Samuel, der Prophet (1. Samuel 1-7)

3. Die Einführung des Propheten (1. Sam 3)

„Und der Knabe Samuel diente dem HERRN vor Eli. Und das Wort des HERRN war selten in jenen Tagen, Gesichte waren nicht häufig.

Und es geschah in jener Zeit, als Eli an seinem Ort lag – seine Augen aber hatten begonnen, schwach zu werden, er konnte nicht sehen –, und die Lampe Gottes war noch nicht erloschen, und Samuel lag im Tempel des HERRN, wo die Lade Gottes war, da rief der HERR Samuel. Und er sprach: Hier bin ich! Und er lief zu Eli und sprach: Hier bin ich, denn du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen, lege dich wieder. Und er ging hin und legte sich. Und der HERR rief wieder: Samuel! Und Samuel stand auf und ging zu Eli und sprach: Hier bin ich, denn du hast mich gerufen. Und er sprach: Ich habe nicht gerufen, mein Sohn, lege dich wieder. Samuel aber kannte den HERRN noch nicht, und das Wort des HERRN war ihm noch nicht offenbart. Und der HERR rief wieder zum dritten Mal: Samuel! Und er stand auf und ging zu Eli und sprach: Hier bin ich, denn du hast mich gerufen. Da merkte Eli, dass der HERR den Knaben rief. Und Eli sprach zu Samuel: Geh hin, lege dich; und es geschehe, wenn man dich ruft, so sprich: Rede, HERR, denn dein Knecht hört. Und Samuel ging hin und legte sich an seinen Ort.

Und der HERR kam und trat hin und rief wie die anderen Male: Samuel, Samuel! Und Samuel sprach: Rede, denn dein Knecht hört! Da sprach der HERR zu Samuel: Siehe, ich will eine Sache tun in Israel, dass jedem, der sie hört, seine beiden Ohren gellen sollen. An jenem Tag werde ich gegen Eli alles ausführen, was ich über sein Haus geredet habe: Ich werde beginnen und vollenden. Denn ich habe ihm kundgetan, dass ich sein Haus richten will in Ewigkeit, um der Ungerechtigkeit willen, die er gewusst hat, dass seine Söhne sich den Fluch zuzogen und er ihnen nicht gewehrt hat. Und darum habe ich dem Haus Elis geschworen: Wenn die Ungerechtigkeit des Hauses Elis gesühnt werden soll durch Schlachtopfer und durch Speisopfer in Ewigkeit!

Und Samuel blieb bis zum Morgen liegen; da öffnete er die Türen des Hauses des HERRN. Und Samuel fürchtete sich, Eli das Gesicht mitzuteilen. Da rief Eli Samuel und sprach: Samuel, mein Sohn! Und er sprach: Hier bin ich! Und er sprach: Was ist das Wort, das er zu dir geredet hat? Verhehle es mir doch nicht. So tue dir Gott und so füge er hinzu, wenn du mir etwas verhehlst von allem, was er zu dir geredet hat! Da teilte ihm Samuel alle Worte mit und verhehlte ihm nichts. Und er sprach: Er ist der HERR; er tue, was gut ist in seinen Augen.

Und Samuel wurde groß; und der HERR war mit ihm und ließ keins von allen seinen Worten zur Erde fallen. Und ganz Israel, von Dan bis Beerseba, erkannte, dass Samuel als Prophet des HERRN bestätigt war. Und der HERR fuhr fort, in Silo zu erscheinen; denn der HERR offenbarte sich Samuel in Silo durch das Wort des HERRN“ (1.Sam 3).

Nachdem der namenlose Mann Gottes sein Zeugnis gebracht und das Gericht über das Haus Eli angekündigt hat, hören wir in diesem Bericht nichts weiter von ihm. Von nun an wird der Herr auf direktere Weise durch Samuel sprechen, der „als Prophet des Herrn bestätigt war“ (1. Samuel 3,20).

Die ersten Verse dieses dritten Kapitels zeigen den niedrigen Zustand des Volkes Gottes. Unwissenheit über die Gedanken des Herrn herrschten vor, denn das Wort des Herrn war selten geworden; die Augen des Priesters waren trübe geworden, und die Lampe Gottes erlosch (Verse 1–3).

Gibt es heute noch Botschaften des Herrn?

Es ist tatsächlich ernst für das Volk Gottes als Ganzes, oder für einen Teil seines Volkes, wenn es nur wenig Botschaften des Herrn zur Versorgung ihrer Seelen gibt; wenn es dem Volk selbst an geistlichem Unterscheidungsvermögen mangelt, und wenn das Zeugnis für Gott unter dem Volk ausstirbt. So sah der Zustand Israels in den Tagen Elis aus. Und dennoch ist Gott nicht ohne Gedanken an sein Volk, wie schlimm sein Zustand auch sein mag. So sehen wir, dass der Herr aus sich selbst heraus in souveräner Gnade wirksam wird, „um denen zu leuchten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen“ (Lukas 1,79). Wir mögen gedacht haben, dass in einem solch niedrigen Zustand das Volk – oder der Priester für das Volk – den Herrn angerufen hätte. Aber es war der Herr, der Samuel rief (Verse 4–10).

Das ist sehr bedeutsam, denn am Ende dieses Kapitels lesen wir, „dass Samuel als Prophet des Herrn bestätigt war“. Das betonte den Unterschied zwischen dem Priester und dem Propheten. Das Amt der Priester ist es, dem Herrn zugunsten des Volkes zu nahen, und so die Beziehungen mit dem Herrn aufrecht zu erhalten. Der Prophet ist jemand, durch den der Herr dem Volk naht, wenn die Beziehungen mit dem Herrn durch das Versagen des Volkes zerstört worden sind. Daher tritt der Prophet in Tagen des Verfalls in den Vordergrund.

Der Charakter des neuen Propheten

Es ist ebenfalls bezeichnend, den Charakter desjenigen zu erkennen, den der Herr für das prophetische Amt benutzt. Es handelt sich um jemanden, der dem Herrn als Nasiräer geweiht worden war (1. Sam 1,11). Und er wird immer wieder „Knabe“ oder Kind genannt. Er ist also getrennt von dem Bösen, gegen das er zeugt, und den Interessen des Herrn hingegeben. Und er ist sich – wie ein Knabe (Kind) – seiner eigenen Schwachheit und seines Mangels an Weisheit bewusst. So ist er von dem Herrn abhängig und hat seine Zuflucht allein im Herrn. Einen solchen also benutzt der Herr, um das Gewissen seines Volkes zu erreichen.

Seine Berufung wird zur Gelegenheit, den Mangel an geistlichem Unterscheidungsvermögen auf Seiten des Hohenpriesters zu betonen. Denn erst, nachdem der Herr das dritte Mal gesprochen hat, erkennt Eli die Stimme des Herrn.

Die erste Botschaft des Herrn (Verse 10–14) an Samuel ist von tiefem Ernst. Eli hatte schon das Urteil und die Strafe gehört, die über sein Haus kommen sollte. Nun wird Samuel für seinen prophetischen Dienst zubereitet, indem ihm entgültig das Gericht angekündigt wird, dass über den Hohenpriester kommen würde, und auch die Ursache für dieses Gericht. Ganz Israel würde von dem Gericht betroffen sein, das über die priesterliche Familie kommen sollte. Denn was der Herr im Begriff stand zu tun, würde Er „in Israel“ tun, und es würde jedem, der davon hörte, in beiden Ohren gellen. Der Herr selbst stand im Begriff zu handeln. Er sagt: „An selbigem Tag werde ich wider Eli alles ausführen, was ich über sein Haus geredet habe: ich werde beginnen und vollenden“ (Vers 12).

Gott handelt nicht ohne Grund im Gericht!

Zudem wird uns ausdrücklich der Grund genannt, der zu dem direkten Handeln des Herrn mit seinem Volk führt. Der Grund ist einzig und allein darin zu sehen, dass es das Volk ablehnte, das Böse zu behandeln. Sehr schlimme Dinge sind inmitten des Volkes Gottes getan worden: Aber nicht das Böse an sich hat das regierungsmäßige Handeln Gottes hervorgerufen. Kein Ausmaß an Bösem würde das Eingreifen Gottes hervorrufen, wenn das Böse behandelt und durch das Volk Gottes gerichtet würde. Der Herr schreitet in Gericht ein, weil das Böse bekannt war, aber nicht entsprechend behandelt wurde.

Wie ernst ist tatsächlich der Zustand des Volkes Gottes, wenn Böses in seiner Mitte aufkommt, sei es entweder gegen die Person Christi, oder Ungehorsam gegen die Grundsätze des Hauses Gottes, oder ein Abweichen von dem Weg moralischer Rechtschaffenheit – und wenn das Böse bekannt ist, aber ihm nicht gehindert wird.

Protest allein reicht nicht – es muss gehandelt werden

Es mag tatsächlich gesagt werden, Eli habe in gewisser Weise Protest erhoben und den Wandel seiner Söhne als Böse verurteilt. Aber offensichtlich leitete er keine Schritte ein, um ihnen zu wehren. So ist es auch heute, wenn Menschen sagen, sie stimmten falschen Lehren nicht zu, und bedauerten, welchen Weg manche einschlagen. Aber welchen Nutzen hat ein solch schwacher Protest, wenn keine Schritte unternommen werden, um dem Bösen zu wehren und wenn diejenigen, die widersprechen, sich weiterhin mit denen verbinden, die das Böse tun, als ob alles in Ordnung wäre?

Samuel offenbart ein natürliches und angemessenes Zurückschrecken davor, dieses ernste Wort dem betagten Eli mitzuteilen. Zu gleicher Zeit zeigt er Treue zum Herrn, da er bis ins Kleinste die Botschaft des Herrn weitergibt. Es ist immer gut für die Jüngeren, den Älteren Ehrerbietung zu zeigen. Aber weder die Jugend noch das Alter dürfen im Weg stehen, wenn es um Treue für den Herrn geht (Verse 15–18).

Nachdem Samuel den Ruf des Herrn beantwortet und treu seine erste Botschaft übergeben hat, lernen wir, dass „der Herr mit ihm war“. Das ernste Wort bezüglich des Hohenpriesters war: „Ich werde wider Eli alles ausführen, was ich über sein Haus geredet habe“ (Vers 12). Der Herr war gegen den Hohenpriester, aber Er war mit dem Propheten. Da der Herr mit ihm war, fiel keines seiner Worte „auf die Erde“ (Vers 19). Und weil seine Worte nicht auf die Erde fielen, wurde es von Dan bis nach Beerseba offenbar, „dass Samuel als Prophet des Herrn bestätigt war“. Ihm erschien der Herr, und Ihm offenbarte sich der Herr durch das Wort des Herrn.

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