimm sein Verhalten auch war, so schätzte er doch die fest versprochenen Verheißungen des Allmächtigen. Umso schwerer wiegt dann aber auch seine Sünde. Er (und auch seine Mutter) misstrauten Gott, als sie sahen, dass Isaak – entgegen dem Vorsatz des HERRN! – den unwürdigen Versuch unternahm, seinen Lieblingssohn zu segnen. Aber so war es. „Viele Gedanken sind in dem Herzen eines Mannes; aber der Ratschluss des HERRN, er kommt zustande“ (Spr 19,21). Das Fleisch vollführte sein finsteres Werk. Gott wurde vergessen. Der Betrug siegte – aber das Wort unseres Gottes bleibt ewig bestehen.

Esau, der keinen Glauben besaß, empfing nichts von dem unvergänglichen Geschenk der Gnade. Und die anderen, die zwar Glauben besaßen, ihm aber nicht entsprachen und Gott verunehrten, ernteten durch ihre fleischlichen Bemühungen nur Kummer und Leid. Die Mutter musste sich bald darauf von ihrem Liebling trennen, um ihn wahrscheinlich nie wiederzusehen. Jakob, der sich vom HERRN abgewandt hatte, um ihren Rat zu befolgen, wurde für lange Zeit in die Fremde verbannt, wo ihn sein Schwiegervater ebenso betrog, wie er seinen Vater betrogen hatte. Später brachten ihm seine eigenen Kinder viel Not und Schande ein.

Aber Gott ist gut, wie Er auch heilig ist. So musste Jakob wegen seiner Sünde alles erst durch Leid und im Selbstgericht lernen. Weit besser wäre es gewesen, er hätte es in Gottes Gegenwart gelernt. Das hätte ihn vor der Verbannung bewahrt – trotz der negativen Beeinflussung einer fürsorglichen Mutter. Denn das Gewissen spricht zu der eigenen Seele und weist immer auf Gott hin. Zu Ihm besteht die engste Beziehung. Er ist die höchste Autorität. Das darf nicht vergessen oder verleugnet werden – auch nicht mit Rücksicht auf die eigene Mutter.

Rebekka war eine fromme Frau, aber in diesem Fall verriet sie durch ihren Eifer in einer solch listigen Aktion ihren Eigenwillen. Als Jakob die Befürchtung äußerte, sein Vater könne den Betrug entdecken und den Segen in Fluch verwandeln, bot sie sich sogar kühn an, diesen Fluch auf sich zu nehmen. Ihre Beharrlichkeit beseitigte oder beschwichtigte zumindest seine Befürchtungen und ermutigte ihn zu einer nicht unerheblichen Frevelhaftigkeit: Auf Isaaks Frage, wie er denn das Wildbret so schnell gefunden habe, antwortete er dreist: „Weil der HERR, dein Gott, es mir begegnen ließ“ (V. 20). So unverblümt enthüllt die Heilige Schrift die schreckliche Bosheit, zu denen das Herz eines Gläubigen fähig ist.

Jakob handelte unabhängig von Gott, um Gottes Verheißungen in eigener Kraft und Weisheit zu erlangen. Wir werden in der Folge sehen, welche Konflikte und Demütigungen deshalb über ihn hereinbrachen. Sie waren die notwendigen Züchtigungen in der Hand Gottes, um das Fleisch zu besiegen und ihn, der sich so schamlos auf das Böse eingelassen hatte, auf den Weg der Heiligkeit zurückzubringen.

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