Das Handeln Gottes in der Apostelgeschichte

Die Berufung der Nationen (Kap. 10)

In den Wegen Gottes war jetzt der Zeitpunkt gekommen, den Nationen offiziell das Evangelium vorzustellen; und Petrus, trotz seiner ausgeprägten jüdischen Sympathien und Voreingenommenheit, sollte dazu das geehrte Werkzeug sein. Dies war ganz in Übereinstimmung mit dem Wort des Herrn an ihn aus Mt 16,19: „Ich werde dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben“. Diese Worte beinhalten absolut keinen Hinweis auf eine fürstliche Vorrangstellung (sogar nicht im Blick auf seinen persönlichen Charakter, und schon gar nicht im Blick auf eine Nachfolge für alle Zeiten); jedoch wurden dem Apostel dadurch Vorrechte und eine besondere Ehre verliehen. Am Tag der Pfingsten hatte er den Juden die Tür aufgeschlossen, und dreitausend Seelen waren eingetreten - nun sollte er sie den Nationen aufschließen. Er hatte in Apostelgeschichte 2 schon selbst auf diesen Tag angespielt (wie wenig er dabei auch davon verstanden haben mochte), indem er zu den Juden gesagt hatte: „Denn euch gilt die Verheißung und euren Kindern und allen, die in der Ferne sind, so viele irgend der Herr, unser Gott, herzurufen wird“ (Vers 39). Und als er zu einem späteren Zeitpunkt von der gleichen Angelegenheit sprach, erinnerte er seine Brüder: „Brüder, ihr wisst, dass Gott mich vor längerer Zeit unter euch dazu auserwählt hat, dass die Nationen durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und glauben sollten“ (Apg 15,7).

Gott wollte nicht, dass dieser Augenblick noch weiter hinausgeschoben würde. Kurz zuvor war der Apostel berufen worden (Paulus), der das auserwählte Werkzeug des Herrn sein sollte, seinen Namen in erster Linie vor die Nationen zu tragen (Apg 9,15); es war deshalb angebracht, dass nun auch solchen die Tür des Glaubens aufgetan wurde.

Die einzelne Person, die als erste berufen wurde, war ein bemerkenswerter Charakter: „...ein Hauptmann von der so genannten italischen Schar, fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Haus, der dem Volk viele Almosen gab und allezeit zu Gott betete“ (Kornelius mochte von der Bergpredigt nichts gehört haben, und doch stimmte seine praktische Gerechtigkeit genau mit dem überein, was dort niedergelegt ist. Mt 6,1 spricht von der 'Gerechtigkeit' im Allgemeinen; die folgenden Verse stellen als Früchte davon das Geben von Almosen, das Beten und das Fasten vor; vgl. mit Apg 10,30.31). Es war wahrscheinlich höchst selten, dass von einem römischen Offizier in einer Garnisonsstadt auf diese Weise gesprochen werden konnte. In den Evangelien lesen wir von einem, der die jüdische Nation liebte und für diese die Synagoge gebaut hatte (Lk 7,5); aber normalerweise war der gewöhnliche Charakter solcher in jeder Hinsicht anders. Anstatt den Eroberten Almosen zu geben, war es eher Brauch, sie zu unterdrücken und so weit wie möglich mit Steuern zu belegen. Aber hier müssen wir ein wenig tiefer gehen. Bei Kornelius war dies alles nicht bloß Wohlwollen und Mildtätigkeit, sondern die Früchte eines Menschen, der durch den Geist wiedergeboren war. Kornelius war noch nicht errettet, denn er hatte Christus noch nicht als seinen Erretter vor sich gehabt; aber zweifellos war er von Gott geboren. Im Fall des Zachäus gibt es, denke ich, einen Unterschied hierzu. Er sprach bloß davon, die Hälfte seiner Güter den Armen geben zu wollen und jedem vierfältig zu erstatten, dem er Unrecht getan hatte (Lk 19,8). Dies war Freundlichkeit und Pflichtgefühl; aber Kornelius ging weit darüber hinaus. Fürchtet ein unbekehrter Mensch Gott und betet alle Tage zu ihm? Sicher nicht. Solche Früchte bringt der verdorbene Baum des alten Menschen nicht hervor. „Sammelt man etwa von Dornen Trauben, oder von Disteln Feigen“ (Mt 7,16–18)? Dieser gottesfürchtige Mann aus den Nationen befand sich tatsächlich ziemlich genau in der gleichen Stellung, die auch die alttestamentlichen Heiligen hatten: von Gott geboren, ihr Vertrauen auf Ihn setzend, aber die vollbrachte Erlösung durch einen gestorbenen und auferstandenen Christus nicht kennend, und die Gabe des Heiligen Geistes noch nicht empfangen habend.

Wir müssen zwischen dem Werk der Wiedergeburt durch den Heiligen Geist und dem Versiegeln mit Heiligem Geist immer unterscheiden. Das erste ist von Anfang an wahr gewesen. Seitdem durch die Gnade eine Hoffnung für Sünder eingeführt worden ist, hat es immer solche gegeben, in denen der Geist Gottes gewirkt und neues Leben und Glauben an Gott hervorgebracht hat. Aber die Gabe des Geistes für die Gläubigen war eine ganz neue Sache; sie konnte nicht eher Wirklichkeit werden, als dass Christus aus den Toten auferstanden und in die Herrlichkeit aufgefahren war.

Die Wahrheit zeigte sich für Kornelius sogar noch deutlicher, wie wir beim Weitergehen in unserem Kapitel sehen: „Er sah in einem Gesicht ungefähr um die neunte Stunde des Tages deutlich, wie ein Engel Gottes zu ihm hereinkam und zu ihm sagte: Kornelius! Er aber sah ihn unverwandt an und wurde von Furcht erfüllt und sagte: Was ist, Herr? Er aber sprach zu ihm: Deine Gebete und deine Almosen sind hinaufgestiegen zum Gedächtnis vor Gott“. Wie deutlich ist dies alles! Wann sind jemals Gebete und Almosen eines ungöttlichen Menschen 'hinaufgestiegen zum Gedächtnis vor Gott'? Solche sind 'tote Werke', wertlos, wenn nicht sogar übel oder gottlos.

Diesem interessanten Mann aus den Nationen sollte nun das Evangelium des Christus kundgemacht werden. Der Engel forderte ihn auf, nach Joppe zu senden um Petrus holen zu lassen; dieser würde bei Simon, einem Gerber, herbergen. Da sein Herz einfältig vor Gott war, gehorchte er unverzüglich; zwei Hausknechte wurden mit einem frommen Kriegsknecht fort gesandt.

Währenddessen hatte sich derselbe Gott, der sich in Cäserea mit Kornelius beschäftigt hatte, in Joppe mit dem Apostel Petrus beschäftigt und ihn gnädig auf das vorbereitet, was ihm bevorstand. Petrus wird uns vorgestellt, wie er auf dem Dach betete (dies erinnert uns an Apg 6,4).

Über Petrus kam eine Entzückung und er sah den Himmel geöffnet und ein Gefäß wie ein großes Leinentuch, an den vier Zipfeln gebunden, auf die Erde herabkommen. Dieses Gefäß war mit allerlei vierfüßigen und kriechenden Tieren der Erde und dem Gevögel des Himmels gefüllt. Eine Stimme forderte ihn auf: „Steh auf, Petrus, schlachte und iss“! Petrus wandte dagegen ein: „Keineswegs, Herr! Denn niemals habe ich irgendetwas Gemeines oder Unreines gegessen“.

Als Antwort wurde ihm gegeben: „Was Gott gereinigt hat, halte du nicht für gemein“. Um noch mehr Nachdruck darauf zu legen, geschah dies alles dreimal, „und sogleich wurde das Gefäß hinaufgenommen in den Himmel“. So handelte der Herr in seiner Gnade, um den Skrupeln seines Knechtes zu begegnen und ihn zu dem bevorstehenden neuen Dienst der Gnade zu unterweisen. Fleischliche Unterschiede sollten nicht länger bestehen bleiben, die unbeschnittenen Nationen sollten eingeführt werden und auf der gleichen Grundlage wie die gläubigen Israeliten gesegnet werden.

Die Zwischenwand der Umzäunung wurde nun abgebrochen (Eph 2,14), wie gering das Verständnis derer aus der Beschneidung darüber auch sein mochte. Während Petrus noch über das Gesicht nachdachte, kamen die Knechte des Hauptmanns an, und der Geist unterwies ihn, mit ihnen zu gehen ohne irgend zu zweifeln. Als Vorsichtsmaßnahme nahm er einige Brüder aus Joppe als Zeugen mit sich, um später eventuelle Gegner zum Schweigen bringen zu können. Kornelius wollte ihm huldigen, aber Petrus richtete ihn auf und sagte: „Steh auf! Auch ich selbst bin ein Mensch“. Vergleiche dies mit dem Unwillen von Paulus und Barnabas, als die Bewohner von Lystra ihnen Opfer darbringen wollten (Apg 14,14), und mit den Worten des Engels in der Offenbarung, als Johannes ihn anbeten wollte (Off 22,9). Diese Diener kannten ihre Stellung und wussten, was dem Herrn gebührt.

Die ganze Zeit über können wir bei Kornelius eine höchst angenehme Einfachheit und Einfältigkeit bemerken. Schritt für Schritt folgte er in allen Dingen einfältig dem Herrn, und als nun Petrus unter seinem Dach eingekehrt war, sagte er: „Jetzt sind wir alle vor Gott gegenwärtig, um alles zu hören, was dir von Gott befohlen ist“. Es gab bei ihm keine Vorbehalte und keinen Wunsch, dass irgendwelche Teile des Ratschlusses Gottes ausgelassen oder verschwiegen würden. Welch ein Gegensatz zu unseren Tagen, wo es 'ihnen in den Ohren kitzelt' (2. Tim 4,3). Petrus hatte endlich erkannt, „dass Gott die Person nicht ansieht, sondern dass in jeder Nation, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt, ihm angenehm ist“. Dies geht nicht über das Eingeständnis der Tatsache hinaus, dass die Segnungen für die Nationen nun genauso Wirklichkeit geworden waren, wie auch für die Juden; die Wahrheit von dem einen Leib wurde hier noch nicht erläutert. Davon war Paulus dann der anerkannte Verwalter. Ihm war es gegeben worden, die durch den Heiligen Geist bewirkte himmlische Einheit aller Heiligen mit dem auferstandenen und erhöhten Haupt zu entfalten. Petrus ging nicht weiter, als den Nationen eine gleiche Stellung wie den Juden zuzugestehen: „Gott hat ihnen die gleiche Gabe gegeben wie auch uns“ (Apg 11,17).

Seine Verkündigung ist sehr charakteristisch. Er spricht wie immer von dem Herrn Jesus als dem einen, der unter den Juden umherging und von Gott mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt worden war. Er war wohltuend hindurch gezogen - Petrus und seine Gefährten waren Zeugen davon - und wurde doch umgebracht, an ein Holz gehängt, aber am dritten Tag von Gott auferweckt und den von ihm zuvor auserwählten Zeugen gezeigt. Dies alles waren offenbare und bekannte Tatsachen (Petrus konnte seiner Zuhörerschaft sagen: „Das Wort ... kennt ihr“); doch Kornelius und seine Verwandten und nahen Freunde hatten nie zuvor davon gehört, dass auch sie für sich einen Anteil an dem Gepriesenen hatten. Sie kannten seinen Weg über diese Erde und seine Hingabe für - die Juden; aber sie gehörten zu den Nationen! Nun lernten sie, dass er ein Retter für alle ist - 'für jeden, der an ihn glaubt'. Er ist der verordnete Richter der Lebendigen und Toten; aber ist das alles? „Diesem geben alle Propheten Zeugnis, dass jeder, der an ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen“.

Was für eine Botschaft von Gott für den bedürftigen Menschen! Feierlich ernst und gleichzeitig voller Segen tat sie sofort ihre Wirkung an dieser ersten Gruppe aus den Nationen, die sie hören konnten. Im Allgemeinen ist die Zuhörerschaft nach einer Erörterung gespalten, wie in Apg 28,24: „Und einige wurden überzeugt von dem, was gesagt wurde, andere aber glaubten nicht“. Hier aber gab es eine solche Zweiteilung nicht: „Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten“. Obwohl es nicht ausdrücklich festgestellt wird, wird damit indirekt gesagt, dass alle dem Zeugnis geglaubt hatten. Der Geist wird nur dem Glaubenden gegeben, wie wir lesen: „...in dem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung“ (Eph 1,13). Die Begleiter von Petrus waren sehr erstaunt, dass auch auf die Nationen die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen worden war. Warum sollten sie sich darüber verwundern? Warum konnten sie sich nur so langsam zu den Gedanken Gottes erheben? Später sagte Petrus: „Gott hat ihnen die gleiche Gabe gegeben wie auch uns“ (Apg 11,17). Bloße natürliche oder fleischliche Stellungen gibt es nicht mehr, Unterschiede haben im Christentum keinen Raum; die Errettung ist für alles Fleisch, sei es Jude oder aus den Nationen, erreichbar. „Es gibt keinen Unterschied“. Auch hier wurde die Gabe des Geistes von Zeichen begleitet, denn diese neuen Gläubigen begannen, in Sprachen zu reden und Gott zu erheben.

Was hätte nun ihre förmliche Aufnahme unter den Christen noch verhindern können? Wer könnte Gott widerstehen? Daher fragte Petrus folgerichtig: „Könnte wohl jemand das Wasser verwehren, dass diese nicht getauft würden, die den Heiligen Geist empfangen haben, wie auch wir? Und er befahl, dass sie getauft würden in dem Namen des Herrn“. Von der Taufe wird nirgendwo als ein Gebot gesprochen (mit Ausnahme zu den Evangelisten), sondern als ein Vorrecht, dass allen offen steht, die Christus angehören (Apg 8,36).

Sie ist ein Zeichen des Todes - des Todes mit Christus -, ein Bild von der Errettung und dem Abwaschen der Sünden. In den Tagen der Apostel, als die Dinge noch nach den Gedanken Gottes getan wurden, war dies die erste Handlung der Gläubigen. Wie wir schon vorher bemerkt haben, weicht die Anordnung hier in bemerkenswerter Weise von der in den Kapiteln 2 und 8 ab.

In Kapitel 2 mussten die schuldbewussten Juden in dem Namen Jesu Christi getauft werden, ehe sie die Vergebung der Sünden und die Gabe des Heiligen Geistes erlangen konnten.

In Kapitel 8 wurden die Samariter durch Philippus getauft, doch mussten sie auf die Versiegelung des Geistes warten, bis die Apostel herabgekommen waren. In dem ersten Fall wollte Gott die stolzen Juden, die seinen Sohn verworfen hatten, in den Staub demütigen; im zweiten Fall wollte er die Einheit bewahren und aufrechterhalten.

Hier in Cäsarea traf keiner dieser Gesichtspunkte zu, folglich fiel der Heilige Geist sofort auf alle. Sie hatten von der Vergebung der Sünden durch den Glauben an den Namen Jesu gehört; sie hatten das Zeugnis empfangen, und dann den Geist Gottes. Das zu erwarten, sind auch wir berechtigt. Lasst das Evangelium nur einfach und vollständig sein, dann wird Gott seinerseits den Segen nicht zurückhalten. Seinem Namen gebührt aller Ruhm und alle Ehre!

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