Der Christ im Spannungsfeld dieser Welt
1. Mose 38 im Licht unserer Zeit

Lektion 14: Die Erkenntnis von Juda – Die Wende wird eingeleitet

Der Christ im Spannungsfeld dieser Welt

Bisher glich die Geschichte Judas einer Spirale, die permanent nach unten geht. Doch jetzt zeichnet sich eine gewisse Wende ab. Juda bekennt, dass seine Schwiegertochter gerechter ist als er selbst, weil er ihr nicht seinen Sohn Schela zum Mann gegeben hatte. Genau das war die erste Ursache für die ganze Misere! Tamar wird nicht verbrannt. Sie kann ihre Kinder austragen. Für uns wollen wir in dieser Lektion lernen, wie wichtig es ist, eigene Schuld zu erkennen und einzusehen.

Eine eindeutige Beweislage

Die Beweislage war klar. Tamar hatte sich auf den Tag X gut vorbereitet. Als es so weit ist, kann sie die Fakten vorlegen: „Als sie hinaus geführt wurde, da sandte sie zu ihrem Schwiegervater und ließ ihm sagen: Von dem Mann, dem dies gehört, bin ich schwanger; und sie sprach: Erkenne doch, wem dieser Siegelring und diese Schnur und dieser Stab gehören!“ Damit war Juda auf einen Schlag überführt. Seine Heuchelei hat ihn nicht weiter gebracht. Nun war klar, dass er genauso schuldig geworden war wie seine Schwiegertochter. Er versucht jetzt auch nicht mehr, die Situation zu beschönigen. Im Gegenteil. Er nimmt die Schuld auf sich: „Juda erkannte es und sprach: Sie ist gerechter als ich, weil ich sie nicht meinem Sohn Schela gegeben habe. Und er erkannte sie fortan nicht mehr“ (Vers 26).

Zwar waren eindeutige und drückende Beweise erforderlich, um ihn zu überführen, aber dann sieht er zum ersten Mal seine eigene Schuld. Und die führte weiter zurück als zu dem Ehebruch mit Tamar. Juda sieht ein, dass es nicht richtig gewesen war, seiner Schwiegertochter seinen Sohn Schela vorzuenthalten.

Erkenntnis von Schuld

Erkenntnis von Schuld ist der erste und notwendige Schritt zur Heilung. Das gilt für den Sünder. Es gilt genauso für den Gläubigen, der gesündigt hat. Solange wir mit unserer Schuld hinterm Berg halten, solange wir nur mit Fingern auf andere zeigen, kann Schuld nicht vergeben werden. In einem seiner bekannten Psalmen sagt David: „Als ich schwieg, verzehrten sich meine Gebeine durch mein Gestöhn den ganzen Tag. Denn Tag und Nacht lastete auf mir deine Hand; verwandelt wurde mein Saft in Sommerdürre. Ich tat dir meine Sünde kund und habe meine Ungerechtigkeit nicht zugedeckt. Ich sprach: ‚Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen’; und du hast die Ungerechtigkeit meiner Sünde vergeben“ (Ps 32,3–5). Das schonungslose Bekenntnis vor Gott und – wenn erforderlich – vor Menschen ist der einzige Weg zu einer echten Wiederherstellung. Der Apostel Johannes schreibt: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1. Joh 1,9).

Bekenntnis ohne Schuldzuweisung

Juda war sich darüber im Klaren, dass auch Tamar gesündigt hatte. Aber er erwähnt ihre Sünde nicht. Er entschuldigt sich nicht damit, dass sie ihn verführt hatte. Er spricht nur davon, dass sie gerechter sei als er. Am Beispiel von David sehen wir sehr deutlich, dass ein wirkliches Bekenntnis frei ist von Schuldzuweisungen an andere. David hatte sich an Bathseba schwer versündigt. Er hatte sie zu sich kommen lassen, um seine sexuelle Lust auszuleben. Doch war Bathseba etwa unschuldig an der Affäre im Königspalast? Ich zweifle nicht daran, dass sie mitschuldig war. Musste sie nackt im Freien baden? Musste sie ihre Reize so ungeniert zur Schau stellen? Musste sie wirklich zu David kommen, als dieser sie rufen ließ? Sicher, David war der König und konnte befehlen. Trotzdem hätte Bathseba sich ihm nicht einfach hingeben müssen. Bathseba trug also ihren Teil der Schuld. Dennoch ist es bemerkenswert, dass David in seinem Bekenntnis die Frau nicht mit einem einzigen Wort erwähnt. Er schiebt ihr keine Schuld in die Schuhe, sondern spricht ausschließlich von sich selbst.

Das Bekenntnis Davids wird uns in Psalm 51 vorgestellt. Da dieser Psalm richtungsweisend für ein Bekenntnis ist, geben wir ihn im vollen Wortlaut wieder:

„Dem Vorsänger. Ein Psalm von David, als der Prophet Nathan zu ihm kam, nachdem er zu Bathseba eingegangen war. Sei mir gnädig, o Gott, nach deiner Güte! Nach der Größe deiner Erbarmungen tilge meine Übertretungen! Wasche mich völlig von meiner Ungerechtigkeit, und reinige mich von meiner Sünde! Denn ich kenne meine Übertretungen, und meine Sünde ist beständig vor mir. Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt, und ich habe getan, was böse ist in deinen Augen; damit du gerechtfertigt wirst, wenn du redest, für rein befunden, wenn du richtest. Siehe, in Ungerechtigkeit bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen. Siehe, du hast Gefallen an der Wahrheit im Innern, und im Verborgenen wirst du mir Weisheit kundtun. Entsündige mich mit Ysop, und ich werde rein sein; wasche mich, und ich werde weißer sein als Schnee. Lass mich Fröhlichkeit und Freude hören, so werden die Gebeine frohlocken, die du zerschlagen hast. Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden, und tilge alle meine Ungerechtigkeiten! Schaffe mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in meinem Innern einen festen Geist! Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und den Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir! Lass mir wiederkehren die Freude deines Heils, und mit einem willigen Geist stütze mich! Lehren will ich die Übertreter deine Wege, und die Sünder werden zu dir umkehren. Errette mich von Blutschuld, Gott, du Gott meines Heils, so wird meine Zunge jubelnd preisen deine Gerechtigkeit. Herr, tu meine Lippen auf, und mein Mund wird dein Lob verkünden. Denn du hast kein Gefallen an Schlachtopfern, sonst gäbe ich sie; an Brandopfern hast du kein Wohlgefallen. Die Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten. Tu Zion Gutes in deiner Gunst, baue die Mauern Jerusalems! Dann wirst du Gefallen haben an Opfern der Gerechtigkeit, an Brandopfern und Ganzopfern; dann wird man Stiere opfern auf deinem Altar.“

Jeder Leser möge diesen Psalm einmal in Ruhe auf sich einwirken lassen und dabei besonders darauf achten, wie oft David von sich selbst spricht („ich“, „mir“, „meine“, „mich“ usw.). Davon sollten wir lernen. Ein Bekenntnis, dass sich hinter dem (möglicherweise durchaus vorhandenen) Fehlverhalten anderer versteckt, ist kein wirkliches und gründliches Bekenntnis. Der verlorene Sohn hat sich auch nicht darüber beklagt, dass seine Freunde ihn zur Sünde verleitet haben. Ihm war klar, dass er allein mit seiner Schuld zu tun hatte. Er hatte gesündigt – und zwar vor Gott im Himmel und vor seinem Vater auf der Erde. Wie ein anderer einmal trefflich bemerkt hat, schlug er nicht um sich, sondern in sich. Genau darauf kommt es an.

Viele Ehen in unserer Zeit kranken gerade an diesem Punkt. Man ist vielleicht noch bereit, mit einem Bekenntnis aufeinander zuzugehen, hat dabei aber gleichzeitig den Fehler des Partners im Auge. So entschuldigt man dann seine eigene Sünde. Ein menschliches Sprichwort sagt: „Wenn man die Menschen kennen lernen will, studiere man ihre Entschuldigungsgründe.“ Das ist wahr. Das lautet dann etwa so: „Ja, ich habe einen Fehler gemacht, aber ...“ Und dann kommen die Gründe, wieso und warum. So hat es übrigens schon Adam gemacht. Er machte Gott sogar einen Vorwurf. Gott fragte: „Wer hat dir mitgeteilt, dass du nackt bist? Hast du gegessen von dem Baum, von dem ich dir geboten habe, nicht davon zu essen?“ Und wie lautete die Antwort? „Der Mensch sagte: Die Frau, die du mir beigegeben hast, sie gab mir von dem Baum, und ich aß“ (1. Mo 3,11–12). Adam gab also zu, dass er gegessen hatte, aber er schob die Schuld dafür gleich seiner Frau in die Schuhe. So ist es bis heute noch in vielen Ehen (und nicht nur dort). David hat es anders gemacht. Davon dürfen wir lernen.

Bekennen und lassen

Es gibt einen Mann in der Bibel, der ein Meister der faulen Entschuldigungen war. Es ist König Saul, der Mann nach dem Herzen der Menschen. Er hat seine Sünden mehrmals bekannt, aber seine Erkenntnis führte nicht zu einem echten Bekenntnis. Seine Worte glichen vielmehr einem Geständnis. Verschiedene Male lesen wir von ihm, dass er unter dem Druck der Verhältnisse seine Sünde bekannt hat. Vor Menschen hörte sich das fromm an. Vor Gott war sein Bekenntnis wertlos. Gott konnte es nicht gebrauchen – und so ist dieser Mann ewig verloren gegangen. Ein biblischer Grundsatz lautet: „Wer seine Übertretungen verbirgt, wird kein Gelingen haben; wer sie aber bekennt und lässt, wird Barmherzigkeit erlangen“ (Spr 28,13). Auch dieses Wort wollen wir ins Herz fassen. Zu einem echten Bekenntnis gehört Reue und tiefe Trauer über die Sünde. „Denn die Betrübnis Gott gemäß bewirkt eine nie zu bereuende Buße zum Heil“ (2. Kor 7,10).

Vergebung und Vergebungsbereitschaft

Bekennen ist eine Sache. Vergeben eine andere. Im zwischenmenschlichen Miteinander ist es nicht nur wichtig, dass wir bereit sind, unsere Schuld zu bekennen. Das ist die eine Seite. Es ist aber auch wichtig, dass wir bereit sind, ein Bekenntnis anzunehmen. Der Herr sagte, dass wir unserem Bruder bis zu siebzig mal sieben mal vergeben sollen (Mt 18,22). Auch daran kranken viele Beziehungen in Ehe, Familie und Gemeinde. Wenn jemand mit einem echten Bekenntnis auf uns zukommt, sollten wir immer bereit sein, dieses Bekenntnis auch anzunehmen. Die Schuld, die Gott uns vergeben hat, ist in jedem Fall um ein Vielfaches größer als die Schuld, die wir unserem Bruder, unserer Schwester, unserer Frau, unserem Mann, unseren Kindern, unseren Eltern zu vergeben haben. Und so wie Gott unsere Sünden nicht wieder hervorholt, sollten auch wir es nicht tun. Es ist ein Übel, wenn alte Schuld plötzlich in einer bestimmten Situation wieder an die Oberfläche gezerrt wird. Nein, wirkliches Vergeben bedeutet in diesem Sinn auch Vergessen.

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