Die Entrückung der Versammlung

"Die des Christus sind bei seiner Ankunft"

„Jeder aber in seiner eigenen Ordnung: der Erstling, Christus; dann die, die des Christus sind bei seiner Ankunft … Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden“ (1. Kor 15,23.51).

Es gibt kaum eine Verheißung, die so klipp und klar, ohne Einschränkung, auf alle, die dem Herrn angehören, ausgedehnt wird, wie diese, die sich auf die Entrückung bezieht. Wenn wir die beiden weiter oben berührten Bilder vom Herrn und seiner Versammlung, das Haupt und sein Leib und Bräutigam und Braut, richtig verstehen, dann wird deutlich, dass alle Glaubenden ein unteilbares Ganzes bilden und als solche auch nur insgesamt zu Ihm entrückt werden können.

Am Pfingsttag wurden alle Erlösten durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft. Mit Christus eins gemacht, bilden alle Kinder Gottes – Er das Haupt und wir die Glieder – zusammen einen Leib (1. Kor 12,12.13). Es ist daher ein unsinniger Gedanke, dass nur eine Auswahl sogenannter „Treuer“ an der Entrückung teilhaben könne. Ob wir nun das Bild des „einen Leibes“ oder das der „Braut“ betrachten, in beiden Fällen macht nur die Entrückung als Ganzes und Unteilbares Sinn. Auch der Gedanke, dass bei der Entrückung der Heilige Geist, der in den Seinen wohnt und der diesen wunderbaren „Leib“ gebildet hat, ins Haus des Vaters zurückkehrt, macht eine Auswahl bei der Entrückung zu etwas Unmöglichem. Der Heilige Geist sehnt sich mit der Versammlung nach dem Kommen des Herrn (Off 22,17). Denn Er will doch, wie einst Elieser, der Knecht Abrahams, Rebekka zu Isaak brachte, die Braut dem Herrn zuführen, wie könnte da ein einziges Glied seiner Gemeinde zurückbleiben!

Außerdem dürfen wir nicht einseitig nur an uns denken, wir haben auch die Interessen des Herrn Jesus zu beachten. Wir können zu der Entrückung als solcher ebenso wenig etwas beitragen wie zu der neuen Geburt. Sie steht nicht in Verbindung mit unserer Verantwortlichkeit, sondern sie ist einzig und allein – lasst uns das gut beachten – das Ergebnis des Werkes von Golgatha. Sie ist sein Werk und sein Triumph. Sein Sieg und Triumph kann aber nur dann ein vollständiger sein, wenn Er alle seine Erlösten ganz und gar aus dem Bereich des großen Feindes, des Fürsten der Finsternis und des Gottes dieser Welt entrückt und damit jenseits des Todes und des Grabes gebracht hat. Könnte dieser Triumph wirklich ein voller, restloser sein, wenn Er auch nur eine einzige Seele zurücklassen müsste? Wäre nicht eine einzige fehlende Seele ein bitterer Wermutstropfen in dem Kelch seiner Freude und ein Triumph für Satan? Nein, für den Herrn kommt nur eines in Frage, dass alle, die sein sind, ohne Ausnahme, zu Ihm entrückt werden. Das entspricht seiner Herrlichkeit.

Natürlich muss betont werden: Alle, „die des Christus sind bei seiner Ankunft“. Das sind die, die durch sein Blut erkauft und durch den Heiligen Geist von neuem geboren sind. Nun gibt es aber viele, die sich Christen nennen und es äußerlich zu sein scheinen, die in gewissem Maß auch religiös und fromm sind, die aber keine neue Geburt erlebt haben. Diese werden allerdings nicht entrückt werden, weil sie eben nicht sein sind. Es sind „törichte Jungfrauen“, die kein Öl in den Gefäßen haben, d. h. den Heiligen Geist und damit das Leben aus Gott nicht besitzen. Für sie gibt es auch keine nachträgliche Läuterungszeit, ebenso wenig wie der Gang zum Kaufmann im Gleichnis diesen törichten Jungfrauen noch etwas nützen konnte. Ihr endgültiges, schreckliches Los ist der Feuersee. „Ich kenne euch nicht“, ist das letzte Wort, das sie aus dem Mund des Herrn hören (Mt 25,12). Schon so lange und immer noch dauert die Gnadenzeit, aber mit seiner Ankunft ist diese für immer zu Ende. Sie werden erfahren, was so manche schon vor ihrem leiblichen Tod erkennen mussten, dass sie jetzt nicht mehr umkehren können. Mit der Gnadenzeit darf man nicht spielen.

Wenn man lehrt, dass nur eine Auswahl von Gläubigen entrückt werde, kommt man logischerweise zu der Auffassung, dass die Zurückbleibenden noch eine Läuterung durchzumachen haben. Das hat zwar einen recht „geistlichen Anschein“, ist aber trotzdem oberflächlich gedacht und nicht biblisch.

Wir haben bereits mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass das Wort Gottes klipp und klar und ohne jede Einschränkung sagt: „…die, die des Christus sind“ (1. Kor 15,23). Müsste es nun nicht, wenn der Gedanke an eine Auswahl richtig wäre, heißen: „…die, die einen hohen Grad von Heiligkeit erreicht haben“, oder etwas in der Art? Aber nichts davon; wenn nun aber der Heilige Geist keine Ausnahme macht, dürfen wir dann eine solche machen? Auf keinen Fall!

Müssen wir uns nicht ehrlich und aufrichtig fragen, wenn nur besonders „Treue“ entrückt würden, wer dann treu genug wäre? Und nach welchem Maß würde gemessen werden? Natürlich nach der göttlichen Vollkommenheit, nach einer hundertprozentigen Heiligkeit. Wer könnte da bestehen? Wer besitzt diese praktische Heiligkeit? Du nicht und ich nicht! Niemand! Im Gegenteil, ein aufrichtiger Christ, der gerne dem Herrn in ganzer Hingabe nachfolgen möchte, wird bezeugen, wie wenig er dem göttlichen Vorbild entspricht und wie wenig er Ursache hat, von der eigenen Treue zu reden. Nicht einmal Paulus tat dies; er schrieb den Philippern: „Nicht, dass ich es schon ergriffen habe, …ich jage ihm aber nach“ (Phil 3,10–14).

Wie müssten wir erschrecken, wenn wirklich nur die sogenannten „Treuen“ entrückt würden! Die logische Folgerung wäre doch diese, dass wir uns keinen Augenblick mehr über die Rückkehr des Herrn freuen könnten. Wir müssten uns sagen, diese Verheißung gilt nicht für uns, denn wer könnte sie noch für sich in Anspruch nehmen? Das würde aber bedeuten, dass Gottes Wort eine schöne Zusage enthalten würde, von der niemand Gebrauch machen könnte. Es müsste dann noch eine Verheißung für „Untreue“ geben, aber eine solche findet man in der Bibel nicht. Wäre mit dieser unsinnigen Lehre der „Auserwählung einer bevorzugten Gruppe“ nicht die ganze Vollkommenheit des göttlichen Wortes in Frage gestellt?

Gottes Wort gibt hierfür nicht den geringsten Anhaltspunkt, und wo sollte diese Läuterungszeit im Lauf der prophetischen Ereignisse Raum finden? Mit der Entrückung setzt ja die Geschichte des Volkes Israel als Gottes Volk wieder ein und beginnt die noch zu erwartende siebzigste Jahrwoche Daniels, die große Drangsalszeit des Endes, die oft deutlich genug die „Drangsal Jakobs“, also die des treuen Überrestes Israels, genannt wird.

Lesen wir nicht vielmehr in 1. Petrus 4,17, dass die Läuterung der Gläubigen jetzt, d. h. in ihrer Lebenszeit und vor der Entrückung stattfindet? Zeigen uns dies nicht auch die im Wort Gottes aufgezeichneten Lebensbilder gläubiger Frauen und Männer? Bestätigt es nicht das Leben und die Führungen aller Diener und Dienerinnen des Herrn zu allen Zeiten? Bestätigt es sich nicht auch in unserem eigenen Leben? (vgl. Heb 12,4–11). Und was würde dann mit den vielen «Untreuen» und den längst entschlafenen Gläubigen geschehen?

Gottes Wort kennt nur zwei Auferstehungen, die zum Leben und die zum Gericht, die mindestens tausend Jahre auseinanderliegen (Joh 5,29; Off 20,5). Zu welcher von beiden sollen denn die sogenannten untreuen Entschlafenen gehören? Denn beim Gericht vor dem großen weißen Thron gibt es keine solche Klasse von Gläubigen – gäbe es eine solche, würde sie bestimmt erwähnt. Zudem sagt der Herr selber ausdrücklich von jedem, der an Ihn glaubt: „Er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen“ (Joh 5,24). Eine Auferstehung für Nachzügler kennt Gottes Wort nicht, außer für die, die in der furchtbaren Drangsalszeit des Endes getötet werden, weil sie dem Namen Gottes Ehre gegeben haben. Diese werden in Offenbarung 14,13 glückselig gepriesen, weil sie sofort wieder auferweckt werden, ohne warten zu müssen, wie die beiden Zeugen, die in Jerusalem getötet werden, damit auch sie im Reich mitherrschen können (Off 11; 20,4–6).

Nein, die Entrückung wird nicht von unserer Gerechtigkeit abhängig gemacht, sondern von der, die uns der Herr am Kreuz erworben hat. Ebenso wie die Erlösung und Rechtfertigung nicht auf das Werk des Christus in uns gegründet ist, sondern auf sein Werk für uns, so basiert auch die Entrückung genauso auf diesem Werk, das uns zum Eigentum des Herrn gemacht hat. Die allerdings sehr ernste und wichtige Seite der Treue wird anderswo noch ihre Berücksichtigung finden, was wir in einem späteren Kapitel ausführlicher betrachten werden. Die Entrückung bleibt also der Triumph des Herrn allein. (vgl. auch Heb 9,28: „…so wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Mal denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Errettung“, d. h ohne Beziehung zur Sünde. Beachte auch hier wieder unbedingte Verheißung ohne Einschränkung!)

Du, der Erstgeborne vieler Brüder,
bist uns schon vorangeeilt,
ziehst als Haupt dir nach all deine Glieder,
kehrest wieder unverweilt.
Bald wirst du zu unsrer Freud erscheinen,
wirst uns alle dort mit dir vereinen,
wo wir, frei von Kampf und Leid,
ruhn in deiner Herrlichkeit.

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel