Ein Volk für seinen Namen (Apg. 3-5)

Allen alles gemeinsam (Apg 4,32-5,11)

Ein Volk für seinen Namen (Apg. 3-5)

Apostelgeschichte 4, 32–5, 11

Am Ende des zweiten Kapitels, nach der Schilderung dessen, was sich am Tag der Pfingsten ereignet hatte, wurde uns ein eindrucksvolles Bild der ersten Christen in Jerusalem gezeichnet (Verse 42–47). Das wiederholt sich jetzt am Ende des vierten Kapitels. Nachdem im dritten und vierten Kapitel wichtige Ereignisse und Ansprachen vor uns gekommen sind, zeigt uns der Heilige Geist noch einmal bedeutsame Merkmale der Versammlung Gottes in ihren Anfangstagen. Es ist, als ließe Er uns noch einmal in einen Spiegel sehen, als frage Er uns: „Wie seht ihr es heute?“

Ein Herz und eine Seele

»Die Menge derer aber, die gläubig geworden, war ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, dass etwas von seiner Habe sein eigen wäre, sondern es war ihnen alles gemein“ (Vers 32),

Wir haben uns schon bei einer früheren Gelegenheit daran erinnert, dass die Lehre von der Einheit des Leibes Christi noch nicht gegeben worden war. Aber das Großartige in den Tagen des Anfangs war, dass der Geist Gottes die Gläubigen dahin führen konnte, diese Einheit in ihrem Leben zu offenbaren. Sie waren gläubig, an den Herrn Jesus gläubig geworden, und die Liebe zu ihrem Heiland band sie innig zusammen. Der Heilige Geist verband sie mit dem Herrn Jesus im Himmel und verband sie untereinander. Obwohl sie, äußerlich gesehen, eine aus vielen einzelnen bestehende „Menge“ waren, waren sie doch nach Herz und Seele eins. Es war unter ihnen eine Einheit in den Zuneigungen und den Absichten vorhanden, die tatsächlich wunderbar ist.

Solch ein Einssein ist nur möglich, wenn ein gemeinsamer Gegenstand, wenn die Person Christi das Herz regiert. Und es ist auch nur denkbar, wenn die Kraft des Heiligen Geistes wirksam ist, um die einzelnen von ihren eigenwilligen Gedanken zu befreien. Welch eine wunderbare Liebe wurde in den ersten Christen sichtbar! Welch eine Gemeinschaft der Interessen tat sich unter ihnen kund! Das Gebet des Herrn Jesus zu Seinem Vater fand in ihnen seine Erfüllung: „Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben; auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir, auf dass auch sie in uns eins seien, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17, 20.21).1

Gütergemeinschaft

Dieses praktische Einssein war ohne Frage das Ergebnis davon, dass jeder von ihnen mit Heiligem Geist erfüllt worden war. Es fand seinen Ausdruck auch darin, dass sie alles gemeinsam besaßen.

Wir fanden den Hinweis auf Gütergemeinschaft unter den ersten Christen bereits im zweiten Kapitel, Verse 44.45. Hier wird jedoch noch hinzugefügt:

„Und auch nicht einer sagte, dass etwas von seiner Habe sein eigen wäre“

Wir haben in Kapitel 2 gesehen, dass nach den Gedanken Gottes diese besondere Frucht der Wirksamkeit des Geistes auf eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort beschränkt war. Nur solange die Versammlung aus Gläubigen nur eines Ortes bestand und die Gläubigen noch nicht über die ganze Erde verteilt lebten, konnte die Liebe und Selbstlosigkeit der Heiligen solch eine Form annehmen.

Und noch ein weiterer Punkt verdient besondere Beachtung: Die ersten Schwierigkeiten, die unter den ersten Christen auftraten, entwickelten sich gerade auf dem Gebiet des Gebens und Nehmens. Das zeigt der Betrug durch Ananias und Sapphira zu Beginn des fünften Kapitels ebenso wie das Murren der Hellenisten zu Anfang des sechsten Kapitels. Dieses Gebiet ist besonders heikel und delikat, und es ist gewiss nicht von ungefähr, dass sich gerade hier die ersten Probleme ergaben.

Doch das alles darf uns nicht den Blick dafür verstellen, dass wir es hier mit etwas Außerordentlichem zu tun haben. Der Heilige Geist rief in den Heiligen der Anfangszeit – in Menschen von gleichen Gemütsbewegungen wie wir (Jak 5, 17) – diese selbstlose Liebe, diese Uneigennützigkeit hervor, die nur göttlichen Ursprungs sein kann! Ist es möglich, dass Menschen von Fleisch und Blut derart über die angeborene Selbstsucht des menschlichen Wesens emporgehoben werden können, dass sie so zu handeln vermögen?

Ja, es ist möglich! Und das sollen wir hier lernen, dass der Heilige Geist auch uns heute erfüllen und in uns die Liebe hervorrufen möchte, die bereit ist, anderen in Selbstlosigkeit zu dienen. Es ist eine Sache, den Geist Gottes in sich wohnend zu besitzen. Das ist das Vorrecht jedes wahren Christen (1. Kor 6,19). Aber es ist eine andere Sache, so von Ihm erfüllt zu werden, dass Er die Quelle all unserer Gedanken und Zuneigungen sein kann, so dass alles, was wir tun und lassen, das Ergebnis Seiner Gegenwart ist.

Fragen wir, wie das in der Praxis des täglichen Lebens erreicht werden kann? Dann lasst uns zuerst bemerken, dass dieser gesegnete Zustand der ersten Christen grundsätzlich jedem wahren Gläubigen offensteht. Denn der Heilige Geist wohnt in ihm und ist die Kraft des neuen Lebens in ihm. Er kann und will auch heute dem einzelnen wie der Versammlung Seine Gegenwart so bewusst machen, dass die Einzelinteressen verschwinden und die Liebe Christi den beherrschenden Platz einnimmt.

Aber dann haben wir auch noch das Beispiel dieser Heiligen. Ihre Herzen wurden von dem Herrn Jesus im Himmel angezogen. Allein die Tatsache, dass der Gegenstand ihres Herzens droben verherrlicht zur Rechten Gottes war, ließ sie alle Dinge auf der Erde in einem neuen Licht sehen. Zudem hatten die Apostel Ihn in den Himmel auffahren sehen, hatten die tröstlichen Worte der Engel gehört: „Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird also kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den Himmel“ (Apg 1,11).

Die Erwartung der Wiederkunft Christi trennte sie von den irdischen Dingen und Erwartungen. Sie verwirklichten, dass ihre eigentliche Habe im Himmel lag. So fiel es ihnen nicht schwer, mit dem, was ihnen hier nur zur Verwaltung anvertraut war, „klug“ zu handeln (Lk 16, 8ff). Sie kannten noch nicht das Wort aus Kolosser 3, aber taten danach: „Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so suchet, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnet auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist“ (Verse 1.2).

Können wir nicht viel von diesen Jüngern lernen? Wie beklagenswert die Zustände, selbst unter wahren Jüngern des Herrn, auch sein mögen, steht uns der Weg, den jene ersten Jünger gingen, nicht auch offen? Was hindert uns, Christus zu unserem einzigen Gegenstand zu machen?

Das ist der Angelpunkt von allem. Wenn wir Ihn wirklich Heben, dann warten wir auch auf Sein Kommen, und das wiederum wird uns – wie nichts sonst – von der Welt und ihrem ganzen Treiben trennen. Wir können den ursprünglichen Zustand, dass die ganze Versammlung „einmütig“ und „ein Herz und eine Seele“ war, nicht wiederherstellen. Aber wir können persönlich in diesem Zustand sein, so dass Gott uns solche an die Seite stellen kann, mit denen wir trotz des allgemeinen Versagens die Einheit des Geistes (Eph 4, 3) verwirklichen können.

Das Zeugnis von der Auferstehung Christi

Dass die ersten Christen eine gesegnete Einmütigkeit und Einheit offenbarten, war jedoch nicht alles. Zur gleichen Zeit geschah ein aktives Werk in der Welt, denn der heilige Schreiber fährt in seiner Berichterstattung fort:

„Und mit großer Kraft legten die Apostel das Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus ab; und große Gnade war auf ihnen allen „ (Vers 33).

Wir haben bereits gesehen, welche Bedeutung der Auferstehung des Herrn Jesus zukommt. Und so wundert es uns nicht, wenn wir hier erneut davon hören, dass die Apostel vor den Menschen gerade diese fundamentale Wahrheit bezeugten. Die Auferstehung Christi war einer der großen, herausragenden Gegenstände der apostolischen Predigt zu Anfang (vgl. Kap. 1, 22; 2, 24–32; 3, 15; 4, 2–10; 5, 30). Von ihr legten die Apostel auch hier Zeugnis ab. Dass sie dies „mit großer Kraft“ taten, zeigt, in welchem Umfang Gott ihr Gebet erhörte.

Viel, außerordentlich viel hängt von der Auferstehung Jesu Christi ab. Wenn der Herr Jesus auferweckt worden ist, dann ist es, weil Gott Ihn auferweckt und damit Sein Wohlgefallen über Ihn ausgedrückt hat. Aber ungleich Lazarus oder der Tochter des Jairus und anderen ist Er nicht auferweckt worden, um erneut zu sterben und „zur Verwesung zurückzukehren“ (Apg 13, 34). Über Ihn hat der Tod keine Gewalt, er herrscht nicht mehr über Ihn (Röm 6, 9). Ja, wir haben schon gesehen, „es war nicht möglich“, dass Er von dem Tod behalten würde (Apg 2, 24). Er war heilig und gerecht, und Seine Auferstehung bewies es.

Der besondere Punkt hier war, dass die Predigt von der Auferstehung des Herrn Jesus die Juden von ihrer Sünde überführen sollte, deren sie sich durch die Verwerfung ihres Messias schuldig gemacht hatten. Sie war der Beweis dafür, dass Gott durch Ihn völlig befriedigt und verherrlicht worden war. Zugleich durchkreuzte Gott mit der Auferweckung Jesu alle ihre Pläne und beraubte sie ihres fadenscheinigen religiösen Gewandes, mit dem sie ihr böses Ibn zu bemänteln suchten. Sie ließ ihnen keine Entschuldigung, wies zugleich aber auf die Grundlage hin, auf der die Vergebung der Sünden verkündigt werden kann: Gott hat das Opfer Christi, Seines Sohnes, angenommen.

So nahm und nimmt die Wahrheit von der Auferstehung Christi einen wichtigen Platz in der Verkündigung des Evangeliums ein. Wie grundlegend sie ist, zeigt der erste Brief an die Korinther. Diese Gläubigen hatten sich in dieser Frage irreleiten lassen, und der Apostel Paulus widmet der Lehre von der Auferstehung ein ganzes, langes Kapitel. Wenn auch in Korinth nicht die Auferstehung Christi selbst geleugnet wurde, so wurden doch Zweifel daran laut, ob es überhaupt eine Auferstehung Toter gebe. Aber auf überaus gesegnete Weise verbindet der Apostel die Auferstehung der Toten mit der Auferstehung des Herrn selbst: Wenn es keine Auferstehung Toter gibt, dann ist auch Christus nicht auferweckt worden (Kap. 15, 13). Und dann zeigt er, welch verhängnisvolle Folgen das für den Gläubigen hätte: die Predigt der Apostel wäre hohl und leer; sie selbst würden falsche Zeugen Gottes sein; der Glaube der Heiligen wäre vergeblich, sie wären noch in ihren Sünden; die Entschlafenen wären verlorengegangen (Verse 14–18). Schrecklich! Nicht auszudenken! – Aber dann ruft der Apostel triumphierend aus: „Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt, der Erstling der Entschlafenen“ (Vers 20). Er ist der Erstling all derer, die auf gleiche Weise wie Er aus den Toten auferweckt werden. Darüber haben wir schon in Verbindung mit Vers 4 gesprochen.

Die Auferstehung Christi hat aber noch eine ernste Seite: Sie steht mit dem zukünftigen Gericht in Verbindung. Das zeigt Apostelgeschichte 17. Dass es einmal einen Tag des Gerichts geben wird, an dem der Erdkreis gerichtet werden wird, hat Gott dadurch unter Beweis gestellt, dass Er den Mann, den Er dazu benutzen will, aus den Toten auferweckt hat (Vers 31). Dieser Mann ist Christus. Er ist bereit, Lebendige und Tote zu richten (1. Pet 4, 5).

So ist die Auferweckung des Herrn Jesus das Unterpfand für die Rechtfertigung derer, die an Ihn glauben (Röm 4, 25), aber auch die Gewähr für das Gericht jener, die die Liebe zur Wahrheit nicht annehmen.

Es bleibt noch ein wichtiger Grundsatz zu erwähnen. Wir hatten schon gesehen, dass Gott zur öffentlichen Verkündigung Seiner Wahrheit nicht Frauen gebraucht. Damit in Übereinstimmung steht die Tatsache, dass es auch hier Apostel waren, die von der Auferstehung Zeugnis ablegten.

Aber auch die Versammlung hatte und hat mit der Verkündigung selbst nichts zu tun. Es sind vom Herrn geschenkte Gaben, die das Wort predigen „zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes Christi“ (Eph 4, 11.12). Die Versammlung selbst lehrt nicht, sondern sie wird belehrt durch dazu von Gott berufene Männer. Es ist nicht Sache der Versammlung, festzusetzen, was die Wahrheit ist. Das Wort Gottes ist die Wahrheit (Joh 17, 17; Ps 119, 160), und die Versammlung ist diesem Wort unterworfen. „Wenn ich nicht eher glaube, was in dem Wort ist“, hat einmal ein geschätzter Diener des Herrn gesagt, „bevor die Versammlung sagt, dass es recht ist, glaube ich nicht dem Wort, sondern der Versammlung.“ Die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes hat zu ernsten Irrtümern in der Christenheit geführt. Durch das Aufrechterhalten der Wahrheit Gottes vor der Welt ist die Versammlung zwar „Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit“ (1. Tim 3,15), aber das Lehren der Wahrheit hat Gott in die Hand einzelner gelegt. Selbstverständlich bleibt es stets die Aufgabe aller, das Gehörte an dem untrüglichen Maßstab des Wortes Gottes zu prüfen (Apg 17, 11; 1. Kor 14, 29; 1. Thes 2, 13).

Natürlich darf und sollte die Versammlung im Gebet hinter dem Dienst der Männer stehen, die Gott zur Verkündigung benutzt. Das wird deren Freimütigkeit und Kraft vermehren. Es gibt für den Diener kaum etwas Ermunternderes, als wenn die Versammlung am Ort in einem gesunden geistlichen Zustand ist und seinen Dienst auf jede Weise unterstützt. So war es auch hier, und das Ergebnis war, dass die Apostel mit großer Kraft das Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus ablegten.

Große Gnade

„Und große Gnade war auf ihnen allen“ – auf all den Gläubigen, die hiervor uns sind. Es geht in diesem Vers um die Gnade Gottes, nicht – wie in Kapitel 2, Vers 47 – um die Gunst der Menschen. In den letzten Versen unseres Kapitels werden uns dann noch Beispiele dafür gegeben, in welch besonderer Form sich damals die Gnade Gottes wirksam erwies. Doch bleiben wir zuerst bei dieser lieblichen Feststellung stehen: „Große Gnade war auf ihnen allen“!

Zweifellos leben wir heute in anderen Umständen und Zeiten als die Gläubigen, von denen dies gesagt wird. Aber was sie so notwendig brauchten, haben wir in gleicher Weise nötig: die Gnade Gottes. Nicht zwei von uns gehen denselben Weg. Alle aber haben wir besondere Prüfungen in der Schule Gottes zu bestehen. Schwierigkeiten und Nöte gibt es genügend. Aber die Gnade Gottes bleibt dieselbe, wie verschieden sie sich auch äußern mag. Sie mehr zu erkennen und in Anspruch zu nehmen ist eine Lektion, die wir hier nie bis zu Ende lernen werden. Die Gnade Gottes unterweist uns, wie wir trotz aller Probleme besonnen und gerecht und gottselig leben können in dem jetzigen Zeitlauf (Tit 2, 12).

Die Gnade verändert nicht unbedingt unsere Umstände, die uns so sehr Not bereiten. Aber sie verändert uns, damit wir in den Umständen nicht versagen und sie ertragen können. Manche haben die Änderung ihrer Umstände mit allen Mitteln zu erreichen gesucht und sie unter der Zulassung Gottes auch bekommen. „Da gab er ihnen ihr Begehr, aber er sandte Magerkeit in ihre Seelen“ (Ps 106, 15).

Nein, Geliebte, was wir brauchen, ist Gnade, mehr Gnade. Wir lesen im Jakobusbrief den tröstlichen Satz: „Er gibt aber größere Gnade“ (Kap. 4, 6). Und der den zweiten Petrusbrief einleitende Gruß lautet: „Gnade und Friede sei euch vermehrt in der Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn!“ Seien wir versichert: Wenn wir uns nach der Erkenntnis Gottes und unseres Herrn Jesus ausstrecken, wird auch uns Gnade und Friede vermehrt werden. Seine Gnade wird uns geleiten, bis wir das Ziel unserer Reise erreicht haben. Dafür sei der Name Gottes, unseres Vaters, gepriesen!

Brüderliche Liebe und Selbstlosigkeit

„Denn es war auch keiner dürftig unter ihnen, denn so viele Besitzer von Ackern oder Häusern waren, verkauften sie und brachten den Preis des Verkauften und legten ihn nieder zu den Füßen der Apostel; es wurde aber einemjeden ausgeteilt, so wie einer irgend Bedürfnis hatte“ (Verse 34.35).

Hier sehen wir, auf welche besondere Weise sich im Anfang die brüderliche Liebe unter den Heiligen in Jerusalem offenbarte. Bereits in Kapitel 2, Verse 44.45, wurde eine Art gemeinsamer Fonds geschaffen, aus dem die Bedürfnisse der Ärmeren gestillt wurden. Er wurde jetzt durch den Verkauf weiterer Besitztümer gestützt und der Verwaltung durch die Apostel übergeben. Kapitel 6 zeigt uns dann, dass aus ihm die Witwen täglich versorgt wurden.

Wie bewegend ist es zu sehen, mit welcher Liebe die Heiligen damals füreinander besorgt waren; wie die Wohlhabenderen nicht zuließen, dass ihre ärmeren Brüder Mangel litten! Es waren persönliche Opfergaben notwendig, und die Wohlhabenderen brachten sie freiwillig. Niemand forderte sie. Im Sozialismus fordert man von den Reicheren, im Christentum gibt der Reichere, gibt aus Liebe. Auch unter den wahren Christen heutiger Tage brauchte es keine Not zu geben, ja, wird es keine Not geben, wenn dieser Geist selbstloser Liebe tätig ist. Der Heilige Geist kann diese Gesinnung in jeder Zeit hervorrufen, auch in unserer. Doch werden die Formen, in denen sie sich ausdrückt, andere sein als zu Anfang und stets den Wegen Gottes und dem allgemeinen Zustand der Versammlung entsprechen.

Doch dürfen wir die Versammlung nicht als soziale Einrichtung zur Versorgung Armer und Notleidender missverstehen. Wir sehen später, dass die zu versorgenden Witwen gewisse Voraussetzungen erfüllen mussten, ehe sie „in die Liste eingetragen“ wurden (1. Tim 5, 9ff). Auch sollten zuerst Kinder und Enkel ihrer Pflicht nachkommen, damit die Versammlung nicht unnötig „beschwert werde“ und frei bleibe, denen Hilfe zu leisten, die wirklich Witwen sind (Verse 4.16). Auch hier in der Apostelgeschichte wurde nicht ausgeteilt, je nachdem der eine oder andere forderte, sondern „so wie einer irgend Bedürfnis hatte“.

Wenn wir auch in keiner anderen Versammlung außer der in Jerusalem zu Anfang solch einen besonderen Zustand finden, so besteht doch auch für uns die Ermahnung: „An den Bedürfnissen der Heiligen nehmet teil44 (Röm 12,13). Der Herr möge uns helfen, des Wohltuns und Mitteilens nicht zu vergessen, „denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen“ (Heb 13, 16)!

Barnabas

Von vielen, die ihren Besitz verkauften und den Erlös zu den Füßen der Apostel niederlegten, wissen wir nichts Näheres. Doch von zwei Beispielen berichtet uns die Heilige Schrift. Das von Barnabas war ein gutes, das von Ananias und Sapphira ein schlechtes Beispiel. Gottes Wort hat uns beide gegeben, damit wir lernen mögen, was echte und was unechte Liebe ist.

„Joseph aber, der von den Aposteln Barnabas zubenamt wurde, (was verdolmetscht heißt: Sohn des Trostes) ein Levit, ein Zyprier von Geburt, der einen Acker besaß, verkaufte ihn, brachte das Geld und legte es nieder zu den Füßen der Apostel“ (Verse 36.37).

Über diesen Mann, der in solch selbstloser Liebe handelte, wird uns einiges mitgeteilt. Zuerst, dass die Apostel ihm einen Beinamen gaben. Das ist ein interessanter Hinweis auf die Wurde der Apostel: Sie waren in der Lage, Beinamen zu verleihen. In alttestamentlicher Zeit taten das im Allgemeinen Könige. Der Herr Jesus gab Simon den Beinamen Kephas oder Petrus (Joh 1, 42). Und hier geben die Apostel diesem Jünger des Herrn, Joseph, den Beinamen Barnabas. Wie der Beiname Barnabas am besten wiederzugeben ist, ist nicht ganz einfach zu entscheiden. Das verwendete Wort kann sowohl Trost als auch Ermahnung bedeuten. Sohn des Trostes oder Sohn der Ermahnung – das ist die Frage. Es fällt schwer, der einen oder anderen Übersetzung den Vorzug zu geben. Der Charakter seines Dienstes scheint auch die Ermahnung gewesen zu sein, wie Kapitel 11, Vers 23, andeutet: Barnabas war sowohl ein Tröster als auch ein Ermahner der Gläubigen.

Seiner jüdischen Stellung nach war Barnabas ein Levit. Trotzdem besaß er einen Acker. Das scheint nur auf den ersten Blick der Tatsache zu widersprechen, dass Jehova (Jahwe) den Priestern und Leviten ausdrücklich kein Erbteil in Israel gegeben hatte (4. Mo 18, 20.24; 5. Mo 10, 9). Obwohl Jehova ihr Erbteil war, zeigen doch einige Stellen der Heiligen Schrift, dass Leviten Land besitzen konnten. Sie konnten es kaufen. Im Jubeljahr fiel es allerdings an den ursprünglichen Eigentümer zurück. Das zeigt, dass es kein Erbteil war. Jeremia war ein Priester, dennoch kaufte er von dem Sohn seines Onkels ein Stück Land (Jer 32, 6–15). Auf diese Weise mochte auch Barnabas in den Besitz eines Ackers gekommen sein (das hier für Acker benutzte Wort kommt in der Apostelgeschichte nur hier vor), und jetzt verkaufte er ihn aus freiem Antrieb, um so die Bedürfnisse der ärmeren Brüder stillen zu helfen.

Dass er ein Zyprier von Geburt war, zeigt, dass er zu der Gruppe der hellenistischen Juden gehörte, der auch Paulus angehörte.

Doch bei der zweifachen Feststellung, dass Barnabas ein Levit und dass er ein Zyprier war, möchten wir noch einen Augenblick stehenbleiben.

In dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter hatte der Herr sowohl den Priester als auch den Leviten jener Tage als selbstgefällig und lieblos brandmarken müssen (Lk 10, 31.32). Sie verfolgten ihren eigenen Kurs und dachten nicht daran, einem Umkommenden zu helfen. Aber hier war ein Levit, der weder kalt noch grausam war, und die Heilige Schrift erwähnt es. Barnabas war ein Levit. Doch er war das Gegenstück zu den Leviten, wie der Herr Jesus sie zeichnen musste: Er verkaufte seinen Acker, um Armen zu helfen.

Dieser Jünger hatte keinen guten Geburtsort gehabt. Die Insel Zypern wurde von Griechen bewohnt, die durch die Römer unterjocht worden waren. Unter der Herrschaft der Ptolomäer hatten sich dann auch Juden dort angesiedelt, waren aber, nachdem sie im Jahr 117 v. Chr. gegen die Römer revoltiert hatten, vertrieben worden. Die Bewohner der Insel waren stark durch phönizische und orientalische Einflüsse geprägt. Das führte dahin, dass ihre Religion und Anbetung selbst unter anderen heidnischen Systemen als abscheulich galten; denn sie bestanden aus nichts anderem als der Verherrlichung schrecklichsten Lasters.

Sicherlich war Barnabas von seinen jüdischen Eltern von den gräuelhaften Riten ferngehalten worden. Dennoch wuchs er in dieser außergewöhnlich schlechten Atmosphäre auf, ähnlich Mose am ägyptischen Hof. Doch die Gnade Gottes vermag es, aus dem Unreinen etwas Reines hervorkommen zu lassen. Welch ein Trost auch für unsere Tage! Heute ist all das heidnische Böse wieder vorhanden, jedoch unter christlichem Vorzeichen. Wenn wir Römer i mit 2. Timotheus 3 vergleichen, sehen wir das. Trotzdem brauchen gläubige Eltern nicht mutlos zu werden, wenn sie ihre Kinder in die Welt hinauslassen müssen. Denken wir an Barnabas: Er war ein Zyprier von Geburt! So wie die wärmende Sonne aus dem schmutzigsten Tümpel durch Verdunstung reines Wasser in die Atmosphäre zieht, so vermag die Gnade Gottes aus der unreinsten Umgebung etwas Reines hervorzubringen, was Er in Seinem Dienst gebrauchen kann.

Barnabas begegnet uns hier zum ersten Mal in der Heiligen Schrift. Mit der Erwähnung seiner edlen Tat und Gesinnung wird er eingeführt. Später spielte er eine nicht unbedeutende Rolle in der Verbreitung des Evangeliums unter den Nationen. Die Schrift gibt ihm das Zeugnis, dass er ein guter Mann war und voll Heiligen Geistes und Glaubens (Apg 11, 24).

Sünde in der Versammlung

Wenn wir die zurückliegenden drei Kapitel (2–4) überdenken, werden wir mit Bewunderung erfüllt über das Bild, das der Heilige Geist darin von der frühen Kirche zeichnet. Die Versammlung Gottes war frisch und vollkommen aus Seiner Hand hervorgegangen. Alle Tätigkeiten der ersten Christen entsprachen Ihm und waren das Ergebnis der direkten Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Was ihren inneren Zustand und ihre äußeren Aktivitäten angeht – alles trug den Stempel der Billigung Gottes. Große Gnade war auf ihnen allen. Wenn auch der Feind erste Anstrengungen unternahm, das junge Zeugnis zu unterlaufen – die Apostel legten nur mit umso größerer Kraft das Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus ab.

Doch mit einem Schlag ändert sich das Blatt. Es ist, als könnte der Widersacher nichts weniger ertragen, als die große Gnade Gottes auf den Menschen ruhen zu sehen. Wenn er mit seinen Angriffen von außen keinen Erfolg hat, versucht er, die Gemeinschaft der Heiligen von innen her zu zerstören. Wie oft hat sich diese Taktik Satans in der Geschichte der Kirche wiederholt! Schon im Alten Testament begegnet sie uns. Als in den Tagen Nehemias sich die Risse der Mauer Jerusalems zu schließen begannen und der Anschlag der Feinde, „mitten unter sie zu kommen“, vereitelt worden war (Neh 4), versuchte er, durch Uneinigkeit und Treulosigkeit unter den Bauenden selbst dem Werk Einhalt zu gebieten (Kap. 5). Hier nun sind es Ananias und Sapphira, die er für seine zerstörerischen Absichten benutzen kann.

Ein bedeutungsvolles Aber

Das fünfte Kapitel beginnt denn auch mit einem Gegensatz, einem Aber, das mit dem in Kapitel 4 zuletzt Berichteten in Beziehung steht:

„Ein gewisser Mann aber, mit Namen Ananias, mit Sapphira, seinem Weibe, verkaufte ein Gut und schaffte von dem Kaufpreis beiseite, wovon auch das Weib wusste; und er brachte einen gewissen Teil und legte ihn nieder zu den Füßen der Apostel“ (Apg 5, 1.2).

Mit diesen Worten wird die Schilderung einer sehr ernsten Begebenheit eingeleitet. Zum ersten Mal wurde Sünde in der Versammlung Gottes offenbar.

Ehe wir uns jedoch näher damit beschäftigen, möchten wir auf einen allgemeineren Charakterzug der Heiligen Schrift hinweisen: Nicht selten gebraucht sie zu unserer Unterweisung gewisse Gegenüberstellungen. In vielen Fällen ist das tatsächlich die beste Methode, um Licht auf einen Gegenstand zu werfen.

Barnabas, ein Beispiel einer sich selbst aufopfernden Liebe, gleicht einem hellen Licht in der Nacht. An ihm können wir uns orientieren. Ananias dagegen, der mit einer unausgesprochenen Lüge auf den Lippen starb, gleicht einem Irrlicht: Er wurde zum Beispiel dafür, wie das Fleisch früher oder später scheitern wird. Beide Beispiele sind nicht gleich gut, aber beide sind gleich nützlich.

Als der Herr Jesus Seine Jünger die rechte Gesinnung vor Gott lehren wollte (Lk 18,9–14), zeigte Er ihnen in dem Gebet des zerknirschten Zöllners, was ein Gott wohlgefälliges Gebet für einen Sünder ist: „O Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!“ Aber dann stellte Er ihm auch das Gebet des selbstgerechten und heuchlerischen Pharisäers an die Seite: „O Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen der Menschen.“ Der eine stand von ferne und wollte sogar seine Augen nicht aufheben gegen den Himmel. Der andere stand und betete bei sich selbst. Der eine ging gerechtfertigt hinab in sein Haus vor dem anderen.

Von den zehn Jungfrauen in Matthäus 25 waren fünf klug und fünf töricht. Die einen hatten Öl, ein Bild des Heiligen Geistes, in ihren Lampen; die anderen besaßen nur eine Lampe, ein äußeres Bekenntnis. Die einen gingen durch die geöffnete Ihr zur Hochzeit ein; die anderen kamen zu spät und fanden die Tür verschlossen. Die einen erretteten ihre Seele; die anderen verloren sie. Wie ernst sind diese Gegenüberstellungen, die sich häufig gerade auch in den Gleichnissen des Herrn finden!

Das Alte Testament ist ebenfalls reich an derartigen Gegenüberstellungen. Mose stellte am Ende seines Lebens dem Volk Israel den Segen und den Fluch vor, das Leben und den Tod, das Glück und das Unglück (5. Mo 11, 2,6; 30,15). Auch durch Jeremia legte Gott dem Volk in späterer Zeit den Weg des Lebens vor und den Weg des Todes (Jer 21, 8). Und wie oft wird der Unterschied zwischen dem Gerechten und dem Gesetzlosen aufgezeigt! „Jehova kennt den Weg der Gerechten; aber der Gesetzlosen Weg wird vergehen“ (Ps 1, 6). Die einen sind wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen; die anderen gleichen der Spreu, die der Wind dahintreibt. „In seinem Unglück wird der Gesetzlose umgestoßen, aber der Gerechte vertraut auch in seinem Tode“ (Spr 14, 32). Dieses Aber ist oft der Angel- und Drehpunkt, von dem Entscheidendes abhängt.

Die eigentliche Sünde des Ananias

Die Begebenheit von Ananias im Buch der Apostelgeschichte stellt eine gewisse Parallele zu der Tat Achans im Buch Josua dar. Beide Männer behinderten durch eine Tat des Betrugs den siegreichen Fortgang des Volkes Gottes. Wenn im zweiten Vers unseres Kapitels gesagt wird: „und schaffte von dem Kaufpreis beiseite“, so benutzt der Schreiber dasselbe griechische Wort, das auch in der Septuaginta, das heißt in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, in Josua 7 zur Beschreibung dessen gebraucht wird, was Achan tat: „Er nahm von dem Verbannten“ (Vers 1). Das Wort bedeutet eigentlich abtrennen und wird in Titus 2, Vers 10, mit unterschlagen wiedergegeben.

Nun, das ist genau das, was Ananias tat, dessen Name bezeichnenderweise Jahwe hat gnädiglich gesegnet bedeutet: Er verkaufte ein Gut und trennte etwas von dem Erlös ab, schaffte davon beiseite.

Doch darin bestand nicht das eigentliche Böse seiner Handlung. Er konnte durchaus so mit dem Seinen verfahren. Aber dadurch, dass er nur einen Teil brachte und zu den Füßen der Apostel niederlegte, erweckte er den Eindruck, als handele er so wie die übrigen Gläubigen und bringe den ganzen Erlös des Verkauften zu den Aposteln. Das aber war nichts anderes als Betrug und Heuchelei.

Wie abscheulich ist solch eine Verhaltensweise unter Erlösten! Wahre Liebe hatte unter ihnen den Wunsch hervorgerufen, an andere anstatt an sich zu denken. Aber das Fleisch begehrt ebenfalls diesen Schein von Frömmigkeit, ohne jedoch bereit zu sein, sich selbst aufzugeben und zu verleugnen. Einerseits das Geld wegzugeben, weil man so zu einem guten Ruf gelangen kann; und andererseits das Geld zu behalten, weil man sich nicht wirklich davon trennen will – das ist das betrügerische Tun von Ananias und seiner Frau.

Über die in uns wohnende Sünde

Wir lernen hier eine wichtige Wahrheit: Obwohl jemand wirklich von neuem geboren sein mag, besitzt er noch die alte Natur, das Fleisch, das stets gegen den Geist gelüstet (Gal 5,17). Es ist nicht wahr, dass das Fleisch durch den Empfang neuen, göttlichen Lebens verdrängt oder ausgetilgt wird. „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1. Joh 1, 8). Nur in Einem „war Sünde nicht“: in Dem, der für uns starb, um unsere Sünden wegzunehmen (Kap. 3, 5).

Der in uns wohnenden Sünde gegenüber sollen wir uns in der Kraft des Glaubens für tot halten (Röm 6,11). Tun wir das nicht, findet der Teufel in unserem Fleisch ein äußerst geeignetes Werkzeug, um uns dadurch zu betrügen und zur Sünde zu verleiten. So wurden auch Ananias und Sapphira vom Teufel verführt, die doch, wofür alles spricht, Kinder Gottes waren. Sie hatten dem Verlangen des Fleisches in ihnen, etwas zu sein, und sei es wenigstens in der Mitte der Gläubigen, nachgegeben. Sie hatten ihren Hang zur Habsucht nicht verurteilt. Und so kamen sie dahin, sich der Selbsttäuschung hinzugeben, man könne beide Welten besitzen.

Sie sind uns ein ernstes Beispiel für solche, die meinen, auf beiden Schultern tragen zu können – für Wankelmütige oder, was der Ausdruck wörtlich bedeutet, für Doppelherzige (Jak 1, 8; 4, 8). Ein halbes Herz für Christus und ein halbes Herz für die Welt – liebe Freunde, das geht nicht! Nichts kann unserem Herrn, der uns erlöst und uns für Sich erkauft hat (1. Kor 6, 20), mehr entgegen sein als solch ein Herzenszustand. „Ist es Zeit, Silber zu nehmen und Kleider zu nehmen, und Olivenbäume und Weinberge, und Kleinvieh und Rinder, und Knechte und Mägde?“ (2. Kön 5, 25). Diese Frage Elisas an Gehasi sollten auch wir uns einmal vorlegen!

Ist die Ehefrau eine Hilfe?

Wenn in Vers 2 gesagt wird: „… wovon auch das Weib wusste“, so kommt damit noch ein weiterer belastender Umstand hinzu. Die beiden, Mann und Frau, waren sich im Bösen einig. Es handelte sich nicht um einen Fehltritt, von dem sie in einem unbewachten Augenblick ereilt wurden. Und welch eine Härte des Herzens und Gewissens offenbart es, wenn zwei Menschen, die durch das innigste Band auf der Erde miteinander verbunden sind, zusammen solch einen Betrug planen und sich gegenseitig darin bestärken, ihn auch auszuführen!

Wenn sich der Mann in eine ungute Sache verrennt, erhebt sich dann nicht die warnende Stimme seiner Frau dagegen? Wir haben manche liebliche Beispiele für Situationen in der Heiligen Schrift, in denen sich Mann und Frau gegenseitig im Guten bestärkten oder die Frau dem Mann eine wirkliche Hilfe war. Auch zeigt sie uns wackere Ehefrauen, die durchaus ein geistlicheres Verhalten an den Tag legten als ihre oft blassen Männer. War die Frau Manoahs, die Mutter Simsons, nicht einsichtiger als ihr Mann? Und Abigail als Nabal? In ihrem geistlichen Urteil war Abigail einmal selbst dem König David weit überlegen.

Wie manche christliche Frau hat ihrem Mann in Tagen der Gefahr auf eine Weise geholfen, wie es eben nur eine gottesfürchtige Ehefrau tun kann! Aber wie manche christliche Frau hat auch ihren Mann, statt ihn zu warnen, noch im Bösen bestärkt! Dafür haben wir hier in Sapphira ein trauriges Beispiel. Sie teilte mit ihrem Mann dann auch dessen Los.

Die Gegenwart Gottes

Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Begebenheit mit Ananias und Sapphira einen sehr ernsten Charakter trägt. Trotzdem ist der Verfasser gerade durch diesen Abschnitt des Wortes Gottes oft im Glauben gestärkt und ermuntert worden. Wie sich das vereinbaren lässt? Nun, diese Verse zeigen anhand einer geschichtlichen Erzählung eine Reihe bedeutender Wahrheiten, wie wir sie angesichts des menschlichen Versagens in dieser Fülle nicht vermuten würden. Mit der Wahrheit, dass das Fleisch noch in dem Erlösten ist, haben wir uns soeben beschäftigt und auch den Weg angedeutet, auf dem man der damit verbundenen Gefahr in unserem täglichen Leben begegnen kann. Auch sind uns die Listen und Absichten Satans vorgestellt geworden. Er will die Herzen auch wahrer Kinder Gottes so mit den Dingen der Welt erfüllen, dass ihre Augen für ihre eigentlichen Reichtümer blind werden. Auf diese Weise verlieren sie jede Kraft und werden leicht eine Beute seiner Verführungen.

Aber jetzt kommen in den folgenden Versen – trotz allen Ernstes, der aus ihnen spricht – weitere gewichtige Wahrheiten vor uns.

„Petrus aber sprach: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den Heiligen Geist belogen und von dem Kaufpreis des Feldes beiseite geschafft hast? Blieb es nicht dein, wenn es so blieb, und war es nicht, nachdem es verkauft war, in deiner Gewalt? Was ist es, dass du dir diese Tat in deinem Herzen vorgenommen hast? Nicht Menschen hast du gelogen, sondern Gott“ (Verse 3.4).

Zwei praktische Hinweise

Um aus den Worten des Apostels einige Hinweise zu unserer Belehrung vorwegzunehmen: Ananias hatte sich diese Tat in seinem Herzen vorgenommen. Die Tat entspringt stets dem Herzen. Das Herz ist der Sitz des Willens und der Zuneigungen und damit auch der Entscheidungen. Deswegen müssen wir es mehr behüten als alles, was zu bewahren ist; „denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens“ (Spr 4, 2,3). Wenn Gott durch Salomo sagt: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz, und lass deine Augen Gefallen haben an meinen Wegen!“ (Kap. 23, 26) und: „Dein Herz halte meine Worte fest“ (Kap. 4,4), so erkennen wir, welche Wichtigkeit Gott den Zuneigungen und Entscheidungen des menschlichen Herzens beimisst. Wir verstehen daraus aber auch, dass wir nur auf dem Weg der Hingabe an Gott und Sein Wort davor bewahrt werden können, dass Satan unser Herz erfüllt.

Meine lieben jungen Freunde, die ihr vielleicht diese Zeilen lest, öffnet eurem guten Herrn eure Herzen! Gebt Ihm Eure Zuneigungen, Er hat es um euch verdient; und lasst Ihn für euch entscheiden! Dann wird es Satan nicht möglich sein, in euer Herz und euer Leben zu kommen. Ananias ist uns allen ein warnendes Beispiel für das Gegenteil.

Sodann wird sichtbar, dass nicht der geringste Zwang ausgeübt wurde, wenn es darum ging, Opfer für die Bedürftigen zu bringen. Die Einzelpersönlichkeit mit ihren Rechten und Pflichten wird anerkannt, ebenso die Macht des einzelnen über den ihm anvertrauten Besitz. Weder die Apostel noch die Gemeinschaft der Gläubigen haben sich in die Rechte der einzelnen Besitzer hineingedrängt. „Blieb es nicht dein, wenn es so blieb, und war es nicht, nachdem es verkauft war, in deiner Gewalt?“ Mit apostolischer Autorität wird hier klargestellt, dass keine Verpflichtung dazu bestand, dass jeder sein Besitztum aufgab. Für jeden bestand vielmehr die Freiheit zu geben. Was jedoch die Verantwortlichkeit des einzelnen angeht, Besitztum recht zu verwalten, so haben wir darüber an anderer Stelle gesprochen. Hier wird diese Frage nicht weiter berührt, außer dass angedeutet wird, dass alles, was geschieht, in Aufrichtigkeit geschehen muss.

Der Heilige Geist ist Gott

Aus den Worten des Apostels Petrus wird eine weitere wichtige Wahrheit deutlich. Wir sind mit ihr im Allgemeinen gut vertraut; dennoch verdient sie es, hervorgehoben zu werden: Der Heilige Geist ist Gott. In Vers 3 spricht Petrus davon, dass Ananias den Heiligen Geist belogen habe, und im nächsten Vers sagt er: „Nicht Menschen hast du gelogen, sondern Gott.“

Das ist es, was das Lesen der Apostelgeschichte so kostbar macht: Wir treffen im Verlauf der Berichterstattung durch den heiligen Schreiber auf Wahrheiten, die in ihrer Fülle erst später im Neuen Testament entfaltet werden. Nichtsdestoweniger bestanden sie bereits, waren Wirklichkeiten, und der Glaube rechnete mit ihnen.

Hier sehen wir, dass der Heilige Geist eine göttliche Person, eine Person der Gottheit ist. Er ist durchaus nicht nur eine göttliche Kraft. Natürlich ist Er das auch, doch ist Er unendlich mehr: Er ist eine Person, die man zum Beispiel belügen kann, gegen die man sündigen kann.

Seinem Haus geziemt Heiligkeit

Genau das haben Ananias und Sapphira getan: Sie haben den Heiligen Geist und damit Gott belogen. Das macht den Ernst ihrer Sünde aus. Sie haben ganz außer Acht gelassen, dass Gott in der Person des Heiligen Geistes auf die Erde gekommen war und nun hier in Seinem Haus wohnte. Ananias beachtete nicht Seine heilige Gegenwart in der Versammlung. – Gewiss, die Sünde von Ananias und seiner Frau war groß, ihre Torheit unentschuldbar, die Bosheit Satans unübersehbar. Aber sie machten schließlich nur eine wunderbare Wahrheit offenbar: die Gegenwart Gottes in der Versammlung und die Macht, die damit verbunden ist.

Unser Versagen beginnt in der Regel damit, dass wir die Realitäten, die Gott in Seiner Gnade geschaffen hat, nicht mehr sehen. Dass das eine Folge des Unglaubens und damit unseres Herzens ist, haben wir schon gesehen. Der Herr Jesus hatte in Johannes 14 von dem Kommen des Geistes der Wahrheit gesprochen, hatte gesagt, dass Er bei ihnen bleiben und in ihnen sein würde (Vers 17). Am Tag der Pfingsten war Er dann gekommen und hatte aus den Gläubigen ein geistliches Haus gebildet, in dem Gott als in einem heiligen Tempel wohnt (Eph 2,19–22). Den Korinthern schrieb der Apostel Paulus: „Gottes Bau seid ihr“ und: „Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1. Kor 3, 9.16). Aber auch der Leib des einzelnen Gläubigen bildet den Tempel des Heiligen Geistes: „Oder wisset ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euer selbst seid?“ (Kap. 6, 19).

Nun, dort, wo Gott wohnt, müssen die Zustände Ihm entsprechen, muss Heiligkeit sein, muss Absonderung von jeder Art des Bösen gefunden werden. Dass Seinem Haus Heiligkeit geziemt, war schon für dessen äußere Form im Alten Testament wahr (Ps 93, 5).

Hören wir einmal, wie Gott durch den Mund des Propheten Hesekiel das Gesetz des Hauses formuliert: „Dies ist das Gesetz des Hauses: Auf dem Gipfel des Berges soll sein ganzes Gebiet ringsherum hochheilig sein; siehe, das ist das Gesetz des Hauses“ (Hes 43, 12). Wenn wir wissen wollen, wie man sich im Hause Gottes verhalten soll (1. Tim 3,15), dann lassen uns diese Stellen darüber nicht in Ungewissheit: Unser Leben muss, ob persönlich oder gemeinsam betrachtet, durch Heiligkeit gekennzeichnet sein. Heiligkeit, nicht Liebe, ist der vorherrschende Charakterzug Seines Hauses.2

Das hatte Ananias vergessen, hatte vergessen, dass Gott gegenwärtig war und alles sah und wusste. In der Tat, wie töricht ist der Unglaube! Aber haben nicht auch wir schon solche Fehler begangen und uns solcher Torheit des Unglaubens schuldig gemacht? Geliebte Freunde, lasst mich einmal die Frage stellen: Glauben wir wirklich, dass Gott in Seiner Versammlung wohnt und dass Er auch in unserem eigenen Körper wohnt? Glauben wir wirklich, dass der Herr Jesus persönlich dort zugegen ist, wo zwei oder drei zu Seinem Namen hin versammelt sind? Wurde es nicht tiefgreifende Veränderungen in unserem Verhalten hervorrufen, wenn wir tatsächlich von diesen Realitäten überzeugt wären?

Viele Formen des Verfalls, die wir in unserer Mitte sehen – und ich rede jetzt nicht von der Christenheit im Allgemeinen haben ihre Ursache darin, dass wir einfach die Wahrheit nicht mehr sehen, wie sie ist. Wir haben zuvor von Doppelherzigkeit gesprochen. Ist unser Herz geeint zur Furcht Seines Namens (Ps 86, 11)?

Der gütige Herr schenke uns die Bereitwilligkeit, unser Leben in das Licht dieser gesegneten Wahrheiten zu stellen, die wir hier vor uns haben! Wir können nicht dankbar genug dafür sein, dass uns stets der Weg des Selbstgerichts und des Bekenntnisses offensteht und dass es die wiederherstellende und vergebende Gnade Gottes gibt. „Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes“ (2. Kor 7, 1).

Aber außer der Verantwortlichkeit des einzelnen, „sein eigenes Gefäß in Heiligkeit und Ehrbarkeit zu besitzen“ (1. Thes 4, 4), gibt es die Verpflichtung, sich von korporativ Bösem zu trennen – von Bösem, das wir selbst direkt nicht ausüben. Wir können eben auch durch Verbindungen mit anderen, die in Lehre und Praxis Böses dulden, unrein werden.

Darüber spricht der Apostel am Ende von 2. Korinther 6. Nachdem er auch dort daran erinnert hat, dass die Gläubigen der Tempel Gottes sind, fährt er fort: „Darum gehet aus ihrer Mitte aus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen“ (2. Kor 6, 16–18). Wenn sich diese Ermahnung auch in ihrer ersten Anwendung auf unsere Absonderung von der Welt bezieht, so hat sie doch auch für jeden anderen Bereich Gültigkeit. Denn in seinem letzten Brief zeigt uns der Apostel, dass die Christenheit zu einem großen Haus geworden ist und dass es da Gefäße zur Unehre gibt. Von ihnen müssen wir uns wegreinigen, ja, von jeder Art von Ungerechtigkeit abstehen (2. Tim 2, 19–21). Es gibt solche, die nur eine äußere Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber, das ist Christus, verleugnen. „Von diesen“, sagt der Apostel, „wende dich weg“ (Kap. 3, 5). Um selber „Gefäße zur Ehre“ zu sein, „geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werke bereitet“, müssen wir uns von solchen absondern, die es nicht sind (Kap. 2, 21).

Eine Sünde zum Tode

„Als aber Ananias diese Worte hörte, fiel er hin und verschied. Und es kam große Furcht über alle, die es hörten“ (Vers 5).

Auf welch unübersehbare Weise wurde hier deutlich, dass Gott, der Heilige Geist, in der Versammlung wohnt! Es war ein überaus ernstes, direktes Gericht Gottes, so dass über alle, die es hörten, Furcht kam. Aber es offenbarte trotz allem die erhabene Tatsache der Gegenwart Gottes.

Das erklärt auch, warum Ananias ein so plötzliches Gericht traf. Es war noch die Zeit des Anfangs. Alles war durch die Gegenwart und Kraft des Heiligen Geistes gekennzeichnet. Und dann dieser schamlose Betrug! Es war eine Sünde zum Tode (1. Joh 5,16.17). Die Umstände des Anfangs und die Frische, die ihn prägten, machten sie dazu. 1. Johannes 5 zeigt, dass durchaus nicht jede Sünde eine Sünde zum Tode ist, auf die – und das bedeutet der Ausdruck – Gott mit dem leiblichen Tod dessen antwortet, der gesündigt hat. Gott sei Dank, dass nicht jede Sünde in den Augen Gottes diesen Charakter trägt!

Trotzdem kann grundsätzlich jede Sünde eine Sünde zum Tode werden. Doch es sind die begleitenden Umstände, die einer bestimmten Sünde einen derart offenkundigen, verletzenden Charakter verleihen, dass Gott mit einem zeitlichen Gericht, mit dem leiblichen Tod darauf antwortet. Diese begleitenden Umstände können verschiedener Art sein. Sie können darin bestehen, dass jemand besonderen Segen von Seiten Gottes erfuhr; dass einem Knecht Gottes eine bevorzugte Stellung anvertraut worden ist; dass eine Sünde immer wieder getan wird; und so fort.

Jede Sünde richtet sich in erster Linie gegen Gott. Daran besteht kein Zweifel, und das zeigt unsere Begebenheit. Aber nicht jede Sünde gewinnt durch ihre Begleitumstände den Charakter einer Sünde zum Tode. Die Gläubigen in Korinth hatten an keiner Gnadengabe Mangel (1. Kor 1, 7). So reich hatte Gott sie gesegnet. Und doch gab es unter ihnen solche, die das Mahl des Herrn auf absolut unwürdige Weise aßen. Auch dort antwortete Gott in ernster Weise mit Gericht: „Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein gut Teil entschlafen.“ Sie hatten sich selbst „Gericht gegessen und getrunken“ (1. Kor 11,29.30). Dass jedoch »Gericht« nicht ewige Verdammnis meint, macht dann der 32. Vers deutlich: „Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, auf dass wir nicht mit der Welt verurteilt werden.“ Hier werden drei verschiedene Wörter für richten benutzt, und nur das letzte bedeutet verdammen. Ein Kind Gottes wird nicht mit der Welt verdammt, aber es unterliegt der Regierung Gottes. Und es ist ein unumstößlicher Grundsatz der Regierung Gottes, „dass das Gericht anfange bei dem Hause Gottes“ (1. Pet 4, 17).

Auch Mose hatte sich einst in sehr ernster Weise gegen Gott versündigt. Er genoss ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Gott. Dennoch hatte er den Felsen zum zweiten Mal geschlagen und damit ein großes Vorbild von dem Herrn Jesus und Seinem Erlösungswerk zerstört. Als Folge davon durfte er nicht in das Land der Verheißung eingehen. Gott ließ ihn vom Gipfel des Pisga aus das ganze Land sehen, aber hineinzugehen wurde ihm nicht gewährt (5. Mo 32, 48–52; 34, 1–8). Flehentlich hatte er Gott gebeten: „Lass mich doch hinüberziehen und das gute Land sehen ... Aber Jehova war über mich erzürnt um euretwillen und hörte nicht auf mich; und Jehova sprach zu mir: Lass es genug sein; rede mir fortan nicht mehr von dieser Sache“ (Kap. 3, 25–26). Dort, im Land Moab, fand Mose seinen Tod, obwohl sein Auge nicht schwach geworden und seine Kraft nicht geschwunden war; und dort begrub ihn Jehova. Der Tod ereilte ihn, „darum dass ihr treulos gegen mich gehandelt habt inmitten der Kinder Israel ... darum dass ihr mich nicht geheiligt habt inmitten der Kinder Israel“.

Bei manchem meiner Leser mag jetzt die Frage aufgekommen sein: Handelt Gott auch heute noch mit den Seinen in dieser Weise und straft sie durch den Tod? Grundsätzlich können wir die Frage nicht einfach verneinen; denn sonst brauchten wir die Ermahnungen von 1. Johannes 5 nicht. Doch im Allgemeinen wird Gott heute nicht mehr in so offenkundigem Gericht handeln. Die Zeit des Anfangs, da alles noch gut stand, ist längst vorüber. Heute ist der Bereich des christlichen Bekenntnisses durch Untreue, Unglauben, Zersplitterung und Verfall gekennzeichnet. Obwohl sich natürlich die Gedanken Gottes über das Böse nicht verändert haben, so trägt es doch inmitten allgemeinen Versagens und äußerster Schwachheit nicht mehr den herausfordernden Charakter wie zu Anfang. Wenn Gott heute noch bei ähnlichen oder noch schlimmeren Vergehen, die ja ohne Frage unter Seinem Volk vorkommen, auf diese Weise handeln würde, wer würde dann, so möchte wohl besorgt gefragt werden –, wer würde dann nicht von Seinem Gericht getroffen werden?

Doch halten wir abschließend noch einmal fest: Wenn Gott mit einem Seiner Kinder, das eine Sünde zum Tode begangen hat, im Gericht handelt und es durch den Tod zu Sich ruft, dann berührt das nicht im geringsten die Frage der ewigen Errettung und Glückseligkeit. Er sagt dann gleichsam zu Seinem unartigen Kind: „Ich nehme dich jetzt zu Mir. Ich kann dir auf der Erde keine Aufgabe mehr anvertrauen.“ Wir haben von solchen Gläubigen gehört, die sich bewusst waren, eine Sünde zum Tode begangen zu haben. Sie haben diese Zucht Gottes aus Seiner Hand angenommen und sind dann in tiefem Frieden heimgegangen.

Und so scheint der Fall von Ananias und Sapphira doch auch ein besonderer, um nicht zu sagen: einmaliger gewesen zu sein. Die Plötzlichkeit, in der das Gericht Gottes sie traf, machte ihn dazu. Auch sehen wir, dass Petrus nicht für sie betete. Er handelte nach dem Wort in 1. Johannes 5, Vers 16: „Es gibt Sünde zum Tode; nicht für diese sage ich, dass er bitten solle.“ Stephanus dagegen konnte für seine Feinde beten, und er tat es auch: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“ (Apg 7, 60).

„Die Jünglinge aber standen auf, rafften ihn zusammen und trugen ihn hinaus und begruben ihn“ (Vers 6).

Alles hier trägt einen ernsten Charakter. Da war kein Wehklagen, keine Äußerung von Trauer, kein Wort des Mitleids. Die Jünglinge, offenbar jüngere gläubige Männer der Versammlung, rafften den Toten wortlos zusammen, trugen ihn hinaus und begruben ihn. Furcht legte sich auf alle, aber sie nahmen die ernste Sprache Gottes ohne Widerspruch an und beugten sich darunter.

Der Tod Sapphiras

Gott versuchen

„Es geschah aber nach Verlauf von etwa drei Stunden, dass sein Weib hereinkam, ohne zu wissen, was geschehen war. Petrus aber antwortete ihr: Sage mir, ob ihr für so viel das Feld hingegeben habt? Sie aber sprach: Ja, für so viel. Petrus aber sprach zu ihr: Was ist es, dass ihr übereingekommen seid, den Geist des Herrn zu versuchen? Siehe, die Füße derer, welche deinen Mann begraben haben, sind an der Tür, und sie werden dich hinaustragen. Sie fiel aber alsbald zu seinen Füßen nieder und verschied.

Und als die Jünglinge hereinkamen, fanden sie sie tot; und sie trugen sie hinaus und begruben sie bei ihrem Manne. Und es kam große Furcht über die ganze Versammlung und über alle, welche dies hörten“ (Verse 7–11).

Offenbar hatte man Sapphira nichts von dem Tod ihres Mannes gesagt oder sagen können. Als sie nach drei Stunden hereinkam – die jungen Männer waren von dem Begraben ihres Mannes noch nicht zurückgekehrt fragte Petrus sie offen, ob sie und ihr Mann für diese Summe, die sie den Aposteln ausgehändigt hatten, das Feld verkauft hatten. Er gab ihr damit die Gelegenheit, jetzt die Wahrheit zu sagen.

Hier tritt ein Unterschied zu der Vorgehensweise mit Ananias zutage. Ihm hatte Petrus diese Gelegenheit nicht eingeräumt, sondern ihm auf den Kopf zugesagt, worin er gesündigt hatte. Daraus scheint hervorzugehen, dass nicht Sapphira, sondern ihr Mann Ananias die treibende Kraft gewesen war. Die Worte des Apostels zu Ananias bestätigen das: „Was ist es, dass du dir diese Tat in deinem Herzen vorgenommen hast?“ Doch Sapphira hatte darum gewusst. Anstatt zu versuchen, ihren Mann von dieser bösen Sache abzuhalten, war sie mit ihm darin einig gewesen. Jetzt gab ihr der Apostel die Chance zum Bekenntnis. Würde sie sie nutzen? Ach, nein! Ihr Herz war ebenso verhärtet wie das ihres Mannes, und so überfuhr sie auch dieses Haltesignal, das letzte.

Welch ein warnendes Beispiel für uns alle, wenn Gott uns einmal ein ähnliches „Halt!“ zurufen lassen sollte! Und das ist das Tragische: Ist erst einmal das Herz von Gott entfernt und das Gewissen verhärtet, sieht man die ausgestreckte Hand der Gnade Gottes nicht mehr. Diese Frau sah sie auch nicht und ergriff sie deswegen auch nicht. So musste Petrus ihr das Gericht ankündigen, das auch unmittelbar danach eintrat. Die jungen Männer trugen auch sie hinaus und begruben sie bei ihrem Mann, dessen Grab sie gerade verschlossen hatten.

Erschütterndes Ende! Es erinnert uns an die Worte des weisen Predigers: „Da ist ein Weg, der einem Menschen gerade erscheint, aber sein Ende sind Wege des Todes“ (Spr 14, 12; 16, 25). Zwei Menschen hatten den Geist des Herrn versucht, hatten Gott auf die Probe gestellt, wie weit sie gehen könnten; hatten gleichsam gefragt: „Ist Jehova in unserer Mitte oder nicht?“ Das gleiche hatten einst die Kinder Israel an den Wassern von Meriba getan (2. Mo 17, 2.7). Dieses Ignorieren und Infrage stellen der Gegenwart Gottes – es ist ein schrecklicher Charakterzug auch unserer Tage.

Zucht in der Versammlung

Es bleibt noch auf die herausragende Stellung hinzuweisen, die der Herr dem Apostel Petrus und damit den Aposteln überhaupt erneut zuwies. Wir haben in diesem Abschnitt die erste Zucht in der Versammlung vor uns gehabt, und in gewisser Weise war Petrus das Werkzeug Gottes darin gewesen. In apostolischer Autorität hatte Petrus die Sünde der Beiden an sie gebunden. Darin handelte er in Übereinstimmung mit den Worten, die er einst aus dem Mund seines Herrn gehört hatte: „Und ich werde dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was irgend du auf der Erde binden wirst, wird in den Himmeln gebunden sein, und was irgend du auf der Erde lösen wirst, wird in den Himmeln gelöst sein“ (Mt 16, 19). Dieses Binden und Lösen hat natürlich nichts mit der Vergebung der Sünden im Blick auf die Ewigkeit zu tun. Es ist ganz eine Frage der Zucht und der Autorität, in der sie ausgeführt wird.

Zu Anfang hatte der Herr diese Autorität Seinen Aposteln gegeben. Sie sollten sie zur Gründung und Befestigung der Versammlung benutzen. Dann hat Er sie der örtlichen Versammlung übertragen, die allein Ihn zum Mittelpunkt hat (Mt 18,18–20). Auch die Versammlung bindet und löst, behält Sünden und vergibt sie (Joh 20, 23). Dieses Vergeben oder Nichtvergeben trägt ebenfalls administrativen, das heißt verwaltenden Charakter und bezieht sich nur auf den Bereich christlicher Gemeinschaft auf der Erde. Ein Beispiel für das Binden oder Behalten von Sünde finden wir in 1. Korinther 5, wo die Gläubigen der örtlichen Versammlung in Korinth ermahnt werden: „Tut den Bösen von euch selbst hinaus“ (Vers 13). Ein Beispiel für das Lösen oder das Vergeben von Sünde zeigt uns dagegen 2. Korinther 2, Vers 7.

Der Ausdruck Versammlung

Der elfte Vers bringt die erste direkte Erwähnung der Versammlung in der Apostelgeschichte (vgl. die Bemerkungen zu Kapitel 2, Vers 47). Nicht dass sie erst jetzt entstanden wäre, sondern sie wird als etwas bereits Bestehendes, als etwas Bekanntes jetzt zum ersten Mal so genannt: „Und große Furcht kam über die ganze Versammlung und über alle, welche dies hörten.“

Auch in den Evangelien kommt diese Bezeichnung nur zweimal vor, beide Male im Matthäusevangelium. Beide Male auch ist es der Herr Jesus selbst, der diesen Ausdruck gebraucht. In Matthäus 16 bezeichnet Er damit die Versammlung in ihrer Gesamtheit von Pfingsten an bis zur Entrückung (Vers 18), die Versammlung auf der Erde in ihrem allgemeinen oder umfassenden Aspekt: Des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen. In Kapitel 18 redet Er von der Versammlung in ihrem örtlichen Aspekt (Vers 17). Die Versammlung Gottes an einem Ort umfasst alle Erlösten dieses Ortes. In denen, die zum Namen des Herrn Jesus hin versammelt sind – und seien es auch nur zwei oder drei –, findet sie ihren örtlichen Ausdruck (1. Kor 1, 2). Es ist sehr wichtig, diese beiden Seiten zu sehen. Der erste Korintherbrief zeigt uns dann noch eine weitere Sichtweise der Versammlung, ihren zeitlichen Aspekt (Kap. 12). In diesem Sinn bilden alle Kinder Gottes, die zu einer bestimmten Zeit auf der Erde leben, die Versammlung Gottes.

Das Wort Versammlung ist die Wiedergabe des griechischen Wortes ekklesia, was so viel wie Herausgerufene bedeutet. Dieses Wort hat sowohl einen griechischen als auch einen jüdischen Hintergrund. Die Griechen bezeichneten damit in der Hauptsache eine Bürgerversammlung einer griechischen oder später römischen Stadt (Apg 19, 3a.39.41). Der jüdische Gebrauch des Wortes trägt eindeutig religiösen Charakter. In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, wird damit die Versammlung Jehovas bezeichnet. In neutestamentlicher Zeit wird dieses Wort benutzt, um die Versammlung des lebendigen Gottes zu beschreiben, die aus all denen besteht, die Gott aus der Welt, aus Juden und Nationen, herausgerufen und in die Gemeinschaft Seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn, berufen hat (1. Kor 1,9). Hier nun in der Apostelgeschichte wird dieses Wort zum ersten Mal in diesem, dem christlichen Sinn angewandt.

Als Satan durch das erste Menschenpaar die Sünde in die Welt einführte, antwortete Gott mit dem Tod (1. Mo 2,17): Der Mensch wurde in demselben Augenblick, als er sündigte, dem leiblichen Tod unterworfen (Röm 5,12). Als Satan durch Ananias und Sapphira zum ersten Mal versuchte, offenkundiges Böses in die Versammlung Gottes einzuführen, antwortete Gott in Seinen Regierungswegen ebenfalls sofort mit dem Tod.

So wehrte Gott dem Eindringen des Bösen. Der Versuch des Feindes, das Werk Gottes zu stören, schlug vollständig fehl. Vielmehr nahm es, wie der weitere Verlauf des Kapitels zeigt, unaufhaltsam seinen Fortgang. Welch ein Trost auch für unsere Tage: Das, was wirklich von Gott ist, wird schließlich den Sieg davontragen!

Fußnoten

  • 1 In Seinem Gebet in Johannes 17 erwähnt der Herr drei Einheiten. Zuerst in Vers 11 die Einheit der Apostel Obwohl damals das Neue Testament noch nicht vorlag, bewahrte Gott die Apostel davor, etwas zu lehren, was im Widerspruch zur Wahrheit stand. Die Lehre der Apostel bildete ein übereinstimmendes Ganzes. Zweitens weist Er auf die Einheit der Familie Gottes und ihres Zeugnisses hin (Verse 20.21). Diese Einheit sehen wir hier in der Apostelgeschichte verwirklicht. Und drittens spricht Er von der Einheit in Herrlichkeit, „auf dass die Welt erkenne ...“ (Vers 23).
  • 2 Wenn es dagegen um die Familie Gottes geht, wie sie uns in den Schriften des Apostels Johannes vorgestellt wird, ist dort Liebe das bemerkenswerte Kennzeichen, ohne dass der Aspekt des Lichtes vernachlässigt wird. Wie im Wesen Gottes selbst so gehören auch in Bezug auf die Gläubigen Licht oder Heiligkeit und Liebe unverbrüchlich zusammen, wenn auch je nach Zusammenhang das eine oder das andere charakterisierend in den Vordergrund tritt.
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