Das Buch Ruth – praktische Lektionen für das Glaubensleben des Christen

Kapitel 1: Von Bethlehem nach Moab und zurück

Kapitel 1 ist eine Einleitung, um die eigentliche Handlung in den folgenden Kapiteln besser zu verstehen. Gleichzeitig werden wir in diesem Kapitel eine Reihe praktischer Belehrungen für unser Glaubensleben finden. In den Sprüchen finden wir folgenden Satz gleich zweimal: „Da ist ein Weg, der einem Menschen gerade erscheint, aber sein Ende sind Wege des Todes“ (Spr 14,12; 16,25). Das bewahrheitet sich in der Geschichte Elimelechs und Noomis. Zugleich ist wahr, was Paulus schreibt: „Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden“ (Röm 5,20). Es gibt immer einen Weg zurück.

Elimelech und Noomi – eine folgenschwere Entscheidung (Verse 1–5)

Der erste Vers zeigt uns, in welch einer Zeit wir uns befinden. In der Zeit der Richter tat jeder das, was ihm gerade passte und die Leute in Israel fragten wenig nach Gott. Eine Folge davon war, dass jetzt Hungersnot herrschte, und zwar ausgerechnet in Bethlehem. Der Name bedeutet „Brot-Haus“. Gott hatte versprochen, sein Volk reichlich zu versorgen, wenn sie auf Ihn hören würden. Gott hatte allerdings ebenso vorher angekündigt, dass sie hungern würden, wenn sie sich von Ihm abwenden würden (5. Mo 28,48). Genau das passierte jetzt. Gott steht zu seinem Wort – im Segen wie im Gericht.

Wir lernen, dass Gott uns nur dann segnen kann, wenn wir auf Ihn hören und nicht das tun, was uns gerade passt. Wenn wir unsere eigenen Wege gehen und uns wenig oder gar nicht um Gott kümmern, müssen wir uns nicht wundern, wenn es geistlich nicht richtig läuft und wir innerlich nicht wirklich weiterkommen. Das gilt für unser persönliches Glaubensleben ebenso wie für unser gemeinschaftliches Leben als Volk Gottes. Es ist denkbar, dass selbst in einer örtlichen Versammlung (Gemeinde) „geistliche Dürre“ herrscht und Gott „Magerkeit“ in unsere Seelen gibt (Ps 106,15), obwohl Gott uns gerade dort segnen möchte und wir eben nicht in „Dürftigkeit Brot essen“ sollten (vgl. 5. Mo 8.9).

Was tut Elimelech? Wir lesen nichts davon, dass er mit Gott über das Problem sprach. Er sieht die Not. Er sieht seine Frau und Kinder, und er entscheidet, nach Moab umzusiedeln. Er versucht, sich auf diese Weise der Zucht Gottes über sein Volk zu entziehen. Moab gehörte eigentlich zu den Feinden Israels, selbst wenn zu dieser Zeit gerade kein Krieg war. Es war ganz sicher nicht Gottes Plan, dass Elimelech gerade dort hinzog. Es mochte menschlich logisch sein, Gottes Plan war es nicht.

Wir lernen, dass wir in schwierigen Lebensphasen nicht nach menschlichen Überlegungen entscheiden, sondern besser Gott fragen sollten. Außerdem ist es nie richtig, das Volk Gottes zu verlassen und sich in der Welt (Moab) zu installieren. Das kann nicht gutgehen. Es gibt mehr als ein Beispiel in der Bibel von Menschen, die weggegangen sind, ohne dass es dem Willen Gottes entsprach (z.B. Jona, der verlorene Sohn, der Mann, der von Jerusalem nach Jericho ging etc).

Elimelech geht nach Moab und bleibt dort. Das konnte nicht gut gehen. Man achte auf die Wortwahl des Schreibers: Elimelech zieht hin, um sich aufzuhalten (Vers 1) – vielleicht nur für eine kurze Zeit. Dann kommen sie nach Moab und bleiben dort (Vers 2). Und was passiert dann? Elimelech stirbt. Die Söhne Elimelechs heiraten moabitische Frauen und sterben dann ebenfalls. Nur Noomi bleibt – vermutlich reichlich desillusioniert – zurück. Es liegt eine besondere Tragik darin, dass das Verhalten Elimelechs nicht nur für ihn selbst folgenschwer war, sondern dass er seine ganze Familie mit ins Elend zog. Gott gibt den Ehemännern und Familienvätern eine besondere Verantwortung. Wir müssen uns in unseren Entscheidungen immer die Frage stellen, welche Folgen sie für unsere Ehefrauen bzw. Kinder haben. Gleiches gilt für Brüder, die in den örtlichen Versammlungen (Gemeinden) Verantwortung tragen.

Wir lernen: „Der Weg der Gottlosen ist dem Dunkel gleich; sie erkennen nicht, worüber sie straucheln“ (Spr 4,19). Gott hat seine Hand im Spiel. Wenn wir uns von Ihm abwenden und uns mit der Welt vermischen, wird Not und Elend die Folge sein. Jeder Mensch erntet, was er sät (Gal 6,7), und die Ernte ist meistens größer als die Saat.

Noomi, Ruth und Orpa – drei unterschiedliche Entscheidungen (Verse 6–14)

Vers 6 bringt die Wende. Zuerst trifft Noomi eine Entscheidung – und zwar die in ihrer Situation einzig richtige Entscheidung. Sie will nach Bethlehem zurückgehen. Sie hat gehört, dass es in Bethlehem wieder Brot gibt, und das motiviert sie, in die Heimat zurückzukehren. Es war vielleicht nicht das beste Motiv und ihre Entscheidung mag nicht durch Glauben motiviert sein, doch immerhin kehrt sie zurück. Gott führt die Umstände so, dass Noomi diesen Schritt tut.

Wir lernen: Wenn wir einen falschen Weg gegangen sind, gibt es nur eins, nämlich umkehren. So hatte es Abraham gemacht, nachdem er den falschen Weg nach Ägypten genommen hatte (1. Mo 13,3), und so müssen wir es machen, wenn in unserem Leben etwas schiefgelaufen ist. Der Weg zurück ist nicht immer leicht, und es mag vermeintlich gute Gründe geben, ihn nicht zu gehen. Dennoch ist es die einzig richtige Entscheidung, wenn wir in die Irre gelaufen sind. Noomi entscheidet außerdem, nicht einfach nur in das Land Israel umzusiedeln, sondern sie kehrt zurück, d. h. sie will nach Bethlehem ziehen. Wir erinnern uns daran, dass Abram, nachdem er einen Irrweg nach Ägypten gegangen war, dahin zurückkehrte, wo „im Anfang sein Zelt gewesen war“ (1. Mo 13,3). Gott wünscht keine halbe Umkehr, sondern es ist sein Ziel, uns an den Punkt zurückzubringen, von wo aus wir einen falschen Weg genommen haben.

Ruth und Orpa, die beiden Schwiegertöchter Noomis, gehen mit ihr. Das spricht für Noomi. Offensichtlich hatten die drei ein gutes Verhältnis und es ist denkbar, dass Noomi so positiv über Bethlehem und ihr Volk gesprochen hatte, dass die beiden nun mitgehen wollen.

Was nun Noomi veranlasste, die beiden zurückzuhalten, mit ihr zu gehen, können wir nicht sicher sagen. Die Bibel schweigt über die Gründe. Jedenfalls werden die beiden vor eine eigene Entscheidung gestellt. Wollen sie mit ihrer Schwiegermutter in ein für sie fremdes Land gehen oder in dem Land ihrer Eltern bleiben? Entscheiden sie sich für Israel und den Gott Israels oder für Moab und die Götter Moabs? Die Argumente, in Moab zu bleiben, scheinen auf der Hand zu liegen. Orpa entscheidet zuerst und entschließt sich am Ende unter Tränen, in Moab zu bleiben. Ruth hingegen lässt sich nicht davon abhalten, mit Noomi zu gehen. Ihre Liebe zu Noomi ist größer als die Liebe zu ihrem eigenen Land und ihrer eigenen Familie. Sie trifft die richtige Entscheidung. Von Orpa lesen wir im weiteren Verlauf der Geschichte nichts mehr. Ihr Leben hatte für Gott keinen Wert. Ruth hingegen macht wunderbare Erfahrungen in Bethlehem und wird am Ende die Urgroßmutter des Königs David.

Wir lernen erstens, dass Gott jeden Menschen vor die eigene Wahl stellt, sich für oder gegen Ihn zu entscheiden. Noomi konnte ihnen diese Entscheidung nicht abnehmen. Einen Mittelweg gab es damals für Ruth und Orpa nicht. Es gab nur ein „Ja“ oder ein „Nein“. Entweder Israel oder Moab. Wenn es um die wichtigste Entscheidung des Lebens geht, gibt es ebenfalls keine neutrale Position, keinen goldenen Mittelweg. Entweder entscheidet man sich für den Herrn Jesus, oder man entscheidet sich gegen Ihn und damit für diese Welt. Welche Entscheidung hast du getroffen? Auch wenn es um die Nachfolge hinter Ihm her geht, können wir uns nicht neutral verhalten. Entweder leben wir für unseren Herrn und mit Ihm oder wir leben für diese Welt und mit ihr. Es mag sein, dass bei der Entscheidung gegen Ihn Tränen fließen. Der junge Mann in Matthäus 19,22 ging traurig weg, aber er ging weg. Der Preis der Nachfolge schien ihm zu hoch. Er traf die schlechteste Entscheidung seines Lebens.

Wir lernen zweitens, dass Eltern diese Entscheidung nicht für ihre Kinder oder Enkelkinder treffen können. Wir können einen guten – oder leider einen schlechten – Einfluss auf die Entscheidung unserer Kinder nehmen, aber wir können ihnen die Entscheidung nicht abnehmen. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder, die sehr gottesfürchtige Eltern hatten, sich gegen den Weg ihrer Eltern entscheiden, während es ebenfalls Beispiele dafür gibt, dass Kinder, die kein gutes Vorbild an ihren Eltern hatten, dennoch entschieden ihren Weg mit dem Herrn gehen. Jedenfalls ist die Ansprache für diejenigen, denen Gott Verantwortung gibt, eindeutig. Unser Leben soll positive Signale für andere – Kinder und junge Leute – aussenden, damit sie sich für den Herrn und ein Leben mit Ihm entscheiden.

Ruths Glaubensbekenntnis (Verse 15–18)

Ruth vergießt – wie Orpa – Tränen und ist emotional tief berührt. Doch bei ihr geht die Sache tiefer. Sie entscheidet nachhaltig. Sie entscheidet gegen die Vernunft, und sie entscheidet richtig. Sie lässt sich durch nichts und niemand abhalten. Weder die Umstände noch Noomi können sie von der Entscheidung abbringen. Darin liegt eine wichtige Lektion für uns. Es mag durchaus sein, dass Gott Umstände und/oder Menschen benutzt, um uns in unseren Entscheidungen zu helfen. Aber das ist durchaus nicht immer der Fall. Es gibt Entscheidungen, die wir gegen menschliche Logik und Vernunft treffen. Weil Ruth nicht weiß, was auf sie zukommt, handelt sie im Glauben (genau das ist ja das Wesen des Glaubens) und legt dabei ein herrliches Zeugnis ab: „Wohin du gehst, will ich gehen, und wo du weilst, will ich weilen; dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott; wo du stirbst, will ich sterben, und dort will ich begraben werden“ (Rt 1,16.17).

Ruths Bekenntnis enthält folgende wichtige Punkte, die unmittelbar zu unseren Herzen sprechen:

  • Sie hat Liebe zum Weg Noomis
  • Sie hat Liebe zum Land Noomis
  • Sie hat Liebe zum Volk Noomis
  • Sie hat Liebe zum Gott Noomis
  • Sie ist bereit zur völligen Hingabe – und sei es bis zum Tod

Wir lernen für uns, dass eine Entscheidung für unseren Herrn ähnliche Elemente beinhalten wird:

  • Liebe zu dem Weg, den wir als Christen gehen. Es muss nicht immer ein einfacher Weg sein, es ist jedoch ein Weg, auf dem wir Erfahrungen mit dem Herrn Jesus machen und Ihn kennenlernen. Aus der Sicht Gottes ist es jedenfalls ein Weg „der Gerechten“, der „wie das glänzende Morgenlicht“ ist, „das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe“ (Spr 4,18). Das macht der weitere Verlauf der Begebenheit deutlich.
  • Liebe zum Erbteil, das wir als Christen haben. Das Land (Kanaan) spricht für uns von dem geistlichen Erbe, das wir in dem Herrn Jesus haben. Das ist letztlich der ganze himmlische Segen, der uns gehört. Gott hat uns in Christus „mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern“ gesegnet (Eph 1,3). An uns ist es, diesen Segen wertzuschätzen, uns daran zu erfreuen und Gott dafür zu preisen.
  • Liebe zu dem Volk Gottes. Sich für den Herrn Jesus zu entscheiden bedeutet zugleich, den Weg zusammen mit anderen zu gehen. Wir rufen den Namen des Herrn nicht alleine an, sondern es sind andere da, die das ebenfalls tun (2. Tim 2.22). Was uns vereint, ist nicht die Sympathie zueinander, sondern die Tatsache, dass wir aus Gott geboren sind (1. Joh 5,1).
  • Liebe zu dem, der uns das alles gibt. So wichtig der Weg, das Erbe und das Volk Gottes sind, entscheidend ist, dass es eine göttliche Person gibt, durch die wir das alles bekommen haben. In unserem Leben als Christ steht und fällt alles mit der Person unseres Herrn und Heilandes, dem wir gehören. Wir lieben Ihn, weil Er uns zuerst geliebt hat (1. Joh 4,19).
  • Schließlich sucht der Herr die Hingabe unserer Herzen bis in den Tod. Natürlich warten wir nicht auf den Tod, sondern darauf, dass der Herr Jesus zurückkommt, um uns zu sich zu holen. Und bis dahin gilt, dass das Leben für uns Christus ist (Phil 1,21). Paulus hatte sich folgendes vorgenommen: „Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eins aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (Phil 3,13.14).

Zurück in Bethlehem (Verse 19–22)

Es wird für Noomi nicht ganz einfach gewesen sein, den Weg bis nach Bethlehem zurückzugehen. Welche Gedanken mögen ihr durch den Kopf gegangen sein? Was werden die Leute denken, wenn ich plötzlich wieder auftauche? Welche alten Wunden werden aufreißen? Welche Fragen werden sie mir stellen? Wo ist dein Mann, und wo sind deine Söhne? Und wer ist die fremde Frau, die bei dir ist? Welche Antworten soll ich geben? Noomi wusste, dass sie aufdecken musste. Außerdem wird ihr klar gewesen sein, dass das Leben als mittellose Witwe schwer sein würde, denn eine soziale Absicherung – wie wir sie kennen – gab es damals nicht.

Dennoch geht sie weiter und lässt sich nicht aufhalten. Sie handelt entschieden und nachhaltig. Und dann kommt die Reaktion. Die ganze Stadt gerät in Bewegung. Damit hat Noomi wohl kaum rechnen können. Die Leute freuen sich, dass sie wieder da ist. In der Geschichte vom sogenannten „verlorenen Sohn“ (Lk 15) ist das ähnlich. Er mag ebenfalls mit sehr gemischten Gefühlen zu seinem Vater zurückgegangen sein und war dann überwältigt, wie der Vater ihn aufnahm. So handelt Gott, wenn ein Sünder von seinem falschen Weg zurückkehrt und wir sollten es nicht anders tun, wenn ein Gläubiger von einem Irrweg „nach Hause“ zurückkommt. Wir lernen, dass wir solche, die zum Herrn zurückkehren, mit Freude aufnehmen sollen. Vielleicht kennen wir solche, die lange eigene Wege gegangen sind und dann die Entscheidung zur Umkehr treffen. Wir wollen es ihnen nicht unnötig schwer machen, sondern sie mit Freude aufnehmen.

Dann gibt es eine Lektion für solche, die zurückkehren. Wir lernen, dass wir in einem solchen Fall die Reaktion unserem Herrn überlassen dürfen. Wir müssen uns nicht den Kopf zerbrechen, wie die anderen wohl reagieren werden.

Noomi bleibt ein Bekenntnis allerdings nicht erspart. Sie steht zu dem, was passiert ist. Ihr Bekenntnis enthält – wie Ruths Glaubensbekenntnis – einige wichtige Punkte. Sie sagt: „Nennt mich nicht Noomi, nennt mich Mara; denn der Allmächtige hat es mir sehr bitter gemacht. Voll bin ich gegangen, und leer hat mich der Herr zurückkehren lassen. Warum nennt ihr mich Noomi, da der Herr gegen mich gezeugt und der Allmächtige mir Übles getan hat?“ (Rt 1,20.21).

Wir lernen daraus folgendes: 1

  1. Gott hat es mir bitter gemacht: Wir müssen akzeptieren, dass die Erziehung (Züchtigung) von Gott kommt und zunächst einmal kein Grund zur Freude ist (Heb 12,11). Er muss uns manchmal bittere Wege führen, bevor wir zu Ihm umkehren (Jes 38,17). Dem Sohn in Lukas 15 erging es nicht anders. Erst als er bei den Schweinen saß, wurde ihm klar, wie tief er gesunken war und fasste den Entschluss, zu seinem Vater zurückzukehren.
  2. Leer bin ich ausgegangen: Wir sollen nicht um uns schlagen, sondern lieber in uns schlagen. Noomi beschuldigt nicht ihren toten Mann oder die damaligen Umstände (die Hungersnot), sondern sagt klipp und klar, dass sie selbst weggegangen ist. Ein aufrichtiges Bekenntnis, dass wir selbst (ich) eine falsche Entscheidung getroffen haben, ist unerlässlich. Das „Adam-Syndrom“ (Schuld auf andere abzuschieben) scheint geradezu unausrottbar zu sein.
  3. Der Herr hat mich zurückkehren lassen: Wenn es eine Rückbesinnung und eine Rückkehr gibt, ist das letztlich immer etwas, das Gott in uns schafft. Natürlich müssen wir selbst auch wollen, wenn allerdings Gott nicht am Werk ist, wird es keine Rückkehr geben. Deshalb gilt Ihm dafür immer die Ehre. Das Beispiel Jonas zeigt das ebenfalls sehr deutlich. Gott ließ seinen eigensinnigen Propheten nur scheinbar seinen eigenen Weg gehen. Im richtigen Augenblick griff Er ein und brachte ihn dahin, am Ende seinen Auftrag doch zu erfüllen.
  4. Ich bin leer zurückgekommen: Wir müssen einsehen, dass eigene Wege immer zu innerer Leere führen. Wenn wir uns von Ihm wegwenden, wird es immer schiefgehen. Das war die Lektion des „verlorenen Sohnes“, der ebenfalls „voll“ (reich) wegging und „leer“ (arm) zurückkehrte. Allerdings lernte er erst dann den Reichtum seines Vaters richtig kennen.

Genau das erleben Noomi und Ruth jetzt gemeinsam in Bethlehem. Sie kommen leer zurück, doch sie kommen zu Beginn der Gerstenernte. Damit endet das erste Kapitel – und zwar nicht ohne Grund. Die Gerstenernte ist die erste Ernte im Land Kanaan. Gott war bereit, die durch das Fehlverhalten Noomis entstandene Leere vollständig zu füllen. Die ganze Ernte des Jahres lag vor Noomi und Ruth, und Gott wollte dafür sorgen, dass sie ihren Anteil daran bekamen. Sie sollten nicht benachteiligt oder „verkürzt“ werden.

Unser Herr ist reich für alle. Es bleibt wahr, dass es geistliche Leere gibt, wenn wir eigene Wege gehen und uns von unserem Herrn abwenden. Es bleibt ebenso wahr, dass es geistlichen Segen gibt, wenn wir zurückkommen und bei Ihm bleiben. Noomi gleicht einem Gläubigen, der den Weg zurückfindet. Ruth gleicht einem jung Bekehrten, der nun zum ersten Mal erleben wird, dass es auf dem Feld des Boas (der ein Bild des Herrn Jesus ist) reichen Segen gibt. Davon spricht Kapitel 2.

Fußnoten

  • 1 Es ist mir durchaus bewusst, dass es unter bibeltreuen Auslegern zwei unterschiedlich Ansichten hierzu gibt. Einige sehen das Verhalten Noomis eher positiv, während andere es eher negativ beurteilen. Damit ist nicht die Umkehr Noomis an sich gemeint – die jedenfalls positiv belegt ist – sondern die Art und Weise, wie sie den Leuten in Bethlehem gegenüber argumentiert. Nimmt sie ihr Los aus der Hand Gottes als Folge ihres eigenen Weges an oder ist sie bitter gegen Gott? Es ist in der Tat nicht ganz einfach, aus dem Text die richtige Schlussfolgerung zu ziehen und deshalb wollen wir beide Gedankengänge stehen lassen. Persönlich sehe ich es eher positiv, ohne die Sache endgültig entscheiden zu wollen.
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