Der zweite Brief an die Korinther

Kapitel 13

Der zweite Brief an die Korinther

„Dieses dritte Mal komme ich zu euch, aus zweier oder dreier Zeugen Mund wird jede Sache bestätigt werden. Ich habe es zuvor gesagt und sage zuvor, als wie das zweite Mal anwesend und jetzt abwesend, denen, die zuvor gesündigt haben und den übrigen allen, dass, wenn ich wiederum komme, ich nicht schonen werde“ (Vers 1–2). Paulus war nun einmal in Korinth gewesen, doch hatte er, wie wir wissen, die Absicht gehabt, sie auf dem Weg nach Mazedonien zum zweiten Male zu besuchen; allein ihr schlechter Zustand hielt ihn davon zurück. Er spricht aber hier davon, als sei er wirklich dort gewesen, und ist jetzt bereit, zum dritten Mal zu kommen. Dann aber will er disziplinarisch nicht schonen; er will ausführen, was er zuvor angesagt hat. Jede Sache soll alsdann durch zweier oder dreier Zeugen Mund bewiesen und gerichtet, werden; er will seine Warnungen, die von seinen Gegnern als schwache und leere Drohungen bezeichnet wurden, zur Tat machen.

Schließlich kommt der Apostel noch einmal auf seinen Dienst zurück, woraus so deutlich hervorleuchtet, wie schwer es ihm wurde, von der Rute Gebrauch zu machen. Wie ein zärtlich liebender Vater versucht er vorher alles, ehe er sich entschließen kann, zu diesem letzten Mittel seine Zuflucht zu nehmen. Er hebt aber bei dieser letzten Frage über seinen Dienst einen Gedanken hervor, der die Korinther in Verlegenheit bringen musste. „Weil ihr einen Beweis sucht, dass Christus in mir rede“ (Vers 3). Die Fortsetzung dieses Verses finden wir in Vers 5. Die dazwischen liegenden Gedanken sind eine Parenthese (Zwischensatz) und handeln von dem Charakter seines Dienstes gemäß der Grundsätze, die im vorigen Kapitel gezeigt wurden. Er spricht von der Schwachheit und von dem, was zur Verachtung gereichte auf Seiten des Menschen, und von der Kraft auf Seiten Gottes, wie es selbst bei Christus gesehen wurde, „Der gegen euch“, sagt er, „nicht schwach ist, sondern mächtig unter euch, denn wenn Er auch in Schwachheit gekreuzigt worden ist, so lebt Er doch durch die Kraft Gottes, denn auch wir sind schwach in Ihm, aber wir werden mit Ihm leben durch die Kraft Gottes gegen euch“ (Verse 3–4). In dem Kreuz des Christus sehen wir nichts als Schwachheit; Christus litt und starb als ein schwacher Mensch, obgleich Er auf dem Kreuz das Werk der Erlösung vollbrachte; aber Er wurde auferweckt in Kraft. Wenn nun der Apostel schwach war, so war er es in Ihm; aber er lebte in Ihm durch die Macht Gottes.

„Weil ihr einen Beweis sucht, dass Christus in mir redet... so prüft euch selbst, ob ihr im Glauben seid, untersucht euch selbst, oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, dass ihr etwa unbewährt seid“ (Verse 3. 5). Auf Grund dieser Worte werden oft die Seelen aufgefordert, sich zu prüfen, ob sie im Glauben seien. Allein abgesehen von der falschen Anwendung dieser Stelle, ist jene Aufforderung auch sehr töricht; denn wenn jemand nicht im Glauben ist, so ist er zu jener Prüfung ganz und gar unfähig; und wenn er wirklich im Glauben steht, so ist es unnötig, sich zu prüfen. Es handelt sich hier einfach um den Dienst des Apostels. Hatte Christus nicht durch ihn gesprochen, so wohnte Er auch nicht in den Korinthern. Wenn aber Christus in ihnen war, so musste er durch den Apostel gewirkt haben, weil sie durch ihn als Werkzeug bekehrt worden waren. Ihr Glaube war der deutlichste Beweis seines apostolischen Dienstes, wenn sie nicht etwa unbewährt waren, was sie sicher nicht zugaben. Deshalb mussten diese Worte die Korinther sicher in die größte Verlegenheit bringen. Ihre törichten Widersprüche, ihre ungeziemende Verachtung des Apostels strafte sie selbst. Sobald sie sein Amt als Apostel in Frage stellten, verwarfen sie ja ihr eigenes Christentum; ihre Überhebung und ihr Eigendünkel gereichten also zu ihrem eigenen Verderben.

Wie es aber auch mit ihnen sein mochte, der Apostel traut ihnen zu, dass sie wissen und erkennen würden, dass er nicht unbewährt oder verwerflich sei (Vers 6). „Wir beten aber zu Gott, dass ihr nichts Böses tun mögt, nicht damit wir bewährt erscheinen, sondern damit ihr tut, was recht ist, wir aber als Unbewährte seien“ (Vers 7). Welch eine Selbstverleugnung! Wenn es ihnen nur gut ging, so mochte man von ihm denken, was man wollte; er war alsdann ganz zufrieden, als ein unnützes Werkzeug, ein unnützer Knecht betrachtet zu werden. Ferner bekennt er: „Wir vermögen nichts wider die Wahrheit, sondern für die Wahrheit“ (Vers 8). Wenn sie also in der Wahrheit wandelten, so hatten sie seine apostolische Macht nicht zu fürchten, weil diese in völliger Übereinstimmung mit der Wahrheit war. Paulus herrschte nicht über sie in seinem eigenen Interesse, sondern er war zufrieden, schwach zu sein, wenn sie nur stark waren; ja, es war sogar seine Freude; denn sein einziger Wunsch war „ihre Vervollkommnung“ (Vers 9). „Deswegen“, sagt er, „schreibe ich dieses abwesend, damit ich anwesend nicht Strenge gebrauchen müsse, nach der Gewalt, die der Herr mir gegeben hat zur Auferbauung und nicht zur Zerstörung“ (Vers 10).

Erfüllt und geleitet durch den Heiligen Geist hatte er ihnen jetzt alles gesagt, was sein Herz bewegte, und schließt nun den Brief mit einigen kurzen Ermahnungen und Segenswünschen. „Übrigens, Brüder, freut euch, werdet vollkommen, seid getrost, seid eines Sinnes, seid in Frieden“ (Vers 11). Wie umfassend sind diese wenigen Worte! Sie sagen alles, was die Gesinnung und den Wandel eines Christen ziert und zur Verherrlichung Gottes gereicht. Und wenn das Leben der Heiligen in Korinth sich in dieser Weise offenbarte, so konnten sie gewiss sein, dass „der Gott der Liebe und des Friedens“ segnend in ihrer Mitte war und sie begleitete. Und im Gefühl dieser Liebe ruft er ihnen zu: „Grüßt einander mit heiligem Kuss. Es grüßen euch die Heiligen alle“ (Vers 12). Schließlich fleht und wünscht er, dass „die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ mit ihnen allen sei (Vers 13). Die Gnade, die uns errettet, hat uns auf ewig sichergestellt und unterweist uns zu einem gottseligen Wandel; die Liebe, die uns den Sohn gesandt, als wir noch Feinde waren, leitet und tröstet uns in allen Versuchungen dieser Wüste, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes ist das Band, das uns für immer mit dem Vater und dem Sohn verbindet. O möchte deshalb dieser Wunsch allezeit bei uns seine gesegnete Verwirklichung finden!

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