Einleitung zur Bibel

Altes Testament

Das 1. Buch Mose legt die Grundlagen und umfasst alle die großen Grundsätze der Beziehungen des Menschen zu Gott: die Schöpfung, Satan, den Fall, das Opfer, die Absonderung der Heiligen von der Welt, das Gericht der Welt; die Regierung, um das Böse im Zaum zu halten; die Berufung Gottes, als der Götzendienst entstanden war; die Verheißungen; den Samen Gottes; die Gläubigen als Pilger und Fremdlinge, aber mit einem geregelten Gottesdienst, jedoch ohne gottesdienstliche Einrichtungen; dann die Auferstehung in Isaak, und die Juden als irdisches Volk in Jakob.

Im 2. Buch Mose haben wir die Erlösung, das Gesetzt, die Stiftshütte, ein Volk Gottes, die Gegenwart Gottes auf seinem Thron auf der Erde, den alten Bund, das Priestertum.

Im 3. Buch Mose die Einzelheiten der Opfer, die Reinheit nach dem Gesetz, namentlich in Bezug auf den Aussatz, den großen Versöhnungstag, die Feste, das Sabbathjahr und das Jubeljahr, in welchem jeder sein Erbteil zurückerhielt, sowie die prophetischen Drohungen im Fall des Ungehorsams.

Im 4. Buch Mose finden wir die Zählung des Volkes, die Absonderung der Leviten, das Gesetz über die Eifersucht, das Nasiräertum, die Geschichte des Zuges durch die Wüste unter der Führung der Wolke und unter dem Priestertum, und zugleich mit der Geschichte der Leitung der Kinder Israel während dieser Reise die „rote Kuh“. Das Volk, mit Ausnahme zweier Männer und der Kinder, kommt in der Wüste um; das Urteil Gottes wird seiner unumschränkten Gnade gemäß durch Bileam ausgesprochen. Zugleich findet man in diesem Buch die Einzelheiten der Opfer für die Festtage, besonders für das Laubhüttenfest, die Gelübde, die Besitzergreifung des Landes auf der östlichen Seite des Jordan, die eherne Schlange, das Erbteil der Leviten und die Zufluchtsstädte. Obwohl alle diese Bücher Geschichte enthalten, so ist doch die Geschichte selbst (nicht nur die feierlichen Gebräuche und Zeremonien) ein Vorbild von geistlichen Dingen. „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder“, sagt Paulus, „und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche das Ende der Zeitalter gekommen ist“ (1. Kor 10, 1-13). Wir haben, mit Ausnahme von 3. Mose 8  und 3. Mose 9, keinen Beweis, dass ein einziges Opfer in der Wüste dargebracht worden ist, es sei denn dem Moloch und Remphan.

Das 5. Buch Mose hat einen besonderen Platz. Es setzt voraus, dass das Volk in dem Land ist; es erinnert dasselbe an seinen Ungehorsam und dringt auf Gehorsam. Sein Zweck ist, das Volk in Verbindung mit dem HERRN zu erhalten. Es sollte in dem Land ein Ort bestimmt werden, wo die Bundeslade und der Gottesdienst errichtet, wo alle Feste gefeiert, wo alle Opfer und die Zehnten dargebracht werden sollten, mit Ausnahme dessen, was man im dritten Jahre dem Leviten an dem Ort gab, wo er wohnte 1. Die Priester werden kaum erwähnt, das Volk steht in unmittelbarer Verbindung mit dem HERRN; der Segen sollte auf dem Gehorsam, das Gericht auf dem Ungehorsam ruhen. Das Buch schließt mit einem prophetischen Lied, das den Abfall des Volkes und das Gericht Gottes ankündigt, ein Gericht, das sich über die Völker ergießen sollte, die Israel bedrücken würden. - Im 2. und 3. Buche Mose handelt es sich darum, Gott zu nahen; hier im 5. Buche, sich der Segnungen des HERRN zu erfreuen, und zwar in dem Geist der Gnade denjenigen gegenüber, die in Not sein würden, und als solche, die sich unmittelbar unter der Hand des HERRN befanden, sowie in treuer Beobachtung des Gesetzes, das er gegeben hatte. Mehrere Vorschriften betreffs der Feste und der Zufluchtsstädte werden wiederholt; aber was das Buch kennzeichnet, ist ein Volk ohne König, ohne Propheten (die Priester werden zwar genannt, kommen aber kaum zum Vorschein), in den Besitz des Landes gesetzt, um dem HERRN, der es ihnen gegeben hatte, zu dienen. Indessen erweckte Gott, als es nötig wurde, zu der Zeit, auf die dieses Buch sich bezieht, außerordentliche Männer, um die Angelegenheiten des Volkes wieder zu regeln, wenn es durch seine Sünde in Verfall geraten war; hauptsächlich aber ist es der HERR und das Volk.

Im dem Buch Josua wird die Besitzergreifung des Landes Kanaan erzählt. Die Verantwortlichkeit des Volkes steht im Vordergrund; doch im Ganzen ist Gott mit ihm, und kein Feind kann im Krieg gegen Israel standhalten. Gott war mit Josua, so lange er lebte, und auch noch während des Lebens derjenigen, welche Augenzeugen der wunderbaren Taten des HERRN gewesen waren.

Doch bald nachher, in dem Buch der Richter, verfällt das Volk in Götzendienst. Da es die Völker, über die Gott durch seine Vermittlung das Gericht ausführte, nicht vertrieb, so lernte es deren gottlose und götzendienerischen Wege, verfiel dem Gericht Gottes und wurde den Händen verschiedener Tyrannen und Unterdrücker überliefert. Gott erweckte einen Richter, und es gab dann Erleichterung und Segnung, so lange dieser lebte; doch nach seinem Tod fiel das Volk wieder in denselben Ungehorsam und wurde aufs Neue seinen Feinden überliefert.

Schließlich, zur Zeit Samuels, wird die Bundeslade geraubt, und damit finden die Beziehungen Israels zu Gott auf dem Boden seiner eigenen Verantwortlichkeit ihr Ende. Dennoch verfolgt Gott seine Wege, und die Wegnahme der Bundeslade bietet ihm Gelegenheit, seine Wege ans Licht zu stellen: Christus ist der Mittelpunkt dieser Wege. Er ist Prophet, Priester und König. - Der Hohepriester war der Berührungspunkt zwischen dem verantwortlichen Volk und Gott, die Bundeslade der Ort, wo diese Berührung unterhalten wurde; aber die Bundeslade ist geraubt. Hinfort gibt es keinen Versöhnungstag mehr, keinen Thron Gottes in der Mitte des Volkes, keine Blutvergießung nach der Ordnung des Hauses Gottes! Wo war der, der sich zwischen den Cherubim niedergelassen hatte? Zwar schlug er durch seine große Macht den Götzen; aber wo geschah dies? Nicht in Israel, sondern bei den Philistern (1. Sam 5, 1-5). Auf dem Boden der Verantwortlichkeit war für Israel alles zu Ende; aber die Allmacht Gottes und seine unumschränkte Güte konnten weder beseitigt noch begrenzt werden. Er tritt ins Mittel durch einen Propheten. Er erweckt Samuel, so wie er ehemals das Volk aus Ägypten hatten heraufziehen lassen, bevor die Bundeslade da war. Der von Gott in Seiner unumschränkten Macht gesandte Prophet bildet nun das Band zwischen dem Volk und Gott. Gott selbst war König in Israel; aber das Volk wollte den Nationen gleich sein und durch Schauen, nicht durch Glauben, wandeln, und erwählte es sich einen menschlichen König, Saul. Im Allgemeinen hat dieser König Erfolg; aber wegen seines Ungehorsams (der der Ungehorsam Israels war) und von Gott verlassen, fällt er durch die Hand der Feinde, zu deren Vertilgung er erweckt worden war. Dann wollte Gott im Blick auf Christus einen König haben, und David wurde dieser König. Der Priester, der Prophet und der König enthüllen die Gedanken Gottes bezüglich seines Gesalbten. Doch der Sohn Davids, so gesegnet er auch sein mochte, fehlte, wie es stets geschehen ist; und das Reich wurde geteilt.

Hier sind einige Bemerkungen hinsichtlich des Königtums selbst am Platz. Das Königtum ist eigentlich die Macht in Ausübung, und in dem Königreich Gottes ist es die Macht Gottes: der König, der im Auftrag Gottes in Israel regiert, die Dazwischenkunft Gottes in Macht. Wir haben unter dem Priestertum den Wandel des Menschen in Verantwortlichkeit gesehen, und daneben den Propheten, der im Auftrag Gottes durch das Wort wirkte. Das war schon Gnade; aber jetzt vereinigt sich die Macht mit der Gnade, um die Absichten Gottes auszuführen. Gott hätte sich sicherlich ohne den Menschen von den falschen Göttern befreien und an ihnen rächen können; aber er wollte in dem Menschen regieren: das ist der dritte Charakterzug Christi. Als Friedensfürst ist wohl Salomo das Vorbild des Herrn, aber die Ausübung seiner Macht zeigt sich in charakteristischer Weise in dem leidenden und befreienden David; durch dasselbe Mittel wird auch die Wiederherstellung Israels in den letzten Tagen geschehen. In Psalm 72  begegnen wir dem König und dem Sohn des Königs. David bringt die Bundeslade von Kirjath-Jearim zurück, aber er setzt sie nicht mehr in die Stiftshütte, wo die äußere Form des Gottesdienstes war, sondern auf den Berg Zion, den Gott sich zum Sitz des Königtums erwählt hatte (Ps 132; 2. Sam 7; 1. Chr 16, 34). Und dann zum ersten Mal (weil jetzt die Gnade da war, die Gnade, ausgeübt in Macht) sang David das Lied: „Seine Güte währt ewiglich“. Dieses Lied wurde dann noch einmal unter Nehemia gesunden (eine treffende Gelegenheit dazu), und als Lied für die letzten Tage wird es schon jetzt in den Psalm 106, Psalm 107, Psalm 118 und Psalm 136 vernommen. Obwohl das Königtum geschichtlich unter Verantwortlichkeit gestellt wurde, so war damit doch der große und unfehlbare Grundsatz der Gnade in Macht aufgerichtet - die unveränderliche Güte Gottes gegen Israel in der Person Christi: „Seine Güte währt ewiglich“. David empfing die Verheißung eines Samens und eines Hauses, das immerdar bestehen sollte (2. Sam 7, 12-16; 1. Chr 17, 11-14). Christus, der wahre Sohn Davids, hat eine von seiten Gottes deutlich bezeichnete und begründete Stellung, obwohl für den Augenblick das Haus Davids unter Verantwortlichkeit gestellt wurde, und in dieser Verantwortlichkeit sogleich fehlte (2. Sam 23, 5; Heb 7, 18-22). Der auf dem Berge Morija erbaute Tempel hatte nicht diese Verheißung ewiger Dauer, obwohl er die Wohnung Gottes war.

Josua, mit dem Tod in Gilgal beginnend, stellt uns also die geistliche Macht Christi als Haupt und Anführer seines Volkes vor; das Buch der Richter zeigt uns den Fall des Volkes, aber zugleich auch die Dazwischenkunft Gottes in Gnade; dann kommt Samuel, der letzte der Richter, dann das Königtum.

Israel, d. h. die zehn Stämme, verließ der HERR sehr bald, obwohl es sich seines Namens rühmte; Juda ist weniger schnell abgewichen. Das ist die Geschichte, die uns in den Büchern der Könige und der Chronika mitgeteilt wird, von denen die letzteren nach der Rückkehr aus Babylon geschrieben oder wenigstens beendet worden sind. Das Buch der Könige enthält eigentlich (nach der Teilung des Königreichs) die Geschichte Israels, die Erzählung der Dazwischenkunft des HERRN durch Elia und Elisa; nur wird die Geschichte Judas bis zur Gefangenschaft fortgesetzt. Das Buch der Chronika ist die Geschichte der Familie Davids. Israel hat sich von dem Tempel und in Wirklichkeit von dem HERN getrennt, indem es die Anbetung der goldenen Kälber einrichtete. Die Verantwortlichkeit haftete an dem königlichen Amt; jedoch hat Israel niemals seine falsche Stellung verlassen. Aber sowohl für Israel als auch für Juda wird dieser Zeitabschnitt durch göttlich gesandte Propheten gekennzeichnet. Gott gedachte an die Treuen in Israel, als der Prophet keine mehr fand: welch ein rührendes Zeugnis von seiner Gnade! Wir groß der Prophet auch war, - er hat sogar den Tod nicht gesehen! - so kennt Gott doch noch 7000, als Elia außer sich selbst niemanden mehr fand.

Indes trugen die Propheten in Israel und diejenigen, die in Juda zeugten, sehr verschiedene Charakterzüge. Ein großer Teil des Buches der Könige erzählt uns die Geschichte Elias und Elisas: ihr Zeugnis bezog sich auf die Rechte des HERRN inmitten eines abtrünnigen Volkes und diente dazu, in den Herzen der Treuen, die in der Mitte dieses Volkes verborgen waren, den Glauben an den aufrecht zu erhalten, der das Volk verlassen hatte. Es gab hier kein Zeugnis, das sich auf den kommenden Messias 2, noch auf die Wege Gottes im Allgemeinen bezogen hätte; aber es gab Wunder, die man (mit Ausnahme eines Zeichens, welches dem König Hiskia gegeben wurde) bei den Propheten Judas nicht findet, weil in Juda das Bekenntnis des Gottesdienstes immer bestand. Elia und Elisa hielten in ihrer Person das Zeugnis des HERRN in der Mitte eines abtrünnigen Volkes aufrecht und verrichteten, wie Mose bei der Berufung des Volkes, Wunder, um dieses Zeugnis persönlich aufrecht zu erhalten. Die Propheten in Juda drangen auf Treue in der Mitte eines Volkes, das bekannte, dem wahren Gott zu dienen und seinen Tempel zu besitzen, und ermutigten den persönlichen Glauben nicht durch Wunder, welche die Macht Gottes bezeugten, sondern durch die Verheißung, die dem Volke gemäß der Liebe Gottes und seiner Treue, die sich niemals verleugnen kann, angehörte.

Israel ist durch die Assyrer gefangen weggeführt worden und unter den Nationen verloren gegangen, aber nicht für immer (wenn der Messias kommt, wird er sie wiederfinden), während die offenbaren Wege Gottes in der Geschichte Judas fortgesetzt wurden. Der Dienst der Propheten dauerte fort, bis es, wie Jeremia sagt, kein Heilmittel mehr gab, d. h. bis zur babylonischen Gefangenschaft und selbst nachher noch. Aber die babylonische Gefangenschaft hatte, was die Erde betrifft, eine unermeßliche Tragweite: der Thron Gottes verschwand von der Erde, es gab keinen Thron Gottes mehr auf ihr. Die Zeit der Nationen, die Macht der Tiere Daniels, hatte begonnen, und sie wird fortdauern, bis das letzte Tier durch die Macht des Herrn Jesu bei seiner Ankunft zerstört werden wird. Nur musste Christus dem Volk als König vorgestellt werden: das ist die Geschichte des Evangeliums im Blick auf die Juden, die seitdem auf der Erde umherschweifen, aber das Zeichen Gottes an sich tragen, um so (ohne wie Israel unter den Nationen verloren zu gehen) für die Tage der Segnung aufbewahrt zu werden, die ihrer - wenigstens eines Überrestes von ihnen - warten, nachdem sie Buße getan haben und dann den sehen werden, den sie durchstochen haben. Die Ausdrücke: „der Gott des Himmels“ und: „der Gott der ganzen Erde“ werden in der Prophezeiung nie mit einander vermengt. Die Geschichte Israels unter dem alten Bund, unter dem die Segnung von dem Gehorsam des Menschen abhing, war beendet; aber die Verheißung blieb, die Verheißung des Messias und des neuen Bundes.

Gott hat nun in seiner Güte dem Kores, der sich nicht dem groben Götzendienst Babylons hingegeben hatte, sondern die Götzen verabscheute, ins Herz gegeben, wenigstens einen Überrest von Israel in das Land der Verheißung zurückkehren zu lassen, und sogar bei der Wiederherstellung des Tempels des wahren Gottes und seines Dienstes behilflich zu sein. Dort ist der verheißene Messias zu seiner Zeit erschienen, aber zu noch viel herrlicheren Zwecken, während er zugleich den Menschen zum letzten Mal auf die Probe stellte. Gekommen in Niedrigkeit, um dem Menschen ganz nahe zu sein, indem er zugleich durch seine Worte und Werke zeigte, wer er war, dass er über allem stand; aber gekommen in Güte und Gnade zu den Menschen, zugänglich für alle, alle Folgen der Sünde aufhebend, ist er der Sünde selbst begegnet, die sich in ihrem wahren Charakter im Menschen in der Verwerfung des also gegenwärtigen Gottes offenbarte.

So ist also der Mensch, als er im Zustand der Unschuld durch den Feind versucht wurde, gefallen; dann wurde er ohne Gesetz auf die Probe gestellt, und die Sünde hat geherrscht; nachher kam er unter das Gesetz, und er hat das Gesetz übertreten; endlich, als er bereits ein Sünder und ein Übertreter war, ist Gott in Güte gekommen, im seine Sünden nicht zurechnend, und der Mensch hat Gott nicht gewollt. Die Geschichte des verantwortlichen Menschen war von diesem Augenblick an beendet; zu gleicher Zeit hatte Israel jedes Recht auf die Erfüllung der Verheißungen - sie seien denn ohne Bedingung - verloren, indem es den verworfen hatte, in dem diese Erfüllung stattfand.

Es bleibt mir nur noch übrig, einige Andeutungen über die Prophezeiungen zu machen, um das Verständnis dieser Offenbarungen Gottes zu erleichtern, und dann die übrigen Bücher, die sogenannten Hagiographen (heiligen Schriften), kurz durchzugehen.

Von allen Propheten umfasst Jesaja den weitesten Gesichtskreis. So lange Israel von Gott anerkannt wird, ist der Assyrer sein Feind. So wird es auch in den letzten Tagen sein; und obwohl das, was die Propheten darüber sagten, den Glauben ihrer Zeitgenossen ermutigte, so wird doch das von ihnen Angekündigte seine vollständige Erfüllung erst in jenen Tagen finden. Eine kurze Untersuchung des Jesaja wird uns den ganzen Rahmen der Prophezeiung zeigen, indem die anderen Propheten uns Einzelheiten mitteilen, die nur wenige Worte erfordern. Die ersten vier Kapitel bilden eine Vorrede, die den sittlichen Verfall Jerusalems und Judas darstellt, und die Gerichte ankündigt, die über sie kommen werden, sowie ihre Wiederherstellung, die den Frieden herbeiführen, den Menschen und seinen Ruhm zunichte machen und Christus, die Herrlichkeit des Überrestes, offenbaren wird. Das Gericht in Jesaja 5 gründet sich auf das Verlassen dessen, wozu Gott das Volk im Anfang gemacht hatte; in Jesaja 6 auf ihre Unfähigkeit, in der Gegenwart des Gottes zu stehen, der da kommen sollte: - das sind die Grundlagen des Gerichts über den Menschen, über Israel und über die Kirche; doch es sollte ein Überrest vorhanden sein inmitten der Verblendung des Volkes. Dann finden wir Immanuel, den Sohn der Jungfrau, das sichere Fundament für das Vertrauen des Glaubens, und den Assyrer, die Rute Gottes; aber auch (bis Jes 7,9) die Wirkung der Gegenwart Immanuels, der ein Stein des Anstoßes für das Volk ist, sobald Gott sein Angesicht verbirgt, der aber zugleich ein Heiligtum Jes 8, 14) und schließlich der Wiederhersteller des Volkes in Herrlichkeit ist. Die Kapitel Jesaja 7; Jesaja 8; Jesaja 9, 1-7  bilden eine Einschaltung, um Christus einzuführen. Jesaja 9, 8 nimmt den Faden der Geschichte des Volkes in ihren verschiedenen Abschnitten Jesaja 9, 8-12; Jesaja 9, 13-17; Jesaja 9, 18-21, Jesaja 10, 1-4 wieder auf; dann kommt der Assyrer, durch welchen die Züchtigungen ihr Ende finden. Die Kapitel Jesaja 11  und Jesaja 12 schildern uns die volle Segnung am Ende: der Heilige Israels ist aufs neue in der Mitte des Volkes; damit ist die Übersicht der großen Elemente der Prophezeiung beendet.

Jesaja 13 - 27 kündigt das Gericht über die Heiden an, über Babel, wo Israel in Gefangenschaft war - die Stadt, die durch die Zeiten der Nationen und die Gefangenschaft Israels charakterisiert wird. Das Gericht über den Assyrer findet sich nach demjenigen über Babylon, was beweist, dass es sich um die letzten Tage handelt; denn geschichtlich gründete sich die Größe und Herrschaft Babels gerade auf den Fall des Assyrers. Nach Babylon kommen die übrigen Länder; nur im Jesaja 18  finden wir Israel in sein Land zurückgeführt, aber durch die Nationen im Augenblick seiner scheinbaren Blüte beraubt. Jerusalem und sein Fürst verfallen dem Gericht; dann wird alles in der Welt umgestürzt, und der HERR, den die Gläubigen erwarteten, erscheint. Die Mächte der Bosheit in der Höhe werden gerichtet, sowie die Könige der Erde auf der Erde (Jes 24, 21). Der Schleier, der die Nationen verhinderte zu sehen, wird weggenommen und die Schmach des Volkes aufgehoben werden, und die erste Auferstehung wird stattfinden. Die Macht der Schlange unter den Völkern wird vernichtet werden; der HERR wird Israel versorgen wie einen Weinberg, der sein Wohlgefallen ausmacht (Jes 25 - 27).

In Jesaja 28 - 35 schildert eine Reihe von besondere Prophezeiungen den letzten Angriff der Nationen auf Israel, wobei der Edomiter und der Assyrer sich im Vordergrund befinden; aber jede dieser Prophezeiungen endet mit der vollen Segnung Israels und der Gegenwart des Königs (Christus). Dann kommen vier Kapitel, die die Geschichte Sanheribs enthalten, die zwar den Anlass zu der Prophezeiung bot, worin aber der geheilte Hiskia, ein Bild des auferstandenen Christus, und die Befreiung von dem Angriff des Assyrers die Ereignisse der letzten Tage im Voraus ankündigen. Dann finden wir ab Jesaja 40 bis zum Ende des Buches das Rechten des HERRN mit Israel, weil es ihn verlassen und sich zu den Götzen hingewandt hatte, sowie das Gericht über Babel, das große Gefäß dieser Abgötterei auf der Erde, das Kores, den der HERR bei seinem Namen gerufen hat, einst einnahm: mit einem Wort, das Gericht über den Götzendienst; - und dann die Verwerfung Christi. Der erste Teil geht bis zum Ende des 48. Kapitels; dann ist vom 49. bis zum Ende des 57. Kapitels Christus der Gegenstand. Gott will die Gerechtigkeit; und schließlich, nach einigen Vorwürfen, die Israel gemacht werden, finden wir seine Herrlichkeit in den letzten Tagen.

Ich habe mich bei Jesaja etwas länger aufgehalten, weil sich der ganze Rahmen der Prophezeiung in diesem Buch findet (währen Israel anerkannt war), wie auch die Gedanken Gottes. Daniel dagegen teilt uns die Geschichte der „Tiere“ mit, indem die Juden sich in Gefangenschaft und infolge dessen außerhalb der unmittelbaren Regierung Gottes in Israel befinden. Die anderen Propheten beschäftigen sich mit Einzelheiten: Jeremia mit dem inneren Verfall Judas; Hesekiel mit dem schon verworfenen Israel.

Jeremia redet beständig von der Ungerechtigkeit, die den Verfall herbeigeführt hatte; aber im 31. Kapitel kündigt er die Gnade und einen neuen Bund mit Juda und Israel an, sowie in diesem und den beiden folgenden Kapiteln die volle Segnung über Juda und Israel. Dann folgt das Gericht über die Nationen.

Hesekiel führt den HERRN selbst ein, der das Gericht über Jerusalem ausführt, indem er auch seinen Thron verlässt, der nun nicht länger mehr dort ist. So befanden sich Juda und Israel in derselben Stellung vor Gott und Hesekiel beschäftigt sich mit beiden. In den Kapiteln Hesekiel 34 - 37  wird Israel von seiten Gottes wiederhergestellt und gereinigt; Juda und Israel werden mit einander vereinigt, um nicht wieder getrennt zu werden; Christus (David) ist da, und die Hütte Gottes ist bei ihnen. In den Kapiteln 38  und 39 zieht die Macht des Nordens (Gog, der Fürst von Rosch, Mesech und Tubal), herauf, um das Land zu verwüsten, und macht so durch das Gericht, das der HERR über sie ausführt, den Namen des HERRN bekannt, wie auch die Tatsache, dass Israel um seiner Ungerechtigkeit willen in Gefangenschaft gewesen ist. Dann teilt Hesekiel den Plan des neuen Tempels mit.

Dem Propheten Daniel, der in Babylon gefangen war, aber sich von allen Befleckungen rein erhielt, werden alle Ereignisse der Geschichte der vier Weltreiche anvertraut. Die ersten sechs Kapitel dieses Propheten erzählen die Geschichte dieser Reiche als der Welt angehörend: Daniel ist nur ein Ausleger. Die letzten sechs Kapitel zeigen uns dieselben Reiche in ihren Beziehungen zu dem gefangenen Israel. Wie überall, so findet sich auch hier am Ende die Befreiung Israels und das Gericht über seine Unterdrücker. Daniel wird sein Teil an dieser Freude haben.

Hosea prophezeit die Wegführung der zehn Stämme, und kündigt dann an, dass es infolge der Gefangenschaft Judas kein anerkanntes Volk Gottes mehr auf der Erde geben würde, dass sie aber am Ende sich ein einziges Haupt (Christus) setzen, und dass der Tag der Segnung groß sein würde. Israel würde lange ohne wahren und ohne falschen Gott, ohne Opfer und ohne Götzenbild bleiben, aber in den letzten Tagen den HERRN und David (Christus) wieder anerkennen. Seine Buße wird im letzten Kapitel geschildert.

Joel kündigt gelegentlich einer Hungersnot die Vernichtung des Heeres des Nordens an, sowie die Ausgießung des Geistes über alles Fleisch, bevor der schreckliche Tag erscheint.

Amos droht zunächst das Gericht an, das gegen verschiedene Nationen Kanaans ausgeführt werden sollte, und erklärt dann, dass die Geduld Gottes die Ungerechtigkeit Israels nicht länger ertragen würde; doch wie alle Propheten verkündet auch er die Rückkehr und Segnung Israels, indem er hinzufügt, dass es dann nie mehr aus seinem Land vertrieben werden solle.

Obadja richtet seine Prophezeiung gegen Edom, dessen Neid und unversöhnlicher Hass gegen Jerusalem immer wieder hervortraten; dann kündigt er den Tag des HERRN zum Gericht der Nationen an und, wie immer, die Befreiung Zions.

Jona hat einen besonderen Charakter. Wenn der HERR Israel erwählt hatte, um ein abgesondertes Volk zu sein, um die Kenntnis seines Namens auf der Erde zu bewahren, so ist er doch nicht weniger der Gott der Nationen und ein Gott der Güte und des Erbarmens. Wenn die Vorrechte die Kenntnis dessen, was Gott in sich selbst ist, verdunkeln, so verwandelt sich der Besitz dieser Vorrechte in einen starren Parteigeist: dies hat sich bei den Juden deutlich gezeigt. Es ist bemerkenswert, dass in Jona das Zeugnis der göttlichen Barmherzigkeit an den großen Feind des Volkes Gottes gerichtet wird. Man sieht in diesem Propheten auch die Wege Gottes, wenn die Buße sich zeigt. Ferner ist Jona in gewissen Beziehungen ein bekanntes Vorbild von dem Heiland. Der Gegenstand von Jona 4 steht im Gegensatz zu der besonderen Segnung der Juden am Ende: Gott ist auch der Gott der Nationen.

Micha gleicht in mancher Hinsicht dem Propheten Jesaja, auch wenn die Entwicklung der Pläne Gottes in seinem Buch bei weitem nicht so vollständig ist, wogegen er sich mehr an das Gewissen des Volkes wendet; doch die dem Abraham und Jakob gegebenen Verheißungen werden erfüllt werden.

In Nahum erhebt sich der Unwille Gottes gegen die Anmaßung der menschlichen Macht und Herrschaft, und Ninive (der Assyrer) wird zerstört: das Geschlecht wird sich nie wieder erheben, und Juda wird endgültig befreit.

Habakuk ist der Ausdruck des Glaubens an den HERRN trotz allem, sowie der Wege Gottes in der Geschichte des Volkes. Der Prophet klagt über die Ungerechtigkeit, die ihn in Israel umringt: Gott zeigt ihm die Chaldäer, die er herbeiführt, um das Land wegen dieser Ungerechtigkeit heimzusuchen. Dann erwacht die Liebe des Propheten zu dem Volke, und er klagt über die Chaldäer; und Gott zeigt ihm, dass er durch den Glauben leben muss: Gott wird diese gewalttätigen Feinde strafen, deren Wildheit Gott als eine Rute benutzt hat, um Israel zu züchtigen; aber der Gläubige muss ausharren. Der Tag des HERRN wird kommen, und die Erde wird mit der Erkenntnis der Herrlichkeit des HERRN bedeckt werden, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken. Der Prophet erinnert an die frühere Befreiung Israels und erfreut sich in dem HERRN, obwohl keine Segnung von seiner Seite zu sehen ist.

Zephanja kündigt ein Gericht über das Land an, das keine Sünde ungestraft lassen wird - den Tag des HERRN, einen Tag des Zornes, der Verwirrung und der Angst, an welchem das Land durch den Zorn des HERRN verzehrt werden wird. Die Sanftmütigen sollen den HERRN suchen, damit sie geborgen werden (Zeph 2, 3); zuerst wird Israel gerichtet, dann die Heiden, deren Haupt der Assyrer ist (denn Israel wird hier wieder anerkannt), danach kommt das, was Jerusalem betrifft, als ob Gott gesagt hätte: diese wird Buße tun; - aber sie hat sich verderbt, indem sie im Bösen fortgeschritten ist. Der Prophet benutzt diese Gelegenheit, um den Überrest aufzufordern, auf den HERRN zu harren, der im Begriff steht, alle Nationen zu versammeln, um sie in seinem Grimm zu richten. Dann würde alles verändert sein: alle Nationen würden den HERRN aus reinem Herzen anrufen, und Israel würde von Herzen zu dem HERRN zurückgebracht und keine Ungerechtigkeit mehr bei ihm gefunden werden; und es würde als ein ruhmreiches und herrliches Volk unter allen Nationen der Erde betrachtet werden- ein passender Abschluss all der Wege Gottes, von denen die Propheten reden.

Die folgenden Propheten haben nach der Rückkehr aus Babylon prophezeit und tragen einen anderen Charakter. Haggai ist sehr beachtenswert, obwohl einfach und kurz. Er will, dass das Volk an den HERRN und nicht an seine irdischen Interessen denkt; er will dass sie aufs Neue sich aufmachen, das Haus zu bauen, - ein Werk, dessen Fortgang die Feinde unterbrochen hatten, - und dass sie es tun möchten im Vertrauen auf den HERRN und ohne auf die Erlaubnis des Königs von Persien zu warten. Die Juden folgten der Aufforderung des Propheten; und in der Tat, als die im Glauben handelten, kam ihnen die Vorsehung durch die Ermächtigung des Königs zur Hilfe. Aber für den Glauben war es Gott, der in allem für sie sorgte; Er ist es, der die Herzen der Könige lenkt. Das ist die Regel des Glaubens, der nach dem Wort Gottes, das hier durch die Propheten Haggai und Sacharja geredet wurde, handelt. Zugleich gibt dies dem Propheten Gelegenheit anzukündigen, dass Gott den Himmel und die Erde erschüttern wird, so dass jede menschliche Macht samt den geistlichen Mächten, die in der Luft sind, beseitigt werden würde. Dann würde sich erfüllen, was die Kinder bei dem Einzug Jesu in Jerusalem durch göttliche Eingebung riefen: „Friede im Himmel!“ - und die Macht Christi, des Fürsten Israels, würde aufgerichtet werden, und zwar als gleichbedeutend mit derjenigen des HERRN.

Sacharja beschäftigt sich mit der Wiederherstellung Jerusalems in jener Zeit, während er zugleich die Geschichte der Stadt bis zur ersten und sogar bis zur zweiten Ankunft Christi mitteilt. Wohl spricht er von der Vernichtung der Nationen, die gegen Jerusalem gewütet haben, doch nur gelegentlich. Jerusalem wird gerechtfertigt und dann gesegnet durch die Verwaltung der Gnade, gemäß der vollkommenen und göttlichen Ordnung. Die Bösen werden verbannt und finden ihren Platz bei Babylon, und Christus wird eingeführt. Im 7. Kapitel beginnt eine zweite Prophezeiung, die im 11. Kapitel die Verwerfung Christi bei seinem ersten Kommen einführt; Israel wird in die Hände eines bösen Hirten überliefert. Dann wird Jerusalem der Ort sein, wo die Nationen gerichtet werden, und der Geist der Buße wird über das Volk ausgegossen werden wegen der Ermordung des Mannes, welcher der Genosse des HERRN ist. Jerusalem wird eingenommen werden; aber der HERR wird ausziehen, um seine Feinde zu richten, und alles in Jerusalem wird geheiligt werden.

Maleachi lässt uns einen Blick tun in den sittlichen Verfall das Volkes nach seiner Rückkehr von Babylon. Doch es wird einen Überrest geben: die Sendung Johannes des Täufers wird vorhergesagt, der Tag des HERRN kommt, und das Kommen Elias wird angekündigt; das Volk wird zu dem Gesetz zurückgeführt. Beachten wir wohl, dass hier keine Rede ist vom Christentum, sondern nur von Christus und seiner Verwerfung; der Hirte (Sach 13) wird geschlagen und die Schafe werden zerstreut; dann kommt das Gericht. Man versteht leicht, dass in diesen drei Prophezeiungen, die nach der Rückkehr aus Babylon, als eines der „Tiere“ bereits gefallen war, ausgesprochen wurden, obwohl notwendigerweise auf die Nationen angespielt wird (denn es war ihre Zeit - sie hatten die Erde in Besitz), doch der Rahmen der Prophezeiungen sich verengt und man weit mehr unmittelbar auf Christus sich beziehende Einzelheiten findet. Die Hauptpersonen, die unter den Nationen handelnd auftreten, sind da und werden gerichtet; sie sind da und erwarten die letzten Gerichte, um Babylon und den Tieren Platz zu machen, deren Geschichte wir in Daniel finden, und die alle in Verbindung stehen mit der Gefangenschaft der Juden in dieser Stadt; denn diese Gefangenschaft charakterisierte den Zustand. Bis dahin war der Assyrer da gewesen, aber der Thron Gottes hatte sich in der Mitte des Volkes zu Jerusalem befunden. Jetzt aber, obwohl die Gefangenschaft unter der Macht der Nationen immer noch fortdauert und anerkannt wird, verengt sich, ich wiederhole es, der Gesichtskreis, und der Schauplatz wird mehr von Christus selbst ausgefüllt, sowie von Einzelheiten, die sich auf das wiederhergestellte Jerusalem beziehen; dann kommt der große Tag des HERRN.

Es bleibt mir noch übrig, einige Worte über die sogenannten Hagiographen (heiligen Schriften) zu sagen.

Daniel wird von den Juden zu denselben gerechnet. Wir haben über sein Buch als ein prophetisches Buch gesprochen, obwohl es einen besonderen Charakter trägt, indem der Thron Gottes von der Erde verschwunden ist und der Prophet sich in Babylon befindet; doch es teilt wohl den Charakter der übrigen Hagiographen, welche sittliche Ansprachen, ins Einzelne gehende Erzählungen enthalten, nachdem Israel verworfen war, sowie den Ausdruck der Liebe Christi zu Israel darstellen. Man findet darin die Beziehungen Gottes zu dem Menschen und die Sorge, die er in seiner Vorsehung für sein Volk trug, als er keine Beziehungen mehr zu ihm als Volk unterhielt und es nicht mehr als solches anerkannte.

Die Psalmen stellen diesen Zustand der Dinge vollständiger dar, als irgend ein anderes Buch. Zwei Grundsätze bilden die Grundlagen des ganzen Buches (Ps 1  und Ps 2): der erste besteht darin, dass es inmitten der Bösen einen Überrest gibt, der Gott fürchtet; der zweite, dass der HERR und sein Gesalbter von seiten des Volkes und der Nationen Widerspruch finden. Dann haben wir die Ratschlüsse Gottes in dem Gesalbten, dem Sohn Gottes und König in Zion, und endlich dem Herrscher über die ganze Erde: wenn er verworfen ist, müssen die Seinen leiden, ihr Kreuz auf sich nehmen (Ps 3 - 7). In Psalm 8  wird er als der Sohn des Menschen über alle Werke der Hand Gottes gesetzt. Mit Psalm 9  beginnt die Geschichte inmitten des Volkes Israel. Einige Grundsätze mögen hier als Leitfaden dienen, um das Lesen des Buches zu erleichtern. Es ist bekannt, dass die Psalmen in 5 Bücher eingeteilt sind:

  1. Psalm 1 - 41
  2. Psalm 42 - 72
  3. Psalm 73 - 89
  4. Psalm 90 - 106
  5. Psalm 107 - 150.

Die Form des Buches im Allgemeinen errichtet eine „Grundlage“ von Gedanken; dann liefert es uns Ausdrücke für die Erfahrungen des Überrestes in den zu Grunde gelegten Umständen. So legen z. B. Psalm 9  und Psalm 10  den Grund; die folgenden bis zum Ende von Psalm 18 sind der Ausdruck der Gefühle, die zu diesen Umständen in Beziehung stehen; nur stellen uns die drei letzten Christum in bestimmterer Weise vor. Psalm 18  ist deshalb besonders bemerkenswert, weil er die ganze Geschichte Israels, von Ägypten bis ans Ende, mit den Leiden Christi verbindet. Die Psalm 19 - 21  sind die Zeugnisse Gottes: die Schöpfung, das Gesetz und Christus. Psalm 21  führt Christus in die Herrlichkeit ein. Psalm 22  stellt ihn nicht dar als in Verbindung mit den Juden stehend, sondern als vor Gott zur Sünde gemacht. Vor Psalm 25 findet man kein Bekenntnis der Sünden. In dem 1. Buch der Psalmen ist vornehmlich von Christus persönlich die Rede; der Überrest ist in Jerusalem, aber in Gegenwart der Macht der Gottlosen.

Im 2. Buch der Psalmen befindet sich der Überrest außerhalb Jerusalems. In Psalm 45  wird der Messias eingeführt und von da an auch der Name des HERRN. Sobald wir dem Namen des HERRN begegnen, erkennt der Glaube die Beziehung zu ihm an (Vergl. Psalm 14  mit Psalm 53). Ich möchte hier bemerken, dass der erste oder die ersten Verse eines Psalmes gewöhnlich den Gegenstand desselben andeuten, während die folgenden Verse den Weg beschreiben, auf dem man zu dem in den ersten Versen Gesagten gelangt. In diesem 2. Buche der Psalmen werden die Leiden Christi völlig geschildert, und dann begegnen wir den Wünschen Davids bezüglich der Einsetzung seines Sohnes in sein tausendjähriges Reich.

Das 3. Buch der Psalmen umfasst, obwohl es auch Juda und Zion erwähnt, ganz Israel, und durchläuft die Geschichte des Volkes rückwärts und verfolgt sie bis zu dem sicheren Bunde, der mit Abraham und seinem Samen gemacht worden ist.

Das 4. Buch der Psalmen führt, nachdem es an Mose und zugleich daran erinnert hat, dass der HERR zu jeder Zeit der Gott Israels gewesen ist, und nachdem es dann von dem Messias und dem Sabbath gesprochen hat, die Regierung des HERRN ein und beschreibt seinen Weggang aus der Höhe, bis er sich zwischen den Cherubim niederlässt und bis die Nationen aufgefordert werden, vor ihm anzubeten. Wir finden hier die Grundsätze der Regierung Christi, seine Verwerfung, seine Gottheit, die Länge seiner Tage als auferweckter Mensch, sowie die Segnung des Volkes und der Welt durch seine Gegenwart: Gott gedenkt seiner Verheißung an Abraham. Israel ist untreu gewesen, aber Gott gedenkt seiner in Gnade.

Das 5. Buch der Psalmen geht bis zum Ende hin; es entfaltet die Grundsätze und Wege Jehovas und redet von der Rückkehr des Volkes in sein Land (die Stufenlieder), indem Christus sich inzwischen zur Rechten Gottes gesetzt hat und, als Sohn Davids, Herr ist. Die Güte Jehovas währet ewiglich; das Gesetz ist in das Herz des einst abgeirrten Israel geschrieben. Auf die Stufenlieder und das Gericht Babylons folgt dann das große „Hallel“ oder Hallelujah, eine Reihe von Lobgesängen. Die Psalmen Ps 72  und Ps 145 sind die einzigen, welche die Regierung selbst in prophetischer Weise beschreiben: sie beginnen mit einem verworfenen Christus, führen dann Seine Rückkehr ein, um das Reich aufzurichten, und zeigen schließlich die Wege des Volkes und seine Rückkehr in sein Land.

Man beachte auch, dass man in den Psalmen nie den Vater findet, noch die Gefühle, die der Sohnschaft angehören. Wohl begegnet man Vertrauen, Gehorsam, Glauben in den Schwierigkeiten, Hingabe (wie in Ps 63), Glauben an die Verheißungen und Treue, aber nie dem Verhältnis eines Kindes zu seinem Vater. Weil man diesen Punkt nicht genug beachtet hat, ist der Charakter der Gottesfurcht bei vielen aufrichtigen Seelen selbst durch das Lesen dieses kostbaren Buches herabgesetzt worden.

Der Prediger fragt sich, ob es wohl möglich sei, Glück zu finden unter der Sonne. Alle Anstrengungen des Menschen sind Eitelkeit; aber es gibt ein Gesetz, die vollkommene Richtschnur für das Verhalten des Menschen, und jedes Werk wird im Gericht Gottes gewogen werden. Es gibt in diesem Buch keine bestimmte Beziehung zu Gott; man findet in ihm Gott als Schöpfer und den Menschen, wie er in der Welt ist - nicht aber den HERRN und noch weniger den Vater.

In den Sprüchen ist es anders: sie stellen uns die Weisheit der Autorität vor, welche den Willen des Menschen zügelt, ferner das Verderben und die Gewalttat, die Selbstbefriedigung, die stets eine Gefahr für den Menschen bildet; dann die Ratschlüsse Gottes, darin dass die Weisheit Gottes (Christus), der Gegenstand des Wohlgefallens Gottes, seine Wonne an den Menschenkindern findet, und zwar noch ehe die Welt war (Spr 8). Hier ist es stets der HERR oder Gott, der sich zu erkennen gegeben hat und nun durch Autorität, die dem Menschen, den Eltern usw anvertrauten war, handelt. Endlich teilt uns Gott in diesem Buch das mit, wodurch der Mensch unterwiesen wird (ohne dass er notwendigerweise seine ganze Ungerechtigkeit kennen lernt), die Schlingen zu vermeiden, die ihm in dieser armen Welt gelegt sind.

In Esra und Nehemia finden wir die Wiederherstellung der Nationalität Israels in doppelter Hinsicht, in religiöser und staatlicher Beziehung. Esra kommt nach Jeschua und Serubbabel. In diesen Männern sieht man Leute, die nach dem Glauben handeln: mitten unter ihren Feinden bauen sie einen Altar zur Verteidigung gegen dieselben; sich rechnen auf Gott (Esra 3, 2). Die Propheten Haggai und Sacharja ermuntern die Juden von seiten Gottes, und Gott antwortete ihrem Glauben. Später kommt Esra, ein treuer Mann, voll Hingabe und Gottvertrauen; im Gesetz unterwiesen, bringt er Ordnung in das Verhalten der Juden. Doch scheint es mir, dass diese Ordnung unter dem Einfluss des menschlichen Herzens in pharisäischen Weisen ausgeartet ist. Für den Augenblick handelt es sich um Treue, um sich als das Volk Gottes abgesondert zu halten, eine anerkannte jüdische Abstammung zu fordern (besonders der Priester), und die fremden Frauen zu entlassen. Nehemia stellt die Mauern und die Stadt wieder her; er ist ein treuer und hingebender Mann, der aber gern von seiner Treue spricht; das Wort stellt diese beiden Dinge dar, wie sie sind.

Das Buch Esther zeigt uns die Art und Weise, in der Gott in seiner Vorsehung, während er sich selbst verbirgt, für Israel Sorge trägt. Man hat oft bemerkt, dass Gott in diesem Buch gar nicht genannt wird; doch es muss gerade so sein, weil es sich um die Vorsehung Gottes handelt, wobei Gott sich nicht öffentlich zeigt.

Das Hohelied ist, wie ich glaube, die Erneuerung der Beziehungen des Sohnes Davids zu dem treuen Überrest Israels in den letzten Tagen, wenn dieser Überrest für ihn „meine Lust an ihr“ sein wird (Jes 62, 4). Es ist beachtenswert, dass er, wenn er von der Sulammith spricht, immer zu ihr redet; sie dagegen von ihm, als dem Gegenstand ihrer Liebe, aber nicht zu ihm. Die Liebe der Kirche ist ruhiger als diejenige, um die es sich hier handelt, weil die Kirche sich schon der Liebe Christi als einer gekannten Sache erfreut, indem sie in einer wohlbegründeten Beziehung zu ihm steht, wenn auch die Folgen derselben noch nicht alle verwirklicht sind: persönlich kann der Gläubige weiter darin eindringen.

Zu den Hagiographen gehören noch zwei kleine Bücher, die in unsern Bibeln davon getrennt stehen: die Klagelieder des Jeremias und das Buch Ruth. Die rührende Geschichte der letzeren, die die einfachsten Sitten und zugleich wahrhaft ergreifende und schöne Charakterzüge aufweist, und die den unverkennbaren Stempel der Wirklichkeit trägt, ist wichtig, weil sie das Geschlechtsregister von David, und infolge dessen von Christus, angibt, wobei eine Heidin in dasselbe aufgenommen wird. Die Klagelieder tragen den Charakter des Schmerzes, der durch das Gefühl hervorgerufen ist, dass Gott sein Volk geschlagen, seinen Altar niedergerissen, sein Haus zerstört hat. Für den Augenblick, unter dem alten Bund, ist es mit Jerusalem und dem Volk Gottes aus. Jeremia sieht mit dem Auge Gottes ins Innere hinein, und da ist kein Heilmittel! Dann werden wir uns erinnern, dass die Bücher Esra und Nehemia uns von der Rückkehr eines Überrestes der Juden erzählen, der durch das Erbarmen Gottes zurückgeführt wird, damit ein Volk da sei, dem die Gnade denjenigen, der verheißen war, darstellen konnte.

Die Verantwortlichkeit des Menschen, als Mensch, und insoweit er für sein eigens Verhalten verantwortlich war, ist völlig auf die Probe gestellt worden, ohne Gesetz und unter Gesetz; aber die Güte Gottes hat von dem Fall an, bevor noch der Mensch aus dem Garten Eden vertrieben wurde, die Verheißung eines Heilandes gegeben, der der Schlange den Kopf zermalmen würde. Mit Ausnahme dessen, was nötig war, damit der Mensch die neue Welt wieder füllen könnte, machte die Sündflut dem gefallenen Geschlecht, das in Verderben und Gewalttat versunken war, ein Ende; doch bald verfielen die Menschen in dieser neuen Welt wieder alle dem Götzendienst. Dann berief die Gnade den Abraham, und ihm wurden die ausdrücklichen Verheißungen des Samens gegeben. 430 Jahre später wurde das für Gott abgesonderte Volk unter das Gesetz gestellt, unter die vollkommene Richtschnur dessen, was der Mensch sein sollte, wenn man das Verbot des Begehrens in Betracht zieht. Die Propheten brachten das Gesetz dem Gewissen des Volkes wieder in Erinnerung, aber zugleich unterstützten sie den Glauben derer, die inmitten der allgemeinen Treulosigkeit treu waren, indem sie die Verheißung des Samens und das Kommen des großen und schrecklichen Tages Gottes bestätigten und weiter entwickelten. Man betrachte, als Beispiel hierfür die letzten Worte der Prophezeiung Maleachis (Kap. 4). Beständig wurde die Verheißung des Samens durch die Propheten wiederholt und das Gewissen ihrer Hörer berührt, bis es kein Heilmittel mehr gab. Dennoch hat Gott die Verheißung erfüllt, indem er Christus sandte, den Samen Davids. Das war Gnade - ohne Zweifel auch Treue von seiten Gottes seiner Verheißung gegenüber, und in diesem Sinn Gerechtigkeit Gottes (das ist die Kraft von 2. Pet 1, 1); aber es handelte sich nicht mehr um die Verantwortlichkeit des Menschen, eine Richtschnur einzuhalten, die ihm auferlegt war, sondern darum, Christus anzunehmen.

Überdies war Christus das Fleisch gewordene Wort. Gott selbst war in Christus, die Welt mit sich selbst versöhnend und ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend. Aber er kam zu den Seinigen, und die Seinigen nahmen ihn nicht an: die Welt wollte ihn nicht und kannte ihn nicht, und die Seinigen nahmen ihn nicht an. Und da der Vater in dem Sohn offenbart war, in seinen Worten und in seinen Werken, und die Welt ihn nicht erkannt hat, so sagt der Heiland: „Sie haben gesehen und gehasst sowohl mich als auch meinen Vater“. Auf diese Weise haben die Juden jedes Anrecht an die Verheißungen verloren, indem sie den verwarfen, in dem sie erfüllt wurden. Doch was noch mehr ist, der Mensch ist nicht nur ungehorsam gewesen (das war er schon früher), sondern er hat auch seinen Hass gegen Gott gezeigt, als Gott da war und sich in Gnade offenbarte. Auf dem Boden der Verantwortlichkeit des Menschen war jede Beziehung zu Gott unmöglich. Das Kreuz war das öffentliche Zeugnis von dieser Verwerfung, von dieser Feindschaft gegen Gott; zugleich aber war es die Offenbarung der Liebe Gottes zu dem Menschen, so wie er war. Es war ferner das Vollbringen eines vollkommenen Sühnungswerkes - ein Opfer zur Wegnahme der Sünde, eine ganz neue Grundlage der Beziehungen zwischen Mensch und Gott, die nicht von der Verantwortlichkeit des Menschen abhing (auf diesem Gebiet war der Mensch verloren), sondern von der unendlichen Gnade Gottes, der seines eigenen Sohnes nicht geschont hat, während dieser Sohn durch den ewigen Geist sich ohne Flecken Gott geopfert hat, auf dass die Gnade herrsche durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesum Christum, unsern Herrn. Die Verheißungen werden erfüllt werden; und der Gläubige besitzt das ewige Leben und wird es in Herrlichkeit besitzen, gleichförmig gemacht dem Sohn Gottes, der als Mensch in die Herrlichkeit zurückgekehrt ist, auf dass das Herz Gottes in Liebe befriedigt und seine heilige Gerechtigkeit geoffenbart und geehrt werden, und auf dass sein Sohn, der für uns die Herrlichkeit aufgegeben und sich erniedrigt hat im Gehorsam bis zum Tod, vollkommen verherrlicht werde, gemäß der Herrlichkeit, die ihm gebührt.

Damit haben wir das Gebiet des Evangeliums betreten.

Fußnoten

  • 1 Man findet dies geschichtlich in den apokryphischen Büchern (Tob 1, 6–8 [nach Luther 1896: „... und hielt sich zum Tempel und Gottesdienst zu Jerusalem, und diente da dem Herrn; und betete an den Gott Israels, gab auch seine Erstlinge und Zehnten ganz treulich, * also dass er allezeit im dritten Jahr den Fremdlingen, Witwen und Weisen ihren Zehnten gab. * Solches hielt er von Jugend auf nach dem Gesetz des Herrn“]).
  • 2 Ich zweifle nicht daran, dass das geistliche Auge ein verborgenes Zeugnis in den Personen jener beiden Männer entdecken wird. Elia legt so zu sagen auf dem Horeb das gebrochene Gesetz in die Hände des HERRN zurück; dann verfolgt er Schritt für Schritt den Pfad Israels: Gilgal, wo es für Gott beiseite gesetzt worden war; dann Bethel, der Ort der Verheißung an Jakob für die Erde; weiterhin Jericho, der Ort des Fluches; schließlich kommt der Jordan, oder der Tod, und Elia fährt auf in den Himmel (2. Kön 2). Elisa geht dann durch den Tod zurück und betritt die Laufbahn seines Dienstes. Aber die Wunder Elias sind Wunder des Gerichts, diejenigen Elisas, mit Ausnahme des zweiten, Wunder der Güte und Gnade.
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