Betrachtung über Prediger

Kapitel 2

Betrachtung über Prediger

Bevor wir die Betrachtung fortsetzen, sei daran erinnert, daß das Jenseits und das Unsichtbare dem Prediger ganz fremd sind und hier als ihm unbekannt dargestellt werden. Sie können nur durch eine göttliche Offenbarung erkannt werden, und der Zweck des Geistes Gottes in diesem Buche ist es gerade, uns das, „was unter der Sonne“ ist, außerhalb einer solchen Offenbarung betrachten zu lassen. Abgesehen also von der Erkenntnis Gottes, des Höchsten, die jeder Mensch besitzt, der sich nicht der Abgötterei hingegeben hat, kann der Weise hier nur die sichtbaren Dinge betrachten.

 Verse 1 - 3

Um Erkenntnis zu erwerben, wovon der Prediger im ersten Kapitel gesprochen hat, gab er sich der Freude und Behaglichkeit des Lebens hin. Aber das Leben erwies sich für den Weisen als unsinnig, und zur Freude sagte er, „was sie denn schaffe!“ Sie war ohne Zweck und Ziel. Vielleicht müßte er das Gute in der Torheit suchen? Wird nicht in den Sprüchen gesagt: „Gebet starkes Getränk dem Umkommenden, und Wein denen, die betrübter Seele sind: er trinke, und vergesse seine Armut und gedenke seiner Mühsal nicht mehr“ (Sprüche 31,6-7)? Er versuchte auch das zu tun, soweit seine ihm von Gott gegebene Weisheit unbefleckt blieb, aber auch das erwies sich als Eitelkeit, Nichtigkeit, ohne Dauer und Nutzen für die Menschen.

Verse 4 - 11

Dann untersucht der Prediger alles, was königliche Macht und Glück ihm geben konnten. Er hatte große Dinge unternommen. Was seine Augen begehrten, Besitzungen, Paläste und Gärten, Verschönerungen der Natur, Pflanzungen, große Herden, Ackerbau und seine Erzeugnisse, ein Heer von Dienern und Mägden, Silber und Gold in Überfluß, alle Reichtümer der Provinzen, die in seine Schatzkästen flössen, Musik und Gesang, die die Seele erheben, Befriedigung der Sinne in der irdischen Liebe, Vergrößerung seiner Macht, kurz, alles, was Salomo wünschen konnte, hatte seine königliche Macht ihm verschafft. „Auch meine Weisheit verblieb mir“, sagt er, aber er muß hinzufügen: „Und ich wandte mich hin zu allen meinen Werken, die meine Hände gemacht, und zu der Mühe, womit ich wirkend mich abgemüht hatte: und siehe, das alles war Eitelkeit und  ein Haschen nach Wind; und es gibt keinen Gewinn unter der Sonne.“

Verse 12 - 19

Die Weisheit hat zweifellos, wer wollte das bestreiten, einen Vorzug vor der Torheit. Der Weise ist im Licht und sieht, während der Tor sich in der Finsternis befindet und darin wandelt. Trotzdem ist beider Los gleich; wo ist der Gewinn? Der Tod trifft den Weisen wie den Toren, und der zerstörende Wurm ist in der Wurzel jeden Genusses (Kap. 2,16; 3,19+20; 5,15; 6,6; 9,3). Bemerkt sei hier nochmals, daß im Prediger, dem Charakter dieses Buches entsprechend, der Tod nicht in das Jenseits führt, sondern die Gegenwart in dem Augenblick abschneidet, wo der Mensch die Früchte seiner Arbeit zu ernten im Begriff steht. Welches ist dann der Gewinn? Daher ruft der Weise aus: „Da haßte ich das Leben; denn das Tun, welches unter der Sonne geschieht, mißfiel mir; denn alles ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind.“ Er haßte sogar „alle seine Mühe“, womit er sich „abmühte unter der Sonne“. Wenn wenigstens sein Erbe einen guten Gebrauch von seiner Hinterlassenschaft machte! Aber nein, die Arbeit des Weisen wird das Erbe des Toren!

Verse 20 - 23

Diese Betrachtungen führen den Prediger dahin, an allem zu verzweifeln. Selbst die angestrengteste und einträglichste Arbeit des Menschen bringt ihm zeitlebens nur Kummer, Verdruß und ruhelose Nächte für sein Herz. So wiederholt sich von Kapitel zu Kapitel diese trostlose Klage, die immer erneute Feststellung der Eitelkeit aller Dinge, bis endlich der Weise die Lösung aller Wege findet, die Gott ihn gehen läßt.

 Verse 24 - 26

Es gibt indessen noch einen Grundsatz in den Regierungswegen Gottes: Er gibt Weisheit, Erkenntnis und Freude dem, der Ihm angenehm ist, und fügt noch, wie bei Salomo, die materiellen Genüsse dieser Welt, wie essen, trinken und Gewinn von seiner Arbeit, hinzu, während der Sünder gezwungen ist, zu sammeln und aufzuhäufen für den, der Gott angenehm ist. Aber hat diese Ordnung in den Regierungswegen Gottes dauerhafte Folgen für den Menschen? Auch das ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind.

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