Das Thema von Psalm 45  ist der König. Er wird hier jedoch nicht gesehen wie in Psalm 21, wo Er eine große Rettung erfahren hat, sondern hier wird Er vorgestellt, wie Er mit dem Schwert an Seiner Hüfte hervorkommt zur Aufrichtung Seines Reiches. Dieser Psalm ist die Antwort Gottes auf das Rufen des leidenden Überrests in dem vorhergehenden Psalm; dort erkennen sie Ihn als König an (Vers 4) und bitten inständig, daß Er aufstehen und die Rettung Jakobs gebieten und ihnen wie früher Gunst erweisen möge. Die Erfahrungen des Überrests sind unterdessen: „Doch um deinetwillen werden wir ge­tötet den ganzen Tag, wie Schlachtschafe sind wir geachtet“ (Vers 22; vom Apostel Paulus in Römer 8,36  angeführt).

In unserem Psalm übt der Geist Gottes seine ihm eigene Tätigkeit aus. Wenn es um die Verherrlichung Christi geht, ist Er unser fertiger (geübter) Schreiber. Der scheidende Herr sagte von Ihm: „Er wird mich verherrlichen“ (Joh 16, 14). Und darin liegt ein Test für unsere Seelen: Alles, was zur Verunehrung des Einen zur Rechten Gottes führt, ist nicht vom Geist­; ein großer Gegenstand und Sein heiliges Ziel ist die Verherrlichung Christi.

Doch obwohl der Geist hier (wie in der ganzen Heiligen Schrift) den Schreiber inspiriert, sind die Gefühle des Psalmisten selbst bewegt und erregt; er berichtet uns, daß sein Herz von gutem Worte wallt und daß es ihm eine Quelle der Freude wäre, wenn der Heilige Geist seine Zunge als Seinen Griffel benutzen würde. Und er ist so erfüllt von diesem Gegenstand, daß es ab Vers 2 den Anschein hat, als sähe er den Gepriesenen vor sich, und er bricht des­halb voll Entzücken in die Worte aus: „Du bist schöner als die Menschensöhne, Holdseligkeit ist aus­gegossen über deine Lippen; darum hat Gott dich gesegnet ewiglich“ (vgl. Jes 33, 17). Die Holdseligkeit Seiner Lippen wurde während Seines Wandelns hier auf der Erde bekannt; Er war voller Gnade und Wahrheit (Joh 1, 14); und sogar Seine Feinde muß­ten bekennen: „Niemals hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch“ (Joh 7, 46), während andere über die Worte der Gnade, die beständig aus Seinem Munde hervorgingen, erstaunten (Lk 4).

Es geht hier um das Reich und um das Unterwer­fen der Feinde; und das geschieht durch Macht­ausübung und durch Gericht. Deshalb wird Er hier gesehen, wie Er hervorkommt (wie in Offenbarung 19) als der Umgürtete; und zwar nicht umgürtet mit einem leinenen Tuch, wie Er jetzt Seinen Heiligen dient, sondern mit dem Schwert um Seine Hüfte, da­mit Ihn Seine Rechte Furchtbares lehren kann. Merk­würdig, daß manche annehmen, Sein Reich würde durch die sanften Mittel des Evangeliums eingeführt und aufgerichtet werden; das Gesetz, die Propheten und die Psalmen (und zweifellos auch das Neue Testament) geben übereinstimmend davon Zeugnis, daß Sein Weg zu Seinem Thron über Gericht, und nur über Gericht, führt. In den Tagen Seines Fleisches wollte Israel nicht, daß Er über sie herrsche (Lk 19, 14); der Mensch wollte es nicht und wird es auch nicht wollen, bis Er Seine Macht sowohl auf der Erde als auch in den Himmeln ausüben wird. Er wird nicht auf eine Botschaft von den Menschen warten, wie die Bäume in dem Gleichnis Jothams zu dem Dorn­strauch sagten: „Komm du, sei König über uns“ (Ri 9, 14); der Mensch hat ein so verhärtetes Herz, daß Er vergeblich darauf warten würde.

David stellt den Herrn als kriegerischen König vor. Die Tage Davids waren Tage des Krieges und der Un­terwerfung der Feinde, wie auf der anderen Seite die Tage Salomos Tage des Friedens und der Freude für Israel waren und auch der Thron befestigt war. Das, was David vorbildete, finden wir in den Versen 3 bis 5, und das, was Salomo vorbildete, in den Versen 6 ff. (Ps 72  beschreibt diese letztere Phase ausführlicher). Wenn Er Sein Reich durch Gericht aufgerichtet haben wird, wird Er Seinen Platz auf Seinem Thron (dann nicht mehr auf Seines Vaters Thron, wie es jetzt ist) einnehmen - auf Seinem eigenen Thron als König in Zion. Der Heilige Geist benutzt diese Stelle in Hebräer 1,8-9 , um Seine göttliche Herrlichkeit zu be­weisen, indem Er zeigt, daß der Eine, in dem Gott am Ende der Tage geredet hat, 'Sohn', 'Gott', 'Jehova' ist. Ich nehme an, daß die Worte „Gerech­tigkeit hast du geliebt und Gesetzlosigkeit gehaßt“ sich besonders auf die Tage Seines Fleisches bezie­hen. Inmitten einer gottlosen und Gott hassenden Welt wurde dies stets bei Ihm gefunden. Damals war Er darin gehorsam, in Psalm 45 regiert Er darin.

Er hat 'Genossen' in Seinem Reich, aber Er über­trifft sie alle. Die Gnade mag ihre himmlischen oder irdischen Gegenstände hoch erhöhen, aber Er muß in allem den Vorrang haben. Wir tun gut daran, un­sere Herzen immer wieder daran zu erinnern. Seine Gnade mag uns in eine wunderbare Stellung der Be­ziehung und Verbindung zu Ihm bringen, aber an­gesichts dieser Dinge gebührt uns Ehrerbietung und Gottesfurcht. Vers 11 scheint etwas von diesem Ge­danken auszudrücken: „Er ist dein Herr: so huldige ihm.“ Was die Gnade auch bewirken mag, Er ist immer noch der Herr (vgl. mit Joh 4, 23. 24; und beachte den bedeutsamen Wechsel der Ausdrücke durch den Herrn von 'Vater' zu 'Gott').

Die Königin wird hier zu Seiner Rechten gesehen, wie sie Seine irdischen Herrlichkeiten mit Ihm teilt; dies wird Jerusalem sein an dem kommenden Tag. „Denn wie der Bräutigam sich an der Braut erfreut, so wird dein Gott sich an dir erfreuen“, denn an je­nem Tage wird Er Jerusalem „zum Ruhme machen auf Erden“ (Jes 62, 5-7). Wir dürfen die Königin hier nicht verwechseln mit der Braut, dem Weib des Lam­mes aus Offenbarung 19. Es gibt himmlische Dinge und irdische Dinge; das Gesicht des Johannes ver­setzt uns in die himmlischen Dinge, unser Psalm führt uns nach Judäa.

Die Königin steht zu Seiner Rechten 'in Gold von Ophir'. Gold ist ein bildlicher Ausdruck der gött­lichen Gerechtigkeit, und Israel wird noch die Seg­nungen davon erfahren. Das Herzeleid des Apostels hinsichtlich des Volkes Gottes dem Fleische nach war, daß sie sich danach ausstreckten, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, und sich der Gerechtig­keit Gottes nicht unterwarfen (Röm 10, 3). Aber an dem kommenden Tag der Herrlichkeit wird sich alles geändert haben: Die schmutzigen Lumpen mensch­licher Gerechtigkeit werden aufgegeben werden, und sie werden sagen: „Hoch erfreue ich mich in Jehova; meine Seele soll frohlocken in meinem Gott! Denn er hat mich bekleidet mit Kleidern des Heils, den Mantel der Gerechtigkeit mir umgetan, wie ein Bräutigam den Kopfschmuck nach Priesterart anlegt, und wie eine Braut sich schmückt mit ihrem Ge­schmeide“ (Jes 61, 10).

Sacharja 3 gibt uns ein Bild davon: Der Hoheprie­ster Josua wird gesehen, wie er mit schmutzigen Kleidern vor dem Engel Jehovas steht - ein Bild des Zustandes Israels vor Gott. Die schmutzigen Kleider werden weggenommen, ein neues Gewand wird ihm gegeben und ein reiner Kopfbund auf sein Haupt ge­setzt. Dann wird Josua und seinen Genossen aus­drücklich gesagt, daß sie 'Männer des Wahrzeichens' (Vorbildes, Wunders) seien. Hier haben wir ein Bild davon, wieviel Verständnis Israel gegeben werden wird von dem Segen der völligen Rechtfertigung - sie stehen vor Gott, nicht in menschlicher Gerechtig­keit, sondern in dem, was sie auf der Grundlage des Glaubens von Gott erlangt haben. In Jeremia 23, 6 wird der König 'Jehova, unsere Gerechtigkeit' ge­nannt, und in Jeremia 33, 16  wird Jerusalem mit demselben Namen genannt. Trägt eine Frau nicht den Namen ihres Mannes?

An jenem Tage wird sie ihres Vaters Hauses verges­sen, also alles dessen, worin sich das Fleisch nicht län­ger rühmen kann. In Philipper 3 gibt es jemanden, der dem Fleische nach viel zu rühmen gehabt hätte. Es war nichts Geringes, ein Beschnittener vom Ge­schlecht Israels zu sein, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern; aber dieser Mann hatte ge­lernt, alle Dinge außer Christus für Verlust und Dreck zu achten. Vers 16 scheint hier das gleiche zu zeigen: Die Väter und alle fleischlichen Vorzüge bieten nichts mehr zum Rühmen. Die Gnade und ihre Tätigkeit für sie ist der alleinige Gegenstand des Preises. 'Begnadi­gung' wird ihr glückseliges Teil an jenem Tage sein (Röm 11, 32). Dann wird das unterdrückte Jerusalem auf ewig ausgezeichnet sein, die Freude vieler Ge­schlechter und das Begehren aller Enden der Erde.

„Und die Tochter Tyrus, die Reichen des Volkes, werden deine Gunst suchen mit Geschenken“ (Ps 45, 12). „Die Könige von Tarsis und von den Inseln werden Geschenke entrichten, es werden Abgaben darbringen die Könige von Scheba und Seba“ (Ps 72, 10). „Und deine Tore werden beständig offen ste­hen; Tag und Nacht werden sie nicht geschlossen werden, um zu dir zu bringen den Reichtum der Nationen und ihre hinweggeführten Könige“ (Jes 60, 11). „Und sie werden dich nennen: Stadt Jeho­vas, Zion des Heiligen Israels“ (Jes 60, 14). „Geprie­sen sei Jehova, Gott, der Gott Israels, der Wunder tut, er allein! Und gepriesen sei sein herrlicher Name in Ewigkeit! Und die ganze Erde werde erfüllt mit sei­ner Herrlichkeit! Amen, ja, Amen“ (Ps 72, 18. 19).