Betrachtung über 1.Petrus (Synopsis)

Kapitel 5

Betrachtung über 1.Petrus (Synopsis)

Der Apostel kommt jetzt auf Einzelheiten zurück. Er ermahnt die Ältesten, er, der Mitälteste, denn unter den Juden scheint dieser Titel mehr charakteristisch als amtlich gewesen zu sein (vgl. V 5), die Herde Gottes zu hüten. Petrus nennt sich hier einen Zeugen der Leiden Christi und einen Teilhaber der Herrlichkeit, die offenbart werden soll. Es war die Aufgabe der Zwölf, Zeugen des Lebens Christi zu sein (Joh 15,27), wie es die Aufgabe des Heiligen Geistes ist, von seiner himmlischen Herrlichkeit Zeugnis zu geben. Petrus stellt sich an die beiden Endpunkte der Geschichte Christi und lässt den Zwischenraum zwischen beiden völlig leer, mit Ausnahme der Hoffnung und der Pilgerreise einem Ziel entgegen. Er hatte die Leiden Christi gesehen; er sollte auch an der Herrlichkeit Christi teilhaben, wenn Er offenbart werden würde. Der Apostel redet hier von einem Christus, der sich mit den Juden in Verbindung setzt und jetzt nur durch den Glauben gekannt wird. Während seines Lebens auf der Erde war Er in der Mitte der Juden gewesen, obwohl leidend und verworfen. Bei seiner Erscheinung in Herrlichkeit wird Er aufs Neue mit der Erde und mit seinem Volk in Verbindung treten.

Paulus spricht anders, obwohl er zugleich diese Wahrheiten bestätigt. Er kannte Christus nur nach Seiner Erhöhung; er war nicht ein Zeuge seiner Leiden, aber er suchte die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden zu erfahren (Phil 3,10). Das Herz Paulus war mit einem Christus verbunden, der in den Himmeln ist, vereinigt mit Ihm droben, und obwohl er die Erscheinung des Herrn zur Wiederherstellung aller Dinge, von der die Propheten geredet hatten, herbeiwünschte, frohlockte er doch in dem Bewusstsein, dass er Ihm entgegengehen und, wenn Er vom Himmel offenbart werden wird, mit Ihm wiederkommen würde.

Die Ältesten sollten die Herde Gottes hüten mit einem bereitwilligen Herzen, nicht aus Zwang oder um irdischen Gewinnes willen, nicht als herrschend über ein ihnen gehörendes Erbteil, sondern als Vorbilder für die Herde. Sie sollten der Herde eine liebende Sorgfalt zuwenden, um Christi, des Erzhirten, willen, indem sie das Beste der Seelen stets im Auge behielten. Zudem war es die Herde Gottes, die sie zu hüten hatten. Unmöglich kann ein Mensch von seiner Herde sprechen, wenn er verstanden hat, dass es „die Herde Gottes“ ist, und dass Gott uns erlaubt, sie zu weiden.

Es ist bemerkenswert zu sehen, wie das Herz des gesegneten Apostels sich an dem Platz befindet, wohin der Herr es einst gebracht hatte. „Weide meine Schafe!“ war der Ausdruck der vollkommenen Gnade des Herrn gegen Petrus gewesen, als Er ihn zu dem demütigenden, aber heilsamen Bekenntnis führte, dass es des Auges Gottes bedurfte, um zu sehen, dass sein schwacher Jünger Ihn liebte. In demselben Augenblick, als der Herr ihn von seinem völligen Nichts überzeugte, vertraute Er ihm das an, was das teuerste für ihn war. Und jetzt war es die Sorge des Apostels, seines Herzens Wunsch, dass die Ältesten die Herde weiden möchten. Hier wie anderwärts geht Petrus nicht über die Erscheinung des Herrn hinaus. Zu jener Zeit werden die Regierungswege Gottes, deren irdischen Mittelpunkt die Juden bildeten, völlig offenbart werden. Dann wird auch die Krone der Herrlichkeit dem gegeben werden, der treu gewesen ist und das Herz des Erzhirten befriedigt hat.

Die Jüngeren sollten sich den Älteren unterwerfen, ja, alle sollten sich gegenseitig untertan und mit Demut fest umhüllt sein. „Denn Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade.“ Das sind nach wie vor die Grundsätze der Regierung Gottes. Unter seine Hand sollten sie sich demütigen, um zu seiner Zeit erhöht zu werden. So tun hieß sich Gott befehlen. Er wusste, was die Seinen bedurften. Er, der sie liebte, würde sie zur rechten Zeit erhöhen. Er sorgte für sie; sie sollten in Ihm ruhen und alle ihre Sorgen auf Ihn werfen.

Auf der anderen Seite bedurften sie der Nüchternheit und der Wachsamkeit, denn der Widersacher suchte sie zu verschlingen. Welch listige Schlingen er auch sonst den Christen legen und wie sehr er ihnen auflauern mag – hier wird der Teufel unter dem Bild eines brüllenden Löwen hingestellt, der offene Verfolgung erregt. Die Gläubigen sollten ihm widerstehen, standhaft im Glauben. Überall fanden sich die nämlichen Leiden und Anfechtungen. Aber der Gott aller Gnade ist des Christen Zuversicht. Er hat uns berufen, an seiner ewigen Herrlichkeit teilzunehmen. Der Wunsch des Apostels für die Gläubigen ist, dass der Gott der Gnade, nachdem sie eine kleine Zeit gelitten hätten, sie vollkommen mache, befestige, kräftige, gründe und so ihre Herzen auf den Boden einer unerschütterlichen Gewissheit stelle.

Man sieht, dass die Christen, an die Petrus schrieb, litten, und dass der Apostel diese Leiden nach den Grundsätzen der göttlichen Regierung erklärt, mit besonderer Rücksicht der Beziehungen der Christen zu Gott: sie sind sein Haus. Mochten diese Leiden nun Leiden um der Gerechtigkeit oder Leiden um des Namens Christi willen sein, sie währten nur eine kurze Zeit. Die Hoffnung der Christen hatte anderswo ihren Gegenstand. Ihre Geduld war Gott wohlgefällig. Es war ein Ruhm für sie, wenn sie um des Namens Christi willen litten. Überdies richtete Gott sein Haus und wachte über sein Volk.

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