Bemerkungen über die Johannesbriefe

2. Johannes

Was den ersten Johannesbrief besonders kennzeichnet, ist die Verbindung der Wahrheit mit der Entfaltung von Liebe. Sowohl der zweite als auch der dritte Brief beschäftigen sich mit der Aufnahme solcher Brüder, die als Prediger herumreisen. Der dritte Brief empfiehlt solche, die um Christi willen „ausgegangen“ sind, der Liebe der Gläubigen, welche, indem sie jene aufnehmen, Mitarbeiter der Wahrheit werden. In unserem Brief warnt Johannes eine vornehme Frau vor der Aufnahme gewisser Personen, die  nicht die Wahrheit bringen. Der Wandel in Liebe wurde von ihm vor allem im ersten Brief den Lesern anbefohlen. So schreibt er auch hier: „Nun bitte ich dich, Frau, nicht als ob ich ein neues Gebot dir schriebe, sondern das, welches wir von Anfang gehabt haben: daß wir einander lieben sollen.“  (V. 5). Dann betrachtet er jene beiden Hüter wahrer Liebe, nämlich zuerst die Wahrheit und dann den Gehorsam. Genau diese hatten auch Christus charakterisiert, als Er in der Welt war. Er war die Liebe, welche in die Welt gekommen ist - der Zeuge und das Zeugnis der Liebe; und Er war die Wahrheit und zudem der gehorsame Mensch. Seine Liebe zu Seinem Vater zeigte sich, indem Er Ihm in allem gehorchte. Er war die Wahrheit, indem Er alles in dessen wahrem Licht offenbar machte. Außerdem kam Er hernieder, um den Willen Dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte.

Johannes nimmt diese drei großen Grundsätze hier auf. Er besteht auf Liebe - göttliche Liebe. Doch diese Liebe ist immer wahrhaftig, weil sie Christi Liebe ist. Falls sie nicht in der Wahrheit ist, wird Christus verleugnet. Damit wird nämlich gesagt, daß es in der menschlichen Natur Liebe geben kann. Das Dritte ist der Gehorsam gegen die Gebote Christi. Das ist die Aufgabe eines Christen: Er soll Christus gehorchen mit Wahrheit in seinem Herzen und Liebe als Quelle von allem. Gerade so ist Christus. Diese Kennzeichen lassen sich nicht voneinander trennen. Das Fleisch mag sich in der äußeren Erscheinung anpassen. Es mag große Liebe vortäuschen. Das ist indessen nicht Wahrheit und Gehorsam; das ist nicht Christus. In unserer Bibelstelle geht es um das Gewissen eines jeden. Sie spricht nicht von einer Versammlungsfrage; sie richtet sich an eine Frau. Das persönliche Gewissen eines jeden Erlösten wird angesprochen und die Frage der Aufnahme Christi in den Gliedern Seines Leibes und der Zurückweisung alles dessen, was Ihn verleugnet, durch eine Einzelperson; und das Mittel zu dieser Beurteilung ist: „Um  der Wahrheit willen, die in uns bleibt und mit uns sein wird in Ewigkeit.“  (V. 2). Der Apostel liebte diese Herrin samt ihren Kindern, doch es geschah um der Wahrheit willen. Wo letztere nicht ist, kann es keine göttliche Liebe geben. Im nächsten Vers lesen wir wieder davon in den Worten: „Von dem Herrn Jesus Christus, dem Sohne des Vaters,  in Wahrheit und Liebe.“ „Ich freute mich sehr, daß ich einige von deinen Kindern in der Wahrheit wandelnd gefunden habe, wie wir von dem Vater ein Gebot empfangen haben.“  (V. 4). Nun führt er den Gehorsam ein. Es ist ein Gebot vom Vater. Er will, daß der Sohn genauso geehrt wird, wie Er selbst.

„Und nun bitte ich dich, Frau, nicht als ob ich ein neues Gebot dir schriebe, sondern das, welches wir von Anfang gehabt haben: daß wir einander lieben sollen. Und dies ist die Liebe, daß wir nach seinen Geboten wandeln.“ Das entspricht genau der Weise, wie Christus nach den Geboten Gottes wandelte, weil Er Ihn liebte. So sagt Er (Johannes 14, 31): „Auf daß die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und also tue, wie mir der Vater geboten hat.“  Das gilt auch für jene, die Ihm folgen. „Dies ist das Gebot, wie ihr von Anfang gehört habt, daß ihr darin wandeln sollt.“

Danach fügt Johannes hinzu: „Viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesum Christum im Fleische kommend bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist.“  (V. 7). Wenn diese göttliche Liebe in einen [normalen; Übs.] Menschen herabgestiegen wäre - und jene leugneten, daß  Christus als Mensch gekommen sei -, könnte dieser kein heiliger Mensch sein, der im Fleisch gekommen ist; denn von einem einfachen Menschenwesen konnte so etwas nicht gesagt werden. Falls jemand sagt: „Ich bin im Fleisch gekommen“, muß ich fragen: „Wie solltest du sonst gekommen sein? Du bist Fleisch. Du bist nur ein Mensch.“ Wer jedoch „nicht Jesum Christum im Fleische“  gekommen bekennt - „dies ist der Verführer und der Antichrist.“  Auch wenn Christus ein vollkommener Mensch war, so war Er doch unendlich mehr.

„Sehet auf euch selbst!“ (V. 8). Wenn sie alle abweichen, muß das Werk des Johannes im Feuer verbrennen. Daher schreibt er: „Sehet auf euch selbst, auf daß  wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen.“  In diesem Zusammenhang steht der Lohn für Arbeit in Verbindung mit dem Werk, das der Apostel in den Seelen anderer bewirkt hat. Vom Herrn Jesus wird gesagt: „Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen.“ (Jesaja 53, 11). In einem geringen Maß gilt das auch für uns.

Danach fährt Johannes fort. Nachdem er von diesen Verführern gesprochen hat, fügt er hinzu: „Jeder, der weitergeht und nicht bleibt in der Lehre des Christus, hat Gott nicht.“ (V. 9). Falls du nicht den wahren Christus empfangen hast, besitzt du auch keineswegs Gott. Das ist der erste große und weitreichende Grundsatz. Überall, wo Johannes von Beziehungen spricht, geht es um den Sohn, wo von der Natur, um Gott - und nicht um den Vater. In Johannes 8 geht es um Gott; und auch Jesus nimmt diesen Platz ein - „ehe Abraham ward, BIN ICH.“ (V. 58). Wenn ich die Wahrheit zurückweise, besitze ich in keinster Weise Gott; ich befinde mich außerhalb des Schauplatzes, auf dem diese Gnade entfaltet wird. Ich besitze nicht die Lehre Christi, d. h. die Wahrheit Christi betreffend - und keinesfalls Gott. „Wer in der Lehre bleibt, dieser hat sowohl den Vater als auch den Sohn.“ Er empfängt die volle Entfaltung dieser unaussprechlichen Gnade. Das ist die vollkommene Offenbarung Gottes in Seiner eigenen Gesegnetheit in Sich selbst und nicht außerhalb; und auch du hast Gott in deinem Inneren. Dann besitzt auch du alle Gesegnetheit, in welcher der Vater den Sohn liebt und den Sohn für uns gegeben hat; denn du hast sowohl den Vater als auch den Sohn empfangen. Wahrlich, „unsere Gemeinschaft (ist) mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesus Christus.“ „Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.“ (1. Johannes 1, 3 u. 6). Ein solcher Mensch hat keine Gemeinschaft mit Gott; denn Gottes Natur ist Licht.

Zuerst erkennen wir die große Tatsache, daß ein Mensch in keinster Weise Gott hat; er ist vollständig ohne Gott, falls er Christus nicht besitzt. Als zweites spricht Johannes, wenn er die Wahrheit enthüllt, von Vater und Sohn. Er fordert nachdrücklich von den Erlösten eine eindeutige Stellungnahme. „Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmet ihn nicht ins Haus auf und grüßet ihn nicht.“ (V. 10). Wer einen solchen grüßt, ermutigt und unterstützt ihn. Ich verderbe damit mein eigenes Gewissen; denn ich erlaube etwas, Christus zu sein, was nicht Christus ist und Gott auf das Tiefste verunehrt. Wo ich dieses Zeichen der Liebe im Zusammenhang mit einer Abwesenheit der Wahrheit ausübe, fehlt Christus. Ich verleugne Ihn und sage, daß das, was falsch ist, genauso gut sei wie das Wahrhaftige. Statt für Christus zu sein, helfe ich um so mehr dem Antichristen. „Wer ihn grüßt, nimmt teil an seinen bösen Werken.“ Das ist ein Zeichen von Anerkennung und Gemeinschaft.

„Da ich euch vieles zu schreiben habe, wollte ich es nicht mit Papier und Tinte tun, sondern ich hoffe, zu euch zu kommen und mündlich mit euch zu reden, auf daß unsere Freude völlig sei.“ (V. 12). Hier erfahre ich ein weiteres Kennzeichen, nämlich die Form der Zuneigung, welche unter den Erlösten herrschen sollte. Es ging nicht um eine Art rein abstrakte Liebe. Der Apostel freute sich, die Erlösten zu sehen. Es war ihm ein echter Trost und eine Freude, ihr Wohltun wahrzunehmen. Der Heilige Geist ermuntert stets diese Wirksamkeit der Liebe, so fest Er auch für die Wahrheit eintritt. Christus ist in die Welt gekommen. Das ist der  eine Punkt, um den die Seelen sich sammeln und dabei Gott in Gnade finden können. Wo diese Grundlage gelockert wird, gibt es keine Hilfsquellen mehr. Wenn der Teufel durch Verfolgungen nichts mehr ausrichten kann, versucht er die Seelen bezüglich der Wahrheit in Christus unsicher zu machen. Er geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann. Das ist Verfolgung. Er ist indessen nicht immer ein brüllender Löwe. Wenn er als Schlange kommt, d. h. daherschleicht und nicht im geringsten brüllt, ist er viel gefährlicher. Jemand mag durch seine Gewalttätigkeit und Wut versucht werden; es ist jedoch viel ernster, wenn wir den Listen des Teufels zu widerstehen haben. Dennoch ist dort, wo Christus in Einfalt festgehalten wird, alles einfach. In unserem Brief geht es um eine Frau. Es handelt sich um persönlichen Glauben, der um Christi willen an Ihm festhält. Es mag jemand nicht weise genug sein, um die Welt zurechtzurücken. Er hat jedoch etwas, an dem der Glaube festhalten darf. Ich muß Christus besitzen. Das Geheimnis von allem ist der persönliche Glaube, der Christus und Seine Wahrheit festhält. Es ist eine wunderbare Barmherzigkeit, etwas zu haben, das alles prüft und ein Beweis von der Liebe Christi ist. Ich besitze einen eindeutigen und besonderen Gegenstand, der mich nach dem Herzen Gottes durch alles hindurch bringt. Diesen besaß auch Christus bei Seinem Wandel hienieden; und wenn wir an Christus festhalten, ist dieser unser ständiges Teil.

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