Die Sterne und die Bibel

Die Himmelskörper in irdischer Sicht

Wenn ich anschaue deinen Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, dass du sein gedenkst? (Psalm 8,3+4)

Relativ, d. h. von der Erde aus gesehen, sind Sonne und Mond groß - sie sind scheinbar gleich groß - und die Sterne klein, nur Lichtpunkte, manche hell, viele sehr schwach leuchtend. Von diesem Standpunkt aus, den wir im praktischen Leben ständig einnehmen, ja, einnehmen müssen, geht der Schöpfungsbericht aus, wenn es in 1. Mose 1,16 heißt: „Und Gott machte die zwei großen Lichter: das große Licht zur Beherrschung des Tages, und das kleine Licht zur Beherrschung der Nacht, und die Sterne“. Der Ausdruck „die zwei großen Lichter“ sowie die summarische Anfügung „und die Sterne“ zeigen dies deutlich. Dass die Sonne sowohl als auch der Mond „die zwei großen Lichter“ genannt werden, hängt mit der sich dem Auge darbietenden Erscheinung zusammen; beide Himmelskörper haben für einen Beobachter auf der Erde, wie schon bemerkt, fast die gleiche Größe und erscheinen uns sehr viel größer als die Sterne. Hinsichtlich der Lichtfülle und Lichtintensität aber besteht ein großer Unterschied, da ist die Sonne „das große Licht“ und der Mond „das kleine Licht“. Den Sternen kommt in dieser Beziehung nur eine untergeordnete Bedeutung zu.

In diesem Zusammenhang ist es auffallend, dass in Psalm 19 zuerst von dem Sternenhimmel und der vom Firmament ausgehenden Ordnung und dann erst von der Sonne geredet wird, die doch für irdische Begriffe der weitaus auffallendste Himmelskörper ist. Denn in den ersten 6 Versen wird das Zeugnis der Schöpfung, des ersten und grundlegenden Buches Gottes, vorgestellt, und da ist, vom absoluten Standpunkt aus gesehen, der Himmel mit seinen zahlreichen Heeren mehr als die Sonne, die erst am Schluss des 4. Verses erwähnt wird.

„Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk. Ein Tag berichtet es dem anderen, und eine Nacht meldet der anderen die Kunde davon“ (V. 1+2). Die ruhige und besinnliche Betrachtung des gestirnten Himmels beeindruckt den Menschen sehr und bringt ihm seine Kleinheit zum Bewusstsein. Die Predigt des Sternenhimmels von der Größe und Majestät Gottes geschieht lautlos und unaufdringlich und ist doch unüberhörbar: „Keine Rede und keine Worte, doch gehört wird ihre Stimme“ (V. 3). Der Mensch, das geringe, ohnmächtige Wesen, ist verantwortlich, diese Botschaft anzuhören und ihre Lehren zu beherzigen, und es hat wohl noch nie eine Zeit gegeben, in der dies nötiger gewesen wäre als jetzt.

Cicero, gest. 43 v. Chr., sagt hierzu: „Ist es möglich, dass wir zum Firmament aufschauen und die Himmelskörper betrachten, ohne zu einer Überzeugung von Gottes Dasein zu kommen? Sind wir nicht genötigt anzuerkennen, dass es eine Gottheit gibt, ein vollkommenes Wesen, einen alles beherrschenden Verstand, einen Gott, der überall ist und alles durch Seine Macht regiert? Wer das bezweifeln wollte, könnte gerade so gut leugnen, dass es eine Sonne gibt, die uns leuchtet. Die Zeit zerstört alle falschen Anschauungen, bestätigt aber die, welche in der Natur der Dinge begründet sind.“

Im Jahre 1843 schrieb Prof. Dr. A. Tholuck: „Und wenn alle Prediger auf Erden verstummen, und wenn kein Menschenmund mehr von Gott erzählte, dort oben erzählt und verkündigt es ohne Aufhören von Seiner großen Ehre und Herrlichkeit. Es predigt ohne Aufhören, denn wie in ununterbrochener Kette wird solche Botschaft von einem Tage an den anderen, von einer Nacht an die andere überliefert, so dass, wenn der eine Herold schweigt, der andere seine Rede schon wieder beginnt. Dieselben Schauspiele der Herrlichkeit entfaltet ein Tag wie der andere, dieselben Wunder der Majestät führt eine Nacht wie die andere vor. Wohl ist es still und leise in der weiten Natur, wenn im Blau des Tageshimmels die Sonne in ihrer Pracht am höchsten steht, wohl feiert die Welt zur Nachtzeit, wenn die Sterne am hellsten glänzen, in heiligem Schweigen; aber, sagt der Sänger, dennoch redet es, ja, das heilige Schweigen ist selbst eine Rede, wenn nur Ohren da sind, um zu vernehmen.“ Diese Worte aus alter und neuer Zeit sind noch immer richtig, und man kann daher nur wünschen: Mögen die stillen und doch so beredten Zeugen da droben viele andächtige und lernwillige Zuhörer finden, die sich vor Gott gestellt wissen!

Die Sonne durchläuft in Stunden ihre Bahn und ist somit für uns ebenso wie der Mond und die Planeten ein Wandelstern. In dichterischer Sprache heißt es in Psalm 19: „Und sie ist wie ein Bräutigam, der hervortritt aus seinem Gemach; sie freut sich wie ein Held, zu durchlaufen die Bahn. Vom Ende der Himmel ist ihr Ausgang, und ihr Umlauf bis zu ihren Enden; und nichts ist vor ihrer Glut verborgen“ (V. 5+6). Wer hätte nicht schon ihre große Kraft an wolkenlosen Sommertagen verspürt, unter ihren sengenden Strahlen geseufzt! Man kann sie nicht mit ungeschütztem Auge ansehen, ohne geblendet zu werden. Dies wird uns noch bedeutsamer, wenn wir daran denken, dass der glühende Sonnenball, die Quelle dieser ungeheuren Energiemengen, in einer Entfernung von etwa 150 Millionen Kilometern von uns schwebt. Wahrlich, ein Bild von Majestät und Kraft! 1

Die Gestirne, die ihre Bahnen ziehen, wie auch die übrige Schöpfung in ihrer Mannigfaltigkeit und Schönheit, zeugen laut von ihrem Urheber, der selbst zwar für Menschen unsichtbar ist, sich aber in Seinen Werken geoffenbart hat: „weil das von Gott Erkennbare unter ihnen (den Menschen) offenbar ist, denn Gott hat es ihnen geoffenbart, — denn das Unsichtbare von ihm, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden, wird geschaut“ (Römer 1,19+20).

Diesem über alle Begriffe erhabenen Gott soll der Mensch Ruhm und Ehre darbringen, Ihm für Seine Güte danken und Ihm dienen. Was läge wohl näher als das! Geht man zu weit, wenn man sagt, dass dies der selbstverständlichste aller Gedanken ist?

Leider ist die Menschheit einen anderen Weg gegangen und hat sich von ihrem Schöpfer abgewandt. So ist sie in Bezug auf Ihn und Seine Erkenntnis in tiefe Finsternis und große Torheit verfallen. Dies ging so weit, dass die Menschen statt dem Schöpfer-Gott dem Geschöpf göttliche Verehrung darbrachten, also zum Götzendienst hinabsanken. Dass dann auch die Himmelskörper verehrt wurden, liegt auf derselben Linie. Besonders war es die Sonne, die als die Lebensspenderin angebetet wurde, oft als die höchste Gottheit. Selbst bei dem Volk der Juden, dem Gott sich oft und vielfältig geoffenbart hatte, war es dahin gekommen, dass die Himmelskörper verehrt wurden; denn von dem gottesfürchtigen König Josia wird berichtet: „Und er schaffte die Götzenpriester ab, welche die Könige von Juda eingesetzt hatten ... ; und die, welche dem Baal, der Sonne und dem Monde und dem Tierkreise und dem ganzen Heere des Himmels räucherten“ (2. Kön. 23,5).

Der gefallene Mensch neigt beständig dazu, wenn er von Gott gesegnet wurde, nicht Ihn, sondern den Gegenstand oder die Person zu verehren, die Gott zur Segnung des Menschen benutzt, z. B.: die Sonne statt Gott, die Schöpfung statt den Schöpfer, den Prediger statt den Herrn, das Werkzeug statt den Meister. Sogar der Apostel Johannes fiel zweimal zu den Füßen von Engeln nieder, sie anzubeten, die ihm außerordentliche Dinge der Offenbarung gezeigt hatten. Freilich, es wurde ihm verwehrt. Wie unbeständig sind unsere Herzen! Darum wollen wir die Gabe, das Werkzeug, nicht verachten, sondern dankbar anerkennen, aber die Ehre Dem geben, der sie benutzt!

Der Höhepunkt auf diesem Wege der Abgötterei und damit der Gottlosigkeit wird dann erreicht sein, wenn der Mensch zur Anbetung keines anderen Wesens oder Gegenstandes mehr bedarf, sondern wenn er sich selbst anbeten lassen wird, wie es uns in 2.Thess. 2,4 und Offb.13,4 gezeigt wird. Lieber Leser, betrachtet man aufrichtigen Herzens diesen Weg des Menschengeschlechts, so wird man mit tiefer Beschämung erfüllt, und jeder Stolz auf sich selbst und den Menschen überhaupt wird dann ausgeschlossen sein.

Es sei noch ein Wort über den Zeitpunkt der Erschaffung der Himmelskörper angefügt. Man hat gegen den biblischen Schöpfungsbericht den Einwand vorgebracht, dass Sonne, Mond und Sterne unmöglich später als die Erde erschaffen sein könnten. Denn diese bestand ja schon, als die Gestirne am 4. Schöpfungstage erschaffen worden seien. Aber der Schöpfungsbericht behauptet dies auch nicht, und man möchte den Kritikern den Rat geben, sich den Bibeltext genau anzusehen, ehe sie seinen Inhalt anzweifeln. In dem schon angeführten 16. Vers aus 1. Mose 1 heißt es: „Und Gott machte die zwei großen Lichter ... und die Sterne“. Das an dieser Stelle im Hebräischen gebrauchte Wort hat die Bedeutung von „machen“, „einreihen“, „ordnen“, während im Vers 1 das Wort barah = „erschaffen“, „ins Dasein rufen“ steht. 2 Die Erschaffung der Himmelskörper und der Erde wird also im ersten Vers der Bibel berichtet. Am vierten Schöpfungstage wurden Sonne, Mond und Sterne in Beziehung zu der Erde gesetzt und so ein geordnetes System gebildet. Was die Gestirne vorher daran hinderte, ihre Aufgabe hinsichtlich der Erde zu erfüllen, wissen wir nicht. Gott hat es nicht für nötig befunden, uns dies mitzuteilen. Wir erinnern uns aber hierbei an das oben Gesagte, dass Gott uns kein Lehrbuch über Naturkunde geben wollte, sondern dass Er sich in Seinem heiligen Buche mit dem Menschen und dessen Verhältnis zu Ihm beschäftigt.

Fußnoten

  • 1 In dieser Hinsicht ist folgendes interessant: Um die Sonne bewegen sich die 9 großen Planeten, von denen die Erde einer ist; die meisten von ihnen haben einen Mond oder mehrere Monde, Jupiter allein zwölf. Sie alle bilden mit noch einigen weiteren Himmelskörpern das Sonnen - System. Von der Masse des gesamten Sonnensystems besitzt nun die Sonne allein 99.86%, so dass gesagt worden ist: praktisch ist die Sonne das „Sonnensystem“.
  • 2 Im Blick auf die Erschaffung des Menschen wird dieses Wort dreimal gebraucht (V. 27), ebenso kommt es noch in Vers 21 vor.
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