Das Kommen des Herrn

Das Gericht Gottes über die Erde (Dan 7)

Daniel 7

„Ich schaute in Gesichten der Nacht: und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn; und er kam zu dem Alten an Tagen und wurde vor denselben gebracht. Und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen dienten ihm; seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird“ (Dan 7,13. 14).

Bisher haben wir die Wege Gottes mit den Heidenvölkern in Verbindung mit dem auserwählten irdischen Volk der Juden in großen Umrissen betrachtet und dabei gefunden, dass alle Regierungswege Gottes auf der Erde von den Juden als Mittelpunkt ausgehen. Zunächst sahen wir, dass bei der Wiedereinsetzung der Juden als Nation gleichzeitig auch an den Heidenvölkern Gericht geübt wird, wobei diese in zwei verschiedene Klassen eingeteilt werden: solche, die Feinde des Volkes Gottes waren, solange es als solches von Gott anerkannt war und er seinen Thron in dessen Mitte hatte, und andererseits solche, die das Volk der Juden in die Gefangenschaft führten und es unterdrückten, solange es von Gott verworfen war. Beide werden sie aber aus ihrer Machtstellung herausgedrängt.

Dass Gott seinen Thron nicht mehr auf dieser Erde hat, bedeutet für die Welt ganz augenscheinlich eine Tatsache von besonderer Wichtigkeit. Er nennt sich seitdem nicht mehr „Gott der Erde“, und wenn er auch selbstverständlich alle Dinge im Wege der Vorsehung lenkt und leitet, so übt er doch keine direkte Herrschaft mehr aus, wie dies damals in Israel der Fall war, als sein Thron dort aufgerichtet war. Daniel nennt ihn daher stets den „Gott des Himmels“, und erst dann, wenn er kommt, um die Welt zu richten, führt er wieder den Namen eines Gottes der Erde, und dann wird er König sein über die ganze Erde (Sach 14,9). Solange Gott seinen Thron von der Erde weggenommen hat, haben wir die Zeiten der Nationen. Für die Dauer dieses Zeitabschnitts haben die Juden, seitdem sie von Nebukadnezar in die Gefangenschaft geführt und von ihm zu Sklaven gemacht wurden, ihrer jetzigen Stellung nach aufgehört, das Volk Gottes zu sein; sie blieben den Heiden unterworfen und die Zeiten der Nationen dauern noch an, bis der Herr kommt, um Vergeltung zu üben.

Dann nimmt sich Gott ihrer wieder an, und, wie wir gesehen haben, dann werden jene, die zur Zeit ihrer Beiseitesetzung ihre Feinde waren, ausgerottet – ebenso wie jene, die während ihrer Annahme ihre Unterdrücker waren, als der Thron Gottes noch in ihrer Mitte war. Die genaue Unterscheidung dieser beiden Arten von Völkern ist für uns besonders wichtig, weil wir selbst noch in diesen Zeiten der Nationen leben. Die Prophezeiungen enthalten in Bezug auf die Unterscheidung dieser beiden Völkerklassen nicht die geringste Unklarheit. Zur Zeit der Annehmung Israels ist der Assyrer, der zur Endzeit unter dem Namen Gog auftritt, der Hauptfeind des Volkes Gottes. Die vier Tiere oder Weltreiche sind ihre Unterdrücker in der Zeit ihrer Verwerfung. Über ersteren sprachen die vorbabylonischen Propheten und Hesekiel, dagegen reden Daniel und Sacharja, und – wenn wir das Neue Testament mit hineinnehmen – auch die Offenbarung, von den letzteren. Die gesamte Geschichte des Neuen Testaments spielt sich zur Zeit der Herrschaft des letzten Tieres ab.

Den ersten und ausführlichsten, bis in alle Einzelheiten gehenden Bericht über die vier Weltreiche finden wir in dem uns vorliegenden siebenten Kapitel aus dem Buch Daniel. Betrachten wir es etwas genauer, so finden wir gleich, dass es durch den Satz: „Nach diesem schaute ich in Gesichten der Nacht“ in zwei Teile geteilt wird. Zunächst haben wir in den Versen 1- 6 die Erwähnung der vier Weltreiche und einen kurzen Bericht über die ersten drei. Der folgende Teil umfasst die Verse 7 – 12 und gibt uns eine genau Schilderung des vierten Tieres; Throne werden aufgestellt, das Gericht setzt sich, und Bücher werden aufgetan. Dann beginnt mit Vers 13 ein weiterer Abschnitt, in welchem das Reich dem Sohn des Menschen übergeben wird. Dann empfängt Daniel durch den Engel die Deutung der Sache und genaue Einzelheiten über die Stellung der Heiligen den Tieren und besonders dem letzten Tier gegenüber, daraufhin auch über ihr Verhältnis zum Sohn des Menschen.

Die Reiche der Nationen werden als Tiere dargestellt, weil sie keine Erkenntnis Gottes und keine Anerkennung für ihn haben und in ihrem Machthunger sich von ihrem eigenen Willen leiten lassen, soweit ihnen dies zugelassen wird. Dieser Zustand wird durch die Periode des Wahnsinns Nebukadnezars bildlich angedeutet. Diese ersten drei großen Weltreiche sind Babylon (das Haupt von Gold), der Bär: Persien (das Silber) und der Pardel: Griechenland (das Erz). Auf diese wollen wir nicht weiter eingehen, da sie bereits der Vergangenheit angehören.

Das vierte Tier, das uns – wie wir gesehen haben – für sich besonders und in ganz ausführlicher Weise beschrieben wird, ist das Römische Reich; es wird uns als schrecklich und furchtbar und sehr stark, alles um sich her fressend und zermalmend, geschildert; es geht nicht nur auf bloße Eroberung aus, sondern wirft alles zu Boden und was übrigbleibt zertritt es mit seinen Füßen: Und welches Land haben die westeuropäischen Mächte nicht unter ihre Gewalt zu bringen gesucht?

Wir finden aber auch, und das ist noch weit bedeutsamer, unmittelbare Feindschaft gegen Gott (Verse 7 und 8): Nach diesem schaute ich in Gesichten der Nacht: und siehe, ein viertes Tier, schrecklich und furchtbar und sehr stark, und es hatte große, eiserne Zähne; es fraß und zermalmte, und was übrig blieb, zertrat es mit seinen Füßen; und es war verschieden von allen Tieren, die vor ihm gewesen, und es hatte zehn Hörner. Während ich auf diese Hörner Acht gab, siehe, da stieg ein anderes, kleines Horn zwischen ihnen empor, und drei von den ersten Hörnern wurden vor ihm ausgerissen; und siehe, an diesem Horn waren Augen wie Menschenaugen, und ein Mund, der große Dinge redete.“ Wie wir sehen, handelt es sich hierbei um eine ganz besonders geartete Macht (Ein Horn ist stets das Bild von Macht oder einer Macht!): drei der vorherigen Könige wird es erniedrigen. Ihr Charakter wird uns hier im allgemeinen beschrieben; über die Einzelheiten dazu werden wir noch genaueres hören. Das kleine Horn hat Augen wie Menschenaugen: Augen bedeutet hier Klugheit und Einsicht in die Dinge. Sein Mund redet große Dinge, wie wir es in Psalm 12,4 beschrieben finden: „Unsere Lippen sind mit uns, wer ist unser Herr?“ Aber nicht nur das, sondern es versagt Gott auch jegliche Anerkennung. „Ich schaute, bis Throne aufgestellt wurden und ein Alter an Tagen sich setzte: Sein Gewand war weiß wie Schnee, und das Haar seines Hauptes wie reine Wolle; sein Thron Feuerflammen, dessen Räder ein loderndes Feuer. Ein Strom von Feuer floss und ging von ihm aus; tausend mal Tausende dienten ihm, und zehntausend mal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht setzte sich und Bücher wurden aufgetan. Dann schaute ich wegen der Stimme der großen Worte, welche das Horn redete: ich schaute, bis das Tier getötet, und sein Leib zerstört und dem Brand des Feuers übergeben wurde“ (Dan 7,9–11).

Wie wir gesehen haben, wurden den drei ersten Weltreichen ihre Herrschaft genommen und ihre Macht wurde zerstört, aber sie blieben als unselbständige Reiche bestehen; wenn aber das Römische Weltreich sein Ende findet, dann wird es zugleich damit auch völlig vernichtet werden. Damit haben wir uns jetzt zu beschäftigen. Dieses Reich hat gegenüber allen anderen eine besondere Bedeutung, obwohl wir bei dem babylonischen Weltreich zwar auch einen Charakter von ganz besonderer Art finden. – Als der Herr Jesus geboren wurde, war das Römische Reich an der Macht; durch Pilatus hatte es Teil an Seiner Verwerfung, und später wird es sich mit dem kommenden Antichristen verbinden. – Der Prophet schaute, bis Throne aufgestellt werden und der Alte an Tagen sich setzt. Das ist für die Geschichte des vierten Weltreichs von grundlegender Bedeutung; die sich daraus ergebende Schlussfolgerung ist, dass es gänzlich zerstört werden wird, sobald es aufgehört hat, als Reich zu bestehen.

Beachten wir, dass wir hiermit gleichzeitig auch einen klaren Beweis dafür haben, was wir in Verbindung mit Daniel, Kapitel 2, bereits als besonders bedeutungsvoll herausstellten, dass nämlich das Reich durch den Sohn des Menschen nicht eher aufgerichtet werden wird, als bis das Gericht völlig ausgeführt worden ist. Sicherlich wird er das Tier durch seine Macht überwinden, aber erst dann, wenn es völlig vernichtet ist, wird er sein eigenes Reich aufrichten. Das Böse kann dabei unmöglich bestehen bleiben. Das kommt auch in der Fragestellung des auf Gott vertrauenden und durch die Leiden gehenden Israeliten in Psalm 94,20: „Sollte mit dir vereint sein der Thron des Verderbens, der aus Frevel eine Satzung macht?“ Nicht in der Jetztzeit, sondern erst nach dem Gericht wird das Reich Christi an Ausdehnung gewinnen. Er sitzt nun zur Rechten Gottes, aber von dort wird er einst kommen, um sein Reich in Macht und Herrlichkeit aufzurichten; jetzt aber ist er dabei, seine Miterben aus der Welt in eins zu versammeln.

Dann finden wir, dass die großen Worte der Lästerung des kleinen Horns als die Ursache zu diesem Gericht hingestellt werden. Ein noch klareres Zeugnis dafür, dass die Herrlichkeit und das Reich Christi erst auf das stattgefundene Gericht folgen wird, kann es nicht geben. Wir müssen hierauf besonderen Nachdruck legen, weil diese Tatsache auf unsere Betrachtung in allen ihren Einzelheiten den weitestgehenden Einfluss hat und unsere ganze Auffassung über das Wesen des Reiches Christi dadurch bestimmt wird. Für die Sünde des ersten Adam kann es dem Grundsatz nach keinerlei Besserung geben, sondern sie bleibt gleich bis zum Ende hin. Sie war gesetzlos schon zu Anfang, sie übertrat das Gesetz, sobald es gegeben wurde; in Feindschaft gegen Gott erhob sie sich gegen den Herrn, als er Fleisch wurde und unter uns wohnte. Sobald Satan die Kirche, wie wir gesehen haben, völlig verderbt haben wird, wird seiner Macht die Möglichkeit gegeben, sich in den vier Tieren zur völligen Entfaltung zu bringen und in dem letzten Tier wird sie zum Haupt, dass die Könige dieser Erde verführt, um Krieg zu führen mit dem Lamm; dann wird der Gesetzlose, der Mensch der Sünde, völlig geoffenbart werden.

Unser Teil ist mit dem Herrn und die segensreiche Macht seiner Gnade an uns wird nicht eher zur Ruhe kommen, bis wir ihm gleich sein werden. Aber wenn auch die Könige der Erde auftreten und die Fürsten miteinander ratschlagen, so hat doch Gott seinen König gesalbt, auf Zion, seinem heiligen Berg. Hier aber wird seine Macht von einem etwas anderen Standpunkt aus betrachtet. Der Herr wird hier als der Sohn des Menschen dargestellt und dieser Ausdruck geht seiner Bedeutung nach noch weiter als der Sohn Davids, als welche wir ihn im Psalm 2 geschildert finden, obgleich ihm auch dort die Nationen zum Erbteil gegeben werden, die er zerschmeißen wird, wie ein Töpfergefäß. Der Unterschied liegt darin, dass hier, in Daniel, das Reich als ein Herrschaftsgebiet gegeben und angetreten, im Psalm 2 aber auf dem Weg der richterlichen Macht aufgerichtet wird.

Wir gelangen nun zu der Deutung gerade dieses Gesichts, wobei gleichzeitig einige ganz besonders wichtige Wahrheiten mit herausgestellt werden. In der Weissagung war bisher keine Rede von den Heiligen, weder von den himmlischen noch von denen auf der Erde. Hier aber finden wir sie beide. Es handelt sich nicht um die Versammlung Gottes, wohl aber um die himmlischen Heiligen. Wenn wir es mit dem Vorsatz Gottes zu tun haben, und nicht mit den bloßen äußeren Umständen, dann ist tatsächlich gerade die Beziehung dieser Ereignissen zu den Heiligen der springende Punkt.

Verse 17 und 18: „Diese großen Tiere, deren vier waren, sind vier Könige, die von der Erde aufstehen werden. Aber die Heiligen der höchsten Örter werden das Reich empfangen und werden das Reich besitzen bis in Ewigkeit, ja, bis in die Ewigkeit der Ewigkeiten.“ – Also nicht nur der Sohn des Menschen, sondern auch die Heiligen werden das Reich empfangen und besitzen. Und Verse 21 und 22: „Ich sah, wie dieses Horn Krieg führte wider die Heiligen und sie besiegte, bis der Alte an Tagen kam, und das Gericht den Heiligen der höchsten Örter gegeben wurde, und die Zeit kam, da die Heiligen das Reich in Besitz nehmen.“

Hier fällt uns zunächst der außerordentlich wichtige Umstand auf, dass der Alte an Tagen selbst kommt. Denn wenn auch der Herr Jesus als Mensch hingegangen ist, um ein Reich für sich zu empfangen und wiederzukommen, so ist dennoch der Sohn des Menschen auch der Alte an Tagen. So heißt es z. B. in 1. Timotheus 6,14–15, dass der selige und alleinige Machthaber, der König der Könige und Herr der Herren, zu seiner Zeit die Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus zeigen wird. Im Buch der Offenbarung aber kommt der Herr Jesus als König der Könige und Herr der Herren, wie wir wohl sagen dürfen, in einer anderen Beziehung, wobei wir die in Daniel dargestellten Charakterzüge des Alten an Tagen in dem Sohn des Menschen wiederfinden, der inmitten der sieben goldenen Leuchter wandelt. Wir sehen deutlich, dass er beides ist: er ist Sohn über sein Haus, der alle Dinge selbst erschaffen hat.

Ein weiterer Ausdruck erfordert hier unsere besondere Aufmerksamkeit: „die Heiligen der höchsten Örter“. Es ist derselbe Ausdruck wie in Epheser 1 in Bezug auf die Stellung der Gläubigen gebraucht, obwohl er hier noch enger steht in Beziehung zu Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde besitzt (vgl. 1. Mo 14,19). Wiederum ist es hier nicht so sehr die Versammlung, sondern es sind alle Gläubigen, die ihren Wohnort in den himmlischen Örtern haben, oder auch in Verbindung mit dem Reich, dann aber in einem Zustand ewiger Herrlichkeit.

Gott, der Allmächtige, war der Name Gottes in seinen Beziehungen zu Abraham; Herr nannte er sich in seiner Stellung zu Israel, und für uns ist er, nach dem Reichtum seiner Gnade, der Vater. Abraham also sollte vollkommen sein, um vor dem Angesicht Gottes zu wandeln, und auch das Volk Israel sollte vor dem Herrn, seinem Gott, in Vollkommenheit dastehen. Wir aber sind berufen, so vollkommen zu sein, wie unser himmlischer Vater vollkommen ist. So wie der Herr selbst, stehen auch wir vor Gott, aber, da er auch in uns ist, sind wir berufen, die göttliche Natur darzustellen, als geliebte Kinder Gottes seine Nachahmer zu sein und in Liebe zu wandeln, gleichwie der Christus uns geliebt hat. Die Bezeichnung „der Höchste“ ist jedoch Ausdruck des unumschränkten Herrschaftsbereichs Gottes über alles, was diesem erhabensten Gott zugehört. Als daher Abraham von der Schlacht der Könige zurückkehrte, ein Bild von der Befreiung Israels und dessen Endsieg in den letzten Tagen, kommt Melchisedek, der uns den Herrn als König und Priester darstellt, der in der zukünftigen Welt als Priester auf seinem Thron sitzt, als König der Gerechtigkeit, als König des Friedens, heraus und segnet Abraham im Namen Gottes, des Höchsten, der Himmel und Erde besitzt, und ebenso preist er Gott, den Höchsten, im Namen Abrahams. In Verbindung damit finden wir die gleiche Bezeichnung wie auf Gott selbst so auch in Bezug auf die Heiligen angewandt, mit dem einzigen Unterschied, dass statt der Einzahl die Mehrzahl gebraucht wird. Die Heiligen der höchsten Örter werden das Reich in Besitz nehmen. Inzwischen aber ist Drangsal und Verfolgung das Teil der Heiligen auf der Erde. Das kleine Horn der Lästerung, das so große Dinge redet, führt Krieg mit den Heiligen. Das ist der allgemeine Charakter. Natürlich müssen diese Heiligen also noch auf der Erde sein; die in den himmlischen Örtern kann es nur lästern. Wohl kaum haben wir in dem kleinen Horn den Antichristen selber zu sehen; die Quelle aller Verfolgung ist von jeher die traditionelle, religiöse Macht gewesen. Mit dieser Macht steht der Antichrist in direkter Verbindung und beherrscht sie auch. Doch davon später. Das Horn, mit den Namen der Lästerung darauf geschrieben, scheint uns vielmehr ein Bild von der Macht des Bösen im Endstadium des Römischen Reiches zu sein. Aber auch hiervon später. Die Verfolgung nimmt ihren Fortgang, bis die Macht Gottes eingreift. Das kommt in den Versen 21 und 22 sehr klar zum Ausdruck: Das Horn führte Krieg wider die Heiligen und besiegte sie, bis der Alte an Tagen kam (auch hieran erkennen wir, dass der Sohn des Menschen der Alte an Tagen ist, denn wir wissen, dass der Sohn des Menschen wiederkommen wird), und damit findet ein völliger Umschwung statt; das Gericht wird den Heiligen der höchsten Örter gegeben und die Zeit ist gekommen, da die Heiligen das Reich in Besitz nehmen. An dieser Stelle, wo von dem Krieg, der wider sie geführt wird, und von dem Reich, das sie in Besitz nehmen, die Rede ist, werden sie nicht die Heiligen der höchsten Örter genannt, denn beides muss sich natürlich auf der Erde abspielen, wie auch in Matthäus 25 ausgeführt wird; aber das Gericht kann selbstverständlich nur den Heiligen der höchsten Örter gegeben werden.

Wir sehen also, wie der Alte an Tagen kommt, das Gericht den himmlischen Heiligen gegeben wird (vgl. hiermit Off 20,4–6, wo wir lesen, dass ihnen gegeben wurde, Gericht zu halten und dass sie lebten und herrschten mit dem Christus tausend Jahre), und dass die Heiligen das Reich in Besitz nehmen.

Wann endlich werden die Christen ihre Stellung richtig verstehen lernen? Der Herr wird niemals unser König genannt; aber er ist König über alle Völker der Erde. Wir werden mit ihm herrschen. Nichts ist so schwer, wie die Gläubigen dahin zu bringen, dass sie die ihnen in Christus zuteil gewordene Stellung auch wirklich annehmen; zu erkennen, dass sie nach Gottes Willen und Vorsatz in ihm, durch sein eigenes und kostbares Blut, und mit ihm jetzt einsgemacht sind und dass sie, – wie wir bereits bei früherer Gelegenheit gesehen haben – nach ihrer Entrückung dem Herrn entgegen in Wolken, alsdann zusammen mit ihm erscheinen werden, um die Nationen zu richten.

Aber wenden wir uns wieder unserer Auslegung zu. Im 24. und 25. Vers heißt es: „Und die zehn Hörner: aus jenem Königreich werden zehn Könige aufstehen; und ein anderer wird nach ihnen aufstehen, und dieser wird verschieden sein von den vorigen und wird drei Könige erniedrigen. Und er wird Worte reden gegen den Höchsten und die Heiligen der höchsten Örter vernichten; und er wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetz zu ändern, und sie werden eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hand gegeben werden“. – Der Höchste, – es ist das erste Mal, dass dieser Ausdruck hier gebraucht wird – ist Gott selbst. Zeiten und Gesetz beziehen sich ausschließlich auf die Juden, denn die hier angewandten Ausdrücke werden für ihre Gebote und Satzungen gebraucht. Diese, nicht aber die Heiligen, werden in seine Hand gegeben; Gott gibt seine Heiligen niemals in die Hand der Feinde, obwohl er sie wohl auch als Zuchtrute gebrauchen kann. – Wenn die Zeit gekommen sein wird, macht das Tier zunächst einen Bund mit Israel. Wie wir aus Daniel 9,27 sehen, schließt er einen festen Bund mit ihnen, um ihn aber gleich wieder zu brechen und daraufhin Schlachtopfer und Speisopfer aufhören zu lassen. Der gesamte jüdische Gottesdienst, der einst so großartig eingeführt wurde, wird völlig umgeworfen, wie auch Jesaja im 18. Kapitel sagt: „Sie werden allzumal den Raubvögeln der Berge und den Tieren der Erde überlassen werden; und die Raubvögel werden darauf übersommern und alle Tiere der Erde werden darauf überwintern.“ Sie werden in eine solche Drangsal kommen, wie sie noch nie ein Volk vor ihnen erlebt hat, noch wie je wieder eine solche sein wird. Es ist die eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit: die große Drangsal.

Die Schriftstelle beschreibt uns in wenigen aber zuverlässigen Worten den Zustand der Dinge, da das kleine Horn gegen die Heiligen Gottes Krieg führen und sie besiegen wird. Ohne Zweifel sind die Heiligen der höchsten Örter hier diejenigen, die wir auch am Schluss der Offenbarung, Kapitel 20, 4, wiederfinden als solche, die enthauptet wurden, weil sie sich weigerten, das Tier anzubeten, dann aber ihren Platz im Himmel haben. Satan wird aus dem Himmel hinausgeworfen und, auf die Erde hinabgekommen, hat er große Wut, da er weiß, dass er wenig Zeit hat (Off 12,12).

Zuvor sind schon alle Dinge in die Macht des Tieres gegeben worden. Danach nimmt der Herr, der Alte an Tagen, der dann gekommen sein wird, alles wieder in seine Hand. Eine abgekürzte Sache wird der Herr auf der Erde tun, denn das Gericht wird sich setzen. Das Reich wird dem Volk der Heiligen der höchsten Örter gegeben werden, d. h. also dem jüdischen Volk, das nunmehr unter die Herrschaft des Himmels kommt und auch unter dessen Schutz steht.

Wir wenden uns nun, um dies etwas deutlicher zu machen, dem Buch der Offenbarung zu, denn dort wird uns im 13. Kapitel die Geschichte des Tieres ausführlich wiedergegeben. Auf die Einzelheiten kommen wir später noch zurück und wollen uns hier zunächst mit ihm selbst und mit seinem Charakter beschäftigen. Es ist das Römische Tier mit sieben Köpfen und zehn Hörnern. Von dem Drachen her empfängt es seine Macht, lästert Gott und alle, die ihre Hütte in dem Himmel haben und führt Krieg mit den Heiligen. Durch die betrügerische Macht Satans wird ihm religiöse Verehrung dargebracht. Es ist das Werkzeug in der Hand Satans auf der Erde, sobald wie dieser aus dem Himmel hinausgeworfen ist. Schon früher einmal hatten sich die Römer in der Verwerfung des Herrn mit dem Drachen einsgemacht. Das Römisch Reich ist das einzige, das solches – in der Person des Pilatus – getan hat. Aber damals erkannte der Herr die Gewalt sozusagen als die Gewalt Gottes an. Damals sagte der Herr: „Du hättest keinerlei Gewalt wider mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre“ (Joh 19,11), obwohl der Einfluss Satans, als Fürst dieser Welt, die Anwendung dieser Gewalt für dessen Zwecke dienstbar machte. Damals war das Gericht nur auf der einen, und vollkommene Gerechtigkeit auf der anderen Seite. Wenn aber der Herr wiederkommt, wird das Gericht zur Gerechtigkeit zurückkehren. Sie werden beide ineinander aufgehen, wie in Psalm 94,14–15 geschrieben ist: „Denn der Herr wird sein Volk nicht verstoßen, und nicht verlassen sein Erbteil; denn zur Gerechtigkeit zurückkehren wird das Gericht, und alle von Herzen Aufrichtigen werden ihm folgen.“ – Aber wir Gläubigen dürfen das nicht etwa schon vorher erwarten. Gott mag die Zügel in der Hand halten und alle vorhandenen Mächte, die er eingesetzt hat, seinen Zwecken dienstbar machen, er mag uns dadurch auch in Ruhe und Frieden wohnen lassen, wie wir dies ja auch erfahren und ihm dafür dankbar sein dürfen; aber wir dürfen dennoch nicht die Beweggründe einer solchen Herrschaft einer Gerechtigkeit zuschreiben, so wie Gott sie kennt. An uns ist es zu tun, wie auch Jesus tat: wohlzutun, dafür zu leiden und auszuharren; und wenn Gott dem Bösen freies Spiel lässt – wenn Satan auf die Erde herabgekommen ist – dann wird auch der volle und wahre Charakter des Bösen in der Hand Satans geoffenbart werden. „Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron und große Gewalt“ (Off 13,2). Das ist das Römische Tier in seinem Endstadium, während der einen Zeit, Zeiten und einer halben Zeit.

Der klare und endgültige Zeitpunkt und auch der Charakter dieser Periode werden uns so deutlich wie nur möglich, wenn wir den Schluss des neunten Kapitels aus Daniel befragen. Der himmlische Bote gibt dem Propheten die Versicherung, dass die Juden wiederhergestellt werden. „So wisse denn und verstehe: Vom Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis auf den Messias, den Fürsten, sind sieben Wochen und zweiundsechzig Wochen. Straßen und Gräben werden wiederhergestellt und gebaut werden, und zwar in Drangsal der Zeiten. Und nach den zweiundsechzig Wochen wird der Messias weggetan werden und nichts haben. Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören, und das Ende davon wird durch die überströmende Flut sein: und bis ans Ende: Krieg, Festbeschlossenes von Verwüstung. Und er wird einen festen Bund mit den Vielen schließen für eine Woche; und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen.“ – Zuerst sieben Wochen, während welcher Jerusalem wiederhergestellt wird; danach zweiundsechzig Wochen; das macht neunundsechzig Wochen. Nachdem der Messias weggetan ist, bleibt aber dann noch eine Woche, oder der Teil einer Woche, übrig. Am Schluss der neunundsechzigsten Woche wird der Messias weggetan und nichts haben. Im Anschluss daran wird das jüdische Volk anstatt wiederhergestellt, als Nation völlig vernichtet werden. In Lukas Kapitel 21,24 heißt es: „Und sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt werden unter alle Nationen; und Jerusalem wird zertreten werden von den Nationen, bis dass die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden.“ Die letzte Woche steht also noch aus. Zwar war in ihrer ersten Hälfte der Messias anwesend auf der Erde, wurde aber von dem Volk der Juden verworfen und nur von einem Überrest anerkannt. Das Tier schließt einen Bund mit den Juden für den Zeitraum dieser Woche, bricht ihn aber wieder in der Mitte dieser Woche, wobei die zweite Hälfte dieser Woche noch unerfüllt bleibt. Wir haben also noch 3 ½ Jahre, die noch ihre Erfüllung finden müssen, wenn die Gräuel, d. h. der Götzendienst, sich über das jüdische Volk ausbreiten und die Zeiten und das Gesetz geändert werden. Zu eben dieser Zeit ist Satan hier unten auf der Erde, wie aus Offenbarung 12 ersichtlich, und die Frau, der wahre Überrest in Jerusalem, flieht in die Wüste für eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit. Das ist die halbe Woche aus Daniel. Damit ist alles vollkommen klargestellt. Der Überrest nimmt den Herrn als Messias an, die Juden aber verwerfen ihn. Im Anschluss an die neunundsechzigste Woche folgt eine lange Zwischenzeit während welcher der Herr verworfen und für die Juden „Festbeschlossenes von Verwüstungen“ bestimmt ist, bis dass die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden. Während dieses Zeitraumes nun wird die Kirche Gottes als eine Sache von himmlischer Natur, berufen und gesammelt. Die Zeit, in der wir uns jetzt befinden, bleibt also völlig unberücksichtigt, und die Propheten, bei denen die Zeiten der Nationen nicht erwähnt werden, gehen ebenso wie Daniel darüber hinweg und bringen die Wiederkunft des Herrn auf die Erde direkt mit seinem ersten Kommen in Verbindung. Einen sehr bemerkenswerten Beweis hierfür haben wir aus dem Mund des Herrn selbst, als er Jesaja 61,1–2 anführt: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat, um den Sanftmütigen frohe Botschaft zu bringen, weil er mich gesandt hat, um zu verbinden, die zerbrochenen Herzens sind, Freiheit auszurufen den Gefangenen und Öffnung des Kerkers den Gebundenen; um auszurufen das Jahr der Annehmung des Herrn.“ – Jesaja fügt hinzu: „und den Tag der Rache unseres Gottes.“ – Diese letzten Worte hatte der Herr nicht mitgelesen, obwohl sie zu demselben Satz gehörten. Als er die Worte: „um auszurufen das Jahr der Annehmung des Herrn“, gelesen hatte, brach er mitten im Satz ab und hörte auf zu lesen. „Und als er das Buch zugerollt hatte ... setzte er sich“ (Lk 4,20), weil der übrige Teil der Prophezeiung über die Zeit hinausging, in der sie sich damals befanden, und der auch wir noch sind, eine Zeit, die noch zukünftig ist, die Zeit der Rache Gottes. Seitdem läuft die in der Mitte der Woche Daniels eingeschobene Zwischenperiode weiter, ohne mitgezählt zu werden. – In den Dingen des Himmels wird mit der Zeit nicht gerechnet und unsere Zeit ist eben eine Zeit der himmlischen Berufung. Das geht auch aus der Schriftstelle in Daniel 9 deutlich hervor, denn die Wochen werden bis zu neunundsechzig gezählt; danach aber bleibt alles offen bis zu der einen Woche am Ende der Zeiten. Sobald sich aber Gott der Juden wieder annehmen wird, beginnt auch wieder die letzte Woche Daniels. Wenn wir also die Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit, oder die 42 Monate, oder die 1260 Tage (welche alle denselben Zeitraum bedeuten, wobei das Jahr zu 360 Tagen gerechnet ist) auf den gegenwärtigen, eingeschobenen Zeitraum anwenden wollten, so würden wir uns dabei unbedingt auf einem falschen Weg befinden. Etwas ähnliches haben wir wohl darin, wenn gesagt wird, dass schon viele Antichristen geworden sind (1. Joh 2,18), obwohl sie nicht der Antichrist sind, um darzulegen, dass wir uns schon seit des Apostels Tagen in der Zeit der letzten Stunde befinden. Wenn wir es aber genau errechnen wollten, so kommen wir dennoch nicht zurecht, obwohl eine gewisse Übereinstimmung vorhanden ist. Das Berechnen der Zeiten ist aber ausschließlich eine Sache, die die Juden angeht, und die 3 ½ Jahre beginnen erst dann wieder zu zählen, wenn die Juden wieder auf den Schauplatz treten, wenn Satan auf die Erde geworfen und das Tier mit seinen teuflischen Wesenszügen aus dem Abgrund heraufgestiegen ist.

Im 13. Kapitel der Offenbarung werden uns Einzelheiten über dieses Tier gegeben. Vers 2: „Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Pardel und seine Füße wie die eines Bären, und sein Maul wie eines Löwen Maul. Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron und große Gewalt.“ Hier haben wir also unmittelbar die Gewalt Satans. Das Reich wird dann noch nicht von den Heiligen der höchsten Örter in Besitz genommen worden sein; wir sind jetzt entrückt und sind damit vollkommen außerhalb des Machtbereichs des Bösen.

Vers 3: „Und ich sah einen seiner Köpfe wie zum Tod geschlachtet. Und seine Todeswunde wurde geheilt, und die ganze Erde verwunderte sich über das Tier.“ Ohne Zweifel haben wir darin das kaiserliche Haupt zu erblicken, das einstmals vernichtet wurde, dann aber wieder zum Leben erweckt wird.

Vers 4: „Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier die Gewalt gab, und sie beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tier gleich, und wer vermag mit ihm zu kämpfen?“ – Das bedeutet, dass die unmittelbare Macht Satans, als alles beherrschend, öffentlich anerkannt wird. Wenn das kaiserliche Tier von Rom auf solch eine Weise wiederhergestellt wird, wird ihm die ganze Welt mit Begeisterung zu Füßen liegen.

Vers 5. 6: „Und es wurde ihm ein Mund gegeben, der große Dinge und Lästerungen redete; und es wurde ihm Gewalt gegeben, zweiundvierzig Monate zu wirken. Und es öffnete seinen Mund zu Lästerungen wider Gott, seinen Namen zu lästern und die Hütte und die, welche ihre Hütte in dem Himmel haben.“ Beachten wir den Unterschied, der darin liegt, dass es alle diejenigen, die ihre Hütte in dem Himmel haben, nicht antasten kann, sondern nur zu lästern vermag. Satan ist aus dem Himmel hinausgeworfen, er ist nicht länger mehr der Verkläger, und er kann gegen die, welche droben sind, seinen Mund nur noch zu Lästerungen auftun. Dennoch werden solche da sein, die ihren Platz im Himmel haben, deren Herzen der Erde enthoben sind, und denen er Schaden antun kann. Aber alle, die er zu schädigen und zu töten vermag, werden ebenfalls entrückt werden, sonst würden sie, die infolge ihrer Treue der irdischen Wohnungen verlustig gehen, keinen himmlischen Segnungen teilhaftig werden können.

Stets werden solche da sein, die sich weigern, ihn anzubeten. Aber das ist ein Punkt, auf den wir hier nicht weiter eingehen können, denn unser Gegenstand sind die Reiche der Nationen und das über sie kommende Gericht. Aber in Vers 8 lesen wir: „Und alle, die auf der Erde wohnen, werden es anbeten, ein jeder, dessen Name nicht geschrieben ist in dem Buch des Lebens des geschlachteten Lammes von Grundlegung der Welt an,“ – und das ist sicherlich der wahre Sinn dieser Schriftstelle: Gott bewahrt sich einen Überrest, aber sonst liegt die gesamte Gewalt ganz und gar in den Händen Satans und seiner Werkzeuge.

Jedoch gibt es im Zusammenhang hiermit noch eine weitere Macht, die aus der Erde hervorkommt: „Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde aufsteigen: und es hatte zwei Hörner gleich einem Lamm, und es redete wie ein Drache.“ – Das ist ohne Zweifel der Antichrist, der falsche Messias, als die direkte Auswirkung der Tücke Satans auf der Erde. Er ist hier weder Fürsprecher noch Verkläger; letzterer war er bereits droben im Himmel. Es handelt sich hier, wie wir mit einem Vergleich aus Offenbarung 19,20 ersehen, um den falschen Propheten, und er hat zwei Hörner wie ein Lamm. Hörner bedeuten die Macht eines Reiches, und gleich dem Herrn, dem Lamm, will auch er hier ein Reich aufrichten. Er täuscht vor, in der Macht des Reiches des Messias zu kommen, und gibt sich als der erwartete König dieses Reiches aus. Sobald man aber seine Stimme hört, ist es offensichtlich die Stimme Satans. Der Antichrist leugnet den Vater und den Sohn, und damit das gesamte Christentum. Ganz offen leugnet er dessen Wahrheiten, er leugnet, dass Jesus der Christus ist. Das ist, wie man es nennen könnte, eine neue jüdische Form des Christentums, die es zwar immer schon gegeben hat, aber nur das umfasst, was ein Jude anerkennen kann oder anerkennen wird.

Vers 12. 13: „Und die Gewalt des ersten Tieres übt es vor ihm aus, und es macht, dass die Erde und die auf ihr wohnen, das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde. Und es tut große Zeichen, dass es selbst Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen lässt vor den Menschen.“ Wie wirksam ist doch die Kraft des Irrwahns (2. Thes 2,11)! – Feuer vom Himmel war der Beweis, den Elia gab, dafür, dass der Herr der wahre Gott sei, und nicht Baal (1. Kön 18). Durch die Auswirkung der Macht Satans kommt es dahin, dass durch dieses selbe Zeichen sein Zeugnis angenommen wird (In 1. Kön 18,38 heißt es allerdings: „Feuer des Herrn“; in Offenbarung 13,13 dagegen nur „Feuer vom Himmel“; ein kleiner aber immerhin bemerkenswerter Unterschied – Anmerkung des Übersetzers), dass sie dem Tier huldigen und es anbeten, und dass sie also dahingegeben sind, dass sie der Lüge glauben. An anderer Stelle haben wir bereits gesehen, dass alles, was der Herr Jesus tat, seine Sendung zu beglaubigen, vom Satan nachgeahmt wird, aber in aller Macht und Zeichen und Wundern der Lüge (vgl. 2. Thes 2,9). Auf diese Weise bringt er die Menschen dahin, Christus unverhüllt zu leugnen. Er leugnet sogar das gesamte Christentum und stellt sich dar, dass er selbst der Christus sei; zur gleichen Zeit aber verführt er die Menschen dahin, dem wiederhergestellten Tier ein Bild zu machen (Verse 14 – 16): „Und es verführt die auf der Erde wohnen wegen der Zeichen, welche vor dem Tier ihm zu tun gegeben wurde, indem er die, welche auf der Erde wohnen, auffordert, ein Bild dem Tier zu machen, das die Wunde des Schwertes hat und lebte. Und es wurde ihm gegeben, dem Bild des Tieres Odem zu geben (also nicht etwa Leben zu geben; das kann niemand als nur Gott allein!), auf dass das Bild auch redete und bewirkte, dass alle getötet wurden, die nicht das Bild des Tieres anbeteten. Und es bringt alle dahin, die Kleinen und die Großen, und die Reichen und die Armen, und die Freien und die Knechte, dass sie ein Malzeichen annehmen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirne.“ Das heißt, dass er sie zwingt, seine ergebenen Sklaven zu sein und aus seinem Dienst für ihn ein öffentliches Bekenntnis zu machen. Wir haben also, kurz gesagt, ein zweites Tier, das eine teuflisch-geistliche Macht zur Ausübung bringt, und damit dem ersten Tier, das seinen Thron von Satan empfing, in die Hände arbeitet. Damit ergibt sich eine Art Dreieinheit des Bösen in Verbindung mit der Tatsache der Auferstehung. Der Drache gibt seinen Thron dem Tier, so wie der Vater seinen Thron dem Sohn gibt; das zweite Tier übt seine Macht und geistliche Kraft vor dem ersten Tier aus, so wie der Heilige Geist es in Bezug auf Christus tut. Das ist das Ergebnis des Abfalls, der Ketzerei des Christentums. Ebenso wird auch das erste Tier wie zum Tod geschlachtet und seine Todeswunde wurde geheilt.

Im 17. Kapitel wird das Tier, die heidnische Macht, von einem anderen Standpunkt aus beschrieben. Das Reich wird ihm gegeben, aber es steigt aus dem Abgrund herauf und geht ins Verderben.

Verse 9 – 11: „Hier ist der Verstand, der Weisheit hat: Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf welchen die Frau sitzt. Und es sind sieben Könige: fünf von ihnen sind gefallen, der eine ist, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kleine Weile bleiben. Und das Tier, welches war und nicht ist, er ist auch ein achter und ist von den sieben und geht ins Verderben.“ – Das will also besagen, dass fünf verschiedene Regierungsformen zu des Apostels Zeiten schon gefallen waren; das eine war die kaiserliche Regierungsform und das andere, das zukünftige Regierungssystem wird noch kommen, und wenn es kommt, muss es eine kleine Weile bleiben. Die letzte Art von Regierungsform, welche eine von den sieben ist, wird, wie man annehmen darf, wieder eine kaiserliche sein, ist aber auch ein achter. In dieser letzten Form steigt sie aus dem Abgrund herauf und trägt satanischen Charakter. Das wird wieder ein römischer Kaiser sein, er ist der achte von den Köpfen des Tieres und zugleich ist er das Tier selbst, d. h. er wird die gesamte Macht in seiner Person vereinen. Mit Ausnahme der Auserwählten wird die ganze Welt sich ihm zuwenden, denn in dem achten von den Köpfen sieht sie das solange verloren gewesene System der Regierungsgewalt wieder zum Leben erweckt. Das ist Rom, denn die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf welchen die Frau sitzt. Darüber gleich mehr. Zunächst tritt aber noch ein anderer bedeutsamer Umstand hinzu, wie wir aus Vers 12 sehen: „Und die zehn Hörner, die du sahst, sind zehn Könige, welche noch kein Reich empfangen haben, aber Gewalt wie Könige empfangen eine Stunde mit dem Tier.“ – Eine Stunde mit dem Tier! Beachten wir das wohl; denn gerade darin liegt der entscheidende Beweis dafür, dass das Tier nicht schon bestand seit dem Verfall des römischen Reichs, der durch das Eindringen der nordischen Völker herbeigeführt wurde. Die Völker zertrümmerten und zerstörten das Tier eine Zeitlang und schlachteten es wie zum Tod. Diese empfangen Gewalt wie Könige eine Stunde mit dem Tier. Folglich muss also das Tier wieder in Erscheinung treten. Zuerst bestand das römische Reich ohne diese Könige. Danach bestanden diese Könige ohne das Reich; wir sehen also die zehn Könige ohne das Tier. Zum Schluss aber haben wir die zehn Könige mit dem Tier.

Die Menschen stellen allerlei Betrachtungen an, aber sowie wir die Schrift zur Anwendung bringen, können wir mit Bestimmtheit sagen, dass wir das Tier in dieser Form noch nicht haben. Es ist hier die Rede von tatsächlich bestehenden Reichen, aber von solchen Reichen, die, ohne aufzuhören als Reiche zu bestehen, ihre Gewalt alle dem einen Haupt geben, dass die Herrschaft über das Ganze hat.

Vers 14: „Diese werden mit dem Lamm Krieg führen, und das Lamm wird sie überwinden, denn er ist der Herr der Herren und König der Könige, und die mit ihm sind Berufene und Auserwählte und Treue.“ Das Tier erhebt sich mit den ihm unterworfenen Reichen in offener Feindschaft gegen die Macht des Christus; Er aber kommt mit seinen Kriegsheeren, um an ihm Gericht zu üben und sie alle zu vernichten. Gottes Kriegsheere, die in den Himmeln sind, kommen hernieder; die Heiligen kommen und folgen ihrem Herrn.

Verse 15. 16: „Und er spricht zu mir: Die Wasser die du sahst, wo die Hure sitzt, sind Völker und Völkerscharen und Nationen und Sprachen; und die zehn Hörner, die du sahst, und das Tier, diese werden die Hure hassen und werden sie öde und nackt machen, und werden ihr Fleisch fressen und sie mit Feuer verbrennen.“ Damit werden wir hingeführt, das Gericht zu sehen über Babylon, über Rom, die große Hure und die Mutter der Huren und der Gräuel der Erde. Es handelt sich, wie wir sehen, dabei nicht um eine geistige Umwälzung durch das Tier und die zehn Könige, sondern um eine völlige Vernichtung derselben und damit um das völlige Ende der Priesterherrschaft. Sie werden alles in Trümmer schlagen, ihren Reichtum verzehren und sie völlig vernichten, weil sie ihrer Herrschaft und ihrer Falschheit überdrüssig geworden sind. Sie hat es verdient. Aber doch geschieht es nicht durch die Macht Gottes. „Denn Gott hat in ihre Herzen gegeben, seinen Sinn zu tun und in einem Sinn zu handeln und ihr Königreich dem Tier zu geben, bis die Worte Gottes vollbracht sein werden“ (Vers 17).

Es ist vollkommen unerklärlich, wie gerade solche Leute, die angeblich die Schrift als Wort Gottes anerkennen, zu allen möglichen Arten von Auffassungen kommen, wenn es sich um die mit der Christenheit in dieser Welt in Verbindung stehenden Ereignisse handelt. Sobald wir uns wirklich unter das Wort Gottes beugen, fällt alles andere in sich zusammen. Die Menschen können über die zunehmende Ausbreitung der Religion in dieser Welt, und über die Weise Gottes, die Macht des Bösen daraus zu entfernen, soviel reden wie sie wollen, es ist doch klar und deutlich gesagt, dass wenn das Tier und die zehn Hörner die verderbliche Macht vernichten, welche sie solange beherrschte und die Nationen mit ihren Hurereien trunken machte, sie dann ihre Macht und Gewalt dem Tier geben.

Am Schluss des 19. Kapitels, in den Versen 14 – 20, sehen wir die Wege Gottes mit dem Tier: „Und die Kriegsheere, die in den Himmeln sind, folgten ihm auf weißen Pferden, angetan mit weißer, reiner Leinwand. Und aus seinem Mund geht hervor ein scharfes, zweischneidiges Schwert, auf dass er damit die Nationen schlage; und er wird sie weiden mit eiserner Rute, und er tritt die Kelter des Weines des Grimmes des Zornes Gottes, des Allmächtigen. Und er trägt auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte einen Namen geschrieben: König der Könige und Herr der Herren. – Und ich sah einen Engel in der Sonne stehen, und er rief mit lauter Stimme und sprach zu allen Vögeln, die inmitten des Himmels fliegen: Kommt her, und versammelt euch zu dem großen Mahl Gottes! damit ihr Fleisch von Königen fresst und Fleisch von Obersten und Fleisch von Starken und Fleisch von Pferden und von denen, die darauf sitzen, und Fleisch von allen sowohl Freien als Sklaven, sowohl von Kleinen als Großen. – Und ich sah das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere versammelt, Krieg zu führen mit dem, der auf dem Pferd saß, und mit seinem Heer. Und es wurde ergriffen das Tier und der falsche Prophet, der mit ihm war, der die Zeichen vor ihm tat, durch welche er die verführte, welche das Malzeichen des Tieres annahmen und die sein Bild anbeteten, – lebendig wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt.“ – Das ist also auch wieder der falsche Prophet, welcher das zweite Tier ist. – und weiter in Vers 21: „Und die übrigen wurden getötet mit dem Schwert dessen, der auf dem Pferd saß, welches Schwert aus seinem Mund hervorging; und alle Vögel wurden von ihrem Fleisch gesättigt.“

Das ist eine deutliche Schilderung von Gericht und Vernichtung, wie wir sie auch im Buch Hesekiel finden. Sie lässt uns klar erkennen, dass die Macht hereingebrochen ist, und zwar nicht in der Kraft des Wortes, weder des Gesetzes noch des Evangeliums, sondern die Macht der Gewalt, die allem Bösen ein Ende bereitet.

Das 20. Kapitel bringt uns die Ereignisse genau so, wie wir sie im 7. Kapitel des Buches Daniel beschrieben finden. Im Buch der Offenbarung haben wir eine noch mehr ins Einzelne gehende Schilderung des letzten Tieres, d. h. des Römischen Reiches, das in Verbindung mit den Juden den Herrn schon verworfen hatte, als er noch auf der Erde war. Nachdem der Herr zur Rechten Gottes erhöht war und die Juden als Volk beiseite gesetzt worden waren, wurde die Kirche gebildet. Sie gehört nicht dieser Welt an, sondern sie ist die Braut des Herrn in den himmlischen Örtern.

Wenn dann die Kirche entrückt sein wird, tritt das Tier, das dem Anschein nach schon völlig vernichtet war, in neuer Gestalt wieder auf, aber auch als ein solches, dessen Todeswunde geheilt worden war. Ebenso wie es damals an der Verwerfung des Herrn beteiligt war, wird es dann auch in engster Verbindung mit dem Antichristen stehen. Zunächst knüpft es seine Beziehungen zu den Juden wieder an, schließt einen Bund mit ihnen, aber in der letzten Halbwoche Daniels, wendet es sich gegen sie, verfolgt sie, ändert Zeiten und Gesetze, und lässt Schlachtopfer und Speisopfer aufhören. Der König, der Antichrist, führt den Götzendienst wieder ein und teilt ihr Land auf; seine diesbezügliche Einstellung finden wir in Daniel 11,36, wo es heißt: „Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und groß werden über jeden Gott, und über den Gott der Götter wird er erstaunliches reden, und er wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist, denn das Festbeschlossene wird vollzogen.“ Wir haben also in Daniel, ebenso wie in dem angeführten Teil der Offenbarung, kurz gesagt, das Zeugnis über das Tier, wie es das gefangene Volk Israel unterdrückt und darin fortfährt, bis der Herr kommen wird, es zu befreien, aber auch, um es zu richten.

Sodann aber haben wir es noch mit einer anderen Macht zu tun: der Assyrer, dieser große Feind Israels in der Zeit, da es von Gott wieder angenommen wird, wird in den letzten Tagen ebenfalls in seiner letzten Gestalt auf den Plan treten, in der Meinung, dass er, da nun das Tier vernichtet worden ist, alles ohne weiteres in Besitz nehmen kann; aber auch er wird hinweggetan werden. In Jesaja 10,5 lesen wir: „Heh! Assyrer, Rute meines Zorns! Und der Stock in meiner Hand ist mein Grimm.“ Im Anschluss an die verschiedenen Werkzeuge, die Gott für die Züchtigung Israels benutzt hatte, wird uns nun der letzte und furchtbarste Angreifer vorgestellt. Er war der Grimm Gottes über das aufrührerische Volk – und dieser Grimm ist die letzte und furchtbare Heimsuchung Gottes. Vergleichen wir Jesaja 26,20–21 mit Daniel 11,36 [?] so finden wir, dass die letzten Worte dort der genau zutreffende Ausdruck sind für die abgekürzte Sache, die am Ende der Zeiten von Gott ausgeführt wird, wie auch in Daniel 9,27 und in dem oben angeführten Kapitel, Jesaja 10, im 2. Vers; vergleiche auch Jesaja 28,22. Ziehen wir den 25. Vers aus Jesaja 10 zur Betrachtung heran, so wird uns damit die Bedeutung völlig klar: „Denn um ein noch gar Kleines, so wird der Grimm zu Ende sein und mein Zorn sich wenden zu ihrer Vernichtung.“ – Damit wird das Gericht Gottes über Israel völlig zu Ende gebracht und sein Grimm findet seinen Abschluss in der Vernichtung des Assyrers.

Wir wenden uns nun, liebe Freunde, dem 30. Kapitel aus Jesaja zu; zuvor werfen wir aber noch einen kurzen Blick auf die bereits oben angeführte Schriftstelle aus Jesaja 28,14–16: „Darum hört das Wort des Herrn, ihr Spötter, Beherrscher dieses Volkes, das in Jerusalem ist! Denn ihr sprecht: Wir haben einen Bund mit dem Tod geschlossen und einen Vertrag mit dem Scheol gemacht; wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, wird sie an uns nicht kommen; denn wir haben die Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in der Falschheit uns geborgen. Darum, so spricht der Herr, Herr: Siehe, ich gründe einen Stein in Zion, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, aufs festeste gegründet; wer glaubt, wird nicht ängstlich eilen!“ – Sie haben also, wie wir sehen, mit der Macht des Bösen einen Bund gemacht, aber das wird ihnen nichts nützen. Der Überrest aber, der dem Herrn vertraute und seiner Verheißung glaubte, der, obwohl er noch nicht befreit ist, und der auch die Erlösung nicht kennt, so wie wir sie kennen, dennoch aber nach Maßgabe des dann vorhandenen Zeugnisses hinschaut auf den Sohn des Menschen, den Spross, den der Herr sich erwählt hat, solche, die wir immerhin als die „Verständigen des Volkes“ (Dan 11,33) und als die von Herzen Aufrichtigen erkennen dürfen, die sich auf solche Zeugnisse wie das eben erwähnte, und z. B. auch auf Jesaja 8 stützen, sie werden nicht ängstlich eilen, um sich mit dem Antichristen zu vereinigen; während andererseits, was die große Masse betrifft, ihre Hoffnungen, die sie auf den Antichristen und auf das Tier setzen, zunichte werden und die überflutende Geißel durch sie hindurchfährt. – Danach aber, ab Ende der Zeiten, wie wir aus dem folgenden Kapitel sehen (Jes 29,4–7) wird es genau das Entgegengesetzte sein: Die Feinde, die das Volk verschlingen wollten, werden vernichtet.

Wenn wir den Schluss des 30. Kapitels, die Verse 31–35, betrachten, sehen wir, auf welche Weise der Feind endgültig hinweggetan wird: „Denn vor der Stimme des Herrn wird Assur zerschmettert werden, wenn er mit dem Stock schlägt. Und es wird geschehen, jeder Streich der verhängten Rute, die der Herr auf ihn herabfahren lässt, ergeht unter Tamburin und Lautenspiel; und mit geschwungenem Arme wird er gegen ihn kämpfen. Denn vorlängst ist eine Gräuelstätte zugerichtet; auch für den König ist sie bereitet. Tief, weit hat er sie gemacht, ihr Holzstoß hat Feuer und Holz in Menge; wie ein Schwefelstrom setzt der Hauch des Herrn ihn in Brand.“ – Die verhängte Rute ist die Rute der göttlichen Bestimmung. Wenn sie auf den Assyrer hernieder fährt, so gibt das Anlass zur Freude und Triumph, weil damit nun endlich die Befreiung kommt und das Ende des Zornes Gottes.

In Micha, Kapitel 5, sehen wir nun die Beziehungen, in denen der Herr zu dem Gericht über den Assyrer und zu den darauf folgenden Segnungen für Israel steht. Von allen Schriftstellen hat gerade diese auf einen Rabbiner einmal ganz besonders Eindruck gemacht (Micha 4,14 bis 5,8): „Nun dränge dich zusammen, Tochter des Gedränges: man hat eine Belagerung gegen uns gerichtet; mit dem Stab schlagen sie den Richter Israels auf den Backen. – Und du Bethlehem – Ephrata, zu klein, um unter den Tausenden von Juda zu sein, aus dir wird mir hervorkommen, der Herrscher über Israel sein soll; und seine Ausgänge sind von der Urzeit, von den Tagen der Ewigkeit her. Darum wird er sie dahingeben bis zu der Zeit, da eine Gebärende geboren hat, und der Rest seiner Brüder wird zurückkehren samt den Kindern Israel. Und er wird dastehen und seine Herde weiden in der Kraft des Herrn, in der Hoheit des Namens des Herrn, seines Gottes. Und sie werden wohnen, denn nun wird er groß sein bis an die Enden der Erde. Und dieser wird Friede sein. Wenn Assyrien in unser Land kommen und in unsere Paläste treten wird, so werden wir sieben Hirten und acht Menschenfürsten gegen dasselbe aufstellen. Und sie werden das Land Assyrien mit dem Schwert weiden, und das Land Nimrods in seinen Toren; und er wird uns von Assyrien erretten, wenn es in unser Land kommen und wenn es in unsere Grenzen treten wird. Und der Überrest Jakobs wird unter den Nationen, inmitten vieler Völker sein wie Tau von dem Herrn, wie Regenschauer auf das Kraut, der nicht auf Menschen wartet und nicht auf Menschenkinder harrt. Und der Überrest Jakobs wird unter den Nationen, inmitten vieler Völker sein, wie ein Löwe unter den Tieren des Waldes, wie ein junger Löwe unter den Schafherden, der, wenn er hindurchgeht, zertritt und zerreißt und niemand errettet. Hoch erhoben sei deine Hand über deine Bedränger, und alle deine Feinde mögen ausgerottet werden!“

Der einst verworfene Christus wird nun groß sein bis an die Enden der Erde. Er ist der Friede, und er ist es auch, der Israel den Frieden bringt, wenn der Assyrer – die letzte Rute für sie, mit deren Vernichtung auch der Grimm Gottes endet – im Land ist. Zuerst zwar, wird er in Israels Paläste treten, aber danach wird er durch die Macht des Messias vernichtet werden und der Überrest Jakobs wird unter den Völkern sein wie ein Löwe unter den Tieren des Waldes, zugleich aber auch wie ein Tau des Segens von dem Herrn. Die Feinde des Herrn werden ausgerottet. Allerdings wird er das aufrührerische Israel in vollkommener Weise richten, aber er wird auch Rache und Zorn über die Heidenvölker bringen, wie sie es bis dahin nie erfahren haben. Zu dieser Zeit, – beachten wir es wohl! – sind die Juden von Gott wieder angenommen, wir sehen sie wieder in ihrem eigenen Land, und dort werden sie als das Volk Gottes gerichtet. Daniel hatte, wie wir gesehen haben, das Volk Israel zur Zeit seiner Gefangenschaft zum Gegenstand, als Jerusalem und das Land verwüstet waren. Er berichtet davon, wie alle diese Mächte hinweggetan werden, aber er sagt nichts von den darauffolgenden Segnungen. Sein Thema ist die Zeit der Heidenvölker. In Hesekiel finden wir genau das Gegenteil; er, der selbst unter den Gefangenen ist, berichtet von der Einnahme Jerusalems durch Nebukadnezar, und greift dann sogleich über auf die Zeit des Endes, da Israel wieder hergestellt und in seinem Land von den Feinden bedrängt wird.

Wir kommen nun zu der Prophezeiung, wo über diese andere große Macht ausführliches gesagt wird – Hesekiel 38,1–8: „Und das Wort des Herrn geschah zu mir also: Menschensohn, richte dein Angesicht gegen Gog vom Land Magog, den Fürsten von Rosch, Mesech und Tubal, und weissage wider ihn und sprich: So spricht der Herr, Herr, Siehe ich will an dich, Gog, Fürst von Rosch, Mesech und Tubal!“ (Die hier wiedergegebenen Worte stimmen genau überein mit der von dem älteren Lowth stammenden Übersetzung, die ungefähr 150 Jahre älter ist als diese prophetischen Auslegungen). In Verbindung mit dem Namen des Fürsten von Rosch werden dann die Namen derjenigen Länder aufgeführt, die wir in heutiger Zeit als die Gebiete kennen, die unter der Herrschaft von Rosch stehen, nämlich „Russland“. In den beiden vorhergehenden Kapiteln haben wir die Wiederherstellung des Volkes und die göttliche Wiederbelebung Israels; wenn es dann als Volk wiederhergestellt, ungestört in seinem eigenen Land wieder wohnen wird, wird Gog gegen sie heraufziehen (Kapitel 38, 8), um das Land heimzusuchen und in Besitz zu nehmen, aber es wird nur dazu führen, dass die Nationen den Herrn erkennen, wenn er sich vor ihren Augen an Gog heiligen wird (Vers 16). Infolge seiner Gerichte werden sie wissen, dass er der Herr ist, wie in Vers 23 gesagt ist.

Im 39. Kapitel finden wir, wie Gott seinen heiligen Namen kundtun wird inmitten seines Volkes Israel, nachdem er das Gericht ausgeführt hat. Er wird ihnen nicht mehr zulassen, seinen heiligen Namen zu entweihen und – „die Nationen werden wissen, dass ich der Herr bin, der Heilige in Israel“ (Vers 7). Dann ruft er das Gevögel allerlei Gefieders und die Tiere des Feldes herbei zu dem Schlachtopfer, das er für sie geschlachtet hat, und der Erschlagenen werden so viele sein, dass man sieben ganze Monate braucht, um das Land davon zu reinigen. In Übereinstimmung mit den schon vor so langer Zeit durch seine Knechte, die Propheten, geschehenen Weissagungen, sehen wir hier deutlich, dass es der Assyrer ist, in welchem sich am Ende der Tage der ganze Grimm Gottes erschöpft.

Im Kapitel 38, 18 – 20 heißt es von ihm: „Darum weissage, Menschensohn und sprich zu Gog: So spricht der Herr, Herr: Wirst du es an jenem Tage nicht wissen, wenn mein Volk Israel in Sicherheit wohnt? Und du wirst von einem Ort kommen, vom äußersten Norden her, du und viele Völker mit dir, auf Rossen reitend allesamt, eine große Schar und ein zahlreiches Heer. Und du wirst wider mein Volk Israel heraufziehen wie eine Wolke um das Land zu bedecken. Am Ende der Tage wird es geschehen, dass ich dich herausbringen werde wider mein Land, auf dass die Nationen mich kennen, wenn ich mich an dir, Gog, vor ihren Augen heilige. – So spricht der Herr, Herr: Bist du der, von welchem ich in vergangenen Tagen geredet habe durch meine Knechte, die Propheten Israels, welche in jenen Tagen jahrelang weissagten, dass ich dich wieder sie heranbringen werde? Und es wird geschehen an selbigem Tag, an dem Tag, wenn Gog in das Land Israel kommt, spricht der Herr, Herr, da wird mein Grimm in meiner Nase aufsteigen. Und in meinem Eifer, im Feuer meines Zornes habe ich geredet: Wahrlich an jenem Tag wird ein großes Beben sein im Land Israels. Und es werden vor mir beben die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und die Tiere des Feldes und alles Gewürm, das sich auf dem Erdboden regt, und alle Menschen, die auf der Fläche des Erdbodens sind; und die Berge werden niedergerissen werden und die steilen Höhen werden einstürzen, und jede Mauer wird zu Boden fallen.“

Weiter heißt es in Kapitel 39, 1 – 8: „Und du, Menschensohn, weissage wider Gog, und sprich: So spricht der Herr, Herr: Siehe ich will an dich, Gog, Fürst von Rosch, Mesech und Tubal. Und ich werde dich herumlenken und herbeiführen, und dich heraufziehen lassen vom äußersten Norden her, und dich auf die Berge Israels bringen. Und ich werde dir den Bogen aus deiner linken Hand schlagen und deine Pfeile aus deiner rechten Hand werfen. Auf den Bergen Israels wirst du fallen, du und alle deine Haufen und die Völker, die mit dir sind; den Raubvögeln allerlei Gefieders und den Tieren des Feldes habe ich dich zur Speise gegeben; auf dem freien Feld sollst du fallen. Denn ich habe geredet, spricht der Herr, Herr. Und ich werde Feuer senden unter Magog und unter die, welche auf den Inseln sicher wohnen. Und sie werden wissen, dass ich der Herr bin. Und ich werde meinen heiligen Namen kundtun inmitten meines Volkes Israel, und werde meinen heiligen Namen nicht mehr entweihen lassen. Und die Nationen werden wissen, dass ich der Herr bin, der Heilige in Israel. Siehe, es kommt und wird geschehen, spricht der Herr, Herr. Das ist der Tag, von welchem ich geredet habe.“ Und weiter in Vers 21 und 22: „Und ich werde meine Herrlichkeit unter den Nationen erweisen; und alle Nationen sollen mein Gericht sehen, welches ich gehalten, und meine Hand, die ich an sie gelegt habe. Und von jenem Tag an und hinfort wird das Haus Israel wissen, dass ich der Herr, ihr Gott bin.“

Und schließlich in Vers 28 und 29: „Und sie werden wissen, dass ich der Herr, ihr Gott bin, indem ich sie zu den Nationen hinweggeführt habe und sie wieder in ihr Land sammle und keinem mehr von ihnen dort übriglasse. Und ich werde mein Angesicht nicht mehr vor ihnen verbergen, wenn ich meinen Geist über das Haus Israel ausgegossen habe, spricht der Herr, Herr.“

Damit haben wir das weitere, grundlegende Prinzip: wenn Israel wieder hergestellt ist, dann werden auch die Heidenvölker durch Gerichte dahingebracht werden zu erkennen, dass der Herr, der Gott Israels, der höchste Gott der ganzen Erde ist, und sie werden sich ihm unterwerfen. Im Gegensatz zum 2. Psalm, wo der Herr lediglich als der Sohn Davids eingeführt wird, spricht der 8. Psalm von der vollendeten Tatsache, dass derselbe Herr auch der Sohn des Menschen ist. Es heißt dort: „Herr, unser Herr, wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde!“ Dasselbe ist auch der dem 67. Psalm zugrunde liegende Gedanke. Aber es würde zu weit führen, alle weiteren ähnlichen Zeugnisse aus den Psalmen zu nennen; es sind ihrer zu viele. Es sei in dieser Verbindung nur auf die zusammengehörenden Psalm 94 bis 100 hingewiesen. In Psalm 94 wird das Gericht herbeigerufen; in Psalm 95 wird Israel die Notwendigkeit der Buße vorgestellt; in Psalm 96 werden die Heiden aufgefordert, den Herrn anzuerkennen, weil er kommen wird, die Welt in Gerechtigkeit zu richten; in Psalm 97 regiert der Herr als der Höchste über die ganze Erde; in Psalm 98 hat er seine Rettung und seine Gerechtigkeit vor den Augen der Nationen kundgetan; in Psalm 99 wird er, der zwischen den Cherubim thront, in seiner Heiligkeit auf der ganzen Erde erkannt; und in Psalm 100 werden alle Nationen aufgefordert, ihm zu dienen mit Freuden, nachdem er seine Wohnung des Segens auf der Erde wieder aufgerichtet hat.

Von der Zeit an, da Gott sein Volk wieder zurückführt, bis zu dem Augenblick, da er sich auf den Thron des Gerichtes setzt, ist das Schreien des Überrestes ein Ruf nach Rache und nach Befreiung geblieben. Durch seinen starken Arm wird er sie befreien. Der Thron der Ungerechtigkeit wird die Macht mit ihm nicht teilen.

Jetzt ist es vielmehr die Macht der Gnade, die die Seelen vom Bösen befreit, damit sie zu Gott kommen und in den Himmel eingehen können; und Gnade kennzeichnet den Christen, obwohl er sehr wohl weiß, dass auch die Rache eines Tages kommen wird.

Wir haben nun verschiedene Schriftstellen betrachtet, die uns die Entwicklungsgeschichte des Tieres gezeigt haben, und dabei eine ganze Reihe solcher Stellen gefunden, die von dem Assyrer reden. Dabei sind wir zu einer klaren Vorstellung über die beiden großen Mächte gelangt, die gegenwärtig einen Wohnsitz in Westeuropa und Osteuropa haben.

In Sacharja wird der Assyrer überhaupt nicht erwähnt; auch er gehört zu den Weggeführten aus Israel, obwohl die Juden wieder ins Land zurückgebracht wurden, um dort ihren Messias zu empfangen. Keiner der Propheten aus der Zeit nach der babylonischen Gefangenschaft aber nennt die Juden das Volk Gottes, außer wenn sie von den zukünftigen Dingen reden. Bei den anderen Propheten dagegen, die vor der Wegführung auftraten, wird das Tier als solches gar nicht erwähnt, denn sie leben noch in der Zeit der Annahme Israels, als der Thron Gottes noch bei ihnen war.

Hesekiel, wie wir gesehen haben, greift auf das von Babylon ins Land zurückgekehrte Volk Israel. – Über die Tiere wäre wohl mehr zu sagen gewesen, denn die Zeit in der sie herrschen, reicht bis in unsere Gegenwart hinein; das Ergebnis davon ist nichts anderes als offener Aufruhr, denn die Todeswunde des Tieres wird geheilt und es offenbart einen vollkommen satanischen Charakter. Gott hat es einem kleinen jüdischen Überrest in das Herz gegeben, auf ihn zu blicken. Die Masse des Volkes aber treibt Knospen und Blüten und eine Fülle von Wohlstand scheint sich in ihrem Lande zu entwickeln. Dann aber wird es zertreten und verschlungen als eine Beute der Tiere des Feldes und der Raubvögel. Diese werden gerichtet; Israel aber wird wieder angenommen und gesegnet. Und wenn, so sagt der Apostel, ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, was wird ihre Annahme anders sein als Leben aus den Toten?

Das alles lenkt unsere Herzen empor zu einer weit erhabeneren Erkenntnis unserer Stellung, die wir jetzt schon im Himmel haben, während der Herr noch verworfen ist. Weil aber der Herr verworfen ist, so sind auch die Seinen mit ihm verworfen. Da er aber seinen Platz droben im Himmel eingenommen hat, so haben auch sie ihren Teil und ihr Bürgertum droben im Himmel. Unser Leben gehört nicht mehr dieser Welt an, wenn wir auch als Pilger und Fremdlinge durch sie hindurchzugehen haben. Unsere Aufgabe liegt darin, der Welt gegenüber Zeugnis abzulegen von der Macht, die uns von allem befreit, von der Person des Herrn und von seinen Gedanken der Liebe.

„Wenn ihr ausharrt, indem ihr Gutes tut und leidet, das ist wohlgefällig bei Gott!“ (1. Pet 2,20). – Die Gefahr dieser Zeit für die Gläubigen liegt darin, dass der Mensch in völliger Verkennung der Ausbreitung des Bösen bis zur offenen Feindschaft gegen den Herrn, nur daran denkt, die Welt zu verbessern und auf seine eigene Weise das Gute herbeizuführen. Was wir aber in Wahrheit zu erwarten haben, ist dass „in den letzten Tagen böse Zeiten da sein werden“. Die Menschen aber dünken sich selbst weise und denken, es besser machen zu können als der Herr und seine Apostel; sie wollen keine Christen sein, die sich Gott übergeben, sondern Weltverbesserer wollen sie sein!

Gottes Zeugnis besagt, dass sowohl die bekennende Kirche als auch die ganze Welt immer mehr dem Bösen verfallen, dass er aber gewisslich kommen wird, uns zu sich zu nehmen, und dass er dann den ganzen Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit, um danach eine Segensherrschaft, besonders für das Volk der Juden, wieder aufzurichten.

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