Betrachtung über Prediger

Kapitel 9

Betrachtung über Prediger

Die Verse 1-12 dieses Kapitels bilden das entmutigende Ergebnis des im vorhergehenden Gesagten.

Verse 1 - 10

Die Seele ermüdet, den Forschungen der Weisheit in den Dingen dieser Welt zu folgen, und sie wird des Lebens überdrüssig. Der Gerechte und der Ungerechte, der Reine und der Unreine haben dasselbe Schicksal, sie müssen sterben. „Auch ist das Herz der Menschenkinder voll Bosheit, und Narrheit ist in ihren Herzen während ihres Lebens, und danach geht's zu den Toten. ... Weder Liebe noch Haß kennt der Mensch im voraus. ... Sowohl ihre Liebe als auch ihr Haß und ihr Eifern sind längst verschwunden; und sie haben ewiglich kein Teil mehr an allem, was unter der Sonne geschieht“ (Verse 1 und 6). Das Schweigen der Nacht umgibt sie. In dieses dem menschlichen Geist völlig verschlossene Gebiet kann die Weisheit nicht eindringen. Daher auch die Folgerung, daß es besser sei, in diesem Elend noch zu leben, als zu sterben. Ein lebendiger Hund, das verächtlichste Geschöpf, gilt mehr als ein toter Löwe, das im höchsten Grade edle und starke Tier. Der Lebende weiß wenigstens, daß er sterben muß; das ist wenigstens eine Gewißheit, wenn auch eine bittere, denn „die Toten aber wissen gar nichts“. Zu solchen Schlußfolgerungen führt die größte menschliche Erkenntnis. Die Wissenschaft ohne die Offenbarung wird immer unglaubwürdig bleiben, weil sie nicht über den Tod hin aussehen kann. Was nützen also Tätigkeit, Arbeit, Liebe, Haß, Erkenntnis und Weisheit? Indessen bleiben für den Weisen, der in Verbindung mit Gott, dem Schöpfer, steht, noch zwei Dinge bestehen: die Furcht Gottes und die Gewißheit des Gerichts. Das Ende des Buches wird dies noch mehr bestätigen als der Anfang.

Augenblicklich (Verse 7-10) bleibt aber nichts. Was sage ich? Das Leben eines Tages mit seinen Genüssen, die es bietet, dieser vergängliche Schatten, ist von Wert: „Geh, iß dein Brot mit Freuden und trinke deinen Wein mit frohem Herzen; denn längst hat Gott Wohlgefallen an deinem Tun. Deine Kleider seien weiß zu aller Zeit, und das Öl mangle nicht auf deinem Haupte! Genieße das Leben mit der Frau, das du liebst, alle Tage deines eitlen Lebens, welches er dir unter der Sonne gegeben hat, alle deine eitlen Tage hindurch; denn das ist dein Teil am Leben und an deiner Mühe, womit du dich abmühst unter der Sonne.“ Diese Aufforderung, sich zu freuen, ist sie nicht noch bitterer als die Verzweiflung, wenn sie aus dem Munde eines Menschen kommt, dessen Weisheit, obwohl sie stets Gott zu gefallen suchte, die Eitelkeit aller Dinge bis in die verborgensten Winkel hinein untersucht hat?

Verse 11 - 12

Der Weise wendet sich von neuem (siehe Kap. 4,1 und 7) und sieht, dass alle, selbst die hervorragendsten Eigenschaften der Weisheit zu keinem Ergebnis führen. Alles endet schließlich mit einer plötzlichen Katastrophe.

Verse 13 - 18

Endlich hat der Prediger unter der Sonne eine Weisheit gefunden, die ihm groß erscheint: Dank einem einzigen armen, aber weisen Manne ist es der ganzen Macht und allen Hilfsmitteln eines großen Königs nicht gelungen, eine kleine, hilflose Stadt zu zerstören. Dieser Arme wurde der Retter und Befreier dieser schutzlosen Wesen. „Da sprach ich: Weisheit ist besser als Kraft.“ Aber die Welt verachtete die Weisheit des Armen und hörte nicht auf seine Worte. „Kein Mensch gedachte dieses armen Mannes.“ - Welch unerwartetes Licht strahlt diese Stelle aus! Es gibt nur eine Weisheit, die den hilflosen, den Anschlägen Satans, seines Verderbers, preisgegebenen Menschen befreien kann. Diese Weisheit findet sich in Dem, den die Psalmen so oft den „Armen“ nennen. Die Befreiung ist eine vollendete, durch Ihn vollbrachte Tatsache. Wird dieser Ruf gehört werden? Man muß ihn in der „Ruhe“ hören, um das Heil zu finden.

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