Der Brief an die Kolosser

Kapitel 3

Der Brief an die Kolosser

„Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist“ (Verse 1 und 2). Diese Ermahnung bezieht sich in erster Linie auf die falschen Ausführungen der jüdischen Lehrer. Seid ihr mit Christus auferweckt, und also mit Ihm den Grundsätzen der Welt gestorben, so sucht das, was droben ist, will sie besagen. Der jüdische Gottesdienst, selbst wie er durch Moses den Juden gegeben war, war ein Gottesdienst mit ausgesprochen irdischem Charakter, wie denn auch die Juden ein Volk für diese Erde waren und darum einen irdischen Gottesdienst hatten. Da nun der Christus gekommen ist und durch Ihn das verwirklicht worden ist, was die Schatten des Alten Bundes vorbildeten, muss der irdisch- fleischliche Gottesdienst verschwinden, und der geistlich-himmlische tritt an dessen Stelle. Die Gläubigen sind nun mit Christus gestorben und auferweckt, sie sind mit Ihm auf die innigste Weise vereinigt; Er ist ihr Leben geworden, und ihr Leben ist mit Christus verborgen in Gott. Und dieser Christus, mit dem wir so eng verbunden sind, ist im Himmel zur Rechten Gottes. Lasst uns daher die Dinge suchen, die droben sind, nicht die, welche auf der Erde sind! Satzungen, Feste, Tage, Sabbate, Opfer, schöne Gebäude und prächtige Kleider sind irdische Dinge, die mit dem Himmel nichts zu tun haben. In die Versammlung Gottes passt das alles nicht. Ihr Dienst ist ein Dienst im Geist und in Wahrheit – ein Dienst, der mit dem Haupt der Gemeinde in Übereinstimmung sein muss. Er sitzt zur Rechten Gottes, die Gläubigen sind mit Ihm verbunden; darum kann ihr Dienst nur ein Dienst im Geist sein. Im Hebräerbrief nennt der Apostel denn auch die Stiftshütte das weltliche (irdische) Heiligtum, und all die Satzungen, Gebote und Opfer des Alten Testaments Schatten und Bilder der zukünftigen Güter. Solange Christus noch nicht erschienen war, blieb der irdische Gottesdienst in Kraft; sobald aber Christus Sein Werk vollbracht und die neue Schöpfung begonnen hatte, musste der irdische Gottesdienst verschwinden, selbst die Stiftshütte wurde ein weltliches Heiligtum und die jüdischen Einrichtungen Grundsätze (Elemente) der Welt (Siehe auch Gal 4,8.9). Wie ernst ist das alles auch für uns. Die Christenheit ist in dieser Hinsicht leider von ihrer himmlischen Stellung abgewichen. Statt an dem Dienst im Geist und an der Wahrheit festzuhalten, ist sie zu den jüdischen Grundsätzen zurückgekehrt. Ihre geweihten Gebäude, ihre priesterlichen Kleidungen und allerlei Zeremonien sind dem Judentum, zum Teil sogar dem Heidentum, entlehnt; und viele meinen, dass es ohne das keine wahre Gottesverehrung geben könne. Das Abendmahl zu feiern ohne eine sogenannte ordinierte Amtsperson ist für viele ein Gräuel, trotzdem von solchen Dingen im Neuen Testament keine Spur zu finden ist. Alles dieses gehört zum fleischlichen Gottesdienst. Sind wir aber mit Christus auferweckt, dann werden wir ermahnt, die Dinge zu suchen, die droben sind, wo Christus ist.

Diese Ermahnung des Apostels steht jedoch nicht nur im Zusammenhang mit den jüdischen Einrichtungen, sondern ist auch auf unser ganzes Leben anwendbar. Die Zuneigungen unserer Herzen dürfen niemals geteilt sein. Jesus selber hat gesagt: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“. Das ist eine Unmöglichkeit. Die himmlischen und irdischen Dinge können nicht zugleich unser Herz anziehen und beschäftigen. Eins von beiden, wir sind entweder irdisch oder himmlisch gesinnt. Sind wir aber mit Christus auferweckt, dann ist nichts selbstverständlicher, als himmlisch gesinnt zu sein. Christus, unser Schatz, ist im Himmel, deshalb muss unser Herz auch dort sein. Unsere Berufung ist, die Dinge zu suchen, die droben sind, und das nicht von Zeit zu Zeit, sondern allezeit und überall.

„Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist.“ Es heißt nicht: „Sinnt auf die Dinge, die droben sind, nicht bloß, oder nicht ganz auf das, was auf der Erde ist“. Wie klar und bestimmt ist gesagt: „nicht auf das, was auf der Erde ist.“ „Aber wie ist das möglich?“ wird man fragen. „Wir müssen uns doch mit irdischen Dingen, mit unserer Arbeit und mit unserm Beruf beschäftigen, wie können wir dann immer und allein die Dinge erwägen, die droben sind?“ Ganz gewiss müssen wir uns mit unserm Beruf in der Welt beschäftigen, denn der Herr hat uns allen einen Platz in der Welt angewiesen; und wir müssen unsere Pflichten treu erfüllen. Das gehört ebensogut zum Dienst Gottes wie das Predigen des Evangeliums und andere christliche Tätigkeiten. Wir sind alle Diener Gottes und jeder Diener hat seine besondere Berufung. Versieht der Diener seinen Beruf getreu und handelt er darin, wie es einem Christen geziemt, verrichtet er alles nach den Grundsätzen Gottes dann steht, was er tut, obschon es vielleicht die gewöhnlichsten Dinge des täglichen Lebens sind, in Verbindung mit dem Himmel. Die Frau in ihrem Haushalt und der Mann in seinen Aufgaben handelt dann als Jünger Jesu, beide suchen Ihn zu verherrlichen. Wiewohl viele Augenblicke vorübergehen, während denen sie unmöglich an die himmlischen Dinge denken können, sinnen sie doch auf das, was droben ist und nicht auf das, was auf der Erde ist, weil sie alles, was sie tun, als Knechte und Mägde Gottes und des Christus in Seinem Namen und zu Seiner Ehre tun. Sie tun viele Dinge, welche die Welt auch tut, und häufig tun sie dieselben äußerlich auf dieselbe Art, dennoch besteht ein großer Unterschied. Die Welt sucht ihren Vorteil zu ihrer Ehre, den Gläubigen geziemt die Ehre des Christus zu suchen. Auf diese Weise können die kleinsten Dinge mit dem Himmel in Verbindung gebracht werden. Daher sagt der Apostel: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder irgendetwas tut, tut alles zur Ehre Gottes“. Und im zweiten Teil dieses Kapitels sehen wir, wie der Heilige Geist uns belehrt, die verschiedenen Beziehungen des täglichen Lebens auf eine Gott wohlgefällige Weise zu gestalten. Insofern wir deshalb als Diener des Herrn unser Werk verrichten, lasst uns dasselbe zur Ehre und zur Verherrlichung Seines Namens tun und so allezeit auf das sinnen, was droben ist, und nicht auf das, was auf Erden ist. Wir werden dann nicht uns selbst suchen, sondern das, was des Herrn ist. Verrichten wir unser Werk für den Herrn, weil Er es uns aufgetragen hat und tun wir es in Seiner Gemeinschaft, dann steht dieses Werk, obschon es an sich selber irdisch ist, in Verbindung mit dem Himmel, wir bringen auf der Erde himmlische Grundsätze in Anwendung.

„Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist, denn“ – so fährt der Apostel fort – „ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott“ (Vers 3). Als Kinder des ersten Adams, sind wir gestorben, weil Christus an unserer Stelle starb. Der Tod des Christus, ist unser Tod. Als alte Menschen bestehen wir vor Gott nicht mehr. Der Tod des Christus machte diesem Zustand für immer ein Ende. Doch wir sind nicht nur gestorben, sondern auch auferweckt mit Christus. Wir haben neues Leben empfangen; und dieses Leben ist mit Christus verborgen in Gott. Christus selbst ist unser Leben (Vers 4) und da Christus, unser Leben, in Gott verborgen ist, so ist auch unser Leben mit Christus verborgen in Gott. Diese Wahrheit ist von größter Wichtigkeit für den Frieden unserer Seele. Um zu wissen, ob ich das Leben habe, muss ich nur wissen, ob ich ein Eigentum des Christus bin. Bin ich das, dann habe ich auch das Leben. Christus ist das Leben (1. Joh 1) und darum: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben.“ Durch die Innewohnung des Heiligen Geistes haben wir das Leben in uns; der Heilige Geist selbst ist das Leben in uns (Römer 8). Das göttliche Leben ist die natürliche Folge unserer Vereinigung mit Christus. Die Quelle des Lebens ist Christus; sie ist nicht in uns selbst zu finden. Es kann darum keine Rede sein von Verlieren des Lebens. Es ist mit Christus verborgen in Gott und damit in vollkommener Sicherheit, so dass niemand es antasten kann. Solange nun Christus im Himmel verborgen bleibt, ist auch unser Leben verborgen, aber „wenn der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit Ihm offenbart werden in Herrlichkeit“ (Vers 4). Welche Gnade! Solange wir hier auf Erden bleiben, ist unser Leben mit Christus verborgen in Gott; sobald Christus kommt, werden wir mit Ihm offenbart werden in Herrlichkeit!

„Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Unzucht, Unreinigkeit, Leidenshaft, böse Lust und Habsucht, welche Götzendienst ist“ (Vers 5). Da wir gestorben sind und unser Leben mit Christus in Gott verborgen ist, betrachtet uns der Apostel als Menschen, die ihr Leben im Himmel haben. „Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind.“ Die Glieder, die er hier nennt, machen zusammen die Sünde aus, die im Fleisch wohnt. Wir müssen sie töten, d.h. unterwerfen, sie nicht zur Geltung kommen, nicht in uns wirken lassen. Alsdann schreibt er: „Jetzt aber legt auch ihr das alles ab: Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung, schändliches Reden aus eurem Mund“ (Vers 8). Der Unterschied ist merkwürdig. Die Glieder, die auf der Erde sind, d.h. die Sünde, die im Fleisch wohnt, können wir nicht ablegen, da die Sünde in uns wohnen bleibt, solange wir unserem sterblichen Leib herumtragen. Wut, Zorn, Bosheit, Lästerung, schändliches Reden dagegen sind Früchte der in uns wohnenden Sünde und darum müssen wir diese ablegen. In Christus sind wir von der in uns wohnenden Sünde erlöst, da Gott sie am Kreuz gerichtet hat (Römer 8,2). Wir stehen als neue Menschen vor Gottes Angesicht. Die in uns wohnende Sünde scheidet uns also nicht mehr von Gott und wir brauchen uns nicht mehr über sie zu beunruhigen. Wir müssen sie aber hindern zum Vorschein zu kommen oder, wie Paulus in Römer 6 sagt, sie nicht in unserm sterblichen Leib herrschen lassen, bedenkend, dass um derentwillen „der Zorn Gottes kommt über die Kinder des Ungehorsams“ (Vers 6) Ehemals wandelten wir darin (Vers 7), doch nun sind wir durch Gottes Gnade davon erlöst.

„Belügt einander nicht, da ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bild Dessen, der ihn erschaffen hat“ (Verse 9 u. 10). Fortwährend bezieht sich der Apostel auf die neue Schöpfung. Der Grund ist, dass wir erst dann Kraft haben, das Böse zu lassen und das Gute zu tun, wenn wir verstanden haben, dass wir in Christus neue Menschen sind. Nur der neue Mensch wandelt im Licht und beurteilt alles nach diesem Licht. Nirgends in der Schrift werden wir ermahnt den alten Menschen aus- und den neuen Menschen anzuziehen, überall finden wir, dass dies eine vollbrachte Sache ist, wir haben den alten Menschen ausgezogen und den neuen angezogen. Und darum werden wir ermahnt, das Böse zu lassen und im Guten zu wandeln. Und dieser neue Mensch wird erneuert zur Erkenntnis, nach dem Bild dessen, der ihn erschaffen hat. Gott selber ist für den Christen der Maßstab von Gut und Böse. Christus ist das vollkommene Muster dieses Bildes, der Typus des neuen Menschen. Aus Ihm wird der neue Mensch praktisch erneuert, so dass er die Natur Gottes offenbart. Alles andere ist verschwunden. Es bleibt nichts als der alte Mensch, den der Gläubige als tot betrachtet. Für den neuen Menschen ist Christus alles, so dass man Ihn allein sehen und erkennen sollte (Vers 11). Und da Christus sowohl ihr Leben als auch ihr Vorbild ist, so ziehen die Gläubigen „als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte an herzliches Erbarmen, Güte, Niedriggesinntheit, Milde, Langmut“ (Vers 12) sie ertragen einander und vergeben andern, wenn sie beleidigt werden, gleichwie Christus ihnen vergeben hat (Vers 13). Und über dies alles ziehen sie an die Liebe, das Band der Vollkommenheit, das den obgenannten Eigenschaften den göttlichen Charakter gibt (Vers 14). Man findet in der menschlichen Natur vieles, das einigen dieser Eigenschaften des göttlichen Lebens gleicht, doch die Kraft des Geistes, das Band der göttlichen Liebe, die im Herzen eines jeden wirkt, der mit Gott Gemeinschaft hat, mangelt gänzlich. Ohne das Bewusstsein der Gegenwart Gottes, ohne die Liebe entarten die christlichen Zuneigungen in bloß natürliche Sympathie, die uns durchaus nicht vor dem Bösen bewahrt. Im Gegenteil, sie lässt uns häufig das Böse annehmen. Nur die göttliche Liebe, das Band der Vollkommenheit, erhebt uns über das eigene Ich und folglich über das, was unsere Eigenliebe verletzten könnte. Die Liebe allein gibt den oben erwähnten Eigenschaften Vollkommenheit, Feingefühl und Kraft, „Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott in ihm.“

„Und der Friede des Christus regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen worden seid in einem Leib, und seid dankbar“ (Vers 15). Der Friede Gottes ist die völlige Ruhe, in der Gott selbst sich befindet. Hieran lässt Er den Gläubigen, der mit Ihm in Gemeinschaft lebt und alle Umstände in Seine Hände legt, teilhaben. Diesen Frieden nun sollen wir aber nicht allein genießen, sondern in Gemeinschaft miteinander – ihr seid ein Leib; zu einem Leib gehörend. – „Und seid dankbar“ für alles, was Gott euch in Christus gegeben hat; so dass ihr nicht nötig habt, euch nach andern Dingen umzusehen.

„Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, singt Gott in euren Herzen in Gnade“ (Vers 16). Ist Christus unser Leben; dann wird Sein Wort reichlich in uns wohnen. Unser Wandel, unser Betragen, unsere Zuneigungen, unsere Gedanken – alles wird in Übereinstimmung mit Christus sein und Ihn als Mittelpunkt und Ziel haben. Der geistlich gesinnte Christ isst und trinkt nur im Namen Jesus, was er sagt und tut, sagt und tut er in Seinem Namen. Sein Herz ist erfüllt mit dem Willen und den Gedanken Jesu und er findet in Seiner Gemeinschaft die Weisheit, die er nötig hat, um diesen Willen zur rechten Zeit und auf die richtige Weise zu vollbringen. Die natürliche Folge einer solchen Einstellung ist Lob und Dank. Wohnt das Wort des Christus reichlich in uns, und kennen wir deshalb Seinen Willen und Seine Gedanken, dann kann es nicht anders sein, als dass das Herz in Lob und Dank überfließt. Wir besingen Seine Herrlichkeit und regen andere dazu an.

Was den Unterschied zwischen Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern betrifft, so ist anzunehmen, dass die Psalmen, sowohl was Inhalt als auch Melodie angeht, besonders feierlich und würdevoll waren. Ein Lobgesang richtet sich direkt an Gott und besingt Sein Lob; ein geistliches Lied drückt mehr das Gefühl des Herzens und die christliche Erfahrung aus. Ich brauche dabei kaum zu bemerken, dass der Apostel nicht über die Psalmen Davids, sondern über „christliche Psalmen“ schreibt, die uns zwar nicht überliefert sind.

Alle Ermahnungen des Apostels werden nun mit den herrlichen Worten abgeschlossen, die alles enthalten, was wir für unsern Wandel nötig haben: „und alles,was ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus, dankt Gott, dem Vater, durch Ihn“ (Vers 17).

Nachdem der Apostel diese großen und wichtigen Grundsätze klargelegt hat, kommt er auf die verschiedenen Beziehungen des täglichen Lebens zu reden und warnt vor den Gefahren, die damit verbunden sind. Er zeigt, wie der Christ – des neuen Lebens teilhaftig – sich in den mannigfachen Verhältnissen zu betragen hat. Fällt uns nicht die restlose Harmonie auf, die wir in den Anweisungen Gottes finden? Bei Ihm ist mustergültige Ordnung in allen Dingen. Viele behaupten, dass, weil wir alle eins sind in Christus, von einer Unterwerfung der Frau unter die Autorität des Mannes jetzt nicht mehr die Rede sein könne. Man argumentiert, diese Ordnung des ehelichen Verhältnisses sei wohl eine Folge des Fluches, die dahinfalle, sobald die Frau gläubig geworden sei, von diesem Augenblick an sei sie dem Mann gleichgestellt. Allerdings ist es wahr, dass die Heilige Schrift uns hineinführt in die Stellung in Christus, in welcher kein Unterschied besteht zwischen Mann und Frau. Sobald es sich um die Versammlung (Ekklesia), als den Leib des Christus handelt, gibt es weder Mann noch Frau, Kind noch Vater, Knecht noch Freier. Alle sind eins in Christus. Alle sind mit Ihm gestorben und alle mit Ihm auferstanden. Alter, Geschlecht oder Stand verschwinden hier ganz. Hinsichtlich der verschiedenen Lebensumstände aber müssen wir diesen Unterschied doch beachten und Gott will, dass dieser Unterschied in der Versammlung hier auf Erden nicht nur aufrecht erhalten wird, sondern zu seiner vollen Anerkennung kommen soll. Sobald man das nicht beachtet, ist man in Gefahr wichtige Grundsätze umzustoßen. Der Mann würde alsdann seine Stellung als Haupt aufgeben; die Frau würde ihren glücklichen Platz in Unterwerfung unter die Führung des Mannes verlassen; und was würde aus den Kindern werden? Als Kinder Gottes sind ohne Frage alle gleichgestellt und genießen dieselben geistlichen Segnungen; aber sobald die Rede ist von den Beziehungen, worin sie hier auf Erden zueinander stehen, wird der Unterschied völlig ins Licht gestellt. Mann und Frau, Kinder und Väter, Herren und Knechte stehen alsdann nicht gleich.

„Ihr Frauen seid euren Männern unterwürfig, wie es sich geziemt in dem Herrn“ (Vers 18). Die Stellung der Frau ist, unterworfen zu sein. Gleichwie die Versammlung Christus unterworfen ist, so muss die Frau ihrem Mann unterworfen sein. Das ist die gesegnete Stellung, welche die Frau einnehmen darf. Anstatt dies als Zurücksetzung zu empfinden und danach zu trachten, dieses Joch abzuschütteln und über ihren Mann zu herrschen soll sie gerade in der Unterwürfigkeit gegenüber dem Mann ihr Vorrecht sehen. Das Herz kann nur dann glücklich sein, wenn wir den Platz einnehmen, den Gott uns gegeben hat. Sobald wir diesen Platz verlassen, kommt alles in Unordnung. Eine Familie, wo die Frau herrschen und den ersten Platz einnehmen will, ist ein Schauplatz von Zank, Unordnung und Zerrüttung. Sie soll ja unterworfen sein um des Herrn willen. Der Herr weist sie dazu an. Versteht sie. das, dann wird es ihr nicht schwer fallen, auch bei sich einstellenden Schwierigkeiten den rechten Weg zu gehen. Der Mann kann natürlich Forderungen machen, welche gegen den Willen des Herrn sind, in diesem Fall muss sie nicht untertänig sein, weil sie es nicht „im Herrn“ tun kann.

An die Männer schreibt Paulus: „Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie“ (Vers 19). Jede Ermahnung entspricht ganz dem Charakter und Zustand dessen, der ermahnt wird. Die Frau wird zur Untertänigkeit ermahnt; der Mann zur Liebe. Zu der Frau wird nicht gesagt: „Habe deinen Mann lieb“, weil Zuneigung bei ihr schon im Wesen liegt: „Nach dem Mann wird dein Verlangen sein“. Doch ist es sehr leicht möglich, dass der Mann durch seine vielen Geschäfte vergisst, zu seiner Frau genügend Sorge zu tragen und sie mit Liebe zu umgeben. Die Frau ist natürlicherweise auf ihren Mann angewiesen, sie verlässt Vater und Mutter und alles, um ihrem Mann anzuhangen. Darum soll sie der Mann mit bedachtsamer Liebe und Schonung behandeln; er muss ihre Sorgen und Beschwerden mit ihr tragen und ihr diese wenn möglich abnehmen. Wo er durch die Umstände in der Welt mitgenommen und durch eigene Sorgen bedrückt ist, soll er wachsam sein, um nicht bitter zu werden gegen sie. Wie oft kommt es vor, dass der Mann seiner Unzufriedenheit und seiner Laune der Frau gegenüber Luft macht und dadurch ihr Leben verbittert. Das steht ganz im Widerspruch zu seiner Aufgabe als Mann. „Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie.“

Es ist wichtig, hierbei zu beachten, dass Mann und Frau, und so auch Eltern und Kinder, Herren und Knechte, jeder Teil die Aufgabe erfülle und denjenigen Platz einnehme, den Gott ihm zugedacht hat. Die Frau darf ihre Unterwürfigkeit nicht aufgeben, wenn der Mann sie nicht lieb hat und ebensowenig ist der Mann berechtigt, der Frau seine Liebe zu verweigern, wenn sie nicht unterwürfig ist. Jedes ist für sich selbst hinsichtlich der eigenen Handlungsweise vor Gott verantwortlich. Wenn der Mann sich noch so verkehrt verhält, so ist die Frau ihrer Verpflichtung ihm gegenüber nicht enthoben und ebenso wird der Mann durch ein böses Verhalten der Frau seiner Verantwortung ihr gegenüber nicht frei. Wenn dieser Grundsatz überall gut verstanden und dementsprechend gehandelt würde, wieviel Streit und Zwietracht würden vermieden und wieviel Elend würde den Einzelnen und den Familien erspart bleiben! Möge der Herr einem jeglichen von uns Gnade geben, den Platz einzunehmen, den Er uns nach Seiner Weisheit und Liebe zugewiesen hat!

Hierauf folgen die Ermahnungen an die Kinder und Väter: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem, denn dies ist wohlgefällig im Herrn“ (Vers 20). Gehorsam ist das Erste, was von den Kindern verlangt werden muss. Es ist ein Merkmal der letzten Zeit, dass sich die Kinder der Zucht und der Aufsicht ihrer Eltern entziehen. In 2. Timotheus 3, wo der Apostel das Verhalten der Menschen in den letzten Tagen beschreibt, kennzeichnet er die Kinder mit den Worten: „den Eltern ungehorsam“. Mächtig widerspricht es Gottes Ordnung, wenn Kinder sich gegen die Eltern auflehnen. Der Gehorsam erstreckt sich auf alle Dinge. „Gehorcht euren Eltern in allem.“ Die Ermahnung ist hier ganz unbegrenzt. In Epheser 6 fügt Paulus noch „im Herrn“ bei; doch hier ist sie unbeschränkt. Es ist klar, dass kein Vater, so wenig wie ein Gatte das Recht hat, etwas zu verlangen, was gegen des Herrn Willen ist, aber es ist zugleich notwendig, dass die Kinder begreifen, dass sie in keiner einzigen Sache unabhängig von ihren Eltern handeln dürfen, und dass, wenn sie es tun, sie die Ordnung Gottes durchbrechen.

Doch der Herr verlangt nicht nur Gehorsam von Seiten der Kinder ihren Eltern gegenüber; Er will auch, dass die Eltern ihre Kinder auf die rechte Weise erziehen und behandeln. „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, dass sie nicht mutlos werden“ (Vers 21). Die Kindererziehung ist eine der wichtigsten Aufgaben christlicher Eltern. Der Herr hat uns Kinder gegeben, damit wir sie für Ihn erziehen und sie zu Ihm bringen. Welch ein Vorrecht! Jesus hatte die Kinder so lieb, dass Er sie in Seine Arme nahm, sie segnete und sprach: „Solcher ist das Königreich der Himmel“. Er begehrt, dass wir sie lehren, Seinen lieblichen Namen zu verstehen. Wie glücklich ist das Haus, in welchem die Kinder in der Zucht und Ermahnung des Herrn erzogen werden und der herrliche Name Jesus schon früh aus ihrem Mund vernommen wird! Glücklich die Familie, in welcher nicht der Dienst der Welt, sondern der Dienst des Herrn Jesus über alles geht! Ach, wieviel wird in dieser Hinsicht gesündigt! An Stelle des Geistes der Liebe und der Sanftmut, wodurch das kindliche Gemüt gewonnen wird, finden wir oft ein fortwährendes Gebieten und Verbieten, welches die Kinder verdrießlich und mutlos macht. Fortwährender Tadel entmutigt ein Kind außerordentlich. Dergleichen fördert übermäßige Bestrafung bei der nicht Liebe und Verständnis mitwirken, Auflehnung und Abneigung. Gebe uns der Herr Weisheit von oben unsere Kinder recht zu leiten und vor allem sie im Gebet vor den Thron der Gnade zu bringen, damit sie einmal alle mit uns jauchzen dürfen am Thron der Herrlichkeit.

Zuletzt ermahnt der Apostel die Knechte und Herren. „Ihr Knechte, gehorcht in allem euren Herren nach dem Fleisch, nicht in Augendienerei, als Menschengefällige sondern in Einfalt des Herzens, den Herrn fürchtend. Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen, da ihr wisst, dass ihr vom Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet, ihr dient dem Herrn Christus. Wenn wer unrecht tut, wird das Unrecht empfangen, das er getan hat, und da ist kein Ansehen der Person. Ihr Herren, gewährt euren Knechten, was recht und billig ist, da ihr wisst, dass auch ihr einen Herrn in den Himmeln habt“ (Verse 22–25 und Kap. 4, 1). Wie treffend und weise sind diese Ermahnungen. Wie weiß der Heilige Geist unser Auge von dieser armen sündigen Erde abzuziehen und auf den Herrn im Himmel hinzurichten! Wir haben bereits bemerkt, wie der Apostel die Frauen zur Unterwürfigkeit und die Kinder zum Gehorsam ermahnt, indem er sie auf den Herrn hinweist. Hier, bei den Knechten oder Sklaven, geschieht es noch ganz besonders, da es sich nicht mehr um natürliche Bindungen (wie Ehe und Familie) handelt, sondern um solche Bindungen, die durch die Sünde entstanden sind. In seinen Ermahnungen an die Sklaven weist sie Paulus dreimal auf den Herrn hin, um die Herzen dieser Armen zu Ihm zu erheben, der auch sie durch Sein Blut erkauft hat und dessen Knechte sie geworden sind. Die Gnade beschäftigt sich nicht mit der Veränderung des Zustandes der Welt, sondern sie bringt Seelen in den Himmel, indem sie, sie nach dem Bild Gottes erneuert. Ohne Zweifel hat die Gnade die sozialen Verhältnisse – man denke nur an Krankenhäuser, Altersasyle usw. – viel verbessert, dass selbst der unbekehrte Mensch den Einfluss des Christentums erfährt; doch bleibt es wahr, dass dasselbe, was seine Lehre betrifft, sich durchaus nicht mit der Verbesserung der menschlichen Gesellschaft beschäftigt. Die christliche Lehre betrachtet die Welt als fern von Gott, im Bösen liegend (1. Joh 5,19), die Menschen als Kinder des Zorns und als verlorene Sünder. Christus, der gekommen war, um alles wiederherzustellen, wurde von der Welt verworfen. „Die Freundschaft der Welt ist Feindschaft gegen Gott“ (Jak 4,4). Die Welt geht denn auch dem Gericht entgegen, anstatt verbessert zu werden. Nach dem Gericht erscheint Christus nochmals auf der Erde, und zwar um Sein Königreich der Gerechtigkeit und des Friedens aufzurichten. Versucht man jetzt die gesellschaftlichen Zustände und die Menschen zu „verbessern“, so handelt man im Widerspruch zur Lehre des Christentums und greift der Zeit, in welcher Christus die Regierung auf Erden übernehmen wird, vor. Was sollen wir nun tun? Gott hat uns ein neues Leben mitgeteilt und durch die Kraft dieses neuen Lebens sollen wir in der verdorbenen Welt die himmlischen Grundsätze verkündigen und zur Anwendung bringen. Wir erheben unsere Herzen zum Himmel, wohin Jesus selber gegangen ist, und stellen uns über die Verhältnisse hier unten. Der Sklave, der Christus besitzt, ist frei in seiner Seele, er ist freigemacht durch Gott selbst. Andrerseits wissen die Herren, die Prinzipale, dass auch sie einen Herrn über sich haben. Halten sie sich das vor Augen, dann wird ihr Verkehr mit den Knechten mehr von Liebe und Gnade, als von Härte und Lieblosigkeit regiert sein. Wie tief greifen die göttlichen Grundsätze in das praktische Leben! Und was den Knecht betrifft, so wird ihm Christus als die Quelle von Kraft und Trost hingestellt. Er kann seinem Herrn, dem guten und dem schlechten, in Treue, Schlichtheit und Hingabe dienen, weil er, so handelnd, dem Herrn Jesus dient und sich dessen bewusst ist. Er wird dort seinen Lohn finden, wo nichts vergessen wird von dem, was zur Verherrlichung des Herrn getan worden ist und wo Herren und Knechte vor dem gerechten Gott stehen, bei dem es kein Ansehen der Person gibt. Zwei Grundsätze sind beim gläubigen Knecht wirksam:

  1. In seinem ganzen Betragen ist sein Gewissen vor Gott geübt; die Furcht Gottes leitet ihn und nicht bloß das Auge seines irdischen Herrn.
  2. Er ist sich seiner Verbindung mit Christus bewusst, der ihn trägt und über alles erhebt. Nichts kann ihm diese Quelle von Kraft, Geduld und Freude nehmen; es ist eine Kraft, die alles beherrscht, weil sie in ihm wohnt. Zudem ist sein Blick auf die Hoffnung der Herrlichkeit gerichtet.
Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel