Der zweite Brief an die Thessalonicher

Kapitel 3

Der zweite Brief an die Thessalonicher

„Übrigens, Brüder, betet für uns.“ Paulus bedurfte stets der Fürbitte der Heiligen. Er hatte ein tiefes Gefühl seiner Abhängigkeit von Gott, und er war tief durchdrungen vom Trost und der Herrlichkeit der Gemeinschaft der Heiligen. Und diese Fürbitte der Heiligen verlangte er nicht für sich persönlich, sondern „dass das Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde (Vers 1). Die Ehre des Herrn und die Ausbreitung des Evangeliums der Seligkeit lag ihm am Herzen. Dem hatte er sein Leben geweiht, und damit war seine Seele stets erfüllt. Und er konnte nicht dulden, dass dieses Evangelium verdorben und entkräftet wurde. Viele waren mit dessen Verkündigung beschäftigt; einige waren aber bereits vom Glauben abgewichen: Denn der Glaube ist nicht aller Teil“ (Vers 2). Das waren unfähige und böse Menschen, und der Apostel wünschte, dass sie Gott bäten, ihn von diesen zu befreien, damit sie seiner Predigt nicht Widerstand leisten und sie kraftlos machen würden.

Im Blick auf die Gläubigen in Thessalonich verließ er sich auf die Treue des Herrn. „Der wird euch befestigen und vor dem Bösen bewahren“ (Vers 3), ruft er ihnen zu. Ferner rechnet er auf ihren Gehorsam (Vers 4) und bittet Gott, dass Er ihre Herzen vor allem auf zwei Dinge richten möge, worüber wir schon bei der Betrachtung des ersten Briefes gesprochen haben, nämlich auf die Liebe Gottes und auf das Ausharren des Christus (Vers 5), auf das ausdauernde Erwarten des Herrn Jesus. Diese zwei Dinge sind der Inbegriff des christlichen Lebens. Die Liebe Gottes ist der Ausgangspunkt und die Ankunft des Christus das Ziel, da diese uns in die Herrlichkeit bringen und an allen uns bereiteten Segnungen teilnehmen lassen wird. Christus selber wartet mit Sehnsucht des Herzens auf den Augenblick, da Er all die Seinen zu Sich in die Herrlichkeit nehmen kann. Die Thessalonicher nun sollten mit Ihm auf den Augenblick warten, wo Sein Herz und die Herzen der Seinen bei ihrer freudigen Vereinigung in der Luft sich zusammen freuen würden. Diese Worte taten den Thessalonichern wohl, denn bekanntlich waren sie der irrtümlichen Meinung, dass die bereits entschlafenen Heiligen nicht dabei sein würden bei der Ankunft des Herrn; und ferner hatten sie sich dem Irrtum hingegeben, dass der Tag des Herrn schon da wäre. Die Liebe Gottes und das Ausharren des Christus vermochten sie zu beruhigen und mit neuem Mut erfüllen. Gott wird nicht nur einige, sondern alle Heiligen Jesus entgegenführen in der Luft; und bis zu diesem Augenblick verharrt der Herr Jesus immer noch im Warten auf den von Ihm so ersehnten Augenblick der Aufnahme der Seinen.

Doch der Apostel musste noch über etwas anderes sprechen. Es waren einige in ihrer Mitte, die unordentlich wandelten. Die Unruhe, in die sie durch die falschen Lehrer gebracht waren, hatte einige von ihnen dazu verleitet, ihre tägliche Arbeit zu vernachlässigen, „nichts zu arbeiten, sondern fremde Dinge zu treiben“. Im ersten Brief finden wir nichts davon. Wohl ein Beweis, wie unwahr es ist, wenn zu den Gläubigen, die des Herrn Ankunft erwarten, gesagt wird, dass diese Erwartung ein Hindernis sei für die Verrichtung unserer täglichen Arbeit. Nein, diese Erwartung der Ankunft des Herrn bewirkt alles andere als Nachlässigkeit und Trägheit; Paulus und alle Gläubigen, die wirklich in der Erwartung von Jesu Ankunft leben, reinigen sich nicht nur, gleichwie Er rein ist, sondern sind auch eifrig im Verrichten der Arbeit, die der Herr ihnen gegeben hat, jeder nach seiner Gabe und Berufung, eingedenk des Wortes des Apostels, das er nach der Mitteilung bezüglich der Aufnahme der Gemeinde sagte: „Seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werk des Herrn, da ihr wisst, dass eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn“ (1. Kor 15, 58). Durch die Wirksamkeit dieser falschen Lehrer waren einige Thessalonicher dazu gekommen, ihr Tagewerk zu vernachlässigen und, müßig gehend, sich mit allerlei Dingen, mit denen sie nichts zu tun hatten, zu beschäftigen. Nicht die Wahrheit, sondern der Irrtum führt zu einem verkehrten Wandel.

Paulus hatte ihnen ein besseres Vorbild gegeben. Wiewohl er als Arbeiter in der Gemeinde des Herrn von ihnen hätte nehmen können, was er zum Leben brauchte – denn ein Arbeiter ist seines Lohnes wert – so hatte er „bei niemandem Brot umsonst gegessen, sondern mit Mühe und Beschwerde –Tag und Nacht gearbeitet, um nicht jemandem beschwerlich zu fallen“ (Vers 8). Nun, sie sollten ihm darin nachfolgen. Durch den Geist Gottes war er geleitet worden, so zu handeln, obschon er das Recht hatte, von ihnen Geld anzunehmen (Vers 9), damit sie sich nie auf ihn berufen, sondern im Gegenteil sich in ihm bespiegeln könnten. Zudem hatte er ihnen, als er bei ihnen war, gesagt, dass, wenn jemand nicht arbeiten wolle, er auch nicht essen solle (Vers 10). Nur der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Darum „gebieten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus Christus – so schließt der Apostel – dass sie, in der Stille arbeitend, ihr eigenes Brot essen“ (Vers 12).

Ferner sagt der Apostel, dass sie sich jedem Bruder, der unordentlich wandelt und nicht nach der Überlieferung, die er von ihm empfangen hatte, entziehen sollten (Vers 6). Aus dem Folgenden geht hervor, dass damit kein Ausschluss gemeint ist. Wenn ein Bruder von der Versammlung abgeschnitten wird, dann wird er dem Satan überliefert zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn Jesus. (Siehe 1. Kor 5.) Hier sagt Paulus: „Wenn aber jemand unserem 'Worte durch den Brief nicht gehorcht, den bezeichnet und habt keinen Umgang mit ihm, dass er beschämt werde; und achtet ihn nicht als einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder“ (Verse 14 und 15). Hier finden wir also eine Ausübung der Zucht, darin bestehend, dass man erstens jemand bezeichnet, d. h. diese Person anzeigt als eine, die unordentlich wandelt; und zweitens, dass man jeden persönlichen Umgang mit ihm meidet, so dass man sich auf diese Weise ihm entzieht. Trotzdem bleibt er in der Gemeinschaft, denn, sagt der Apostel, „achtet ihn nicht als einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder“.

„Müßiggang ist aller Laster Anfang“, sagt das Sprichwort, und das bleibt wahr, mag die Ursache, die dazu führt, noch so fromm und gottselig aussehen. Die Folgen sind immer traurig, und der Friede Gottes wird dadurch gestört. Wir müssen auf der Hut sein gegenüber der List des Feindes. Es ist ihm gleichgültig, auf welche Weise er uns schadet. Immer bringt er Verwirrung und Unruhe. Der Herr allein ist der Gott des Friedens, und von Ihm erfleht der Apostel für seine geliebten Thessalonicher „Frieden immerdar auf alle Weise“ (Vers 16).

Am Schluss seines Briefes weist der Apostel darauf hin, wie die Gläubigen der Echtheit seiner Briefe versichert sein können. „Der Gruß mit meiner, des Paulus Hand, welches das Zeichen in jedem Brief ist; so schreibe ich. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen“ (Verse 17 und 18). Beim Brief an die Galater brauchte Paulus andere Personen, um ihnen zu schreiben. Er setzte dann gleichwohl seine Unterschrift darunter und fügte eigenhändig den Segenswunsch hinzu, wodurch die Echtheit und Genauigkeit des Briefes bewiesen war.

Der Herr sei mit euch allen!

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