Ein Volk für seinen Namen (Apg. 14-17)

Das Zeugnis der Apostel in Lystra und Derbe

Ein Volk für seinen Namen (Apg. 14-17)

Durch feindliche Nachstellungen der Juden und Heiden von Ikonium weggetrieben, waren Paulus und Barnabas zu den nicht weit entfernten Städten Lystra und Derbe in Lykaonien gekommen. Wieder erwies sich, dass das Werk Gottes durch Verfolgung nicht selten nur desto schnellere Verbreitung findet. So hart die Angriffe des Feindes auch waren, sie dienten doch letztlich der Förderung des Evangeliums. Und so vermerkt der Chronist nur knapp:

„... und dort verkündigten sie das Evangelium“ (Apg 14,7).

Wörtlich heißt es: „Sie waren verkündigend … „. Durch diese grammatische Konstruktion wird angedeutet, dass die beiden damit fortfuhren, dass Evangelium zu verkündigen. Wie tröstlich ist das! Ungeachtet aller Widerwärtigkeiten fand die Verkündigung des Evangeliums an weiteren Orten nun ihre Fortsetzung. Niemand konnte das verhindern.

Man kann diesen Vers als Zusammenfassung alles dessen auffassen, was in den beiden Städten Lykaoniens in jenen Tagen vor sich ging. Tatsächlich gelangten die Apostel erst nach der Steinigung des Paulus nach Derbe (Vers 20). Alles andere ereignete sich in Lystra.

Diese Stadt scheint die Heimat von Timotheus gewesen zu sein. Wahrscheinlich traf er zuerst bei dieser Gelegenheit den Apostel Paulus – bei diesem ersten Besuch, der dann auch zu seiner Bekehrung führte. Jedenfalls wollte Paulus diesen „gewissen Jünger“ bei einem späteren Besuch mitnehmen zum Werk; denn er hatte bereits ein gutes Zeugnis von den Brüdern in Lystra und Ikonium (Apg 16,1–3). Dass Paulus das Werkzeug zu seiner Bekehrung war, unterstreichen auch die liebevollen Bezeichnungen, die der Apostel in seinen Briefen von ihm gebraucht: „mein geliebtes und treues Kind im Herrn“ (1. Kor 4,17), „mein echtes Kind im Glauben“ (1. Tim 1,2), „mein geliebtes Kind“ (2. Tim 1,2).

Ein Gelähmter kommt zum Glauben

„Und ein gewisser Mann in Lystra saß da, kraftlos an den Füßen, lahm von seiner Mutter Leib an, der niemals gegangen war. Dieser hörte Paulus reden, der, als er unverwandt auf ihn hinblickte und sah, dass er Glauben hatte, geheilt zu werden, mit lauter Stimme sprach: Stelle dich gerade hin auf deine Füße! Und er sprang auf und ging umher“ (Apg 14,8–10).

Der unheilbar Kranke, der sich unter der Zuhörerschaft des Apostels Paulus in Lystra befand, war, was seinen Gesundheitszustand anging, in einer bedauernswerten, hoffnungslosen Lage. Er war gleichsam ein „Duplikat“ des Gelähmten in Apostelgeschichte 3. Die Beschreibung des Mannes in Lystra ist erstaunlich umfassend. Als Erstes, er war „kraftlos an den Füßen“, so dass er weder gehen noch stehen konnte: Er „saß da“. Als Zweites erfahren wir, dass es so von Anfang an mit ihm gewesen war: „lahm von seiner Mutter Leib an“. Der dritte Hinweis zeigt die tragische Auswirkung seines Zustands: Er war noch „niemals gegangen“. In der Tat, hier lag ein Fall vor, für den jede menschliche Hilfe ausgeschlossen war.

Wenn wir das weitere Geschehen in Lystra vor Augen haben und es mit dem vergleichen, was in sich im Tempel in Jerusalem ereignet hatte, zeigen sich bemerkenswerte Parallelen, aber auch deutliche Gegensätze. Dort waren es zwei Apostel gewesen, die Gott benutzte: Petrus und Johannes. Und auch hier sind es zwei Apostel: Paulus und Barnabas. In beiden Fällen war die unheilbare Krankheit angeboren. Beide Heilungen geschahen, ohne dass darum gebeten worden war. Beide Heilungen führten zu schwerwiegenden Reaktionen.

Die Gegensätze sind nicht minder bedeutsam. Der eine Gelähmte war ein Jude, der andere ein Heide. Der eine hatte keinen Glauben, er glaubte erst nach der Heilung; der andere glaubte schon vorher. Was die Ergebnisse angeht, so gab es im ersten Fall viel Erstaunen und Verwunderung unter den Juden, im zweiten offenbarte sich finsterster Aberglaube unter den Heiden. Und während Petrus zur Heilung den Namen Jesu Christi, des Nazaräers, angerufen hatte, lesen wir hier nichts dergleichen.

Paulus verkündigte in Lystra das Evangelium, und der Gelähmte, der unter den Zuhörern saß, hörte ihn reden. Offenbar wurde er von dem, was er hörte, angezogen, denn solch eine Botschaft war noch nie an seine Ohren gekommen. Wir können uns vorstellen, wie seine Augen wie gebannt auf den Redner schauten. Die Blicke beider begegneten sich. Denn auch Paulus blickte unverwandt auf ihn hin und nahm dabei im Antlitz des Mannes wahr, dass er Glauben hatte – Glauben, geheilt (oder: gerettet) zu werden. Der Glaube kam durch das Hören – eine göttliche Regel (Röm 10,17).

Wenn nun Paulus mit lauter Stimme ihm gebot, sich gerade hin auf seine Füße zu stellen, so war das der Ausdruck der göttlichen Autorität und Macht, in der er handelte. Wie in Ikonium beabsichtigte der Herr auch in dieser Stadt, das Evangelium durch Zeichen und Wunder zu bestätigen.

Der Mann „sprang auf und ging umher“. Das Aufspringen war der Akt eines Augenblicks, eine einmalige Handlung, was im Griechischen durch den Aorist beschrieben wird. Aber dann geht der Schreiber vom Aorist zum Imperfekt über. Mit dieser Verbform wird ein kontinuierliches Geschehen ausgedrückt: „Er begann und fuhr fort, umherzugehen.“ Jeder aus der großen Volksmenge konnte es sehen, wie der einst Gelähmte jetzt auf seinen Füßen war und sie in einer Weise benutzte, wie er es früher nie hatte tun können.

So weit das Wunder. Mehr wird dazu nicht gesagt. Und wie wir nicht den Namen des Geheilten erfahren, so wird auch nicht ein einziges Wort über ihn und seinen weiteren Werdegang verloren. Der Heilige Geist will die Aufmerksamkeit offenbar ganz auf die außergewöhnliche Situation lenken, die sich nach dem Vollbringen des Wunders in Lystra einstellte. Sie gab zudem Anlass zu einer kurzen, sehr beachtenswerten Ansprache der Apostel.

Reaktionen des Aberglaubens

Die Missionare hatten erstaunlicherweise keine Mühe, ganze „Volksmengen“ der einheimischen Bevölkerung um sich zu scharen und sie für ihre Botschaft zu interessieren. Unter dieser großen Zuhörerschaft hatte sich auch der Gelähmte befunden. Wir können dem Bericht entnehmen, dass dann am Ende der Verkündigung das Wunder an ihm geschehen war. Allerdings – und das ist bemerkenswert welche geistlichen Ergebnisse das alles zeitigte, wird im Augenblick völlig außer Acht gelassen. Fast beiläufig erfahren wir erst später davon, und dann auch nur in zusammengefasster Form: Nicht wenige Menschen waren in den genannten Orten zum Glauben gekommen, Versammlungen waren entstanden (Verse 21–23).

Da Paulus auf offener Szene sprach und handelte, konnten die Volksmengen daran lebhaft Anteil nehmen, was sie – auf ihre Weise – auch taten. Sie waren eingeborene Lykaonier und zutiefst der alten griechischen Mythologie (Götter- und Heldensagen) verbunden. Was nun geschah, entnehmen wir der packenden Schilderung, die uns Lukas, der inspirierte Schreiber, darüber gibt:

„Und als die Volksmengen sahen, was Paulus getan hatte, erhöhen sie ihre Stimme und sagten auf Lykaonisch: Die Götter sind den Menschen gleich geworden und zu uns herabgekommen. Und sie nannten Barnabas Zeus, Paulus aber Hermes, weil er das Wort führte. Und der Priester des Zeus, der vor der Stadt war, brachte Stiere und Kränze an die Tore und wollte mit den Volksmengen opfern“ (Apg 14,11–13).

Die Erklärung der Volksmengen für das Wunder ergab sich ganz aus ihrer gewohnt heidnischen Sichtweise: „Die Götter sind den Menschen gleich geworden und zu uns herabgekommen.“ Sie sahen in den beiden Männern Barnabas und Paulus angesichts des Wunders Götter, die in menschlicher Gestalt zu ihnen gekommen waren. Gemäß ihrer sagenumwobenen Tradition waren schon einmal Zeus und Hermes vom Olymp (dem Sitz der Götter) in der Form von Menschen in die Nachbarregion Phrygien herabgekommen. Hatte nicht auch Ovid, der lateinische Dichter, vor nicht langer Zeit in seinen „Metamorphosen“ davon gesprochen? Und so waren sie überzeugt, dass sich der Vorgang wiederholt hatte und zwei Götter den Menschen gleich geworden und zu ihnen gekommen waren.

Barnabas nannten sie Zeus (die griechische Form des lateinischen Jupiter), Paulus aber gaben sie den Namen Hermes (die griechische Form des lateinischen Merkur oder Mercurius). Nach der griechischen Mythologie war Hermes der Bote der Götter, der Wortführer des Zeus, gewandt in der Rede. Und so verstehen wir, wenn die Schrift den Grund dafür angibt, dass man Paulus Hermes nannte: „... weil er der Wortführer war.“ Bei Barnabas fehlt jede Begründung für die Namensgebung. Wahrscheinlich war Barnabas von stattlicherer Statur, und so machten sie ihn, ohne lange zu fragen, kurzerhand zum Zeus oder Jupiter.

Unter der Annahme, dass die beiden Götter sich als Menschen verkleidet hatten, wurden die Vorbereitungen dafür getroffen, ihnen zu opfern. Wenn gesagt wird: „Der Priester des Zeus, der vor der Stadt war“, so bezieht sich das auf den Hauptpriester, der dem außerhalb der Stadt liegenden Tempel des Zeus vorstand. Er organisierte die Opferung, sorgte für die Stiere, die, mit Blumengirlanden geschmückt, zum Opferort geführt wurden. Dort an den „Toren“ wollte er mit den Volksmengen den neu entdeckten Gottheiten opfern. Man kann annehmen, dass mit den Toren die Tore des Hauses oder des Hofes gemeint sind, wo die Apostel sich aufhielten.

Die Diener des Herrn, die zuvor verfolgt worden waren, wurden hier zu Gegenständen der Anbetung gemacht. Doch sie waren ihrem Meister in der einen wie in der anderen Situation treu und lehnten jede Verehrung entschieden ab. Welch ein nachahmenswertes Beispiel sind sie darin für alle Knechte des Herrn zu allen Zeiten!

„Als aber die Apostel Barnabas und Paulus es hörten, zerrissen sie ihre Kleider, sprangen hinaus unter die Volksmenge und riefen (Apg 14,14).

Hier gewinnt ein Umstand an Bedeutung, den wir noch nicht beachtet haben. Die Leute der Stadt hatten in ihrer eigenen Muttersprache, hatten „auf Lykaonisch“ ausgerufen: „Die Götter sind den Menschen gleich geworden und zu uns herabgekommen“ (Vers 11). Die Apostel hatten das nicht verstehen können und waren deshalb nicht im Bild über die Bedeutung dessen, was jetzt in der Stadt vor sich ging. Erst als sie „es hörten“ – auf welche Weise sie davon erfuhren, wird nicht gesagt –, traten sie energisch dagegen auf.

Doch, so mag jemand fragen, besaß Paulus nicht die Gabe des Redens in Sprachen? Redete er nicht mehr in einer Sprache als sie alle (1. Kor 14,18)? Warum benutzte er sie jetzt nicht? Dann hätte er doch gewusst, was die Lykaonier zueinander gesagt hatten.

Wer so argumentiert, zeigt, dass er das Wesen des Redens in Sprachen nicht verstanden hat. Das Reden in Sprachen war nicht einfach eine übernatürliche Gabe zur Übersetzung von einer Sprache in eine andere. Auch bestand für Paulus in Lykaonien keine Notwendigkeit, in Sprachen, in diesem Fall auf Lykaonisch, zu reden: Sie alle verstanden das Griechische. Überhaupt war es nicht der Zweck dieser göttlichen Gnadengabe, fremden Völkern in ihren Sprachen das Evangelium zu verkündigen.

Diese Andeutungen mögen an dieser Stelle genügen. Wir haben uns mit diesem Gegenstand eingehend beschäftigt – Wesen, Zweck, Fortdauer der Sprachen –, als wir in Kapitel 2 der Apostelgeschichte standen. So sei auf die Ausführungen in „Ein Volk für Seinen Namen“, Teil 1 und 2, Seite 143 bis 185, verwiesen. Das Verhalten des Apostels in Lykaonien unterstreicht das dort Gesagte. Gleicherweise widerspricht es der Meinung, dass das Reden in Sprachen der Beweis für die Taufe mit dem Heiligen Geist sei.

Wenn die beiden Diener des Herrn „ihre Kleider zerrissen“, so drückten sie damit ihren Schmerz und Kummer über das aus, was sie als Gotteslästerung, als Frevel empfanden. Die Handlung selbst geschah dadurch, dass man die Tunika, das Untergewand, mit beiden Händen von oben her anfasste und nach unten 8 bis 10 cm einriss. Mit einem derart zerrissenem Gewand umherzugehen zeugte somit von einer tiefen seelischen Erfahrung seiner Träger.

Dass Barnabas und Paulus „hinaus unter die Volksmenge sprangen“, ist die Umschreibung dafür, dass sie von dem Ort, wo sie sich aufhielten, rasch und in höchster Erregung unter die Volksmenge stürzten, um sie von ihrem Vorhaben abzuhalten. Mit starker Stimme rufend geboten sie dem götzendienerischen Treiben Einhalt.

Bevor wir uns der kurzen Ansprache, die dann folgte, zuwenden, sei die Frage gestattet, ob wir heute in weiten Teilen der Christenheit nicht das genaue Gegenteil von dem antreffen, was soeben vor uns war. Wie viel Menschenverherrlichung gibt es in unseren Tagen, selbst unter denen, die dem einst so niedrigen Jesus von Nazareth zu dienen vorgeben! Das Lob, der Beifall der Menschen wird vielfach höher eingeschätzt als das Lob von Gott. Und haben sich geistliche Würdenträger nicht die höchsten Ehrentitel zugelegt, mit denen sie sich auch anreden lassen? Das alles ist dem Geist wahren Christentums völlig entgegen.

Doch alle Diener des Herrn müssen sich vor der Neigung warnen lassen, „Ehre von Menschen zu suchen“. Paulus konnte später die Gläubigen in Thessalonich daran erinnern, dass er und seine Mitarbeiter, als sie bei ihnen waren, weder von ihnen noch von anderen Ehre gesucht hatten (1. Thes 2,6)! Und wenn sie redeten, dann, so sagt er, „nicht um Menschen zu gefallen, sondern Gott, der unsere Herzen prüft“ (Vers 4). „Denn suche ich jetzt Menschen zufriedenzustellen oder Gott? Oder suche ich Menschen zu gefallen? Wenn ich noch Menschen gefallen wollte, so wäre ich Christi Knecht nicht“ (Gal 1,10). Ernste, beherzigenswerte Worte!

Die Ansprache

Mit den Worten

„Männer, warum tut ihr dieses?“ (oder: „Männer, was tut ihr da?“) (Apg 14,15a)

werfen sich die Apostel mutig der Menge entgegen. Man spürt geradezu ihre Entrüstung und ihren Unmut über das Tun dieser Heiden. Aber dann fahren sie fort, zu den Lykaoniern zu reden. Und wieder sind es Worte der Gnade, der Gnade Gottes.

„Auch wir sind Menschen von gleichen Empfindungen wie ihr und verkündigen euch, dass ihr euch von diesen nichtigen Götzen bekehren sollt zu dem lebendigen Gott, der den Himmel und die Erde und das Meer gemacht hat und alles, was in ihnen ist“ (Apg 14,15).

Das Erste, was die Apostel vorstellen, ist, dass sie selbst nur menschliche Wesen sind wie sie, die Lykaonier, auch; dass die gleichen menschlichen Empfindungen sie erfüllten, wie sie es von sich kannten. Da demgegenüber die „Götter“ als nicht menschliche Wesen betrachtet wurden, widerspricht diese Feststellung direkt der Vorstellung der heidnischen Menschen, dass diese beiden Männer Götter in der Gleichheit von Menschen seien (Vers 11).

Bekehrung – „zu Gott“

Ja, und dann wird von der Notwendigkeit der Bekehrung gesprochen, der Bekehrung weg von den nichtigen Götzen – hin zu dem lebendigen Gott. Es sind kühne Worte, die Paulus und Barnabas gebrauchen, wenn sie die Gottheiten der Lykaonier als nichtige Götzen bezeichnen. So nichtig waren diese heidnischen Götter, dass sie gänzlich darin versagten, ihren Anbetern das zu geben, was diese von ihnen als Götter erwarteten. Weiter geht die Bedeutung von „nichtig“ nicht. Natürlich sind diese „nutzlosen“ Götter noch weniger als das. Sie sind in Wirklichkeit „nichts“, wie 1. Korinther 8, Vers 4, sagt.

Unwillkürlich wird man an die berühmte Stelle aus dem Propheten Jesaja erinnert, wo Gott – fast ironisch – beschreibt, wie ein Mensch einen Baum fällt und sich mit einem Teil davon sein Essen kocht und sich ein Feuer macht, um sich zu wärmen. Wie er sich dann aus demselben Holz einen Gott bildet und sich vor ihm niederwirft und ihn anbetet (vgl. Kap. 44,10–17; Hab 2,18.19). In der Tat, solche Götter sind absolut nichtig, nutzlos!

Nun, von diesen nichtigen Götzen sollten sich die Heiden bekehren, sollten ihnen den Rücken zukehren, um sich glaubensvoll dem lebendigen Gott zuzuwenden. So können wir die Wendung „von den Götzen zu Gott bekehren“ verstehen. Das ist auch die gewöhnliche Reihenfolge, wenn in der Schrift von Bekehrung gesprochen wird: (weg) von – (hin) zu. Wir finden sie auch in Kapitel 26: „... damit sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott“ (Vers 18). Bei dieser Sichtweise liegt der Schwerpunkt darauf, dass man mit dem alten Leben brechen muss, wenn man mit Gott ein neues beginnen will. Der Mensch muss eine Kehrtwendung von 180 Grad vollziehen.

Anders liegt der Fall in 1. Thessalonicher 1, Vers 9. Dort haben wir die umgekehrte Reihenfolge, im deutschen Text leider nicht erkennbar. Die Thessalonicher hatten sich bekehrt „von den Götzenbildern zu Gott, um den lebendigen und wahren Gott zu dienen“. Das Hinwenden zu Gott wird als Erstes genannt, erst danach das Aufgeben der Götzen. Zweifellos gehen die beiden Dinge da, wo ein wirkliches Werk Gottes in der Seele geschieht, miteinander.

Doch ist es gut, daran erinnert zu werden – und das ist der Blickwinkel in 1. Thessalonicher 1 –, dass nichts von dem, was wir aufgeben könnten, uns erretten kann. Wir können nichts zu unserer Errettung beitragen, weder unsere Hingabe oder sonst etwas. Alles geht von Gott aus, alles ruht auf dem, was wir von Ihm empfangen. Gott bittet nie einen Sünder um sein Herz. Anders ist es natürlich, wenn bereits eine Beziehung zu Ihm besteht. Dann sagt Er: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz“ (Spr 23,26). Er verlangt danach und Er hat Anspruch darauf.

Der Schöpfer-Gott

Den vielen nichtigen, nutzlosen Götzen stellen die christlichen Redner den einen lebendigen Gott gegenüber. Der Gegensatz ist nicht: nutzlos – nützlich, sondern: nutzlos – lebendig. Gott ist der lebendige Gott, und Er tut alles das, was der unermessliche Ausdruck >Gott< in sich schließt, auch wenn es weit über die Erwartung derer hinausgeht, die Ihn anbeten. Der Beweis für Seine lebendige Existenz war selbst für die Augen der heidnischen Welt sichtbar. Ist Er es doch, „der den Himmel und die Erde und das Meer gemacht hat und alles, was in ihnen ist“ – sie selbst, die Menschen, mit inbegriffen. Mit den vier Ausdrücken oder Bereichen wird der ganze Umfang der Schöpfung angedeutet, damit man Ihn besser erahnen kann.

Es ist bezeichnend, dass Paulus später den „Männern von Athen“ denselben Schöpfer-Gott predigte (Apg 17,22ff). Ob es sich um die unwissenden Lykaonier oder die gebildeten Athener handelte, sie alle mussten zu den Anfangsgründen der Schöpfung Gottes geführt werden. Es ist heute nicht anders. Denn wer nicht an Gott, den Schöpfer, glaubt, wie Er sich in der Schöpfung offenbart hat, glaubt auch nicht an Gott, den Erlöser, wie Er sich in Christus offenbart hat. Wenn auch nirgends gesagt wird, dass das Zeugnis der Schöpfung einen Menschen zur Bekehrung führt – nur das Wort Gottes vermag dies –, so ist doch seine Annahme eine wichtige Voraussetzung für den Empfang des Evangeliums. Dass die Schöpfung die Herrlichkeit Gottes bezeugt und dabei eine machtvolle Sprache spricht, sollen zwei Stellen belegen, die eine aus dem Alten, die andere aus dem Neuen Testament.

„Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk. Ein Tag berichtet es dem anderen, und eine Nacht meldet der anderen die Kunde. Keine Rede und keine Worte, doch gehört wird ihre Stimme“ (Ps 19,2–3).

„... weil das von Gott Erkennbare unter ihnen (den Menschen) offenbar ist, denn Gott hat es ihnen offenbart – denn das Unsichtbare von ihm wird geschaut, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden –, damit sie ohne Entschuldigung seien“ (Röm 1,19.20).

In der Schöpfung kann man also etwas Wesentliches von dem unsichtbaren Gott erblicken – Seine Herrlichkeit, Seine ewige Kraft, Seine Göttlichkeit. Jeder Mensch muss dahin gebracht werden, das anzuerkennen. Denn verwirft er dieses Zeugnis, so liefert er sich dem Zorn Gottes aus (Röm 1,18). Dass doch auch die modernen Menschen unserer Tage das zu Herzen nähmen! Sie reden von „Entwicklung“ und verwerfen damit bewusst den Schöpfer, wie Er sich nicht nur in der Schöpfung, sondern herrlicher noch in der Heiligen Schrift offenbart hat. Die Lykaonier damals waren unwissend, die Menschen heute sind es nicht.

Gott – ein Erhalter aller Menschen

So war es das erste Anliegen der beiden Sendboten Gottes, den Götzendienern Lykaoniens von dem lebendigen Gott zu sagen. Seine Größe konnten sie in dem Gemachten wahrnehmen.

Doch dieser Gott war und ist auch ein Erhalter aller Menschen (1. Tim 4,10). Die folgenden in Lystra gesprochenen Worte bezeugen das auf eindrucksvolle Weise.

„… der in den vergangenen Geschlechtern alle Nationen auf ihren eigenen Wegen gehen ließ, obwohl er sich doch nicht unbezeugt gelassen hat, indem er Gutes tat und euch vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gab und eure Herzen mit Speise und Fröhlichkeit erfüllte“ (Apg 14,16.17).

Der Charakter der apostolischen Belehrung

Ehe wir auf die Einzelheiten dieser Verse eingehen, sei daraufhingewiesen, dass die apostolische Belehrung nicht immer denselben Inhalt oder Charakter hatte. Für die Prediger des Wortes machte es einen nicht geringen Unterschied, ob sie zu Juden oder zu Heiden sprachen. Den Bedürfnissen der einen wie der anderen Gruppe begegneten sie dadurch, dass sie ihnen entsprechend dem Boden, auf dem sie jeweils standen, zu Hilfe kamen.

Den Juden waren die Aussprüche Gottes anvertraut worden (Röm 3,2). Sie kannten sie, regelmäßig wurden sie in ihren Synagogen gelesen. Und so waren es die „Schriften“, auf die die christlichen Prediger ihre Belehrung den Juden gegenüber gründeten und abstützten (vgl. Apg 17,2).

Wenn sie zu Heiden sprachen, fehlt jede Bezugnahme auf die Aussagen des Alten Testaments. Was hätte es für einen Sinn gehabt, sie vor den Menschen aus den Nationen zu zitieren? Sie wussten nichts von einer geschriebenen göttlichen Offenbarung. Auch der Gott, den die Apostel verkündigten, war den Nationen völlig unbekannt. Sie hatten nie von Ihm gehört. Und so verfuhren die Sendboten Gottes auch mit diesen Menschen entsprechend ihrem besonderen Zustand. Das heißt, sie verwiesen sie auf das, was sie alle sahen und kannten: auf den Himmel über ihnen, auf den Regen und die fruchtbaren Zeiten, die ihnen im Verlauf der Jahre immer wieder geschenkt worden waren. Damit waren sie vertraut, und daran knüpften die Apostel an.

Gott gibt Fröhlichkeit ins Herz

Wem verdankten die Heiden all diese Gütigkeiten zur Stillung ihrer täglichen Bedürfnisse – Jahr für Jahr? Dem lebendigen Gott!

Es ist wohl wahr, dass Gott in den vergangenen Geschlechtern alle Nationen auf ihren eigenen Wegen gehen ließ. Er ahndete ihre bösen Taten nicht. Wenn Er auch nie dem Bösen gegenüber, das die Götzendiener taten, gleichgültig war, so hatte Er sie doch noch nicht in das Gericht darüber gebracht. Er übersah die Zeiten der Unwissenheit, wenn auch nicht des Menschen Bosheit (Apg 17,30).

Aber ebenso wahr, beglückend wahr ist es, dass Gott sich in den vergangenen Zeiten nicht unbezeugt gelassen hat. Wunderbare Güte Gottes! In Seiner Vorsehung hatte Er ihnen Gutes getan, hatte ihnen vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, ihre Herzen mit Speise und Fröhlichkeit erfüllend. Alle guten Dinge für das irdische Leben hat Gott bewirkt.

Manche haben gemeint, dass Regen deswegen erwähnt wird, weil Lystra oft unter Dürre litt. Doch der Grund ist einfach der, dass der Regen „vom Himmel“ und damit von Gott kommt.

Durch ihn gibt Er fruchtbare Zeiten mit all ihrem Reichtum. Vor den Augen der Heiden damals und der Menschen bis heute vollzieht sich alljährlich das Wunder der Jahreszeiten und ihrer überreichen Fülle an Frucht. Es ist dies eins der großen Zeugnisse, die Gott von sich als dem Erhalter aller Menschen gibt. Alle Menschen können und sollen es sehen. In Psalm 145 findet es einen köstlichen Ausdruck in den Worten: „Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit“ (Vers 15).

Die Wendung „Indem er ... eure Herzen mit Speise und Fröhlichkeit erfüllte“ ist bemerkenswert knapp gefasst. Natürlich ist es der Körper, der mit Speise erfüllt wird, so dass dann das Herz fröhlich wird. Wenn also, anstatt Körper und Herz zu nennen, nur das Herz erwähnt wird, dann deswegen, weil die Speise als Mittel für die Fröhlichkeit des Herzens gesehen wird. Jedenfalls gibt Gott – und das ist etwas sehr Berührendes – den natürlichen Menschen, selbst den Heiden, auf Seine Weise Fröhlichkeit ins Herz.

Wie ist Ihm das gleich! Die meisten Menschen denken nicht an Ihn, kennen Ihn nicht, gehen ohne Ihn durchs Leben, nehmen alles als selbstverständlich und ohne Dank entgegen. Dennoch verhält Er sich in Seiner Güte ihnen gegenüber bis heute so, wie wir es hier gelernt haben. Ja, wahrlich, unser Gott ist ein Heiland-Gott, „der alles am Leben erhält“, „ein Erhalter aller Menschen, besonders der Gläubigen“ (1. Tim 6,13; 4,10)! Noch immer „lässt er seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45).

„Und als sie dies sagten, hielten sie die Volksmengen kaum davon ab, ihnen zu opfern“ (Apg 14,18).

So verwerflich die Reaktion der götzendienerischen Lykaonier auch war – und die Apostel konnten sich ihrer nur mit Mühe erwehren –, sie hatte doch einen Hintergrund, den wir nicht übersehen sollten. Das ganze für das Heidentum typische Denken hatte seine Wurzeln in der erbärmlichen Vorstellung, dass die Götter auf das Glück von Menschen neidisch sind. Wir mögen das heute belächeln, mögen es töricht finden. Aber die Menschen machten sich noch immer ihre Götter nach ihren eigenen Vorstellungen, machten sie sich so, wie sie selbst sind. Und da spielen eben Neid und Eifersucht eine gewichtige, unheilvolle Rolle.

Doch die Lykaonier hatten nun von dem lebendigen Gott gehört, der ihnen Gutes tat und ihre Herzen mit Speise und Fröhlichkeit erfüllte. Sie erkannten den gewaltigen Unterschied zwischen ihren neidvollen Göttern und diesem Gott, von dem sie so Großes vernommen hatten. Und so brachen sich ihre Bewunderung und Verehrung in der angegebenen Weise Bahn. Nur gingen sie erneut in die falsche Richtung, denn sie hatten nicht Gott zum Gegenstand. Diese menschliche Begeisterung hielt denn auch nicht lange der Prüfung stand, sondern schlug gar bald in tödlichen Hass um.

Die Steinigung von Paulus

„Es kamen aber aus Antiochien und Ikonium Juden an, und nachdem sie die Volksmengen überredet und Paulus gesteinigt hatten, schleiften sie ihn zur Stadt hinaus, da sie meinten, er sei gestorben“ (Apg 14,19).

Die Dinge in Lystra nahmen unvorhergesehen eine dramatische Wendung. Die Juden aus Antiochien und Ikonium hatten offenbar von dem Erfolg der christlichen Missionare in Lystra gehört. Nicht zufrieden damit, sie aus ihren eigenen Orten vertrieben zu haben, stellten sie ihnen auch in Lystra nach. Wie Bluthunde verfolgten sie ihre Spur, um sie zu Tode zu bringen. Sie überredeten die Volksmengen, wahrscheinlich mit dem Argument, dass diese Männer keine Götter, sondern Betrüger, falsche Propheten seien. Die Lykaonier liehen den Juden umso bereitwilliger ihr Ohr, als sie nicht vergessen hatten, dass die Männer ihre Götter als „nichtig“, „nutzlos“ angegriffen hatten. Und so bekam schließlich der Mob auf irgendeine Weise wenigstens Paulus zu fassen und steinigte ihn.

Lukas schildert nur die Ereignisse an sich, zeigt, wie sie sich zutrugen, und er tut das in der kürzesten Form. Deswegen sind wir nicht in der Lage, zu sagen, warum allein Paulus das Opfer der Steinigung wurde und nicht auch Barnabas. Es ist möglich, dass sie Paulus zur Zielscheibe ihres Angriffs nahmen, weil er das Werkzeug zur Heilung des Gelähmten gewesen war. Doch müssen wir eher annehmen, dass sie auch Barnabas ergriffen hätten, wenn sie seiner hätten habhaft werden können. Schließlich war auch von den Juden in Antiochien „eine Verfolgung gegen Paulus und Barnabas“ erweckt worden (Kap. 13,50), und auch in Ikonium bestand der Plan, den einen wie den anderen zu steinigen (Apg 14,5).

Die Steinigung war die jüdische Art der Hinrichtung. Die Heiden hätten ihn wahrscheinlich zu Tode geprügelt, hätten ihn auch auf der Straße liegen lassen. Sie kamen zwar den Vorstellungen der Juden im Blick auf die Exekution des Paulus entgegen, doch nur zum Teil. Nach jüdischer Sicht hätte das Opfer zuerst aus der Stadt herausgeführt und dann gesteinigt werden müssen (vgl. Apg 7,58; 4. Mo 15,35). Doch der heidnische Mob war von dieser Sichtweise nicht zu überzeugen. Sie steinigten ihr Opfer auf der Stelle und schleiften dann den Totgeglaubten zur Stadt hinaus.

Paulus gesteinigt! Unwillkürlich müssen wir an das Wort des Herrn denken: „Es ist dem Jünger genug, dass er sei wie sein Lehrer und der Knecht wie sein Herr“ (Mt 10,25). Heute: „Hosianna!“, morgen: „Kreuzige ihn!“ Wie die Juden Jesus behandelten, so verfuhren die Heiden in Lystra mit Paulus: Am Morgen huldigten sie ihm als einem Gott, und am Abend steinigten sie ihn als unwürdig, einen Platz unter ihnen zu haben. Das ist der Mensch!

„Einmal bin ich gesteinigt worden“ schreibt der Apostel der Nationen später den Gläubigen in Korinth und bezieht sich dabei auf diese Begebenheit (2. Kor 11,25). Hatte er nicht einst in die Steinigung eines anderen Zeugen Christi eingewilligt? Jetzt wurde er selbst gesteinigt. Tragisches Zusammentreffen! Ob der Gedanke an Stephanus und sein Gebet nicht durch das Herz des Märtyrers ging, als ihm unter den Steinwürfen des heidnischen Pöbels die Sinne schwanden? Ja, „einmal gesteinigt“! War dies das Aus für dieses besondere Werkzeug des Herrn? Der nächste Vers in der äußerst gedrängten Schilderung des Vorfalls gibt uns darüber Auskunft.

Die Wiederbelebung des Gesteinigten

„Als aber die Jünger ihn umringten, stand er auf und ging in die Stadt hinein; und am folgenden Tag zog er mit Barnabas aus nach Derbe“ (Apg 14,20).

Fast wie nebenbei erfahren wir hier, dass es in Lystra „Jünger“ gab. Die Aussaat des göttlichen Samens in Lystra war also nicht vergeblich gewesen. Dieser Umstand wird zwar hier – im Gegensatz zu Derbe (Vers 21) – nicht ausdrücklich hervorgehoben. Aber es waren Jünger da, genügend Jünger, um einen Kreis um den Gesteinigten zu bilden: „Sie umringten ihn.“ Ergreifendes Bild! Welche Gefühle der Trauer mögen sie erfüllt haben, als sie den Körper ihres Lehrers wie tot auf der Erde liegen sahen! Sie waren gerade erst durch ihn aus dem Heidentum herausgeführt worden, sie waren die direkte Frucht seines Wirkens. Und nun war er, wie nicht nur seine Peiniger glaubten, an den Folgen der Steinigung gestorben.

Ob wohl auch Timotheus unter den Jüngern war? Aller Wahrscheinlichkeit nach, ja. Dass er während des ersten Besuchs des Apostels in Lystra zum Glauben gekommen sein muss, haben wir schon gesehen. Noch etwas kommt hinzu. Als Paulus kurz vor seinem Märtyrertod seinen letzten inspirierten Brief schrieb – und er richtete ihn gerade an diesen jungen Mann –, da machte er deutlich, dass Timotheus mit all diesem vertraut war: nicht nur mit der Lehre des Apostels und seinem Betragen und den weiteren Wesenszügen, sondern gerade auch mit seinen Verfolgungen, seinen Leiden. Und dann erinnert er ihn an besondere Leiden an bestimmten Orten und fährt fort: „... was für Leiden mir widerfahren sind in Antiochien, in Ikonium, in Lystra“ (2. Tim 3,10.11). Die Leiden in Lystra – Timotheus wird sie persönlich miterlebt haben. Bewegender Gedanke!

Aber dann muss er auch Zeuge dessen geworden sein, was danach geschah und sicher das Erstaunen aller erweckte: Paulus, der Totgeglaubte, „stand auf und ging in die Stadt“. Diese plötzliche Wiederbelebung war unbedingt übernatürlich. Zu mal er die Kraft empfing, nicht allein in die Stadt zu gehen, sondern auch am nächsten Tag zusammen mit Barnabas die Reise nach Derbe anzutreten. Offenbar war der Lebensfunke noch in ihm gewesen, wie er später von dem Jüngling Eutychus sagte: „Beunruhigt euch nicht, denn seine Seele ist in ihm“ (Apg 20,10).

Der Herr hatte wunderbar die Hand über Seinen Knecht gehalten, wie überhaupt jedes Kind Gottes sicher in Seiner Hand ist. Wir alle sind so lange „immun“ gegen den Tod, wie unsere Aufgabe noch nicht erfüllt ist. Für Paulus hatte der Herr noch ein großes Werk vorgesehen, und so gestattete Er Satan, der hinter den Angriffen stand, nicht, sein Leben anzutasten. Bei Hiob war es ähnlich gewesen (Hiob 2,6). Wenn sich Paulus am Ende seines Lebens der besonderen Leiden erinnert, die ihm in Antiochien, in Ikonium und in Lystra widerfahren waren, kann er triumphierend und dankbar ausrufen: „Aus allen hat der Herr mich gerettet“ (2. Tim 3,11). Gepriesen sei Sein Name! Der Herr ist auch heute derselbe, und Er wird Seine Hand über die halten, wird die erretten, die Ihm vertrauen.

Einige Ausleger nehmen an, dass Paulus sich auf seine Erfahrungen in jener Zeit in Lystra bezieht, wenn er im zweiten Brief an die Korinther sagt: „Ich kenne einen Menschen in Christus, vor vierzehn Jahren (ob im Leib, weiß ich nicht, oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht, Gott weiß es), einen Menschen, der entrückt wurde bis in den dritten Himmel. Und ich kenne einen solchen Menschen ..., dass er in das Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte hörte, die ein Mensch nicht sagen darf „ (2. Kor 12,2–4). Hatte das mit seiner Steinigung in Lystra zu tun? Es ist sehr gut möglich, sicher aber ist es nicht.

Wenn wir uns vorstellen, was für Schürfwunden allein entstehen, wenn ein Körper über eine größere Distanz rücksichtslos über den Boden „geschleift“ wird, wird uns das Wunder seiner augenblicklichen Wiederherstellung umso größer. Nicht nur stand Paulus auf, als wäre nichts geschehen, und ging wieder in die Stadt hinein, sondern er war auch fähig, am folgenden Tag mit Barnabas den Fußmarsch nach Derbe zu unternehmen (etwa 60 km), um dort das Werk fortzusetzen. Wie spricht das alles von der Gnade und Macht Gottes!

Das Evangelium in Derbe

Die Apostel verließen also Lystra, weiter in Richtung Osten ziehend, und erreichten mit Derbe den äußersten östlichen Punkt ihrer Reise. Es war zugleich der Umkehrpunkt ihrer Reiseroute; denn von hier aus traten sie nach getaner Arbeit die Rückreise an, dieselben Orte wie vorher besuchend, nur jetzt in umgekehrter Reihenfolge.

Derbe muss eine nur kleine Stadt gewesen sein, man kann sie heute nicht mehr identifizieren. Aber hier segnete der Herr das Zeugnis Seiner mutigen und unermüdlichen Diener in besonderer Weise, denn es heißt:

„Und als sie jener Stadt das Evangelium verkündigt und viele zu Jüngern gemacht hatten (Apg 14,21a).

Bis zu diesem Punkt der geschichtlichen Ereignisse waren die Juden stets die bittersten Feinde des Evangeliums gewesen. Wo immer die Apostel die gute Botschaft verkündigten, erschienen sie und versuchten mit allen Mitteln, gerade das zu verhindern.

Doch man gewinnt den Eindruck, dass es in Derbe keine oder nur sehr wenige Juden gab. Weder hören wir hier von einer Synagoge noch von irgendwelchen Verfolgungen. Auch spricht Paulus in der schon zitierten Stelle aus 2. Timotheus 3 wohl von seinen Leiden, die er in Antiochien, Ikonium und Lystra erfuhr; Derbe aber nennt er nicht (Vers 11).

So scheint den Missionaren nach dem Sturm in Lystra eine Zeit der Ruhe in Derbe beschieden gewesen zu sein. Die feindseligen Juden, die sich von Antiochien und Ikonium an ihre Fersen geheftet hatten, verfolgten ihre Spur nicht weiter. Welch ein Segen und welch eine Erleichterung muss es für die Diener des Herrn gewesen sein, nun einmal in Frieden arbeiten zu können. Sie verkündigten jener Stadt das Evangelium – mit großem Erfolg. Denn sie machten dort „viele zu Jüngern“. Interessante Ausdrucksart! Mitten in der heidnischen Welt gab es nun solche, gab es viele, die dem Herrn Jesus als Jünger nachfolgten. Was für ein Sieg des Evangeliums! In Kapitel 20 wird „Gajus von Derbe“ erwähnt (Vers 4). Aller Wahrscheinlichkeit nach gehörte auch er zu der reichen Frucht des Zeugnisses der Apostel in dieser Stadt.

Wie bereits bemerkt, waren die Gesandten Gottes in Derbe an dem östlichsten Punkt ihrer Missionsreise angelangt. Nicht weit entfernt lag ein Gebirgspass, „Pforten Ziliziens (oder: Kilikiens)“ genannt. Über ihn gelangte man auf der Ostroute direkt nach Tarsus, der Heimatstadt des Apostels Paulus (Apg 21,39). Lag es da nicht nahe, einen Abstecher in die alte Heimat zu machen? In gewissem Sinn könnte man hier das Wort aus Hebräer 11 anwenden, das von den Patriarchen und dem Vaterland, das sie suchten, sagt: „Und wenn sie an jenes gedacht hätten, von dem sie ausgegangen waren, so hätten sie Zeit gehabt, zurückzukehren“ (Vers 15).

Aber ähnlich den Glaubensmännern vor alters hatte die Geburtsstadt für Paulus keine Anziehungskraft, dass sie ihn von seiner Mission hätte abziehen können. Johannes Markus hatte sich von ihnen abgesondert, um nach Hause zurückzukehren, bevor das Werk getan war. Der Apostel konnte das nur ernstlich missbilligen (Apg 13,13; 15,38). Sollte er jetzt selbst in dieselbe Schlinge fallen? Er empfing die Gnade, der Heimat den Rücken zuzukehren, um weiter das Werk des Herrn in jenen Gegenden zu erfüllen. Und so richtete er mit Barnabas das Angesicht wieder westwärts.

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