Das Lied der Debora
Richter 5

Es ist ein besonderes Lied, das Debora und Barak nach der Schlacht und dem Sieg über Sisera, den Heerführer Jabins, des Königs von Hazor, singen. Es ist das einzige Lied, von dem wir im Buch der Richter lesen. Wir können kaum annehmen, dass der Heilige Geist dieses Lied hat aufzeichnen lassen, ohne damit eine tiefe geistliche Bedeutung für uns zu verbinden. Es ist ein Lobpreis Gottes für einen großartigen Sieg. Es erinnert damit an den Lobpreis des erlösten Volkes Israel am anderen Ufer des Roten Meeres. Beide – Pharao und Jabin – erinnern an den großen Feind, den Satan. Zum einen Pharao, der Ägypter, der die Welt beherrscht und alle, die ihr angehören. Zum anderen Jabin, der Kanaaniter, der das Volk Gottes in ihrem Erbteil unterdrückt.

Die Parallelen sind augenscheinlich – und doch gibt es zugleich Unterschiede.

  • Das Lied Moses wurde von einem Mann gedichtet und eine Frau (Mirjam) sang es mit ihm. Das Lied Deboras wurde von einer Frau gedichtet und ein Mann (Barak) sang es mit ihr.
  • Das Lied Moses war ein Lied, das ein ganzes Volk sang. Es ist das gemeinsame Teil aller, die erlöst sind. Jeder, der weiß, dass der Herr dem Teufel die Macht des Todes genommen hat, kann dieses Lied singen. Das Lied Deboras war jedoch ein Lied, das nur die Überwinder singen konnten, die im Kampf gegen die Feinde siegreich waren und den Bösen überwunden hatten (1. Joh 2,13.14).

Der historische Kontext

Das Lied ist Teil des Buches der Richter. Dieses Buch beschreibt eine Zeit, die von Niedergang und Verfall einerseits und zugleich von Erweckungen andererseits geprägt ist. Insgesamt bildet dieses Buch (zusammen mit 1. Samuel) die Geschichte Israels vom Tod Josuas bis zur Zeit der ersten Könige ab – einen Zeitraum von ca. 400 Jahren. Es werden insgesamt sieben Zyklen von Niedergang und Erweckung beschrieben. Jeder dieser Zyklen hat folgende Phasen:

  • Phase 1: Das Volk wendet sich von Gott ab und dient anderen Göttern.
  • Phase 2: Gott züchtigt sein Volk. Es wird von fremden Mächten unterdrückt.
  • Phase 3: Das Volk schreit zu Gott.
  • Phase 4: Gott hört auf das Schreien und schickt einen Retter (Richter).
  • Phase 5: Nach dem Tod des Richters fällt das Volk erneut von Gott ab.

Das Lied der Debora fällt in den dritten Zyklus, der im Buch der Richter beschrieben wird. Der erste Zyklus verbindet sich mit Othniel, der den König von Mesopotamien besiegt hatte (Ri 3,8-11). Der zweite Zyklus verbindet sich mit Ehud, der den König von Moab besiegt hatte (Ri 3,12-30). Der dritte Zyklus schließlich verbindet sich mit Barak, dem Sohn Abinoams, der Jabin, den König der Kanaaniter, und seinen Heerführer Sisera geschlagen hatte (Ri 4). An diesen Sieg schließt sich das Lied Deboras an.

Die geistliche Bedeutung

Die Siege über die feindlichen (heidnischen) Könige sind nicht zuerst von historischem Interesse. Sie beinhalten vor allem geistliche Lektionen für uns (vgl. Röm 15,4; 1. Kor 10,6.11).

  • Das Land Kanaan: Was für Israel ein materielles Erbteil war, das Gott ihnen zugesagt hatte, ist für uns ein geistliches Erbteil. Das Land spricht im Licht des Neuen Testamentes von den „himmlischen Örtern“, in denen wir mit „jeder geistlichen Segnung“ gesegnet sind (Eph 1,3). Der Epheserbrief ist in diesem Sinn das geistliche „Gegenstück“ zum Land Kanaan im Alten Testament.
  • Die Feinde Israels: Das Buch Josua beschreibt, wie das Volk Israel das Land einnimmt und die Feinde besiegt. Das Buch Richter zeigt, wie die Feinde zurückkommen und wieder in Kanaan wohnen. Das geistliche „Gegenstück“ dazu sind die Feinde, die in Epheser 6 beschrieben werden. Dahinter steckt der Teufel, der auf jede Weise versuchen möchte, uns den Genuss an unseren geistlichen Segnungen zu nehmen. Dabei müssen wir bedenken, dass die Feinde im Buch Richter ausdrücklich eine „Zuchtrute“ Gottes sind, die Er über das Volk bringt, um es zu Ihm zurückzuführen.
  • Die Richter Israels: Die Richter Israels waren in der Regel zugleich die Retter Israels. Gott sandte sie, um sein Volk – wenn es zu Ihm schrie – zu retten. Die geistliche Anwendung ist eine zweifache:

    1. Die Richter symbolisieren die Führer im Volk Gottes. Solche „Führer“ kennt das Neues Testament ebenfalls (Apg 15,22; Heb 13,7.17.24). Sie üben ihre Tätigkeit oft überörtlich aus. Örtlich handelt es sich um „Älteste und Aufseher“. Sie haben Vorbildfunktion für andere und gehen voran.

    2. Die Richter symbolisieren solche, die das Neue Testament „Überwinder“ nennt (vgl. z. B. Röm 8,37; Off 2 und 3). Überwinder sind Menschen, die treu zu ihrem Gott stehen und gegen den Strom schwimmen. Sie tun das nicht in eigener Kraft, sondern in der Kraft Gottes. Die Aufforderung zu überwinden richtet sich an jeden Gläubigen – ob er ein Führer ist oder nicht.

Die ersten drei großen Siege im Buch der Richter sprechen von dem Sieg der Überwinder gegen die drei großen Feinde des Christen:

  • Mesopotamien zeigt uns die Welt in ihrem allgemeinen Charakter. Abraham stammte aus diesem Land. Von dort aus hatte Gott ihn gerufen. Er hatte Mesopotamien verlassen, doch nun waren sie als Feinde in das Land eingedrungen und mussten vertrieben werden. Für uns bedeutet das, dass wir die Welt überwinden müssen (1. Joh 4,4), wenn wir unseren geistlichen Segen genießen wollen.
  • Moab zeigt uns die Aktivität des Fleisches (der Sünde, der alten Natur). Moab war ein Ergebnis der Sünde der Töchter Lots mit ihrem Vater. Für uns gilt, dass wir zwar von der Macht der Sünde befreit sind, nicht jedoch von ihrer Gegenwart. Wir müssen nicht sündigen, wir können es aber. Unser Sieg besteht darin, dass wir dafür halten, der Sünde tot zu sein (Röm 6,11). Nur wenn wir das tun, haben wir Freude an dem, was Gott uns an geistlichem Segen geschenkt hat.
  • Die Kanaaniter waren die eigentlichen Bewohner des Landes. Sie zeigen uns etwas von dem Feind, den die Bibel die „alte Schlange“ nennt (Off 12,9; 20,2). Das ist Satan. Jabin und Sisera sprechen von dem, was im Epheserbrief die „geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern“ genannt wird (Eph 6,12). Unser Sieg besteht darin, dass wir uns Gott unterwerfen und dem Teufel widerstehen. Dann wird er von uns fliehen (Jak 4,7).

Zusammenfassend sehen wir in den ersten drei Feinden, die Gott als Zuchtrute benutzt und die besiegt werden, die drei großen Feinde des Christen. Erstens die Welt, die um uns herum ist. Zweitens das Fleisch, das in uns ist. Drittens den Teufel, der gegen uns ist. Es sind mächtige Feinde. Dennoch ist der Sieg möglich, denn wir stehen auf der Seite des Siegers und wissen, dass Er mit uns ist. Dazu zwei Aussagen von Paulus:

  1. „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus!“ (1. Kor 15,57).
  2. „Aber in diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,37).

Struktur und Dimension des Liedes

Kommentatoren teilen das Lied unterschiedlich ein. Einige teilen es in drei Teile ein1, andere in fünf oder in sieben. Im Folgenden werden wir einer anderen Struktur folgen und das Lied in acht Strophen einteilen, denen ein Prolog vorangeht und ein Epilog folgt. Das Lied beginnt mit dem Herrn und es endet mit dem Herrn.

Der Inhalt des Liedes ist zum einen ein Rückblick auf die Vergangenheit und auf das, was Gott damals für sein Volk getan hat. Doch es ist mehr als das. Der Lobgesang hat zugleich eine prophetische Dimension und zeigt, was Gott noch für sein Volk tun wird. Und schließlich ist es ein Lied, das der Glaubende singt im Blick auf den großen und endgültigen Sieg über den Feind. Jeder Glaubenssieg heute weist auf den Augenblick hin, in dem der Gott des Friedens den Satan einmal endgültig unter unsere Füße zertreten wird (Röm 16,20).

Prolog: Die Sänger und ihr Lied

Vers 1: Und Debora und Barak, der Sohn Abinoams, sangen an jenem Tag und sprachen:

Debora und Barak

Die Sänger des Liedes sind Debora (eine Frau) und Barak (ein Mann). Beide werden in Kapitel 4 ausführlich beschrieben:

  • Debora war aus dem Stamm Ephraim. Sie war eine Prophetin2, die Frau eines Mannes und wohnte unter einer Palme zwischen Rama und Bethel. Dort richtete sie das Volk, d. h. sie half bei der Schlichtung von Streitfragen im Volk Gottes (Ri 4,4.5). Sie war es, die die Initiative ergriff und Barak rief, um den Kampf gegen Jabin und Sisera zu führen (Ri 4,6-8). Nachdem Barak nicht bereit war, allein in den Kampf zu ziehen und Debora bat mitzugehen, willigte sie ein. Allerdings machte sie Barak klar, dass die Ehre des Sieges deshalb nicht auf ihn, sondern auf eine Frau fallen würden (Ri 4,8.9).
  • Barak war aus dem Stamm Naphtali. Er wohnte in Kedes, in unmittelbarer Nachbarschaft zu der Residenz des feindlichen Königs Jabin (Hazor). Er scheint – zumindest zu Beginn – ein wenig ängstlich und furchtsam gewesen zu sein. Er war nicht bereit, ohne Debora in den Kampf zu ziehen. Im weiteren Verlauf sehen wir ihn jedoch als mutigen Kämpfer Gottes. In Hebräer 11,32 ehrt Gott ihn dadurch, dass sein Name in der Reihe der Glaubenshelden genannt wird.

Debora wird zuerst genannt, danach Barak. Das ist eher ungewöhnlich und mag zwei Gründe haben:

  1. Debora war die eigentliche Dichterin. Das zeigt der Text deutlich. Sie spricht mehrfach von sich selbst (z. B. Verse 7.12.15). Deshalb nennen wir das Lied zurecht „das Lied der Debora“. Barak hingegen hat das Lied zusammen mit ihr gesungen. Auf den Unterschied zu dem Lied Moses (2. Mo 15) wurde bereits hingewiesen.
  2. Debora war die eigentliche Initiatorin des Kampfes gewesen. Sie hatte Barak gerufen, und sie war es, die mit Barak in den Kampf zog.

Das Volk Israel war insgesamt in einem sehr schwachen Zustand. Offensichtlich waren die (männlichen) Priester ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, Streitfragen unter dem Volk zu richten, so dass Gott eine Prophetin (eine Frau) erweckte, die das tat. Und auch Barak fühlte sich zu schwach, als Mann allein das Heer anzuführen, um gegen die Feinde zu kämpfen. Er wollte, dass Debora mitzog.

Für uns liegt darin folgende Lektion: Es gibt Situationen im Volk Gottes, in denen diejenigen, denen Gott die Verantwortung gegeben hat, dieser Verantwortung nicht nachkommen. Das kann in Ehen und Familien so sein, wo die eigentliche Führungsverantwortung bei den Ehemännern und Vätern liegt. Das kann in örtlichen Versammlungen sein, in denen ebenfalls die Führungsverantwortung bei den Brüdern liegt. Ohne die im Neuen Testament festgelegten Grenzen zu überschreiten, kann Gott in solchen Fällen dennoch Schwestern benutzen, um das Fehlverhalten von Brüdern auszugleichen. Gott ist souverän und wenn Er das tut, hat Er das Recht dazu. Wir sollten dankbar sein, wenn es in Ehen, Familien und Versammlungen engagierte Schwestern gibt, die wie Debora initiativ sind (im Rahmen dessen, was das Neue Testament erlaubt)3. Gleichzeitig sollten alle Brüder sich fragen, ob sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Debora handelt im Übrigen nicht unabhängig von Barak. Es ist wahr, dass sie die Initiative übernommen hat. Aber weder im Kampf noch in dem folgenden Lied agiert sie ohne ihn.

Debora und Barak singen und sprechen

Wenn Gott geistliche Siege schenkt, gehört Ihm der Lobgesang. Lobpreis ist eine besondere Ausdrucksmöglichkeit des Glaubens, die im Gebet und im Gesang hörbar gemacht wird. Lobpreis gibt Gott die Ehre für das, was Er tut (während Anbetung Gott für das ehrt, was Er ist).

Ein solcher Lobpreis war ebenfalls am Roten Meer zu hören (2. Mo 15). In beiden Fällen ist es ein Lobpreis der Erlösung. In beiden Fällen symbolisiert der Feind den Teufel, den „Fürst der Welt“. In Ägypten war es Pharao. Im Buch der Richter der König der Kanaaniter. In 2. Mose ist es der grundsätzliche Sieg über den Teufel, den der Herr am Kreuz für uns errungen hat (Heb 2,14). Jeder Erlöste singt dieses Lied der Erlösung. Im Buch der Richter ist es ein Glaubenssieg des Gläubigen, der merkt, dass der Teufel nach und nach die Kontrolle über sein Leben zurückgewinnt und der diesen Zustand überwindet. Diese Erfahrung ist einerseits sehr demütigend, andererseits mutmachend. Nicht jeder Gläubige macht solche Erfahrungen, und deshalb singt – leider – nicht jeder dieses Lied. Es stimmt nachdenklich, dass in 2. Mose 12 mehr als zwei Millionen Menschen singen und hier nur noch zwei Sänger gefunden werden. Der Adressat ist jedoch unverändert der Gott, dem Lobgesang „geziemt“ (Ps 147,1).

In Zeiten von Degeneration sind es in der Regel nicht die großen Massen, die Gott lobsingen. Es sind oft nur wenige. Lobpreis kann man nicht „organisieren“. Er kommt aus dem Herzen. Dazu braucht es keine großen „Lobpreis Events“, sondern Herzen, die für den Herrn schlagen. Wenn Er einen Glaubenssieg geschenkt hat, sollte Lobgesang (persönlich oder gemeinsam) die angemessene Reaktion sein.

„An jenem Tag“ verbindet das Lied mit dem Sieg über die Feinde und weist darauf hin, dass der Lobpreis eine spontane Reaktion darauf ist. Die Tatsache, dass Debora und Barak „sprachen“, weist darauf hin, dass der Text des Liedes wichtig ist und nicht so sehr die musikalische Darbietung. Das gilt bis heute. Nicht jeder sogenannte „Lobpreis“ (Worship) ist tatsächlich ein Lobgesang für Gott. Allerdings wurde dieses Lied nicht nur gesungen, sondern auch gespielt (Vers 3). Für uns gilt, dass wir zueinander reden „in Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern, singend und spielend dem Herrn in eurem Herzen“ (Eph 5,19). Der Inhalt ist wichtig. Das heißt nicht, dass die Darbietung keine Rolle spielt, aber sie ist zweitrangig.

Als David den Feind (Goliath) besiegt hatte, folgte ebenfalls ein Lobgesang – auch dort waren es Frauen, die sangen (1. Sam 18,7). Und auch Goliath ist ein Bild des Teufels und seiner Macht, die gebrochen wird. Es ist gut, wenn wir Gott immer für seine Rettung loben. Zu allen Zeiten gilt: „Wer Lob opfert, verherrlicht mich“ (Ps 50,23). Das Lied der Debora zeigt etwas von der Herrlichkeit Gottes. Wir wollen uns dazu motivieren, Gott mehr Lob zu singen für jeden Glaubenssieg, den Er gibt, und nach jedem Glaubenssieg, den Er gibt. Wenn wir Gott nicht zeitnah danken, werden wir es schnell vergessen.

Erste Strophe: Aufforderung zum Lob des Herrn

Verse 2–3: Weil Führer führten in Israel, weil freiwillig sich stellte das Volk, preist den Herrn! Hört, ihr Könige; horcht auf, ihr Fürsten! Ich will, ja, ich will dem Herrn singen, will singen und spielen dem Herrn, dem Gott Israels!

Preist den Herrn

Dreimal ist in diesen beiden Versen von dem Herrn (Jahwe) die Rede.4 Die beiden Verse sprechen zunächst nicht von Gott (dem Allmächtigen), sondern von dem Herrn (der Name Elohim, d. h. Gott, kommt in dem Loblied nur zweimal vor). Er soll gepriesen werden. Gemeint ist der Bundesgott Israels. So hatte Er sich Mose am brennenden Dornbusch als der Ewige „Ich bin, der ich bin“ vorgestellt (2. Mo 3,14). Er ist derjenige, der sich nicht verändert (vgl. Mal 3,6). Für uns gilt, dass Jesus Christus derselbe ist „gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8).

Der eigentliche Grund für den Lobgesang ist die Rettung durch den Herrn. Der Sieg war nicht zuerst ein Sieg Baraks und seiner Soldaten. Gott selbst hatte für den Sieg gesorgt, und deshalb sollte Er gepriesen werden.

Darüber hinaus werden zwei konkrete Gründe angegeben, den Herrn zu preisen. Erstens waren Führer (oder Fürsten) da, die bereit waren, die Führung zu übernehmen. Zweitens gab es im Volk Menschen, die freiwillig bereit waren, in den Kampf zu ziehen. Für beides hatte Gott gesorgt:

1. Führer führten in Israel

Salomo schreibt davon, dass ein Volk ohne Führung verfällt (Spr 11,14). Das gilt politisch ebenso wie im Volk Gottes. Führung ist ein biblisches Prinzip. Sie ist notwendig. Gerade das Buch der Richter zeigt, wie recht Salomo hat. Hier waren Führer, die Verantwortung übernahmen, und dafür sollte der Herr gelobt werden.

Es ist wahr, dass diese Führer in sich schwach waren und Mängel aufwiesen. Barak macht da keine Ausnahme. Wenn wir den Bericht in Richter 4 lesen, finden wir Gründe genüg, die Führer zu kritisieren. Doch Debora kritisiert nicht. Sie freut sich über die Führer und verbindet sich in ihrem Herzen mit ihnen. Sie bleibt nicht bei den Fehlern und Schwächen stehen, sondern lobt die Bereitschaft zu führen.

Damit ist Debora ein Beispiel für uns. Es ist leicht, Führer im Volk Gottes (örtlich oder überörtlich) zu kritisieren. Gründe zur Kritik finden wir genug, und Fehler dürfen und müssen auch angesprochen werden. Dennoch gilt, dass wir Gott dankbar sein sollten für jeden, der bereit ist, Führungsverantwortung und Leitungsfunktionen zu übernehmen und das Volk Gottes zum Herrn und dem Wort Gottes zurückzuführen. Gott möchte, dass wir sie ehren und nicht negativ über sie reden. Es beleidigt Gott, wenn wir die verachten, die Er als Werkzeuge benutzen möchte. Im Blick auf die Führer der Vergangenheit wird uns ausdrücklich gesagt, das Ende (den Ausgang) ihres Lebens anzuschauen und ihren Glauben nachzuahmen (Heb 13,7).

Von den Führen heißt es hier nicht, dass sie Befehle erteilten und andere diesen Befehlen folgten. Es heißt, dass sie führten, d. h. die Führer gingen mit gutem Beispiel voran. Barak führte den Kampf an und erteilte nicht nur Kommandos. Ein gutes Vorbild sorgt in der Regel für gute Ergebnisse. Führer im Volk Gottes sind solche, die gute Vorbilder sind (vgl. 1. Pet 5,3).

2. Das Volk stellte sich freiwillig

Wenn Führer da sind, braucht es solche, die sich führen lassen. So war es hier. Wir sehen später, dass nicht alle vom Volk beteiligt waren (manche Stämme weigerten sich, andere werden gar nicht erwähnt). Dennoch schreibt Debora die Teilnahme am Kampf dem Volk insgesamt zu. Sie spricht hier nicht über den traurigen Zustand im Volk, sondern sie sieht zuerst einmal das Positive. Erneut beeindruckt uns die Sichtweise dieser Frau.

Gott sucht Freiwillige. Das war im Alten Testament so und das ist im Neuen Testament nicht anders. Im kommenden Reich wird das Volk „voller Willigkeit“ sein (Ps 110,3). Als der Herr damals als Messias zu seinem Volk kam, war das anders. Da haben sie Ihn nicht gewollt (Lk 13,34). Aber einmal wird es so sein. Wir sollen ein solches „williges“ Volk heute schon sein. Gott möchte nicht, dass wir uns aus einem bestimmten Zwang heraus für seine Sache engagieren und für Ihn kämpfen, sondern dass wir es von Herzen, d. h. freiwillig, tun (vgl. Phlm 1,14).

Hört, ihr Könige; horcht auf, ihr Fürsten!

Es handelt sich um einen Aufruf an die heidnischen Könige und Fürsten, denn in Israel gab es zu diesem Zeitpunkt keine Könige und Fürsten. Sie werden nicht aufgefordert, Gott zu loben (ungläubige Menschen haben kein Lob Gottes). Sie sollen das Lob Gottes aber hören, sollen aufmerken, wenn Gottes Volk dem Herrn singt und spielt. Das Lob Gottes ist ein machtvolles Zeugnis in der Welt. Einen ähnlichen Gedanken formuliert David in Psalm 2,10: „Und nun, ihr Könige, seid verständig, lasst euch zurechtweisen, ihr Richter der Erde!“

Der Vers beinhaltet drei weitere Punkte:

  1. Wir lernen hier, dass Debora die eigentliche Dichterin des Liedes ist. Sie sagt: „Ich will, ja, ich will dem Herrn“ Der Lobpreis gilt Ihm und nicht den Führern und Helden. Es war sein Sieg.
  2. Wir lernen, dass der Adressat der „Herr, der Gott Israels“ ist. Debora spricht nicht von „meinem Gott“. Sie fühlt sich mit diesem Volk verbunden und preist Ihn. Es ist wahr, dass jeder von uns Gott „meinen Gott“ nennen kann. Es ist ebenso wahr, dass es „unser Gott“ ist.
  3. Wir lernen, dass die Ehre für den Sieg nicht Menschen gegeben wird. Debora preist keinen menschlichen Helden und Retter, sondern verweist auf Gott. Die Belehrung für uns liegt auf der Hand. Wir sind Menschen dankbar für das, was sie tun. Ehre und Lobpreis gebührt jedoch immer Gott.

Zweite Strophe: Gottes Eingreifen in der Vergangenheit

Verse 4–5: Herr, als du auszogst von Seir, als du einherschrittest vom Gebiet Edoms, da erzitterte die Erde; auch troffen die Himmel, auch troffen die Wolken von Wasser. Die Berge erbebten vor dem Herrn, jener Sinai vor dem Herrn, dem Gott Israels.

Erneut ist dreimal von dem „Herrn“ die Rede – und zwar im Rückblick auf das, was Er in der Vergangenheit für sein Volk getan hat. Debora erinnert daran, wie Er ganz am Anfang der Geschichte Israels machtvoll für sein Volk eingegriffen hatte. Solche Rückblicke auf die Vergangenheit finden wir im Alten Testament wiederholt, oft mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Manchmal geht es um die Treue Gottes, manchmal darum, dass das Volk versagt hat. Hier wird der Schwerpunkt darauf gelegt, dass Gott machtvoll und im Gericht gegen das Böse eingegriffen hat.

Es ist nicht eindeutig zu erkennen, an welche Situation Debora hier erinnert. Einige Ausleger denken an die Gesetzgebung am Sinai. Andere verbinden es mit dem Aufeinandertreffen mit den Nachkommen Esaus während der Wüstenreise. Möglich ist, dass es um beide Situationen geht.

Seir und Edom (Esau) sind eng miteinander verbunden. Seir war das Erbteil Esaus, des Bruders Jakobs (1. Mo 36,8.9; 4. Mo 24,18). Als die Kinder Israel auf der Wüstenreise durch das Land Seir ziehen wollten, wurden sie von ihrem Brudervolk wie Feinde behandelt (4. Mo 20,14-21; 5. Mo 2,1-8). Sie sollten jedoch keinen Krieg gegen Edom führen, sondern um ihr Land herumziehen. Doch hier zeigt Debora etwas, das der historische Bericht verschweigt. Gott griff zugunsten seines Volkes ein. Mose spricht davon am Ende seines Lebens und erinnert sich: „Der Herr ist vom Sinai gekommen und ist ihnen aufgegangen von Seir; er ist hervorgestrahlt vom Berg Paran und ist gekommen von heiligen Myriaden. Aus seiner Rechten ging Gesetzesfeuer für sie hervor“ (5. Mo 33,2)5. David beschreibt das mit ganz ähnlichen Worten in Psalm 68: „Gott, als du auszogst vor deinem Volk, als du einherschrittest durch die Wüste – Sela –, da bebte die Erde –, auch troffen die Himmel vor Gott –, jener Sinai vor Gott, dem Gott Israels“ (Ps 68,8.9). Auch Habakuk 3 beschreibt die Szene mit eindrucksvollen Worten.

Berge sind in der Bibel manchmal ein Hinweis auf irdische und feindliche Mächte, die dem Volk Gottes entgegenstehen. Es sind für uns unüberwindliche Hindernisse. Für unseren Gott jedoch nicht. Auch am Berg Sinai, an dem Gott seinem Volk das Gesetz gab, finden wir die Macht Gottes dargestellt (vgl. 2. Mo 19,16; 20,18). Hebräer 12,18-21 beschreibt das. Und obwohl wir heute nicht in einer Bundesbeziehung zu Gott stehen, gilt doch: „Auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“ (Heb 12,29). Das sollten wir nicht vergessen. Wir haben keine Angst vor Gott, aber doch Respekt und Ehrfurcht.

Der Hauptgedanke in dem Lied der Debora ist, dass Gott zugunsten seines Volkes eingreift. Das hatte Er zu Beginn und während der Wüstenreise getan, und das hatten sie jetzt gegen Siseras Armee erlebt. Die Verse 20–22 greifen das auf. Scheinbar hatte Gott den Sieg der Israeliten bzw. die Niederlage der Feinde dadurch begünstigt, dass gewaltige Wassermassen vom Himmel auf die Erde regneten, so dass die Wagen Siseras im Schlamm und Morast steckengeblieben waren.

Baal war einer der Götter des Landes, den die Kanaaniter verehrten. Er war ihr „Herr“ (das bedeutet der Name) und galt zugleich als Gott des Sturmes. Mit anderen Worten: Gott besiegt die Feinde mit einer Waffe, die eigentlich die Waffe ihres Gottes hätte sein müssen. Doch Gott ist mächtiger als Baal. Eindrucksvoll wird seine Macht hier beschrieben.

Dritte Strophe: Traurige Verhältnisse vor dem Kampf

Verse 6–8: In den Tagen Schamgars, des Sohnes Anats, in den Tagen Jaels ruhten die Pfade, und die Wanderer betretener Wege gingen krumme Pfade. Es ruhten die Landstädte in Israel, sie ruhten, bis ich, Debora, aufstand, bis ich aufstand, eine Mutter in Israel. Israel erwählte neue Götter; da war Kampf an den Toren! Wurde wohl Schild und Lanze gesehen unter vierzigtausend in Israel?

In den Tagen Schamgars und Jaels

Schamgar wird in Richter 3,31 erwähnt. Er war kein Richter in Israel, wohl aber ein Retter des Volkes. Er war ein Zeitgenosse Ehuds, von dem Richter 3 ausführlich berichtet. Die Heldentat Schamgars bestand darin, dass er sechshundert Philister mit einem Rinderstachel (einem Viehtreiberstock) erschlug.

Was Richter 3 nicht sagt, wird hier offenbar. Schon in den Tagen Schamgars waren die Verhältnisse in Israel mehr als beschämend. Interessanterweise wird hier auch Jael erwähnt. Sie kommt später noch einmal vor (Verse 24–27). Sie war es, die Sisera getötet hatte (Ri 4,21). Schamgar und Jael waren Werkzeuge in der Hand Gottes, die in sich jedoch schwach waren. Schamgar war wahrscheinlich ein Landwirt und Jael war eine Frau.6 Dennoch werden die Zeitverhältnisse mit den Tagen dieser beiden Personen verbunden und nicht etwa mit Ehud oder Debora.

Debora und Barak verschweigen und entschuldigen das Fehlverhalten des Volkes nicht. So können auch wir den niedrigen Zustand im Volk Gottes nicht einfach ignorieren und übersehen. Wir müssen Fehlverhalten beim Namen nennen und uns vom Bösen in unserem Leben distanzieren. Nur das führt zu geistlicher Wiederbelebung. Die beiden verschweigen aber auch nicht die Namen von Schamgar und Jael. Wer sich in einer Zeit allgemeinen Niedergangs auf Gottes Seite stellt und nicht vor dem Zeitgeist einknickt, wird von Gott registriert und geehrt.

Was von dieser Zeit gesagt wird, ist wenig schmeichelhaft:

  1. Es ruhten die Pfade, und die Wanderer betretener Wege gingen krumme Pfade: Das zeigt, dass Mobilität und Transport eingeschränkt waren und damit auch der Handel. Die Karawanenwege und Handelsrouten, die über Land führten (und besonders auch über die Ebene Jisreel), waren unterbrochen. Die üblichen Wege konnten aus Angst vor Übergriffen des Feindes nicht betreten werden. Deshalb musste man auf krumme Bergpfade (Schleichwege) ausweichen, die jeden Transport jedoch mühsam machten. Gott hatte das als Strafe vorausgesagt, wenn das Volk von Ihm abweichen würde (vgl. 3. Mo 26,22). Gott möchte nicht, dass sein Volk solche „krummen Wege“ geht, sondern „mitten auf den Steigen des Rechts“ (Spr 8,20). Er möchte, dass wir in unseren Herzen „gebahnte Wege“ (gerade, offene Wege) haben (Ps 84,6).
  2. Es ruhten die Landstädte in Israel: Die Übersetzung ist hier unklar. Dem Text der Elberfelder Bibelübersetzung folgend heißt das, dass die Landbevölkerung ihre offenen Städte und Dörfer (also solche ohne Stadtmauer) verlassen hatte und in die Städte gezogen war. Die Angst vor Übergriffen war zu groß. Die Folge davon war eine Verarmung des ganzen Volkes, denn das komplette Landleben einschließlich der Landwirtschaft kam damit praktisch zum Erliegen. Gott hatte dem Volk das ganze Land gegeben, aber durch eigenes Fehlverhalten mussten sie einiges davon aufgeben. Ähnlich mag es uns in geistlicher Hinsicht gehen. Es gibt Situationen, in denen das „normale“ Leben im Volk Gottes eingeschränkt ist.
    Andere Übersetzungen (wie z. B. Menge) haben hier den Wortlaut: „Es fehlte an Führern in Israel.“7 Das würde gut zu der folgenden Aussage passen: „… bis ich aufstand, … eine Mutter in Israel.“ Ein führerloses Volk ist den Feinden wehrlos ausgesetzt. So war es damals in Israel. So wird es heute sein, wenn keiner da ist, der bereit ist, Führungsverantwortung zu übernehmen.
  3. Israel erwählte neue Götter: Das war die eigentliche Ursache dafür, dass die Kanaaniter die Kinder Israel bedrückten. Die Hand Gottes lag wegen ihrer Untreue auf ihnen. Götzendienst war Gesetzesbruch und Rebellion gegen Gott. Es war geistlicher Ehebruch an dem, der sich mit diesem Volk vermählt hatte. Israel war von Anfang ihrer Geschichte an dem Götzendienst verfallen. Josua erinnert an die „alten Götter“ der Väter Israels, denen sie jenseits des Stromes und in Ägypten gedient hatten (Jos 24,14) und die sie offenbar während der Wüstenreise mitgenommen hatten (vgl. Hes 20,8). Jetzt im Land waren es „neue Götter“, die sie erwählten, die Götter der Völker, in deren Mitte sie wohnten und die sie hätten austreiben sollen. Dazu zählten der Baal (Herr) und die Astarot (Fruchtbarkeit und Liebe). Das Volk hatte den Herrn verlassen und sich anderen Göttern zugewandt. Auch wenn wir uns kaum unmittelbar vor Götzen und deren Bildern verbeugen, bleibt doch die Frage, wer der Herr unseres Lebens ist, wem unsere Liebe gilt und wem wir Frucht bringen. Die Ermahnung des Johannes bleibt aktuell: „Kinder, hütet euch vor den Götzen!“ (1. Joh 5,21).8
  4. Es war Kampf an den Toren: Die Bedrohung durch den Feind war allgegenwärtig. Offensichtlich waren die Landstädte eingenommen und die Agrarproduktion weitgehend eingestellt. An den Toren gab es Kampf, d. h. der Feind versuchte nun, sogar die ummauerten und geschützten Städte (solche mit Toren) einzunehmen.
  5. Es wurde weder Schild noch Lanze in Israel gesehen: Das beschreibt die militärische Situation. Schild und Lanze weisen hier zweifellos auf Gottes Wort hin. Wenn Gottes Wort nicht mehr die Waffe ist, kann es keinen Sieg über die Feinde geben. Entweder hatten die Israeliten keine Waffen, oder sie trauten sich nicht, sie zu benutzen. Wie sollte aber ein Volk ohne Waffen erfolgreich kämpfen? Der Schild ist eine Abwehrwaffe, die Lanze eine Angriffswaffe. Für unseren geistlichen Kampf heute benötigen wir ebenfalls Waffen – und zwar geistliche Waffen (2. Kor 10,4). Das sind vor allem das Wort Gottes und das Gebet. Epheser 6 beschreibt den Kampf des Christen gegen die Feinde in den himmlischen Örtern und zeigt uns, welche Waffen wir dazu brauchen (Eph 6,13-18). Wenn die Waffen fehlen, ist der Kampf verloren.9

Debora, eine Mutter in Israel

In Kapitel 4,4 wird Debora eine Prophetin genannt (das Lied zeigt, dass sie es war), die richtete. Doch hier nennt sie sich eine „Mutter in Israel“. Beides ist voneinander zu unterscheiden. Als „Mutter in Israel“ steht sie im Gegensatz zu der Mutter Siseras (vgl. Vers 28).

Im Volk Gottes gibt es „Väter in Christus“ und „Mütter in Christus“. Beides ist notwendig. Paulus vereinigte beides in sich (vgl. 1. Thes 2,6-12). Als Mutter war er zart gewesen, „wie eine nährende Frau ihre eigenen Kinder pflegt“. Als Vater hatte er die Gläubigen „ermahnt und getröstet“ und ihnen bezeugt, würdig des Gottes zu wandeln, der sie zu seinem eigenen Reich und seiner eigenen Herrlichkeit berufen hatte. Beides wird im Volk Gottes gebraucht – gerade in Zeiten von Niedergang und Verfall. Wie brauchen „Väter“ und „Mütter“, damit es gut steht im Volk Gottes und Erweckung möglich ist.

„Mütter in Christus“ sind Frauen von der Prägung einer Debora. Frauen, die in Gemeinschaft mit Gott leben, die seinen Willen kennen und geistliches Unterscheidungsvermögen haben. Frauen, die andere motivieren und unterstützen. Mit einer Mutter assoziieren wir Gedanken wie Liebe, Fürsorge, Nähe, Geborgenheit usw. Das kennzeichnet eine „geistliche Mutter“ im Volk Gottes.

Vierte Strophe: Glückliche Verhältnisse nach dem Kampf10

Verse 9–11: Mein Herz gehört den Führern Israels, denen, die sich freiwillig stellten im Volk. Preist den Herrn! Die ihr reitet auf weißroten Eselinnen, die ihr sitzt auf Teppichen und die ihr wandelt auf dem Weg, singt! Fern von der Stimme der Bogenschützen, zwischen den Schöpfrinnen, dort sollen sie preisen die gerechten Taten des Herrn, die gerechten Taten an seinen Landstädten in Israel. Da zog das Volk des Herrn hinab zu den Toren.

Führer und Geführte

Noch einmal preist Debora den Herrn dafür, dass es Führer in Israel gab und dass solche da waren, die sich freiwillig stellten (vgl. Vers 2). Hier fügt sie hinzu, dass ihr Herz diesen Führern gehörte. Damit will sie nicht sagen, dass Gott nicht den ersten Platz in ihrem Herzen hatte, sondern sie drückt ihre innere Freude darüber aus, dass es solche Führer gab. Wir sollten den Dank dafür im Volk Gottes heute nicht vergessen.

Ruhe nach dem Kampf

Die Ruhe nach dem siegreichen Kampf wird nun in poetische Weise in fünf Punkten beschrieben, und wieder ist die Übersetzung nicht immer eindeutig. Die Hauptgedanken werden jedoch klar. Alle im Volk Gottes – ob reich oder arm – sollen dem Herrn singen. Sie sollen die gerechten Taten des Herrn preisen – in den befestigten Städten und den Landstädten, denn der Kampf ist vorüber und Ruhe und Frieden sind wieder eingekehrt.

  1. Reiten auf weißroten (oder weißglänzenden) Eselinnen: Das Reiten auf Eselinnen war den Reichen in der Bevölkerung vorbehalten. Es war ein Zeichen von Wohlstand und Frieden.11 Sie sollten den Herrn loben.
  2. Sitzen auf Teppichen: Das mag ein Hinweis auf die Ruhe und die Sicherheit sein, die dem Kampf folgt.12
  3. Wandeln auf dem Weg: Gemeint sind solche, die zu Fuß gehen – und zwar nicht mehr auf krummen Pfaden, sondern auf den normalen Wegen. Das betrifft wohl eher die Ärmeren der Bevölkerung, die nicht auf Eselinnen ritten. Auch sie sollten einander die Taten Gottes erzählen.
  4. Fern von der Stimme der Bogenschützen: Das erinnert daran, dass der Kampf vorbei ist und die Kämpfer das Schlachtfeld verlassen haben.
  5. Zwischen den Schöpfrinnen: Die Schöpfrinnen (oder Brunnen) erinnern an Gottes Wort als die Quelle jeder geistlichen Erfrischung. Wo immer Gläubige sich treffen, können sie sich an Gottes Wort erfreuen.
  6. In den Landstädten Israels: Das ist ein Hinweis darauf, dass das Landleben wieder normal funktionierte und die Beziehungen im Volk Gottes intakt waren.13

Insgesamt gewinnt man den Eindruck eines normalen und friedlichen Lebens, in dem es keinen Kampf, sondern Ruhe und geordnete Verhältnisse gibt. So hätte es im Volk Gottes immer sein können, wenn es nicht immer wieder vom Herrn abgewichen wäre.

Das Volk des Herrn

Zum einzigen Mal im ganzen Buch der Richter wird Israel hier „Volk des Herrn“ genannt. Auch das weist auf geordnete und normale Verhältnisse hin. Die Tatsache, dass das Volk zu den Toren der Städte hinabzog, unterstreicht das. Es war wieder möglich, normal zu reisen. Vorher hatten sie Angst davor, zu den Toren zu gehen, weil dort Kampf herrschte. Jetzt war das kein Problem mehr. Es war wieder möglich, dass in den Toren Recht gesprochen wurde.

Für uns gilt, dass Gott solche „normalen Verhältnisse“ wünscht, in denen das Volk Gottes eine intakte Beziehung zu Ihm (vertikal) und miteinander (horizontal) hat, in Frieden zusammenlebt und sich nicht mit Feinden auseinandersetzen muss. Leider wissen wir nur zu gut, dass solche Phasen – wenn es sie überhaupt gibt – aufgrund unseres Fehlverhaltens nur kurz sind und Gott uns, wenn wir abweichen, erneut erziehen muss.

Fünfte Strophe: Die Reaktion einzelner Stämme

Verse 12–18: Wach auf, wach auf, Debora! Wach auf, wach auf, sprich ein Lied! Mach dich auf, Barak, und führe gefangen deine Gefangenen, Sohn Abinoams! Da zog hinab ein Überrest der Edlen und des Volkes; der HERR zog zu mir herab unter den Helden. Von Ephraim zogen hinab, deren Stammsitz bei Amalek ist; hinter dir her Benjamin, unter deinen Völkern; von Makir zogen hinab die Führer, und von Sebulon, die den Feldherrnstab halten. Und meine Fürsten in Issaschar waren mit Debora; und Issaschar gleich Barak; er wurde seinen Füßen nach ins Tal gesandt. An den Bächen Rubens waren große Beschlüsse des Herzens. Warum bliebst du zwischen den Hürden, das Flöten bei den Herden zu hören? An den Bächen Rubens waren große Beratungen des Herzens. Gilead ruhte jenseits des Jordan; und Dan, warum weilte er auf Schiffen? Aser blieb am Gestade des Meeres, und an seinen Buchten ruhte er. Sebulon ist ein Volk, das seine Seele dem Tod preisgab, auch Naphtali auf den Höhen des Feldes.

Eine doppelte Aufforderung

Debora fordert sich nun selbst auf, wach zu sein. Sie möchte, dass der Geist Gottes in ihr und durch sie wirken kann. Eine ähnliche Formulierungen finden wir im Propheten Jesaja (vgl. Jes 51,9.17; 52,1). Wir haben es nötig, geistlich wach zu sein und nicht zu schlafen (vgl. Eph 5,14). Wie leicht werden wir geistlich schläfrig und müssen uns selbst wachrütteln. Solche geistliche Schläfrigkeit zeigt sich, wenn wir keine Freude mehr am Bibellesen haben, wenn das Gebetsleben weniger wird und wir in den Zusammenkünften der Gläubigen lediglich körperlich anwesend sind. Was wir hören und lesen, berührt uns in solchen Zeiten innerlich wenig.

Debora wollte wach sein, um den Herrn zu loben. In Psalm 103,1 tut David es ähnlich: „Preise den Herrn, meine Seele, und all mein Inneres seinen heiligen Namen!“ Wir können uns selbst gar nicht genug motivieren, unseren Herrn zu preisen.

Die erste Aufforderung lautet: „Sprich ein Lied.“ Sie sagt nicht: „Sing ein Lied“, sondern sie will es sprechen. Es liegt auf der Hand, dass wir Lieder normalerweise singen. Wir lernen, dass es auf den Inhalt und nicht auf den musikalischen „Vortrag“ oder eine mögliche Begleitung durch Instrumente ankommt.

Die zweite Aufforderung richtet sich an Barak. Nur dann, wenn wir selbst geistlich wach sind, können wir andere motivieren, aktiv zu werden. Er soll sich aufmachen und seine Gefangenen gefangen führen. Sie würde das nicht tun, sondern Barak sollte es tun, denn er hatte – mit der Hilfe Gottes – den Sieg errungen. Diese Ehre gehörte ihm. Den Ausdruck „führe deine Gefangenen gefangen“ könnte man auch übersetzen mit „fange deine Fänger“ oder „führe deine Gefangenen vor“. Es ist ein Hinweis darauf, dass die Macht des Feindes gebrochen ist. Das, was das Volk gefangen gehalten hatte, war nun weggenommen. Das Volk war wieder frei. David macht in Psalm 68,19 eine Anspielung darauf, und dieser Vers wird in Epheser 4,8 von Paulus zitiert und auf Christus angewandt. Die Gefangenschaft ist dadurch abgewendet worden, dass Christus – der Hohe und Erhabene – in die tiefsten Tiefen (des Todes) hinabgestiegen ist. Durch den Tod hat Er dem die Macht genommen, der die Macht des Todes hatte. Er ist sozusagen für uns in die Gefangenschaft (den Tod) gegangen, um uns aus der Gefangenschaft zu befreien. So schwach und ängstlich Barak vorher gewesen war, als es um den Kampf ging, ist er im Moment des Sieges sogar ein Hinweis auf Christus selbst.

Ein Überrest der Edlen14

Ein Überrest ist ein Teil des Volkes. Es ist einerseits traurig, von einem Überrest zu lesen, denn wo ist der größere Teil des Volkes? Andererseits ist es ermutigend, denn die Existenz eines Überrests beweist, dass einige im Volk zu ihrem Herrn stehen. Und weil das so ist, ist der Herr mit ihnen. Er zog mit und war mitten unter ihnen. Das war die Garantie für den Sieg. Ähnlich – wenn auch in einem anderen Zusammenhang – wird dem schwachen Überrest, der aus Babel nach Jerusalem zurückgekehrt war, gesagt: „Ich mit bin euch, spricht der Herr“ (Hag 1,13).

Dieser Überrest wird hier „die Edlen“ und „die Helden“ genannt. In sich selbst waren sie alles andere als das. Es war eine überschaubare Armee von 10.000 Mann gewesen, während der Gegner allein über 900 eiserne Wagen verfügte. Dennoch sieht Gott sie so. Wir sollten lernen, das Volk Gottes – bzw. diejenigen, die treu zu Ihm stehen – mehr mit den Augen Gottes zu sehen und weniger mit ihren Fehlern und Schwächen. Paulus nennt die Glaubenden in Kolosser 3,12 „Auserwählte, Heilige und Geliebte“. Das ist die richtige Sichtweise.

Im Folgenden wird öffentlich gemacht, wer zu dem Überrest gehörte und wer nicht. Gott registriert sehr genau, wer sich im Kampf für Ihn engagiert und wer nicht. Er nimmt unsere Reaktion wahr. Es fällt auf, ob wir uns „drücken“ oder ob wir uns aktiv beteiligen, wenn ein Kampf zu kämpfen ist. Spätestens am Richterstuhl wird die Frage gestellt werden, wo wir waren, als es darauf ankam, sich zu engagieren.

Ephraim

Aus diesem Stamm kam Debora. Vielleicht erwähnt sie ihn deshalb zuerst. Der Stamm selbst war weit vom eigentlichen Kampfgeschehen (Hazor und Tabor) entfernt. Ephraim hatte sein Erbteil im Süden des Landes. Dennoch engagierten sie sich und kamen ihren Brüdern zur Hilfe. Es ist nicht ganz klar, was mit dem „Stammsitz“ Amalek gemeint ist, denn Ephraim hatte dort keine Wurzeln.15 Möglicherweise ist ein Wort nicht ganz korrekt wiedergegeben und es muss heißen, dass sie „ins Tal“ hinabzogen. Das würde sich dann auf den Abstieg vom Berg Tabor in die Ebene Jisreel beziehen, wo die eigentliche Schlacht stattfand.

Benjamin

Der Stamm Benjamin lag noch weiter südlich vom Ort des Geschehens. Doch auch dieser kleine Stamm lässt sich zum Kampf motivieren. Vielleicht folgen sie dem guten Beispiel Ephraims. Wir lernen daraus, dass es gut ist, Hilfe zu geben, selbst wenn die Not uns nicht direkt betrifft.

Makir

Makir war der einzige Sohn Manasses (1. Mo 50,23), so dass dieser Stamm gemeint ist. Vielleicht steht Makir für den Teil des Stammes Manasse, der sich am Westufer des Jordan niedergelassen hatte. Es ist nicht sicher. Interessant ist, dass hier von Führern die Rede ist, obwohl auch sie weit weg vom eigentlichen Geschehen lebten.

Sebulon

Von Sebulon wird vermerkt, dass sie den Feldherrnstab (oder Werber-Stab) halten. Offensichtlich kamen die Heerführer aus diesem Stamm bzw. es waren solche, die andere zum Kampf rekrutierten. Sie sorgen dafür, dass andere sich im Kampf engagieren. Sebulon war unmittelbar betroffen. Es war ein Nachbarstamm von Naphtali und ein Teil der Ebene, in der gekämpft wurde, gehörte zu seinem Stammesgebiet. Sie waren also bereit, besondere Verantwortung zu übernehmen. Viele Jahrzehnte später heißt es von Sebulon: „… die zum Heer auszogen, mit allen Kriegswaffen zum Kampf bereit, … und zwar um sich in Schlachtreihen zu ordnen mit ungeteiltem Herzen“ (1. Chr 12,34). Ihre Herzenshaltung erklärte ihren Einsatz.

Issaschar

Hier werden die Fürsten erwähnt, die mit Debora waren.16 Vermutlich bildeten diese Fürsten eine Art Leibwache für Debora, um sie als Frau besonders zu schützen. Die Aussage, dass er (Issaschar) mit Barak seinen Füßen nach ins Tal gesandt wurde, ist wahrscheinlich eine Anspielung darauf, dass sie vom Berg Tabor aus zu Fuß in die Ebene eilten, um dort dem Feind zu begegnen. Etwas freier übersetzt könnte man sagen: „Zu Fuß stürmten sie hinunter ins Tal.“ Die „Füße“ stehen hier im Gegensatz zu den eisernen Wagen des Feindes. Zu Fuß gegen einen solchen Feind anzutreten, erforderte gehörigen Mut.

Ruben

Mit Ruben beginnt die Beschreibung der Stämme, die sich nicht an dem Kampf beteiligten und die dafür kritisiert werden. Ruben fasste zwar feste Beschlüsse, doch es blieb bei Beschlüssen. Herzensentschlüsse sind wichtig und Beratungen können gut sein. Doch am Ende kommt es darauf an, dass man sich aktiv an dem Kampf beteiligt. Man kann nicht sagen, dass Ruben gleichgültig war, aber es fehlten die Konsequenz und die Nachhaltigkeit. Die langen Beratungen halfen nicht, weil nichts entschieden wurde. Die Ruhe an den Bächen und bei den Herden und die Musik schienen den Rubenitern wichtiger zu sein als der Kampf. Es fehlte an Glaubensenergie. Die großen Herden und die Musik mögen uns an Wohlstand, an die Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten des täglichen Lebens erinnern. Tatsächlich ist es oft bequemer, zu Hause zu bleiben, wenn andere für den Herrn aktiv sind. Wir werden vielleicht gefragt, an dieser oder jener Aktivität teilzunehmen, aber wir lehnen ab, weil uns andere Dinge wichtiger erscheinen.

Gilead

Von Gilead heißt es, dass die Leute dieses Stammes auf der anderen Seite des Jordan ruhten. Ausleger beziehen das auf den östlichen Teil von Manasse oder auch den Stamm Gad. Entscheidend ist, dass sie die Ruhe dem Kampf vorzogen. Vielleicht erschien es ihnen zu mühsam, den weiten Weg auf sich zu nehmen. Auf der anderen Seite des Jordan zu sein bedeutet im übertragenden Sinn, nicht verstanden zu haben, was es bedeutet, mit Christus auferweckt und versetzt worden zu sein in die himmlischen Örter. Jenseits des Jordan schätzt man den himmlischen Segen nicht und zieht die Ruhe dem Kampf vor. Müßiggang und Ruhe sind große Hindernisse im Leben eines Gläubigen, wenn es darum geht, sich für die Sache des Herrn einzusetzen und den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen.

Dan

Dan weilte auf Schiffen. Das scheint der Grund zu sein, warum die Daniter sich nicht an dem Kampf beteiligten. Es ist denkbar, dass sich dieser Stamm mit den zu See fahrenden phönizischen Händlern verbunden hatte und deshalb nicht an einem Kampf gegen die Kanaaniter teilnehmen wollte (die Phönizier waren ein Teil der Kanaaniter). Handel und Geschäftigkeit im Berufsleben führen oft zu unguten Kooperationen und können uns ebenfalls davon abhalten, den geistlichen Kampf zu führen. Vielleicht ist uns die berufliche Karriere wichtiger als die Sache unseres Herrn. Es gibt Gläubige, die beruflich so aktiv sind, dass scheinbar keine Zeit für die Interessen des Herrn bleibt.

Aser

Aser befand sich ganz in der Nähe des Schlachtfeldes. Dennoch zog Aser es vor, an der Küste zu bleiben und an den Meeresbuchten auszuruhen. Strände und Häfen waren ihm wichtiger als die Schlachtfelder seiner Brüder. Er pflegte den Müßiggang und tat scheinbar am liebsten gar nichts. Es ist in der Tat einfacher, in Ruhe zu Hause zu bleiben, im Wohnzimmer oder auf der Terrasse zu sitzen, als auf die Straße zu gehen und für den Herrn zu arbeiten. Auch unsere Hobbys können uns davon abhalten, uns für die Sache unseres Herrn zu engagieren.

Sebulon und Naphtali

Beide werden zum Abschluss zusammen erwähnt (Sebulon zum zweiten Mal). Gott vergisst nichts. Naphtali war der Stamm Baraks, der somit besonders betroffen war. Im Gebiet dieser beiden Stämme spielte sich der Kampf ab. Beide hatten also viel zu verlieren bzw. viel zu gewinnen. Beide engagierten sich bis zum Tod und waren bereit, ihr Leben zu lassen. Das erinnert an das, was Paulus über Priska und Aquila sagt, die bereit waren, für sein Leben „ihren eigenen Hals“ preiszugeben (Röm 16,3.4). Wir denken auch an die Überwinder in Offenbarung 12,11, die „ihr Leben nicht geliebt haben bis zum Tod“. Johannes erinnert uns daran, dass wir sogar schuldig sind, „für die Brüder das Leben hinzugeben“ (1. Joh 3,16). Paulus selbst ist darin ein Beispiel (vgl. Apg 20,24). In Philipper 2,30 erinnert er an Epaphroditus, der „um des Werkes willen“ sein Leben wagte und fast gestorben wäre. Solche Männer und Frauen werden im geistlichen Kampf gebraucht. Wir wollen uns fragen, was wir bereit sind, für die Sache unseres Herrn einzusetzen.

Juda und Simeon

Es fällt auf, dass die Stämme Juda und Simeon nicht erwähnt werden. Wir wissen nicht, warum das so ist. Einige Ausleger nehmen an, dass diese beiden Stämme möglicherweise im Kampf gegen die Philister engagiert waren und deshalb keine Truppenverbände in den Norden schicken konnten. Es mag sein, dass es so ist. Jedenfalls werden sie für ihr Fernbleiben nicht kritisiert.

Sechste Strophe: Sieg über die feindlichen Heere

Verse 19–23: Könige kamen, sie kämpften; da kämpften die Könige Kanaans bei Taanak an den Wassern Megiddos: Beute an Silber trugen sie nicht davon. Vom Himmel her kämpften, von ihren Bahnen aus kämpften die Sterne mit Sisera. Der Bach Kison riss sie weg, der Bach der Urzeit, der Bach Kison. Du, meine Seele, tritt auf in Kraft! Da stampften die Hufe der Pferde vom Rennen, dem Rennen ihrer Gewaltigen. Verflucht Meros!, spricht der Engel des Herrn, verflucht seine Bewohner! Denn sie sind dem Herrn nicht zu Hilfe gekommen, dem Herrn zu Hilfe unter den Helden.

Gottes Eingreifen

Die Verse 19–22 beschreiben den Kampf und wie Gott eingriff. Während wir in Kapitel 4 davon lesen, dass die Feinde mit der Schärfe des Schwertes Baraks und Israels besiegt wurden, besingen Debora und Barak das, was Gott tat. Sie schreiben den Sieg nicht sich selbst zu, sondern einzig und allein der Hilfe Gottes. Wir lernen daraus, dass jeder Glaubenssieg zwar zeigt, dass wir unserer Verantwortung entsprochen haben, die Ehre dafür jedoch Gott gehört.

Die Könige Kanaans kamen und kämpften, doch ihr Kampf war vergeblich. Es handelte sich nicht um Söldnertruppen, sondern die Soldaten waren Kanaaniter. Die Städte Taanach und Megiddo lagen am westlichen Ende der Jisreel-Ebene. Die Tatsache, dass Megiddo (Harmagedon) erwähnt wird, lässt uns an den großen Kampf der Endzeit denken, der ebenfalls in diesem Tal stattfinden wird (Off 16,16). Megiddo wird auch in der Geschichte des Königs Josia erwähnt (2. Chr 35,22). Es war ein Ort der Entscheidung, an dem große Schlachten ausgetragen wurden und werden. Die Soldaten Baraks kamen von Osten her in diese Ebene. Der Bach Kison (oder Kishon) floss ebenfalls am westlichen Ende der Ebene. Der Feldzug war vergeblich. Es gab keine Beute – weder an Menschen noch an Silber.

In Psalm 83 wird auf diese Schlacht Bezug genommen. Dort heißt es in den Versen 10 und 11: „Tu ihnen wie Midian, wie Sisera, wie Jabin am Bach Kison, die vertilgt wurden in En-Dor, die zum Dünger für den Erdboden wurden!“ Prophetisch spricht das von der großen Schlacht ganz am Ende der großen Drangsal, wenn der Überrest der Juden durch das Eingreifen des Herrn vom Himmel aus befreit werden wird (Off 19,11-21).17 Das zeigt, dass das Lied der Debora nicht nur historischen Wert hat, sondern zugleich an der einen oder anderen Stelle prophetische Züge aufweist. Das wundert nicht, weil sie ja eine Prophetin war.

Vers 20 macht deutlich, dass der Himmel in den Kampf eingriff und die Kanaaniter deshalb unmöglich erfolgreich sein konnten. Was genau geschah, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Der Text deutet an, dass möglicherweise die Wetterverhältnisse für Sisera und seine eisernen Wagen ungünstig waren. Regen und Hochwasser verhinderten es, dass die Wagen benutzt werden konnten. Es ist jedoch auch denkbar, dass Himmel und Sterne sich auf Engel beziehen, die – auf welche Weise auch immer – in den Kampf eingriffen. Wir erleben es ebenfalls, dass aussichtslose Kämpfe gewonnen werden, weil wir den Herrn auf unserer Seite haben. Unsere Verlegenheiten sind immer noch seine Gelegenheiten – und sei es, dass der Himmel selbst eingreift.

Vers 21a zeigt jedenfalls, dass es stark geregnet haben muss. Der Bach Kison war über alle Ufer getreten und hatte das Schlachtfeld in eine Schlammwüste verwandelt, so dass die Streitwagen der Kanaaniter neutralisiert wurden. Eine solche Flut wäre auch die Erklärung, dass Sisera zu Fuß floh und nicht auf einem Wagen. Das Ganze erinnert an die siebte Plage in Ägypten, wo Gott ebenfalls durch gewaltige Naturereignisse eingriff (2. Mo 9,23.24).

Tritt auf in Kraft

Vers 21b ist ein Zwischensatz. Debora fordert sich selbst auf, in Kraft aufzutreten. Die Kraft der Kanaaniter war gebrochen, die von Debora nicht. Das Eingreifen Gottes machte ihr Mut, und das wird bei uns nicht anders sein. Der Ausdruck „tritt auf“ wird in 5. Mose 33,29 mit den Worten wiedergegeben „einherschreiten auf den Höhen“ – und zwar als Beweis dafür, dass die Feinde besiegt sind. Der gute Kriegsmann Jesu Christi gibt sich nicht mit einem halben Sieg zufrieden. Er will den vollen Sieg und ist motiviert, die Sache vollständig zu Ende zu bringen.

Die Macht des Feindes neutralisiert

Vers 22 blickt zurück auf den Kampf und beschreibt die Flucht der Kavallerie der Feinde. Die Pferde der Gewaltigen der Kanaaniter stampften zwar, aber sie konnten kein Unheil mehr anrichten.

Fluch über Meros

Nun wird eine Stadt besonders erwähnt. Es ist kein Stamm – wie vorher –, sondern eine einzelne Stadt. Meros wird nur an dieser Stelle erwähnt. Man nimmt an, dass Meros eine direkte Nachbarstadt von Hazor war und dass keine andere Stadt näher lag.18 Das Fehlverhalten der Bewohner ist allerdings für alle Zeiten festgehalten. Im Kampf für den Herrn gibt es keine Neutralität. Entweder steht man auf der Seite des Herrn oder auf der Seite der Feinde (vgl. Lk 11,23). An der Stelle, wo sie hätten helfen sollen, taten sie es nicht. Scheinbar ermöglichten sie den Feinden die Flucht, statt sie auf dem Weg aufzuhalten. Auch hier bezieht Debora die Hilfeverweigerung nicht so sehr auf die Helden, sondern auf den Herrn. Indem den Helden (den israelitischen Soldaten) nicht geholfen wurde, wurde dem Herrn die Hilfe verweigert.

Der Fluch über Meros wird mit Nachdruck ausgesprochen. Wir sollten dabei nicht denken, dass es so etwas nur im Alten Testament gibt. Paulus schreibt den Korinthern: „Wenn jemand den Herrn Jesus Christus nicht lieb hat, der sei verflucht“ (1. Kor 16,22). Es ist jedenfalls gravierend, wenn man seiner unmittelbaren Verantwortung im geistlichen Kampf nicht nachkommt und sich sogar aktiv verweigert.

Für uns gilt, dass unterlassene Hilfeleistung an Gläubigen unterlassene Hilfeleistung an unserem Herrn ist. In Matthäus 25,40 belehrt der Herr seine Jünger, dass alles, was wir einander tun, dem Herrn getan wird. Im negativen Sinn gilt das ebenso. Wenn wir denen, die sich im Kampf für den Herrn engagieren, die nötige Hilfe verweigern, verweigern wir sie dem Herrn. Als Saulus von Tarsus die Gläubigen verfolgte, warf der Herr ihm vor, Ihn selbst zu verfolgen (Apg 9,4; 22,7; 26,14).

Siebte Strophe: Die Heldentat Jaels

Verse 24–27: Gesegnet vor Frauen sei Jael, die Frau Hebers, des Keniters, vor Frauen in Zelten gesegnet! Wasser verlangte er, Milch gab sie; in einer Schale der Edlen reichte sie geronnene Milch. Ihre Hand streckte sie aus nach dem Pflock und ihre Rechte nach dem Hammer der Arbeiter; und sie hämmerte auf Sisera ein, zerschmetterte sein Haupt und zerschlug und durchbohrte seine Schläfe. Zwischen ihren Füßen krümmte er sich, fiel, lag da; zwischen ihren Füßen krümmte er sich, fiel; da, wo er sich krümmte, fiel er überwältigt.

Jaels Hintergrund

Die Heldentat Jaels wird in Richter 4 ausführlich beschrieben. In Vers 17 lernen wir zunächst, dass Jael die Frau Hebers war. Sie brachte keine idealen Voraussetzungen mit, Israel im Kampf gegen die Feinde zu helfen. Zum einen war Heber ein Keniter, von den Kindern Hobabs, des Schwagers Moses, d. h. er stammte von den Midianitern ab. Hinzu kam, dass er sich offensichtlich mit den Feinden verbündet hatte, denn es war Frieden zwischen ihm und Jabin, dem König der Kanaaniter. Eigentlich waren die Keniter im Süden des Landes angesiedelt und kollaborierten mit den Israeliten. Anders Heber. Er wohnte im Norden und hatte mit Jabin paktiert (Ri 4,17). Trotz ungünstiger Voraussetzungen handelt seine eigene Frau dennoch zum Guten des Volkes Gottes.19

Der Name Jael ist ein hebräischer Name und bedeutet „Bergziege“ oder „Wildziege“. Es ist also denkbar, dass sie eine Israelitin war, die mit einem Keniter verheiratet war. Vielleicht war das sogar der Grund, warum sie bereit war, die sich bietende Gelegenheit zu nutzen, dem Volk ihrer Väter zu helfen. Jedenfalls steht sie in einem bemerkenswerten Kontrast zu Meros. Die israelitische Stadt Meros versagt, die Frau eine heidnischen Mannes hingegen gibt Hilfestellung. Meros schlägt sich auf die Seite der Feinde. Jael schlägt sich auf die Seite der Kinder Israel. Wie so oft im Buch der Richter kommt Hilfe von unerwarteter Seite. Gott ist souverän in der Auswahl seiner Werkzeuge. Er wählt nicht die Begabten aus, sondern begabt die Erwählten. Das tut Er bis heute.

Was Jael getan hatte, war bis zu diesem Zeitpunkt verborgen. Niemand wusste davon. Es geschah in ihrem Zelt und niemand war dabei. Doch Gott sorgt dafür, dass es bekannt wurde und ans Licht kam. In Lukas 12,8.9 spricht der Herr davon, dass sich der Sohn des Menschen zu denen bekennt, die auf seiner Seite stehen und sich zu Ihm bekennen. Das wird in der Geschichte Jaels illustriert. Jael war in ihrem Bereich (dem Zelt) treu und stand auf der richtigen Seite.

Jaels List

Was Jael tat, war einerseits grausam. Andererseits war es eine Heldentat. Es gibt Kommentatoren, die Jael dafür kritisieren, dass sie listig und grausam vorging. Die Bibel kritisiert sie dafür nicht. Man muss bedenken, dass in Kriegszeiten List und Grausamkeit Teil der „Regeln“ waren. Wenn man den Bibeltext liest, kann man nur schlussfolgern, dass Gott mit dem, was sie tat, einverstanden war.

Jael lockte Sisera in eine Falle. Sie handelte nicht übereilt, sondern wartete den richtigen Zeitpunkt ab. Er verlangte Wasser. Das tat er zum einen, weil er von der Kampfhandlung und der Flucht tatsächlich durstig war. Andererseits entsprach es den damaligen Gepflogenheiten, dass man in einem Haus sicher war, in dem man Wasser zu trinken bekam. Jael gibt ihm nicht nur Wasser, sondern sogar geronnene Milch (Sahne, Dickmilch oder Joghurt). Sie tat mehr, als die normale Gastfreundschaft erforderte. Das Gefäß war eine „Schale der Edlen“, d. h. eine besonders schöne (oder herrliche) Schale. Sie behandelte ihn wie einen besonderen Ehrengast. Dadurch fühlte Sisera sich sicher, und diese Scheinsicherheit nutzte Jael aus, um ihn gewaltsam zu töten.

Jaels Tat

Schließlich tötete Jael Sisera mit einem Pflock und einem Hammer. Sie benutzte kein Schwert, sondern ein Werkzeug, mit dem sie vertraut war und mit dem sie umgehen konnte. Es war damals unter den Nomaden üblich, dass die Frauen die Zelte aufbauten. Sie taten das, indem sie die Zeltpflöcke mit einem Hammer in die Erde einschlugen. Einen solchen Pflock benutzte sie für ihre grausame Tat. Sie handelte mutig und entschlossen, denn schließlich war Sisera ein erprobter Kämpfer. Es fällt auf, dass der Text vier verschiedene Worte gebraucht, um zu beschreiben, was passierte: Sie hämmerte, sie zerschmetterte, sie zerschlug und durchbohrte.

Interessant ist, dass sie ihre rechte Hand dazu benutzte (das wird in Kapitel 4 nicht gesagt). Die rechte Hand spricht von Kraft. Obwohl sie eine Frau war (ein „schwächeres Gefäß“), handelte sie in der Kraft Gottes. Für uns liegt darin die Lektion, dass wir gerade dann, wenn wir schwach sind (und das zugeben), stark in dem Herrn sein können (2. Kor 12,10). Wir lernen ebenfalls, dass Gott manchmal „einfache“ und „unscheinbare“ Menschen benutzt, um große Siege zu erringen. Jael war das, was wir heute eine „Hausfrau“ nennen würden. Gott ist in der Auswahl seiner Leute souverän. Hier gebraucht Er keinen erprobten Kriegshelden, sondern eine Frau, die wusste, wie man mit einem Hammer umging. Nicht mehr und nicht weniger.

Jael ließ Sisera keine Chance zur Gegenwehr. Der Feind wurde vollständig besiegt. Der Hammer in der Hand Jaels lässt uns ohne Zweifel an das Wort Gottes denken (ebenso wie das Schwert in der Hand Baraks). Durch Jeremia lässt Gott uns sagen: „Ist mein Wort nicht so – wie Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert?“ (Jer 23,29). Im gleichen Propheten lesen wir später: „Du bist mir ein Hammer, eine Kriegswaffe; und mit dir zerschmettere ich Nationen, und mit dir zerstöre ich Königreiche“ (Jer 51,20). Genau das tat Jael und genau das tun wir heute. Jael wusste genau, wie man mit dem Hammer umgehen musste. Sie hatte es gelernt. In unserem geistlichen Kampf (wir kämpfen nicht gegen Fleisch und Blut!) besiegen wir den Feind nur mit dem Wort Gottes. Voraussetzung ist, dass wir dieses Wort kennen und gebrauchen können.

Die Tatsache, dass Jael Sisera den Kopf zertrümmerte, lässt uns an eine Aussage von Paulus denken. Er schreibt: „… denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern göttlich mächtig zur Zerstörung von Festungen, indem wir Vernunftschlüsse zerstören und jede Höhe, die sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam des Christus“ (2. Kor 10,4.5). Gerade intellektuelle Angriffe werden wir nur dann erfolgreich abwehren können, wenn wir die Waffe des Wortes benutzen und wie unser Herr auf das geschriebene Wort Gottes verweisen (Mt 4,4-10).

Siseras Tod

Der Tod Siseras wird bereits in Kapitel 4 erwähnt. Dort liest es sich allerdings so, als ob er sofort tot gewesen wäre. Das Lied Deboras zeigt, dass es scheinbar einen Moment dauerte, bis er tatsächlich tot war. Er krümmte sich zwischen Jaels Füßen, lag dort und wurde überwältigt. Was er noch davon mitbekommen hat, wissen wir nicht. Jedenfalls war es für ihn als Heerführer schmählich, von einer Frau besiegt zu werden und zwischen ihren Füßen zu sterben.

Die Wirkung des Wortes Gottes ist immer gewaltig. Von Jael hatten wir gelesen, dass sie hämmerte, zerschmetterte, zerschlug und durchbohrte. Von Sisera heißt es nun zweimal, dass er sich krümmte, dass er fiel, dass er da lag und dass er überwältigt wurde (auch hier werden vier verschiedene Ausdrücke gebraucht). Das Wort Gottes besiegt die Feinde, deren Macht nun völlig gebrochen ist.

Gott benutzte nicht nur eine Frau – Debora –, um Barak zum Kampf zu motivieren. Er benutzte ebenso eine Frau, um den Heerführer der Feinde zu vernichten. Damit erfüllten sich die Worte Deboras aus Richter 4,9. Sie hatte vorausgesagt, dass nicht Barak die Ehre bekommen würde, sondern dass Gott Sisera in die Hand einer Frau verkaufen würde. Letztlich war es Gott, der den Sieg brachte und Jael befähigte, den Hammer richtig zu gebrauchen. Doch dazu benutzte Er Jael, die ihrerseits bereit war, sich von Gott benutzen zu lassen. Hätte Jael sich verweigert, wäre sie nicht zur Heldin geworden.

Achte Strophe: Die Mutter Siseras und die Edelfrauen der Kanaaniter

Verse 28–30: Aus dem Fenster spähte Siseras Mutter und rief ängstlich durchs Gitter: Warum zaudert sein Wagen zu kommen? Warum zögern die Tritte seiner Gespanne? Die Klugen unter ihren Edelfrauen antworten ihr, und sie selbst erwidert sich ihre Reden: Finden sie nicht, teilen sie nicht Beute? Ein Mädchen, zwei Mädchen auf den Kopf eines Mannes? Beute an bunten Gewändern für Sisera, Beute an bunt gewirkten Gewändern; zwei bunt gewirkte Gewänder für den Hals der Gefangenen.

Siseras Mutter und ihre Frage

Der Kontrast zwischen den zwei Frauen könnte nicht größer sein. Eine „einfache Hausfrau“ tötet den Sohn einer vornehmen und edlen Mutter. So schreibt Gott sein Wort.

Wir können gut verstehen, dass die Mutter Siseras sich Sorgen um den Verbleib ihres Sohnes machte. Warum kam er nicht nach Hause? Warum zögerten seine Wagen zu kommen? Sie wird es oft erlebt haben, dass ihr Sohn siegreich und mit Beute zurückkehrte. Sollte es dieses Mal anders sein? Die Kommunikation war anders als heute und demzufolge die Berichterstattung vom Schlachtfeld.

Die Antwort der Klugen unter ihren Edelfrauen

Die Klugen unter den Edelfreuen (oder Fürstinnen) am Hof geben ihr Antwort und versuchen, sie zu beruhigen. Es scheint, dass Siseras Mutter selbst mit einstimmt, d. h. sie selbst erwidert sich und redet sich ein, dass es doch nicht anders sein kann. Sie erinnern sich daran, wie es oft gewesen war. Sisera und seine Männer kehrten mit Beute nach Hause. So vermutet sie (oder redet sich ein), dass Sisera noch damit beschäftigt ist, Beute einzusammeln und die Frauen zusammenzutreiben. Es würde noch etwas dauern, bis sie die Wahrheit erkannte.

Zunächst sprechen sie von den Mädchen: „Ein Mädchen, zwei Mädchen auf den Kopf eines Mannes“. Gemeint ist, dass die Frauen besiegter Feinde häufig zur sexuellen Befriedigung der Sieger mitgebracht oder als Sexsklavinnen gehalten wurden.20 Das entsprach damaligen Kriegssitten. Die Frauen der Sieger schienen das als normal zu empfinden.

Dann ist die Rede von bunten Kleidern für den Hals der Gefangenen, und zwar zur Beute für Sisera und für den Hals der Gefangenen. Der hebräische Text gebraucht zwei verschiedene Ausdrücke für Kleider. Das eine ist Beute für die Sieger, das andere Bekleidungsstück hat mit den Besiegten zu tun. Allerdings ist die Übersetzung schwierig. Wenn es tatsächlich für die Besiegten war, dann diente es dazu, sie zu verhöhnen. Wahrscheinlicher ist, dass diese bunten Kleider für diejenigen waren, die die Beute gemacht hatten, d. h. sehr wahrscheinlich für die edlen Frauen und Fürstinnen, die sich damit schmücken wollten. Wenn das zutrifft, dann sollte die Beute benutzt werden, um zu zeigen, wie groß der Sieg gewesen war. Es geht um nichts anderes als um die eigene Ehre.

Epilog: Zwei Wünsche

Vers 31: So mögen umkommen alle deine Feinde, Herr! Aber die ihn lieben, seien, wie die Sonne aufgeht in ihrer Kraft!

Ein Paradigmenwechsel

Das Lied endet abrupt. Debora und Barak reden nicht weiter über die Mutter Siseras. Sie sprechen einen doppelten Wunsch aus: Zum einen sollen alle Feinde des Herrn umkommen. Im Gegensatz dazu sollen diejenigen, die den Herrn lieben, wie die Sonne sein, die in ihrer Kraft aufgeht.

Sieg über die Feinde

Der Ruf nach Rache ist typisch für das Denken im Alten Testament. Für das irdische Volk Gottes ist die Befreiung von den Feinden immer mit dem Wunsch nach Gericht über die Feinde verbunden. Wir sehen das z. B. in der Weissagung Bileams (4. Mo 24,17-24) oder in dem Lied Davids (2. Sam 23,3-7). Zahlreiche Psalmen rufen nach Rache. Als Christen beten wir anders. Wir lieben unsere Feinde und tun denen wohl, die uns hassen (Lk 6,27). Wir beten für sie (Mt 5,44). Wir lernen also hier durch einen Kontrast.

Doch es gibt noch eine andere Lektion für uns: Debora und Barak sprechen nicht über die Feinde des Volkes Israel, sondern über die Feinde des Herrn. Es ist ihnen klar, dass jeder Angriff gegen Gottes Volk ein Angriff gegen Gott ist. Wer gegen Israel kämpft, fällt unter den Fluch, den Gott selbst ganz am Anfang seines Handelns mit Abraham ausgesprochen hatte: „Wer dir flucht, den werde ich verfluchen“ (1. Mo 12,3). Das ist bis heute nicht anders. Wer Gottes Volk angreift, greift Gott an (vgl. Apg 9,4; 22,7; 26,14).

Der Wunsch der Sänger wird einmal erfüllt werden. Im kommenden Reich wird es tatsächlich so sein, dass alle Feinde zuvor umgekommen sind. Bis dahin hat es immer Feinde gegeben, die Gottes „Augapfel“ (Sach 2,12) angegriffen haben.

Die Ihn lieben, seien wie die Sonne

Der zweite Wunsch hat zeitlose Bedeutung. Niemand kann die Sonne aufhalten, wenn sie am Morgen aufgeht und sich kraftvoll Bahn bricht. Das Licht und die Wärme der Sonne sind unabänderbar. So soll jeder sein, der Gott liebt. Es ist denkbar, dass Salomo sich an dieses Gebet erinnerte, als er in Sprüche 4,18 schrieb: „Aber der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe.“ Völlig sichtbar wurde das im Leben des Menschen Jesus Christus auf der Erde.

Daniel drückt es etwas anders aus. Er sagt: „Und die Verständigen werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und die, welche die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne, immer und ewig“ (Dan 12,3). Was heute prinzipiell für jeden gilt, der Gott liebt, wird sich im kommenden Reich ebenfalls erfüllen. Dann werden die Gerechten (das sind solche, die Gott lieben) tatsächlich sein wie die Sonne in ihrer Kraft. Dann erfüllen sich die Worte des Psalmdichters in Psalm 89,37: „Sein Same wird ewig sein und sein Thron wie die Sonne vor mir.“ Und auch die Worte des Herrn in Matthäus 13,43: „Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in dem Reich ihres Vaters.“

Für uns bleibt die Frage, ob wir heute zu diesen „Gerechten“ gehören (gemeint ist praktische Übereinstimmung mit dem offenbarten Willen Gottes), die Gott lieben. Von solchen sagt der Herr: „Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote“ (Joh 14,15). Das ist der Beweis, ob wir Ihn lieben oder nicht.

Das Lied endet mit einem Hinweis auf die Sonne. Für Israel ist das in letzter Konsequenz ein Hinweis auf den Messias. Er ist die „Sonne der Gerechtigkeit“, die einmal aufgehen wird „mit Heilung in ihren Flügeln“ (Mal 3,20). Ganz anders endet das Neue Testament. Wir warten nicht zuerst auf die Sonne der Gerechtigkeit und das kommende Reich21, sondern wir warten auf den „glänzenden Morgenstern“, der kommen wird (Off 22,16). Gerne sagen wir: „Amen; komm, Herr Jesus!“ (Off 22,20).

Fußnoten

  • 1 Sie nehmen folgende Einteilung vor: Teil 1: Vor der Schlacht (Verse 1–11). Teil 2: Während der Schlacht (Verse 12–22). Teil 3: Nach der Schlacht (Verse 23–31). Es ist zu beachten, dass jede menschliche Einteilung nur eine Hilfskonstruktion ist, die dazu dient, den Text besser zu erfassen. Deshalb gibt es häufig mehrere Möglichkeiten der Texteinteilung.
  • 2 Diese Bezeichnung teilt sie nur mit zwei anderen namentlich bekannten Frauen im Alten Testament, nämlich mit Mirjam und Hulda (vgl. 2. Mo 15,20; 2. Kön 22,14). Man könnte noch die Frau Jesajas nennen (Jes 8,3). Im negativen Sinn wird eine weitere Prophetin in Nehemia 6,14 genannt. Im Neuen Testament werden die Prophetin Anna erwähnt (Lk 2,36) und die Töchter des Philippus, die weissagten (Apg 21,9).
  • 3 Die generellen Anweisungen, dass die Frauen in den Zusammenkünften nicht reden sollen, dass sie nicht lehren und über den Mann herrschen sollen, bleiben zeitlos gültig (1. Kor 14,34-36; 1. Tim 2,12). Gott hebt diese Beschränkungen nicht auf.
  • 4 Im weiteren Verlauf dies Liedes ist noch zehn Mal von Gott als dem „Herrn“ die Rede.
  • 5 Der Rückbezug auf 5. Mose 33 zeigt uns, dass der Gläubige gerade in Zeiten von Niedergang und Verfall zu den Wahrheiten des Anfangs zurückkehren sollte. „Was von Anfang war“ ist und bleibt ein großes Hilfsmittel der Treuen zu jeder Zeit (1. Joh 1,1)
  • 6 Die Tradition der Rabbiner hat daraus geschlossen, dass Jael ebenfalls eine Richterin war. Dies ist jedoch kaum anzunehmen, zumal sie von den Kenitern (den Verwandten der Frau des Mose) abstammte und somit nicht zum Volk Gottes gehörte.
  • 7 Es gibt einige Passagen bzw. Ausdrücke in diesem Lied, die nicht eindeutig zu übersetzen sind. Dies ist nicht weiter verwunderlich, weil es sich um hebräische Poesie handelt, in der (ähnlich wie in der deutschen Poesie) oft Worte gebraucht werden, die sonst eher unüblich sind. Das Lied enthält tatsächlich einige Ausdrücke, die sonst an keiner Stelle im Alten Testament vorkommen.
  • 8 Es gibt Ausleger, die den Ausdruck „Götter“ mit den Richtern oder Führern verbinden. In der Tat werden solche Führer manchmal „Götter“ genannt (vgl. 2. Mo 4,16; Psalm 82). Wenn man das mit dem „Kampf in den Toren“ (da, wo Recht gesprochen wird) verbindet, könnte man daran denken, dass die erwählten Führer in Israel (die nicht von Gott bestimmt waren) nicht für Ruhe und Frieden, sondern für Unruhe und Streit sorgten. Wenn Führer nicht als Vorbilder der Herde fungieren, sondern an ihren eigenen Profit denken, ist das Ergebnis entsprechend.
  • 9 Es ist klar, dass es in Epheser 6 nicht nur um das Wort Gottes und das Gebet als Waffen geht, sondern vor allem um das praktische Verhalten des Christen im Alltag.
  • 10 Es sei darauf hingewiesen, dass einige Ausleger diese Beschreibung ebenfalls mit der Situation vor dem Kampf verbinden. Wenn man dieser Erklärung folgt, beschreibt Debora diejenigen, die lieber in Ruhe und Sorglosigkeit lebten, anstatt mit in den Kampf zu ziehen. Dies scheint jedoch im Zusammenhang der Verse und des ganzen Liedes kaum der richtige Ansatz zu sein. Wenn man diese Verse so erklären will, kommt man jedenfalls an einigen Stellen in Erklärungsnot.
  • 11 Als unser Herr als Messias in Jerusalem einzog, saß Er auf einem Esel (Sach 9,9; Mt 21,1-5).
  • 12 Eine alternative Erklärung verbindet das Sitzen auf Teppichen mit dem Reiten auf Eseln, d. h. die Teppiche dienten als eine Art „Sattel“.
  • 13 Analog zu Vers 7 übersetzen hier einige: „Dort preist man die Heilstaten des Herrn, die Heilstaten seiner Führerschaft in Israel.“
  • 14 Andere übersetzen hier: „… da zog ein Überrest (das, was entronnen war) zu den Edlen des Volkes“.
  • 15 Einige Ausleger verbinden Amalek mit dem Fleisch (der Sünde, der alten Natur) in dem Gläubigen und sehen hier solche, die den Lüsten des Fleisches nicht nachgeben wollten, sondern sich für das Interesse des Volkes Gottes einsetzten.
  • 16 Einige Ausleger denken, dass es Barak ist, der hier über Debora spricht. Das ist möglich, muss aber nicht zwingend so sein. Es ist möglich, dass Debora in der dritten Person von sich spricht.
  • 17 Harmagedon wird mit „Gebirge (oder Berg) von Megiddo“ wiedergeben. In Offenbarung 19,11-21 befindet sich das abtrünnige Volk der Juden im Kampf gegen den König des Nordens. Der Kampf wird – wie in Richter 4 – durch den Himmel entschieden. Der Herr selbst kommt mit seinen himmlischen Kriegsheeren, um die Feinde zu besiegen.
  • 18 Meros wird von einigen Auslegern übersetzt mit: „gebaut aus Zedern“. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Bewohner von Meros lieber in ihren eigenen Zedernhäusern bleiben wollten und deshalb kein Engagement für den Kampf zeigten. Wenn dem so ist, dann erinnern die Worte Deboras an das, was Gott später über den Überrest der Juden sagen musste, die lieber in ihren eigenen getäfelten Häusern wohnten und sich nicht für den Tempelbau interessierten (Hag 1,2-4.9). Die Warnung an uns liegt auf der Hand.
  • 19 In dieser Hinsicht kann man Jael mit Rahab vergleichen, die ebenfalls im richtigen Moment erkannte, dass es notwendig war, die Seite zu wechseln. Menschlich gesprochen war ihr Verhalten Landesverrat, doch Gott benutzte sie zum Segen für sein Volk und errichtete ihr in seinem Wort ein Denkmal.
  • 20 Das Wort „Mädchen“ kann auch mit „Schoß“ oder „Gebärmutter“ übersetzt werden, ein Hinweis, dass diese Frauen die siegreichen Soldaten sexuell befriedigen sollten.
  • 21 Damit ist nicht gesagt, dass wir nicht auch auf das Reich warten. Wir lieben seine Erscheinung (2. Tim 4,8), die dem Reich vorausgeht. Dennoch ist es nicht die typische christliche Hoffnung. Wir warten zuerst auf den Morgenstern, d. h. auf den Herrn, der uns entrücken wird. Das ist typisch christlich.