Lebendiger Glaube
Eine Auslegung des Briefes des Jakobus

5. Der Glaube zeigt sich in konkreten Werken

Mit Vers 14 kommen wir zum dritten großen Teil dieses zweiten Kapitels. Wir haben zunächst gesehen, dass der Glaube weltliche, soziale Unterschiede überwindet (V. 1–7). Dann wurde im zweiten Teil deutlich, dass der Glaube auf Gottes Wort beruht (V. 8–13). In diesem dritten Teil geht es nun darum, dass sich der Glaube in konkreten Werken offenbart, die auch Menschen sehen und beurteilen können (V. 14–26).

Jakobus zeigt uns, dass geprüft wird, ob der Glaube Werke hervorbringt und behandelt, wie Glaube und Werke miteinander verbunden sind. Zehnmal finden wir in den Versen 14–26 Glaube und Werke zusammen genannt. Die Betonung liegt dabei auf ihrer Beziehung zueinander. Jakobus besteht darauf, dass Werke nicht ein zusätzliches „Extra“ zum Glauben sind. Sie stellen einen grundlegenden Ausdruck des Glaubens dar. Das ist erneut etwas, was der Herr Jesus bereits in der Bergpredigt in Matthäus 7,21–27 vorstellt.

Jakobus besteht also darauf, dass sich echter Glaube durch das Hervorbringen von Werken beweisen muss. Er legt dar, dass ein untätiger Glaube nutzlos ist (V. 14–19) und belegt uns aus den Schriften, dass der rettende Glaube sich im Hervorbringen von Werken zeigt (V. 20–25). Jakobus zieht dann zusammenfassend die Schlussfolgerung, dass Glaube und Werke untrennbar zusammengehören (V. 26).

Zunächst einmal mag mancher Leser über den unvermittelten Wechsel des Themas in Vers 14 überrascht sein. Aber so drastisch, wie dieser Themenwechsel auf den ersten Blick zu sein scheint, ist er gar nicht. Denn Jakobus führt den Gedanken der Barmherzigkeit durchaus weiter. Der dritte Teil dieses Kapitels steht also mit dem vorherigen in Verbindung. Es ging darum, Barmherzigkeit zu üben. Jakobus spricht jetzt davon, dass Werke der Beweis des Glaubens sind. Eines dieser Werke, an die er denkt, ist das Üben von Barmherzigkeit (Jak 2,15.16).

Jakobus hatte den Briefempfängern schon zwei sichere Prüfsteine vorgehalten, an denen sie erkennen konnten, ob Glaube bei ihnen wirklich vorhanden war. Nur, wer ohne Ansehen der Person handelt und wer sein Tun auf das Fundament des Wortes Gottes stellt, hat wirklich den Glauben unseres Herrn der Herrlichkeit. Jetzt fügt er noch einen dritten Prüfstein hinzu: Gibt es wirklich sichtbare Früchte dieses Glaubens? Diese Frage gilt auch uns.

Werke des Glaubens sind also der Beweis der Wirklichkeit des Glaubens. Was ein Mensch sagt, wird durch das, was er tut, getestet. Jemand mag vielleicht sagen, dass er glaube. Aber das Bekenntnis des Glaubens allein heißt nicht, dass dieses Bekenntnis auch wahr ist, es sei denn, er beweist die Echtheit seines Glaubens durch Glaubenswerke. Damit wird der Glaube als solcher in keiner Weise klein geredet. Aber seine Wirklichkeit ist fragwürdig, wenn er nicht durch Werke begleitet wird.

Was für einen Nutzen hat Glaube ohne Werke? (V. 14–17)

„Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke? Kann etwa der Glaube ihn erretten? Wenn aber ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und der täglichen Nahrung entbehrt, jemand von euch spricht aber zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht das für den Leib Notwendige – was nützt es? So ist auch der Glaube, wenn er keine Werke hat, in sich selbst tot“ (V. 14-17).

Dieser dritte Teil des zweiten Kapitels gehört zu den am meisten diskutierten Versen des ganzen Jakobusbriefes. Bevor wir in die eigentliche Betrachtung des vierzehnten Verses einsteigen, ist es daher gut, einige allgemeine Bemerkungen zu diesem Abschnitt voranzustellen.

Wir wissen, dass es gerade die nun folgenden Verse waren, die bei großen Glaubensmännern wie Martin Luther Bedenken bezüglich der Inspiration dieses Briefes brachten. Luther meinte, dass Jakobus die Aussagen von Paulus widerlegen und ihnen widersprechen würde. Das führte dazu, dass er diesen Brief eine „stroherne Epistel“ nannte, obwohl dieser Ausdruck wohl nur in seiner ersten Ausgabe des Neuen Testaments enthalten ist. Später hat er diese Aussage offenbar nicht wiederholt, jedenfalls ist sie nicht mehr belegt.

Andere meinen, Jakobus korrigiere den Römerbrief in seiner Verkündigung und Entfaltung des Evangeliums der Gnade. Zudem stelle Jakobus den Galaterbrief richtig, der eine Verteidigung genau dieses Evangeliums war. Diese Gedanken sind allerdings abwegig. Denn wie hätte Jakobus einen dieser Briefe widerlegen können? Sie existierten ja noch gar nicht, jedenfalls der Römerbrief, sondern wurden erst Jahre später verfasst. Umgekehrt ist es aber auch keineswegs so, dass Paulus den Gedankengang von Jakobus korrigiert hätte. Beide schrieben unter der Leitung des Heiligen Geistes und ergänzen sich auf wunderbare Weise. Niemand sollte übersehen, dass Paulus die Überzeugungen seines Mitbruders teilte. Aber er ergänzte die Belehrung von Jakobus um einen grundlegenden Aspekt.

Wie geht man mit scheinbaren Widersprüchen in der Schrift um?

Vor dem Hintergrund, dass manche meinen, Jakobus und Paulus widersprächen sich, können wir anhand dieser Verse etwas Wichtiges erkennen. Wir lernen nämlich an diesem Beispiel exemplarisch, wie man mit Schwierigkeiten in der Bibel umgehen sollte, wenn zwei Verse miteinander im Widerspruch zu stehen scheinen. Was tun wir dann?

  1. Wir sollten darüber beten.
  2. Danach werden wir versuchen, die jeweiligen Verse nebeneinander zu stellen, um zu verstehen, was in dem jeweiligen Kontext gemeint ist.
  3. Dann sieht man sich die Gesamtaussage der Schrift an, um zu erkennen, wie die beiden Verse darin eingebettet sind.
  4. Nicht immer wird man sofort zu einem befriedigenden Ergebnis kommen. Wir sollten ehrlich sein und Fragen, die für uns nicht abschließend geklärt sind, nicht als klar und eindeutig erklären. Manchmal empfindet man Druck, ein geistlicher Christ müsse das klar sehen und verstehen. Aber das sollten wir weder bei anderen noch bei uns erwarten. Gott gesteht uns geistliches Wachstum zu. Das hat Er auch bei Martin Luther getan.

Übersehen wir nicht, dass viele Christen Fragen haben und es ihnen vermutlich ähnlich ergeht wie uns. Besser, man hat eine „offen gebliebene“ Frageliste, als dass man so tut, als habe man keine Frage. Das könnten falsche und raffinierte Lehrer ausnutzen und uns auf einen falschen Weg führen.

  1. Man muss die Dinge manchmal einfach für eine Zeit so stehen lassen, vielleicht auch die Gelegenheit nutzen, einen vertrauenswürdigen Lehrer des Wortes Gottes zu befragen. Schwierige Stellen muss man zuweilen für eine Zeit zur Seite legen.1

Jakobus und Paulus – zwei Kontrahenten im Blick auf die Wahrheit?

Nun bleibt die Frage bestehen, wie man mit der zum Teil unterschiedlichen Behandlung des Themas „Glaube“ durch Paulus und Jakobus umgehen kann. Was schreiben und behandeln die beiden eigentlich? Dazu sollten wir folgendes bedenken:

  1. Einen solchen Widerspruch kann es in Gottes Wort nicht geben, weil es dann nicht von Gott wäre.
  2. Die offensichtlich unterschiedlich oder gegensätzlich verwendete Wortwahl ist nicht zufällig. Wenn sich Paulus und Jakobus unterscheiden, dann deshalb, weil sie beide Botschaften weitergeben sollen, die richtig und wichtig sind. Vergessen wir nicht, dass die Bibel in jedem Teil Gottes inspiriertes Wort ist.
  3. Jakobus antwortet nicht auf Paulus, denn Jakobus hat seinen Brief vor denen von Paulus geschrieben. Das haben wir bereits gesehen.
  4. Paulus antwortet nicht auf Jakobus, auch wenn das zeitlich denkbar wäre. Aber Paulus hätte das deutlich ausgedrückt, wenn er wirklich der Auffassung gewesen wäre, etwas korrigieren zu müssen. Aber wenn der Apostel einmal Kritik an einem anderen Apostel äußern musste, wie wir es in Galater 2,11–21 finden, dann tat er es vernehmlich. Dort widerspricht er Petrus ins Angesicht.
  5. Die sogenannten Gegensätze sind rein formaler Natur. Das heißt, sie betreffen Worte, nicht aber die zugrunde liegende Wahrheit. Jakobus und Paulus meinen zum Teil etwas Unterschiedliches, wenn sie von Werken sprechen, sie nehmen zudem eine verschiedenartige Perspektive im Blick auf die Werke und die Rechtfertigung ein. Beide Schreiber ergänzen einander und ihre Äußerungen passen wie ein Puzzle zusammen. Erst gemeinsam ergeben sie das volle Bild. Wir brauchen beide Belehrungen, um das zu erfassen, was Gott uns im Blick auf Glaube und Werke vermitteln will.
  6. Wenn es um den Glauben geht: Wenn Jakobus davon spricht, dass Glaube von Werken getrennt wird, meint er ein intellektuelles, orthodoxes Glaubensbekenntnis. Bei Paulus bedeutet der Begriff „Glaube“ dagegen die persönliche Annahme des Erlösungswerkes Jesu Christi. Das will sagen: Man stützt sich im persönlichen Vertrauen allein auf die Gnade Gottes in Christus Jesus.
  7. Wenn es um Werke geht: Jakobus meint Werke des Gläubigen, also des erlösten Menschen. Diese Werke sind der äußerliche Beweis eines erlösten Lebens. Es geht ihm um die Früchte, die beweisen, dass der Einzelne Anteil an der Wurzel und Quelle von allem hat, am göttlichen Leben. Paulus dagegen schreibt zeitlich später und gibt uns eine weitergehende Belehrung über Werke. Er spricht von toten Werken und von Gesetzeswerken eines nicht von neuem geborenen Menschen. Doch behandelt der Apostel in seinen Briefen nicht nur diese Art von Werken. Er benutzt dasselbe Wort, wenn er von guten Werken Damit meint er die Frucht, die ein gerechtfertigter Mensch hervorbringen muss. In diesen Fällen gehen die Belehrungen von Paulus und Jakobus sogar direkt in dieselbe Richtung.
  8. Wenn es um die Rechtfertigung geht: Rechtfertigung ist bei Paulus eine Handlung, die allein Gott zusteht und die Er in souveräner Gnade ausführt. Er vergibt alle unsere Sünden und nimmt uns als gerecht an. Bei dem Apostel geht es um den Eingangsmoment des christlichen Lebens. Es handelt sich um einen Akt, der ein für alle Mal gültig ist. Jakobus dagegen bezieht sich auf die Zeit im Leben eines Christen. Er behandelt die Rechtfertigung eines Menschen vor seinen Mitmenschen, nicht die vor Gott. Man könnte auch sagen, dass Paulus sich auf die Wurzel der anfänglichen Annahme bei Gott bezieht. Sie ist ein Geschenk Gottes und vollständig durch Gnade (Gottes Seite) und durch Glauben (unsere Seite) unser Eigentum. Jakobus dagegen beschäftigt sich mit den folgenden und dauerhaften Beweisen der Wirklichkeit dieser anfänglichen Handlung, wie sie vor Menschen sichtbar werden.

Ich hoffe, dass ich mit diesem Überblick schon einen Großteil der scheinbaren Widersprüche zwischen der Belehrung durch den Apostel Paulus und durch Jakobus auflösen kann. Beide haben inspiriert geschrieben. Beide beschreiben mit ihren Botschaften nur einen Teil der Wahrheit. Beide ergänzen sich auf wunderbare Weise.

Gerne möchte ich diese Gegenüberstellung noch untermauern. Dazu sehen wir uns noch ein paar Einzelheiten an, denn für manchen räumt dieser Überblick die Schwierigkeit nicht gänzlich aus.

Ein Vergleich der Bibelstellen

Deshalb schauen wir uns einmal zentrale Bibelstellen etwas genauer an.

  • Wir lesen in Römer 3,28: „Denn wir urteilen, dass ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke.“ Und schon zuvor sagte Paulus in Römer 3,20: „Darum, aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden.“ In Jakobus 2,24 dagegen lesen wir: „Ihr seht also, dass ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein.“
  • In Römer 4,2 heißt es: „Denn wenn Abraham aus Werken gerechtfertigt worden ist, so hat er etwas zum Rühmen – aber nicht vor Gott.“ Man kann hier an die Botschaft der ersten zwölf Verse von Römer 4 denken. Auch in Galater 3,6–14 betont der Apostel, dass Abraham auf der Grundlage von Glauben gerechtfertigt wurde und nicht durch Gesetzeswerke: „Denn so viele aus Gesetzeswerken sind, sind unter dem Fluch ... Dass aber durch Gesetz niemand vor Gott gerechtfertigt wird, ist offenbar, denn der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Gal 3,10.11). Jakobus schreibt im Unterschied dazu in Jakobus 2,21: „Ist nicht Abraham, unser Vater, aus Werken gerechtfertigt worden, da er Isaak, seinen Sohn, auf dem Altar opferte?“ Schon zuvor hat Jakobus auf Werken bestanden: „Aber es wird jemand sagen: Du hast Glauben, und ich habe Werke; zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, und ich werde dir meinen Glauben aus meinen Werken zeigen“ (Jak 2,18).

Wie soll man diese Unterschiede und die scheinbar widersprüchlichen Folgerungen überhaupt erklären? Abraham wurde vor vielen Hunderten von Jahren einerseits aus Werken gerechtfertigt und anderseits doch aus Werken nicht gerechtfertigt. Wir haben weiterhin gesehen, dass in der heutigen christlichen Zeitperiode ein Mensch aus Glauben ohne Werke gerechtfertigt wird, und doch ausdrücklich auch durch Werke und nicht durch Glauben allein. Wie kann man das zusammenbringen?

Diesen Unterschied werden wir nur verstehen, wenn wir erkennen, dass Paulus über die christliche Lehre in ihren tiefsten Grundsätzen spricht. Jakobus hingegen spricht, wie wir immer wieder gesehen haben, auf ganz praktische Weise über das christliche Leben und die damit verbundene Lehre. Das gilt auch hier. Paulus verbindet den Glauben mit dem Geschenk der neuen Natur. Aus ihr kommt Glaube hervor. Das Glaubensvertrauen ist eine praktische Aktivität, die da gefunden wird, wo eine göttliche Natur vorhanden ist. Diese göttliche Natur empfängt niemand auf der Grundlage eigener Anstrengungen, sondern allein auf der Basis von göttlicher Gnade, die man sich durch den persönlichen Glauben zu eigen machen kann.

Mit anderen Worten: Man hält die Hand auf, um das göttliche Geschenk anzunehmen. In diesem Sinn ist es unmöglich, aus Werken gerechtfertigt zu werden. Jakobus dagegen denkt, wenn er von Glauben spricht, an ein Glaubensbekenntnis, das auf seine Echtheit geprüft wird. Der Heilige Geist zeigt durch Jakobus, dass echter Glaube, der vor Gott rechtfertigt, durch Werke vor Menschen unter Beweis gestellt werden muss.

Aus dem Glauben kommen Werke hervor, nicht umgekehrt

Als der Apostel Paulus das Evangelium der Herrlichkeit Gottes verkündigte, bestand er auf dem Glauben an Jesus Christus. Nur dieser rechtfertigt vor Gott, nur auf dieser Grundlage kann Gott Menschen gerecht nennen, getrennt von den Werken des Gesetzes.

„Jetzt aber ist, ohne Gesetz, Gottes Gerechtigkeit offenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten: Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus gegen alle und auf alle, die glauben“ (Röm 3,21.22), wobei Juden und Heiden unterschiedslos verlorene Sünder sind. Paulus geht es darum zu zeigen, dass wir umsonst gerechtfertigt werden durch die Gnade Gottes, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist (vgl. Röm 3,24).

Im Brief des Jakobus wird dieses Thema ganz anders behandelt. Jakobus geht es um das praktische Christenleben, das in Übereinstimmung mit dem christlichen Bekenntnis stehen muss.

Bei alledem dürfen wir die Gemeinsamkeiten der beiden inspirierten Schreiber nicht übersehen. Auch Paulus besteht, wie Jakobus, in Römer 2,13 sehr stark darauf, dass es nicht um ein bloßes Bekenntnis, sondern um die moralische Wirklichkeit geht. Der Glaube wäre wertlos, wenn er nicht mit den Früchten der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus zu Gottes Herrlichkeit und Ehre sind, verbunden wird.

Das ist die Verbindung von Paulus zu Jakobus. Denn Jakobus behandelt in den vor uns stehenden Versen nicht die Frage, wie ein Sünder vor Gott gereinigt und gerecht erklärt wird, sondern was für ein Lebenswandel für diejenigen angemessen ist, die den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus haben. Diese notwendige Schlussfolgerung übergeht Paulus ebenfalls nicht.

Falsche Extreme

Wir Menschen haben immer die Tendenz zu Extremen. Das gilt im Blick auf die Errettung, aber auch für andere Dinge. Dabei müssen wir erkennen, dass diese beiden inspirierten Schreiber nicht solche Extreme bedienen, sondern ihnen entgegenwirken.

  • Manche bestehen darauf, dass man durch gute Werke gerettet wird. Wie eine große Kirche noch heute, sagen diese Menschen, dass derjenige, der dem Gesetz Gottes gehorsam ist, gerechtfertigt wird.
  • Andere wiederum berufen sich allein auf einen „historischen Glauben“ für ihre Annahme bei Gott und übersehen die Notwendigkeit einer inneren Veränderung und Reinigung. Diese Umkehr ist für sündige Menschen jedoch unabdingbar, um Gott gefallen zu können. Der Herr spricht von dieser Veränderung in Verbindung mit der neuen Geburt. Sie wird durch ein Leben in praktischer Gerechtigkeit offenbar, das nur der führen kann, der aus Gott geboren ist und somit von Gott eine neue Natur geschenkt bekommen hat.

Der Heilige Geist benutzte besonders Paulus dazu, den erstgenannten Irrtum zu widerlegen. Der Apostel bestand auf der Rechtfertigung vor Gott, die nicht durch Taten möglich ist, sondern allein durch den Glauben an den Herrn Jesus und sein Erlösungswerk.

Jakobus wiederum behandelt den zweiten Irrtum und zeigt, dass der Glaube, der rettet, ein sichtbarer und wirksamer Glaube ist. Seine Botschaft ist: Niemand kann vor Gott gerechtfertigt sein, der nicht auch praktisch vor den Augen von Menschen gerechtfertigt ist. Denn die Rechtfertigung aus Glauben vor Gott wird sichtbar im Leben eines Menschen.

Im Sinn von 2. Petrus 1,20, wo wir lesen, dass keine Weissagung von eigener Auslegung ist, fügen sich somit Paulus und Jakobus wunderbar zusammen. Zudem widerspricht Paulus selbst einem konstruierten Widerspruch zwischen ihm und Jakobus: Es ist der Glaube, der rettet (Röm 4,5; Eph 2,8.9), der aber begleitet wird von guten Werken (Tit 3,8; Eph 2,10; Röm 2,13; Gal 5,6; 2. Tim 3,17).

Jakobus schreibt somit nicht, dass nicht der Glaube für den Himmel rettet, denn Gottes Wort widerspricht sich nicht. Er verdeutlicht vielmehr, dass wenn ein Mann sagt, er habe Glaube, er zeigt aber keine Werke, die seinen Glauben beweisen, es sich nicht um einen wirklichen Glauben handelt. Es ist dann nur eine Fälschung. Solch ein Glaube kann natürlich nicht retten. Denn echter Glaube an den Herrn Jesus führt immer zu Errettung und in der Folge zu Werken der Gerechtigkeit im Leben.

Jemand hat einmal zum Unterschied von Paulus und Jakobus gesagt: Paulus führt zum Kreuz hin, Jakobus kommt vom Kreuz her. Jakobus spricht in Jakobus 2,14–26 von Brüdern und Schwestern, von „euch“ und „ihr“. Er hat also innerchristliche Verhältnisse vor Augen. Seine Adressaten sind bekennende Christen. Römer 3 zeigt aber erst den Weg zum Christsein auf.

Die Schreiber des Neuen Testaments vertreten dieselbe Position

Jakobus vertritt im Übrigen dieselbe Position wie auch sein Meister (vgl. Mt 7,21–27; 12,50; 21,28–32). Auch Johannes gibt uns die gleiche Belehrung (1. Joh 2,17). Ein bloßes Lippenbekenntnis rettet eben nicht. Es müssen Werke des Glaubens sein (1. Thes 1,3). Paulus nennt diese Werke auch „Frucht“ (Gal 5,22.23). Das zeigt uns, dass der Brief des Jakobus eine höchst notwendige Warnung vor einer billigen, das heißt folgenlosen Gnade darstellt, die sich nicht in Glaubenswerken zeigt.

Die Botschaft von Jakobus ist gerade in unseren Tagen sehr wichtig. Wir haben gesehen, dass der Jakobusbrief ein Endzeitbrief ist. In der Endzeit besteht die Gefahr, dass man sich auf die Glaubenskraft früherer Generationen oder großer Namen beruft, anstatt einen lebendigen Glauben zu erweisen (vgl. 2. Tim 2,19). Niemand wird durch Glauben gerechtfertigt, sofern der (praktische) Glaube ihn nicht gerecht erweist. Denn der wahre Glaube setzt eine lebendige Beziehung der Seele zu Gott voraus. Jakobus spricht hier von einem Glauben, der bestimmten Lehrgebäuden zustimmt und eine Art intellektuelle Bejahung dieser Dogmen enthält. Wahrer Glaube dagegen zeigt sich in Werken, beispielsweise darin, ob man mit Ansehen der Person bestimmten Personen mehr Ehre erweist als anderen, hier, nach Jakobus 2, in einer Synagoge.

Die Lehre vom Glauben ist im Leben des Christen von zentraler Bedeutung, sowohl, was den Beginn des Glaubenslebens betrifft, als auch, was den Verlauf dieses Lebens angeht. Der Sünder wird durch Glauben gerettet (Eph 2,8.9). Der Gläubige muss aber auch im Glauben leben (2. Kor 5,7). Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen (vgl. Heb 11,6). Alles, was wir nicht im Glauben tun, ist in den Augen Gottes Sünde (Röm 14,23). Jemand hat einmal gesagt: Glaube ist nicht „Glaube trotz der Beweise, sondern Gehorchen trotz der Folgen“.

Wenn jemand sagt (V. 14)

Damit kommen wir zu den Einzelheiten des Verses 14. Zunächst einmal fällt auf, dass es kein Bindewort zwischen Vers 13 und Vers 14 gibt. Vers 14 beginnt ganz unvermittelt. Daher ist offensichtlich, dass Jakobus hier einen neuen Abschnitt beginnt. Er setzt zwei rhetorische Fragen an den Anfang dieses Abschnitts, um die Nutzlosigkeit eines inaktiven Glaubens zu zeigen.

Die erste abrupte Frage rüttelt uns wach und fordert uns heraus, den scheinbaren Wert eines Glaubens ohne Werke zu überdenken. So spricht Jakobus die Gewissen der Leser an. Da er ein Herz für die Leser hat, spricht er sie wieder als seine Brüder an. Es ist ihm wichtig, dass seine Brüder einen klaren Blick für wahren Glauben haben. Er redet zu solchen, bei denen er davon ausgeht, dass sie Glauben und Werke haben.

Dass es hier um das persönliche Bekenntnis geht, wird durch die Worte von Jakobus deutlich: „Wenn jemand sagt …“ Das ist im Übrigen der Schlüssel zu diesem Teil des Briefes. Es geht darum, dass das Bekenntnis eines Menschen geprüft wird. Man sagt, man habe Glauben. Aber wo ist der Beweis davon? Jakobus zeigt, dass die Werke der Beweis echten Glaubens sind.

Auf die rhetorische Frage von Jakobus nach einem Glauben ohne Werke gibt es somit nur eine Antwort: Nein, offensichtlich kann der Glaube ohne Werke nicht erretten. Ein Glaube, der fruchtlos ist, hat keine Beziehung zu Gott. Was ist das Gute an einem Glauben, der nur aus einer reinen Zustimmung vieler Dogmen besteht, so gut diese als solche auch sein mögen? Wer keine Werke hervorbringt, offenbart damit nur, dass die Quelle seines Handelns menschlich ist. Glaubenswerke dagegen kommen aus dem neuen, göttlichen Leben hervor, also von oben. Nicht das, was Ergebnis der menschlichen Natur ist, rettet den Menschen, sondern der Glaube, den Gott uns geschenkt hat.

Der Hinweis auf den Nutzen zeigt, dass Glaube einen Wert haben muss, sozusagen einen Gewinn, der aus diesem persönlichen Glaubensvertrauen hervorkommt. Dabei geht es um Errettung. Jakobus sagt nicht, dass Glaube an sich nutzlos ist, sondern der Glaube, der nicht von Werken begleitet wird, hat keinen Wert. Er spricht in diesem ersten „Wenn-Satz“ von einem Fall, dessen Eintritt nicht sicher ist, den er aber erwartet. Es ist ein vorstellbarer Fall, dass jemand diese Behauptung aufstellt. Heute wissen wir, dass es viele gibt, die so denken und sprechen.

Werke als „Rückseite“ des Glaubens

Jakobus benutzt in diesem Versteil eine Wortstellung, durch welche die Betonung sowohl auf Glaube als auch auf Werke gelegt wird. Man spricht vielleicht nur von Glauben und nicht von Werken. Der Glaube aber hat isoliert keinen Wert. Es sind die Werke, die diesen Glauben werthaltig machen. Daher gehören sie untrennbar zum Glauben dazu. Aber Werke allein sind natürlich ebenfalls wertlos, wenn ihnen kein Glaube zugrunde liegt.

Der Glaube als solcher wird von Jakobus nicht weiter definiert, beschrieben oder konkretisiert. Es geht also um jede denkbare Art der Annahme der christlichen Wahrheit. Das Verwenden der Gegenwartsform bedeutet, dass dieser Mensch für sich den Glauben immer wieder oder dauerhaft in Anspruch nimmt. Er sagt, dass er ein Christ sei, denn er habe nicht nur einen Glaubensbeginn erlebt, sondern wiederholt und sogar dauerhaft Glauben. Wir müssen wissen: Gott nimmt das Bekenntnis eines Menschen ernst. Aber Er prüft dieses Bekenntnis und behandelt den, der behauptet, es zu haben, seinem Bekenntnis entsprechend.

So jemand hat aber, über einen längeren Zeitraum betrachtet, keine Werke vorzuweisen. Da Jakobus Werke in der Mehrzahl nennt, wird deutlich, dass es unzählbare Möglichkeiten gegeben hätte, die Wirklichkeit dieses Glauben durch Werke sichtbar zu machen. Natürlich geht es hier nicht um Gesetzeswerke, sondern um solche, die aus wahrer Gottesfurcht hervorkommen.

Jakobus spricht an dieser Stelle nicht von Atheisten. Er meint Menschen, die zwar ein Glaubensbekenntnis hatten (V. 19), aber den Glauben als eine externe Sache ansahen. In ihren Herzen fehlte dieses Vertrauen. Sie hatten Christus nicht in sich als Grundsatz des neuen Lebens aufgenommen. Ihr Bekenntnis war nicht mit einem veränderten Lebenswandel verbunden.

Diejenigen, die in ihrem Leben am wenigstens ihrem Glaubensbekenntnis entsprechen, verteidigen dieses am heftigsten. Sie reden viel und „laut“, handeln aber nicht oder wenig. Die Lähmung, die ihre Beine betrifft, hat ihre Zunge offenbar nicht ergriffen.

Man kann viel sagen (Mt 7,21). Und doch kann es sich um ein falsches Bekenntnis handeln. Menschen mit totem Glauben setzen Worte als Ersatz für Taten ein. Sie kennen das richtige Vokabular für Gebet und Zeugnis und können sogar die richtigen Bibelverse zitieren. Aber ihr Lebenswandel passt nicht zu ihrer Rede. Sie meinen, dass ihre Worte so gut wie Werke seien, doch damit liegen sie falsch. Johannes Calvin, der in Genf lebende französische Reformator und Zeitgenosse Martin Luthers, schrieb: „Es ist Glaube allein, der gerecht macht. Glaube aber, der gerecht macht, kann niemals allein bleiben.“ Denn an den Früchten erkennt man Glauben, nicht an der Wurzel (vgl. Lk 6,43.44).

Echter Glaube ist nicht allein äußerlich!

Vielleicht sagt auch heute jemand: Ich habe Glauben: Ich bin getauft und nehme am Abendmahl (Brotbrechen) teil, usw. (vgl. 1. Kor 10,1–6). Aber so wichtig und nützlich diese äußeren Formen und Tätigkeiten sind, sie ersetzen nicht den lebendigen Glauben, der vor Menschen sichtbar wird. Glaube ohne Werke kann nicht retten und ist daher in Gottes Augen nutzlos.

Damit sind wir bei der zweiten Frage, die Jakobus hier stellt: „Kann etwa der Glaube ihn erretten?“ Es geht nicht um eine akademische Frage, sondern es gab offenbar wirklich Menschen, die so dachten. Jakobus kleidet diese Frage in eine Form, die klar macht, dass er eine negative Antwort erwartet. Der Artikel vor Glaube am Ende des Verses zeigt, dass Jakobus überhaupt nicht abfällig über diesen Glauben spricht, sondern eine bestimmte Art von Glauben meint. Er bezieht sich auf einen Glauben, der nicht von Glaubenstaten begleitet wird. Eine solche Art von Glauben kann niemanden erretten, eine andere aber schon!

Jakobus spricht hier von „erretten“. Er benutzt eine Zeitform (Aorist), die deutlich macht, dass es keine ständige Rettung aus Umständen meint. Es geht ihm darum, überhaupt gerettet zu werden. Vielleicht ist es das einfachste, diese Rettung auf die Zukunft zu beziehen, wenn die Rettung des gläubigen Menschen bei der Entrückung vollendet wird nach Geist, Seele und Leib.

Da Jakobus Glaube und Werke miteinander verbindet, kann es sich nicht um die Errettung der Seele handeln. Diese beziehen die Apostel auf den Eingang des Glaubensweges. Dafür bedarf es keiner Werke. Aber zwischen diesem Anfangsschritt und der Vollendung der Rettung bei der Entrückung liegt unser Glaubensleben mit seinen Glaubenswerken. Und davon spricht Jakobus, der ja mit dem Wort „Glauben“ oft nur das Bekenntnis einschließt, also eine Art Dogmenglaube. Dieser rettet überhaupt nicht, an welche Art von Rettung man auch denken mag.

Das Beispiel eines Werkes der Barmherzigkeit (V. 15.16)

In den Versen 15 und 16 wendet Jakobus jetzt den Gedanken der Barmherzigkeit, die der Natur und dem Charakter Gottes entspricht, auf die Glaubenswerke an. Der wahre Christ ist aus Gott geboren. Er ist dieser Natur und dieses Charakters teilhaftig geworden und wird durch sie derart geprägt, dass er selbst Werke der Barmherzigkeit vollbringt. Das haben wir schon im ersten Kapitel als ein großes Prinzip gesehen (Jak 1,27) und dies kann daher für jeden nachvollziehbar auch im zweiten Kapitel auf den Gläubigen und seinen Glauben bezogen werden.

Jakobus zeichnet jetzt ein lebendiges Bild von inaktivem Glauben, so dass der abstrakte Grundsatz, von dem wir in Vers 14 lesen, deutlich wird. Vermutlich gab es in der Anfangszeit des Christentums viele Beispiele für chronische Armut unter den gläubigen Juden (vgl. auch Apg 4,35; 6,1; 11,29.30). Diese Armut nimmt Jakobus zum Anlass, den Glauben von Menschen zu prüfen, die sich äußerlich zu Jesus bekennen.

Der arme Bruder und die arme Schwester (V. 15)

Es sind die Unvollkommenheiten dieser Welt, die eine weitreichende Möglichkeit schaffen, die Echtheit unseres Glaubens zu prüfen. Wenn alles glatt geht und einfach ist, wird der Glaube kaum auf die Probe gestellt. Wenn wir dagegen mit Problemen zu tun bekommen, sieht die Sache anders aus. Man kann diesen Vers nicht auf Gläubige beschränken, die arm sind. Und doch gilt ihnen das Hauptaugenmerk (vgl. Gal 6,10). Dabei ist hier von solchen die Rede, die als Brüder und Schwestern bekannt sind.

Es ist interessant, dass Jakobus hier ausdrücklich sowohl von einem Bruder als auch von einer Schwester spricht. Dadurch wird ausdrücklich betont, dass es nicht nur um Männer geht. Man findet diesen Doppelbezug zum Beispiel auch in 1. Korinther 7,15, während der Herr manchmal sowohl Brüder als auch Schwestern nebeneinander nennt (vgl. Mt 12,46–50 und Mk 3,31–35).

Übrigens zeigt Jakobus auch hier, dass er gehoben zu schreiben in der Lage ist. Obwohl Bruder und Schwester mit „oder“ verbunden werden, so dass deutlich ist, dass es nicht um ein Ehepaar geht, benutzt er im Verb die Mehrzahl, was im Griechischen wie im Deutschen eigentlich unüblich, in gutem klassischem Griechisch jedoch möglich ist. Er benutzt auch nicht das normale Hilfsverb „sein“, sondern ein anderes Verb, das teilweise als Ersatz für „sein“ (ist) benutzt wird. Es enthält den Gedanken von beginnen, den Anfang machen. Der Sinn liegt wohl darin, dass nicht einfach die Tatsache der Not vorgestellt werden soll, sondern dass Jakobus darauf hinweist, dass diese Not schon länger vorhanden war, aber jetzt offenbar geworden ist.

In unserem täglichen Leben wird unser Glaube immer wieder geprüft. Wenn ich auf jemanden treffe, der materielle Bedürfnisse hat: Wie ist dann meine Reaktion? Handeln wir dann so wie der Priester, der sich auf seine religiösen Vorrechte alles Mögliche einbildet (vgl. Lk 10,30–35)? Oder sind wir wie der Levit, der sich vor allem mit dem Gesetz beschäftigt? Oder gleichen wir dem Fremden, dem Samariter, der innerlich bewegt war (vgl. Jes 58,7)?

Wir sollten bei alledem auch nicht vergessen, dass das Praktizieren wahrer und aktiver Liebe das beste Mittel ist, um eine Seele zum Retter zu führen. In den Evangelien lesen wir vielfach, wie sich der Herr Jesus um die materiellen Bedürfnisse derer kümmerte, die Er traf (Mk 6,34–44; 8,1–9; Lk 4,40.41; Joh 6,1–13; 21,9). Zweifellos hat Er die Volksmengen in erster Linie belehrt. Aber Er hat die täglichen und körperlichen Bedürfnisse nie vernachlässigt.

Es sollte daher auch für uns nicht ungewohnt sein, regelmäßig allein und mit anderen zusammen unsere Bibel aufzuschlagen. Zugleich aber sollten wir genauso wenig vernachlässigen, unser Portemonnaie und unsere Häuser zu öffnen. Paulus wurde dazu zu Beginn seines Dienstes ausdrücklich ermahnt (vgl. Gal 2,10). Denn dadurch gibt es Nutzen, sowohl für den Geber als auch für denjenigen, der etwas erhält (vgl. Spr 11,25; Apg 20,35).

Nackt und hungrig

Wenn Jakobus hier davon spricht, dass ein Bruder oder eine Schwester „nackt“ ist, muss man das nicht buchstäblich verstehen. Wir wissen, dass Menschen „nackt“ zum Teil noch ein Untergewand trugen (1. Sam 19,24; Joh 21,7). Jakobus bezieht sich wohl auf den Mangel an nötiger Kleidung. Es geht vielleicht auch um solche, die ärmlich gekleidet waren (V. 2; Hiob 22,6; 31,19; Mt 25,36).

Jakobus benutzt dann für „tägliche Nahrung entbehren“ ein Wort, das nur hier vorkommt. Diese zweite Not begleitete die äußerliche Armut. Es geht um den Bedarf an Essen für einen einzigen Tag, nicht nur um das, was Tag für Tag nötig ist. Nicht einmal für einen einzigen Tag hatten diese Menschen etwas zu essen. Vielleicht würden wir heute bei dieser „täglichen Nahrung“ vom absoluten Existenzminimum sprechen.

Es mangelte also an Kleidung und Nahrung, die zwei Grundbedürfnisse des Menschen darstellen (Spr 30,8; 1. Tim 6,8). Sowohl unser Herr als auch die Apostel sprechen davon (vgl. Mt 6,25; 25,35.36; Lk 16,20.21). Wir sollten uns bewusst sein, dass es selbst in Deutschland bis heute Arme gibt, auf die das zutrifft.

Die Antwort auf diese Armut vonseiten eines „Glaubenden“ (V. 16)

Jakobus geht es in diesem Vers darum, bei den Empfängern seines Briefes sicherzustellen, dass die in Vers 13 genannte Barmherzigkeit wirksam wird. Echter Glaube bevorzugt nicht die Reichen, sondern liebt die Armen. Kann jemand wirklich durch Liebe und Barmherzigkeit geprägt sein, wenn er Glaubensgeschwister sieht, denen das Allernötigste fehlt, und dann zu ihnen sagen: „Geht hin in Frieden!“?

Das ist unmöglich. Oder, um in der Sprache von Jakobus zu bleiben: Solch ein Glaube nützt nichts. Denn es mag zwar ein Bekenntnis vorliegen, dahinter steht aber kein wirklicher Glaube. Die Liebe muss sich nicht durch Worte, sondern durch Taten zeigen.

Jakobus spricht grundsätzlich praktisch. Er ist ganz besonders mit dem Bösen beschäftigt. Die Bosheit besteht hier darin, dass man als Christ ein wunderbares Bekenntnis ablegen kann, mit diesem jedoch kein entsprechendes, praktisches Leben verbindet. Die Liebe muss echt sein und der Glaube muss sich in den durch ihn hervorgebrachten Werken zeigen. Nur dann gibt es Nutzen für Gott und Menschen.

Elementare Werke des Glaubens

Wie könnte Christus einen Glauben gutheißen, der nicht durch Werke der Liebe wirksam wird? Auch hier passen die Worte von Jakobus zu denen von Paulus in Galater 5,6: „Denn in Christus Jesus vermag weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe wirkt.“ Die Zunge kann sehr aktiv sein, wie wir im nächsten Kapitel noch sehen werden. Zugleich kann das Herz kalt bleiben und der Lebenswandel selbstsüchtig sein. Aber diese „Werke“ kommen dann nicht aus einer Natur hervor, die vom Vater der Lichter durch das Wort der Wahrheit gezeugt worden ist. Falsche und unwirkliche Redner sind keine Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe (vgl. Jak 1,18).

Von der Art von Werken, um die es Jakobus eigentlich geht, spricht er erst ab Vers 20. Werke der Barmherzigkeit, die in diesen Versen vor uns stehen, sind eigentlich normal und sogar elementar. Selbst Ungläubige empfinden Verantwortung, solchen Erleichterung zu verschaffen, die Armut und Hunger erleiden. Wie viel mehr ist es dann wichtig für uns, die wir an den Herrn Jesus zu glauben bekennen. Mit anderen Worten: Wer diese Werke tut, hat noch nicht einmal bewiesen, dass er echten Glauben hat, weil es sich eigentlich um Werke handelt, die unter Menschen selbstverständlich sind. Wer sie aber nicht tut, zeigt damit, dass er kein neues Leben aus Gott besitzt.

Was aber tun die Menschen, von denen Jakobus hier spricht? Im Blick auf sich selbst sagen sie Gläubigen, die leiden müssen, sie hätten Glauben. Sie vertrauten fest darauf, dass für die Armen gesorgt wird. Sie selbst aber sind nicht bereit, irgendetwas dafür zu geben oder zu tun. Dabei ist das Handeln in solchen elementaren Dingen des Lebens Mindestvoraussetzung dafür, dass man überhaupt von Glauben im Leben eines Menschen sprechen kann. Davon spricht ebenfalls der Apostel Johannes in seinem ersten Brief. Auch wenn dieser zu geistlichen Höhen vordringt, die Jakobus in seinem Brief nicht aufschließt, bleiben die praktischen Konsequenzen doch dieselben: „Hieran haben wir die Liebe erkannt, dass er für uns sein Leben hingegeben hat; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben hinzugeben. Wer aber irgend irdischen Besitz hat und sieht seinen Bruder Mangel leiden und verschließt sein Herz vor ihm, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm? Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit“ (1. Joh 3,16–18).

Geht hin in Frieden

Die Worte des falschen Bekenners: „Geht hin in Frieden“ sind die Formel des Orients für den Abschiedsgruß. Auch der Herr benutzte diesen Gruß (vgl. Mk 5,34). Es war zudem der alte Abschiedsgruß in Israel (Ri 18,6; 1. Sam 1,17; 20,42; 2. Sam 15,9).

Es handelt sich um einen wohlwollenden Gruß. Er bedeutet, dass die Begegnung von Menschen zu keiner Entzweiung geführt hat. Wie leicht wird solch ein Gruß aber zu einem reinen Formel-Gruß. Denn oft ist er zu einer regelrechten Floskel verarmt, wie wir es heute mit dem „Wie geht’s?“ (oder „Grüß Gott“) erleben (vgl. Apg 16,36). Und doch ist solch ein Gruß eine Erinnerung an den Frieden, den nur Gott uns geben kann (Mk 5,34; Lk 7,50), wie auch der genannte Gruß eigentlich bedeutet: „Gott grüße dich!“, das heißt „Gott segne dich!“.

Wir können die Ironie, ja den Sarkasmus nicht übersehen, mit denen diese Worte aufgeschrieben wurden. „Wärme dich!“ muss für jemand, der nichts zu essen und anzuziehen hat, wie ein Spottruf klingen, denn wie sollte eine arme Person das tun können? Jakobus scheint besonders an reichere Gläubige zu denken, die von ihrem Vermögen her durchaus in der Lage wären zu helfen. Er redet nicht von denen, die keine Hilfsmöglichkeiten haben. Es geht auch nicht darum, dass man aus den Armen jetzt Reiche machen und selbst bereit sein sollte, arm zu werden. Aber man sollte ihnen wenigstens das geben, was für den Körper notwendig ist.

Die Worte „Wärmt euch und sättigt euch“ zeigen übrigens auch, dass sich der Sprecher der Bedürfnisse des armen Bruders oder der armen Schwester durchaus bewusst war. Man kann diese Aufforderung als eine Aufforderung an den Armen selbst auffassen: „Wärme dich selbst!“ Das wäre der Gipfelpunkt des Spottes, denn wie sollte derjenige, der nichts an Kleidung und Nahrung besitzt, sich selbst wärmen und nähren? Man kann diese Aussage zudem (passivisch) als Hinweis verstehen, der sich an andere richtet: „Lass dich von irgendjemand wärmen, von wem auch immer; ich aber kann und will Dir nicht helfen.“ Der Sprechende schließt sich in diese Aufforderung nicht mit ein. Es handelte sich dann um einen Aufruf, andere anzubetteln.

Dass eine solche Spottrede eine falsche Anwendung der Worte des Herrn in Matthäus 6,25–30 an die Jünger ist, auf den Vater zu vertrauen, was die Versorgung betrifft, benötigt keine weitere Erläuterung. Das wird noch deutlicher, da der Herr seine Worte „Geh hin in Frieden“ nicht in einem solchen Zusammenhang ausgesprochen hat. Er hatte sie benutzt gegenpber denen, die seine Hilfe suchten und auch erfahren hatten (Lk 7,50; 8,48). Zuerst stillte Er die Nöte, dann entließ Er die Menschen „in Frieden“.

Einer von euch

Jakobus denkt nicht an jemand speziell, sondern will alle Empfänger des Briefes in dieses herzerforschende Licht stellen. Daher sagt er: „Jemand von euch“. Jeder der Leser könnte also gemeint oder betroffen sein. So sprach der Herr auch bei dem letzten Passah, als Er seine Jünger in das Licht stellen wollte, was seinen Verrat betraf (vgl. Mt 26,21).

Der Vorwurf von Jakobus, „ihr gebt nicht“, zeigt, dass sie in der Lage waren, es zu tun. Sie wollten es aber offenbar nicht tun. Das bewies, dass ihr Glaube, auf den sie in ihrem Bekenntnis so viel Wert legten, fruchtleer war. Jemand hat diese Menschen „Sessellehnstuhl Philanthropisten“ genannt. Wir dürfen nicht übersehen, dass auch derjenige, der Not sieht, aber nicht handelt, mitschuldig ist an diesen zynischen Worten und dem Hohn, der über den Armen ausgeschüttet wird.

Der Ausdruck „das für den Leib Notwendige“ kommt nur hier bei Jakobus vor. Allerdings dürfen wir in diesem Sinn die Botschaft des Herrn auf uns beziehen: „Wer zwei Unterkleider hat, gebe eins davon dem, der keins hat; und wer zu essen hat, tue ebenso“ (Lk 3,11). Es geht im Brief des Jakobus jedoch nicht nur um Kleidung und Nahrung. Jakobus scheint hier allgemeiner zu sprechen und bezieht sich auf alles, was für den Erhalt des Körpers und Wohlergehens notwendig ist. Dazu gehört ebenso neben anderem das Dach über dem Kopf.

Schlussfolgerung 1: Glaube ohne Werke ist tot (V. 17)

Jakobus fährt mit den Worten fort: „So ist“. Er zeigt also jetzt die Konsequenz und Parallele seiner Belehrung zum Bild bzw. Beispiel auf. Es ist eine erste Schlussfolgerung, die er aus seinen Belehrungen zieht. Glaube ist nichts, was man direkt sehen kann. Deshalb ist es notwendig, Glauben durch Werke fassbar zu machen. Diese sind, wie wir weiter sehen werden, der für den Menschen erforderliche Beweis des Glaubens. Denn nur durch seine Taten können wir unserem Mitmenschen deutlich machen, dass wirklich Glaube vorhanden ist. Wenn wir Früchte hervorbringen, wird klar, dass der Baum Wurzeln hat, aus denen diese Früchte ihre Nahrung erhalten. Ohne Wurzeln wäre kein Baum in der Lage, Früchte hervorzubringen.

Der Glaube ist ein machtvolles Instrument. Der Heilige Geist bewirkt im Herzen von Menschen solch einen Glauben. Er ist die Triebfeder jeder Tätigkeit des Herzens und der Hände. Er stellt daher ein Werkzeug dar, das uns über die Eigenliebe und andere niedrige Beweggründe dieser Welt erhebt und die Zuneigungen an Christus fesselt. So wird Christus durch den Glauben zum wahren Beweggrund des Herzens. Dadurch, dass Er praktischerweise in uns lebt, ist Er die Quelle, diese Wurzel, aus der unsere Handlungen hervorkommen. Wenn das in unserem Leben wahr ist, führen wir einen solchen Lebenswandel, wie Er es getan hat (vgl. 1. Joh 2,6). Wir bleiben natürlich weit hinter Ihm zurück, aber der Inhalt und Beweggrund des Lebens ist derselbe: Er lebt in uns. Dadurch wird deutlich, dass wahrer Glaube durch die Liebe wirkt und die guten Werke hervorbringt.

Glaube ohne Werke ist tot. Wie könnte eine tote Sache einen schönen Klang im geistlichen Leben bewirken? „Wer den Bruder nicht liebt, bleibt in dem Tod“ (1. Joh 3,14). Glaube an Christus dagegen bringt Leben (Joh 3,16) und wo Leben ist, müssen Wachstum und Frucht vorhanden sein.

Dreimal weist uns Jakobus in diesem Abschnitt darauf hin, dass Glaube ohne Werke tot ist (Jak 2,17.20.26). Hüten wir uns daher vor einem rein intellektuellen Glauben. Niemand kann durch den Glauben zu Christus kommen und doch in seiner Art und in seinem Leben so bleiben, wie er vorher war. Jemand hat das damit verglichen, dass ja auch niemand ein 220-Volt-Stromkabel anfassen und „derselbe“ bleiben kann. Toter Glaube ist kein rettender Glaube. Er ist letztlich überhaupt kein wahrer, christlicher Glaube.

Wenn Glaube mehr als ein Glaubensbekenntnis und von Gott ist (vgl. Eph 2,8; Phil 1,29), zeigt er sich durch kraftvolle Konsequenzen voller Barmherzigkeit. Denn Christus ist, wie wir gesehen haben, der Gegenstand dieses Glaubens. Die Liebe Christi geht über jedes menschliche Ermessen hinaus. Christus selbst ist dabei für uns mehr als ein Beispiel durch seine mächtigen Taten gegenüber den Menschen, die Er liebt. Er ist zugleich das tiefste Motiv und die Quelle unseres Handelns, damit unsere Zuneigungen und unser Lebenswandel Ihm entsprechen.

Jakobus addiert hier nicht Glaube und Werke, sondern sagt, was christlicher Glaube wirklich ist: ein tätiger, lebendiger Glaube, der sich zeigt. Somit argumentiert Jakobus hier nicht „jüdisch“ und gesetzlich, sondern christlich. So redet Jakobus nicht gegen den Glauben, sondern für ihn. Er sagt nicht, dass der Glaube nutzlos sei. Besonders gegenüber den Juden muss Jakobus deutlich machen, dass es nicht allein auf ein äußeres Bekenntnis ankommt, sondern auf echte Glaubenswerke. Es geht nicht um Formen, sondern um die Wirklichkeit. Glaube und Werke sind keine Gegensätze, sondern gehen zusammen. Ein Glaube ohne Werke ist eben tot, nichtig (Joh 15,2).

Bei einem Glauben ohne Werke fehlt etwas Entscheidendes. Dieser Glaube hat eine vornehme Form, aber keine Kraft. Er ist äußerlich inaktiv und innerlich tot. So stellt Jakobus hier nicht Glaube den Werken gegenüber, sondern toten Glauben einem lebendigen Glauben. Glaube ohne Werke ist nicht nur im Blick auf andere tot, sondern in sich selbst besitzt er kein Leben. Dieser Ausdruck „in sich selbst“ steht ganz am Ende des Verses. Werke sind somit nicht einfach ein Zusatz zum Glauben, wie auch das Atmen nicht ein Zusatz des lebendigen Körpers ist.

Auch im zweiten Teil von Vers 17 stellt das „wenn“ wieder eine Bedingung dar, die zwar nicht sicher erfüllt wird, deren Eintreten aber vorstellbar und von Jakobus auch erwartet wird. Mit anderen Worten: Jakobus erwartet nicht bei jedem einen Glauben ohne Werke. Aber er ist sich durch seine Begegnungen mit den Bekennern aus dem Judentum sicher, dass es dort einige gibt, die zwar von Glauben sprechen, diesen aber nicht durch Werke offenbaren.

Durch diese Worte will er die Empfänger antreiben, den Glauben mit Werken zu verbinden und durch sie Glaubensfrüchte zu offenbaren. Das ist übrigens nicht nur eine Ermahnung für die damalige und heutige Zeit. Matthäus 25,35.36.42.43 zeigt, dass auch in Zukunft bei den Nationen der Glaube durch ihre Werke sichtbar werden muss. Wenn keine Werke vorhanden sind, wird dies auch in dieser zukünftigen Zeit der Beweis dafür sein, dass kein Glaube vorhanden ist. Daher werden diese ungläubigen Nationen aufgrund ihrer Taten gerichtet werden. Nicht durch die Taten können sie gerettet werden, aber die Taten offenbaren den Glauben in ihren Herzen.

Den Glauben zeigen (V. 18)

„Aber es wird jemand sagen: Du hast Glauben, und ich habe Werke; zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, und ich werde dir meinen Glauben aus meinen Werken zeigen. Du glaubst, dass Gott einer ist, du tust recht; auch die Dämonen glauben und zittern“ (V. 18.19).

Nun mochte jemand denken oder sagen, er selbst habe Glauben, während ein anderer Werke vorzeigen könne. Als ob es sich einfach um zwei verschiedene Gaben Gottes handeln würde! Nein, das ist eine falsche und sündige Überlegung.

Interessanterweise überlässt Jakobus dem Gegenüber den richtigen Standpunkt: „Aber es wird jemand sagen: Du hast Glauben, und ich habe Werke.“ Er spricht einen Christen, für den ein Glaube ohne Werke vorstellbar ist, mit diesen Überlegungen sozusagen direkt an: „Wenn du aber wirklich Glauben hast, so zeige ihn mir. Wie kannst du mir deinen Glauben zeigen, wenn nicht durch Werke? Ich jedenfalls kann dir meinen Glauben durch meine Werke beweisen.“

Der Glaube ist zunächst in der Seele verborgen, soll aber Taten vollbringen, die durch den Körper sichtbar werden. Denn Werke werden durch Mund, Hände, Füße und den Lebenswandel ausgeführt. Derjenige, der durch den Heiligen Geist glaubt, zeigt seinen Glauben durch seine Werke. Glauben getrennt von Werken zu zeigen ist unmöglich.

Zeige mir!

Die Worte „zeige mir“ sind der Schlüssel zu diesem Thema, ja zum ganzen Abschnitt, den wir vor uns haben. Man mag sagen: „Ich bin ein Christ“. Das klingt auf den ersten Blick sehr gut und überzeugend. Aber ich kann den Glauben, der sich in dem Herzen eines anderen befindet, nicht sehen. Natürlich kann Gott in unsere Herzen sehen und weiß, ob Glaube vorhanden ist. Aber Menschen können den Glauben nur durch die Werke einer Person sehen.

Vor Gott ist man ausschließlich auf der Grundlage des Glaubens gerechtfertigt, ohne Werke (Röm 4,1–5). Aber Menschen kann ich meinen Glauben nicht anders zeigen als durch Werke. Daher die Worte: „Zeige mir deinen Glauben durch deine Werke!“ Die Werke, die Jakobus als Beweis des Glaubens zu sehen verlangt, sind allerdings nicht das, was man allgemein „gute Werke“ nennt. Das erläutert er im Folgenden. Er erwartet Glaubenswerke, wie sie exemplarisch, aber auch vorbildlich bei Abraham und Rahab zu sehen sind.

Das „zeige mir“ ist also äußerst wichtig. Man kann den Glauben nicht sehen, genauso wenig wie man die Wurzeln sehen kann, die bei den Pflanzen Wachstum hervorrufen und Früchte bewirken. Es sind die Wurzeln, die Nahrung aus dem Boden ziehen, wie der Glaube die Kraft für das Leben aus Christus erhält. Und so, wie die Pflanze ohne Wurzel nicht in der Lage wäre, Früchte hervorzubringen, so werden auch ohne den Glauben keine guten Werke sichtbar werden.

Das bedeutet, dass man äußerliche, scheinbare Werke vollbringen mag, die vor Gott letztlich keinen Wert haben. Man kann sogar viel Geld für Arme geben und viel arbeiten, ohne wahre Liebe und echten Glauben zu besitzen (1. Kor 13,1–3). Andererseits kann das wirkliche Leben der Liebe, das Christus nachfolgt und seinen Willen tut, ohne wahren Glauben nicht bestehen.

Werke als Frucht des Glaubens beweisen sein Vorhandensein. Echter Glaube ist ohne Werke sogar unmöglich. Göttlicher Glaube zeigt göttliche Werke. Jakobus geht es an dieser Stelle nicht nur um einen Eindruck, sondern um Realität.

Sobald wahrer Glaube als Folge der Gnade durch den Heiligen Geistes bewirkt worden und im Herzen vorhanden ist, führt das zu einem persönlichen Verlangen nach Christus. Das sehen wir an Nikodemus. Er hatte ein Bewusstsein vom Widerstand der Welt. Deshalb kam er bei Nacht (Joh 3,2). Aber er kam dennoch und zeigte damit, dass er in seinem Herzen an Christus glaubte. Denn die wahren Werke der Liebe kann man nicht ohne persönliche Beziehung zu dem Herrn Jesus Christus und den praktischen Glauben an Ihn tun. Zu diesem Beweis des Glaubens gehören Werke der Geduld, der Reinheit und Liebe, genauso wie die Trennung von der Welt, obwohl wir noch in ihr leben.

Glauben durch Werke vor Menschen offenbaren

Jakobus benutzt hier wieder die Befehlsform (im Aorist). Das zeigt, dass derjenige, der meint, Glauben ohne Werke haben zu können, beweisen soll, dass wirklich Glaube vorhanden ist. Wie aber soll das ohne Werke funktionieren? Es ist unmöglich. Daher gilt: Wer diese Werke nicht zeigen kann, hat auch keinen wahren Glauben.

Die ganze Beweisführung von Jakobus liegt in diesem „zeige mir“. Er redet nicht vom Frieden im Gewissen derer, die durch den Glauben gerechtfertigt sind, weil Christus ihre Sünden getragen und sich für ihre Übertretungen hingegeben hat. Wenn es bei Paulus um diese Frage geht, beruht der Glaube allein auf dem Werk Christi, das Gott als vollkommen passend und ausreichend für die Sünden der Gläubigen angenommen hat. Dieses Werk wird seinen Wert nie, auch nicht in Ewigkeit, vor den Augen Gottes verlieren.

Glaubensbeweise sind im Übrigen auch keine Werke auf der Grundlage des alten Systems von Ritualen und Gesetzen. Dieses gesetzliche System hatte Gott nur einer einzigen Nation gestiftet und auferlegt. Israel musste das Gesetz erfüllen, war dazu aber gar nicht in der Lage. Für Christen offenbart der Eifer, Gesetzeswerke zu tun, das Fehlen wahren Glaubens. Denn wahrer Glaube sucht nicht Gott durch Werke wohlwollend zu stimmen, sondern wirkt, weil man in Gemeinschaft mit Gott ist. Auch menschliche Anstrengungen und eigene Kraft werden keine Glaubenswerke tun können.

Das zu lernen fiel den Christen aus dem Judentum nicht leicht, da sie vorher durch ihre Zugehörigkeit zu dem jüdischen System anders dachten. Daher mussten die Gläubigen lernen, dass im Christentum eine menschliche Aktion, was für eine Kraftanstrengung vonseiten des Menschen auch dahinterstehen mag, im Blick auf diese Glaubenswahrheit viel zu kurz greift.

Die neue Natur verpflichtet

Hinter den Ausführungen von Jakobus in Vers 18 steht die Belehrung, die er bereits in Kapitel 1,18 gegeben hat. Nur durch den Besitz des neuen Lebens, das denen gegeben worden ist, die durch das Wort der Wahrheit gezeugt worden sind, kann man Glaubenswerke vollbringen. Kein intellektueller Prozess kann das bewirken. Natürlich sollen wir geistlich wachsen und ein zunehmendes geistliches Verständnis bekommen. Aber darum geht es an dieser Stelle nicht.

Die neue Natur, die jeder Einzelne der Familie Gottes durch Gnade besitzt, enthält die Verantwortung und die Fähigkeit, auch einen entsprechenden Lebenswandel zu führen. Dazu gehören unter anderem Glaubenstaten und innere Gemeinschaft des Erlösten mit der Quelle und dem Geber dieses Segens. Jakobus hatte die Aufgabe, diese so wichtige Wahrheit und ihre praktischen Konsequenzen vorzustellen.

Johannes, der in besonderer Weise die Herrlichkeit der Person Christi zeigt und auch davon spricht, dass wir schon heute Leben in Christus sowie die Gabe des Geistes haben, spricht ebenfalls davon. Trotz seines ganz anderen Auftrags spricht auch er von der göttlichen Natur, die wir besitzen. Es ist sogar ein zentrales Thema seines Briefes. Der Besitz des ewigen Lebens stellt die Grundlage aller Werke dar, die für und vor Gott annehmbar sind und die sich durch eine Gott gemäße Praxis in Wort, Tat und Empfindung zeigen.

Wenn man sich den konkreten Wortlaut unseres Verses etwas genauer anschaut, wird man erkennen, dass dieser Text nicht ganz so einfach zu verstehen ist. Manche Seiten sind gefüllt worden mit Überlegungen, wer hier zu wem spricht und mit welcher Intention.

Vielleicht ist es am einfachsten, wenn man im ersten Teil von Vers 18 jemanden sieht, der die Meinung von Jakobus nicht teilt. Im zweiten Teil antwortet Jakobus dann auf diesen Einwand und ergänzt seine Antwort durch ein bemerkenswertes Beispiel.

Das „aber“ zeigt schon die negative Haltung des „Gegners“ im Vergleich zum Vorhergehenden an, also zu dem, was Jakobus als die Wahrheit Gottes vorgestellt hat. „Es wird jemand sagen“ leiten auch in Römer 9,19; 11,19; 1. Kor 15,35 eine Gegenstimme zum vorher gesagten ein. Jakobus verwendet hier die Zukunftsform. Das deutet an, dass er einen möglichen Einwand vorwegnimmt, der gegen die soeben vorgestellte Belehrung eingebracht werden könnte.

Gleichwohl bleibt die Schwierigkeit bestehen, wer in Vers 18 das „du“ und wer das „ich“ ist. Ein Gegner wird Werke für sich gerade nicht in Anspruch nehmen, sondern nur vom Glauben sprechen. Vielleicht muss man diese Worte einfach als ein Zitat des Gegners nehmen, aber zitiert aus Sicht von Jakobus. Wer auch immer konkret hier zu wem spricht, die Bedeutung der Worte ist deutlich.

Nebenbei sei darauf hingewiesen, dass Jakobus hier eine schöne, chiastische Form (Kreuzform) gewählt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es wörtlich im Grundtext heißt: Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, und ich werde dir zeigen aus meinen Werken meinen Glauben:

Dein Glaube – ohne die Werke
Aus meinen Werken – mein Glaube

Paulus und Jakobus

Die Worte dessen, den Jakobus zitiert, wollen offenbar das trennen, was Gott untrennbar miteinander verbunden hat. Wer so spricht, kämpft gegen Gottes Wort – ausgesprochen von Jakobus – und die neue, göttliche Natur. Jakobus hatte davon gesprochen, dass Gott, der Vater der Lichter, uns durch den Heiligen Geist und das Wort der Wahrheit gezeugt hat, um Täter des Wortes zu sein (1,18.22). Das ist das vollkommene Gesetz der Freiheit, in dem wir durch Gnade tätig werden, da unsere neue Natur Ihn und sein Wort liebt. Dieses Wort bewirkt, dass ein Gläubiger so lebt, dass er Gott verherrlicht. Das ist nichts anderes als ein weiterer Ausdruck für Glaubenswerke. Diejenigen, die das Werk vom Glauben trennen, können somit keine lebendige Beziehung zu Gott haben und betrügen sich selbst. Eine lebendige Versammlung und ein durch Glauben geprägter Erlöster würde sich so nicht äußern. Das unterstreicht, dass es sich bei all diesem allein um ein theologisches Denkmodell handelt.

Man könnte auch sagen: Ein Glaubensbekenntnis erweist sich als echt, wenn Werke des Glaubens damit verbunden sind. Wenn aber nur ein Bekenntnis der Lippen ohne Früchte vorhanden ist, erweist es sich als tot. Denn es gibt keine guten Werke ohne Glauben, und es kann keinen wahren Glauben ohne Werke geben. Wer Werke hat, hat auch Glauben. Wenn jemand Glauben hat, kann er diesen durch Werke beweisen.

Glaube ohne Beziehung (V. 19)

Jakobus setzt seine Beweisführung in diesem 19. Vers weiter fort. Er hatte deutlich gemacht, dass es keinen echten Glauben ohne Werke gibt. Man kann Glauben und Werke nicht voneinander trennen. In diesem Vers zeigt Jakobus nun, dass es tatsächlich einen „Glauben“ von ungläubigen Menschen geben kann. Aber es ist ein Glaube, der weder rettet noch von einem Erlösten stammt. Dieser angebliche „Glaube“ hält etwas für wahr, was wahr ist: Gott ist einer, Gott existiert, Gott ist der Schöpfer, Gott ist der Retter. Aber diese Wahrheit wird nicht für sich persönlich angenommen und mit der Person des Herrn Jesus verbunden. Dieses für wahr Halten findet also ohne eine persönliche Beziehung zu Gott statt und damit ohne lebendige Beziehung zu Ihm. Das ist kein echter Glaube.

Der Jude rühmte sich dessen, dass er an einen Gott glaubte und nicht wie die Heiden einem System vieler Götter anhing. Das war „richtig“ und wird durch Gottes Wort gedeckt. Wir finden diesen Gedanken schon in 5. Mose 6,4.5: „Höre, Israel: Der Herr, unser Gott, ist ein Herr! Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft.“ Der Herr Jesus wiederholt diesen wichtigen Gedanken der Einheit Gottes in einem Gespräch mit einem Schriftgelehrten (vgl. Mk 12,29).

Juden und sogar auch Muslime glauben bis heute, dass es nur einen Gott gibt, aber sie erlangen in diesem Wissen keine Erlösung. Das gilt natürlich insbesondere für Muslime, die zwar an einen Gott glauben, aber nicht an den „Gott der Bibel“, den wahren Gott. Zudem handelt es sich um einen Glauben, der nicht rettet. Denn diese Art von Glauben ist lediglich ein mündliches Bekenntnis ohne wahre Beziehung zu Gott. Daher ist er auch nicht mit Werken verbunden, die auf wahre Glaubensbeziehungen zu Gott schließen lassen.

Vor diesem Hintergrund ist der fünfte Vers in 5. Mose 6 auch so wichtig, weil er deutlich macht, dass man nicht einfach die Einheit Gottes für wahr halten soll, sondern eine Beziehung zu diesem einen Gott kennen und wahrnehmen muss. Sonst ist der Glaube wahr, aber tot und daher zu nichts nütze. Es ist eben nicht ausreichend, die großen Tatsachen der Offenbarung Gottes im Wort Gottes zu glauben. Dieser Glaube muss verbunden sein mit der persönlichen Annahme Christi durch die Seele. Monotheismus in sich selbst – der Glaube an einen in sich einigen, einzigen Gott – ist kein rettender Glaube. Denn Glaube ohne Werke ist tot …

Jakobus spricht davon, dass einen solchen Glauben sogar Dämonen aufweisen. Sie wissen ganz bestimmt, dass es nur einen Gott gibt. Dennoch bleiben Dämonen, die glauben, Dämonen und werden nicht zu Engeln Gottes. Ebenso können Menschen glauben und dennoch ungläubige Menschen bleiben. Sie leben und handeln als Gottlose. Das Siegel des echten Glaubens sind eben nicht Worte, sondern Werke.

Wenn es einen Unterschied zwischen den Juden, an die sich Jakobus wendet, und den Verführern der armen, ruinierten Menschen, also Dämonen, gibt, dann diesen: Dämonen spüren etwas von der Heiligkeit Gottes, was sie zum Zittern bringt. Die von Jakobus angesprochenen falschen Bekenner bzw. gottlosen Menschen mögen teilweise an den einen Gott glauben. Aber sie gestehen Ihm keine Autorität über sich zu. Statt zu zittern, spotten sie über Ihn. Gerade ungläubige Christen wie Religionslehrer und Theologen sind dazu in der Lage.

Dämonen glauben und zittern – und gehen verloren

Natürlich ist es gut, die Einheit Gottes anzuerkennen. Es ist besser, von dem einen Gott zu sprechen, als wie die gottlosen Heiden von einer Vielzahl von Göttern auszugehen. Aber diese Dämonen sind sich durchaus bewusst, dass sie es mit dem allmächtigen Gott zu tun haben. Das war denen, die sich in der Zeit von Jakobus ihres Glaubens rühmten, überhaupt nicht bewusst. Die Dämonen schauderten, wenn sie es mit Gott, mit dem Sohn Gottes, zu tun hatten. Das offenbaren die Evangelien. Der reine Bekenner hat solch ein Empfinden heute oft nicht. Dabei warnt Gottes Wort auf ernste Weise, dass solche Menschen kein Erbteil in dem Königreich Christi und Gottes haben.

Jakobus spricht also vom Bekenntnis einer Lehre, die an und für sich von jemand durchaus als wahr gehalten werden mag. Er bekennt bestimmte Teile der Wahrheit Gottes. Aber was nützt das? Gerade das zeigt das Beispiel der Dämonen. Sie wissen aus Erfahrung und sind daher überzeugt, dass Gott einer ist. Daran glauben sie fest, auch wenn sie genauso wenig wie wir Gott „gesehen“ haben. Gott bewohnt ein unzugängliches Licht. Dennoch zweifeln sie nicht eine Sekunde an der Existenz und Einheit Gottes.

Trotzdem gibt es nicht einmal das schwächste Bindeglied zwischen ihnen und Gott. Und das trifft ebenfalls auf Bekenner ohne Glaubenswerke zu. Sie benötigen eine göttliche, neue Natur. Ihnen fehlt das durch das Wort gezeugte Leben, so dass eine Verbindung zwischen ihrer Seele und Gott vollkommen fehlt. Weil dieses Leben durch das Wort Gottes hervorgebracht wird, ist es mit echtem Glauben verbunden. Als Kinder Gottes besitzen Erlöste dieses neue Leben, das im Glauben gemäß der Beziehung wirkt, in die dieser Erlöste zu Gott gebracht worden ist. Er handelt daher durch Werke, die naturgemäß aus dem Glauben hervorgehen.

„Glauben“ wie Dämonen – und verloren gehen

Die Bezugnahme auf die Dämonen ist eine sehr kraftvolle Illustration. Niemand „glaubt“ so entschieden wie Dämonen. Keiner kann seine Zukunft besser vorhersehen als sie (vgl. Mt 8,29). Aber dieser Glaube führt eben nicht automatisch zu Werken, die Gott ehren, weil dafür die Grundvoraussetzung fehlt. Dämonen folgen bewusst und dauerhaft dem bösen Willen ihres Hauptes, dem Teufel. Und der Mensch handelt genauso auf einem Weg in höchster Auflehnung gegen Gott.

Das „du glaubst“2 in diesem Vers zeigt eine Art intellektuelle Verpflichtung zu einem Glaubensbekenntnis, nicht jedoch wahres, christliches Vertrauen, zu dem auch Gehorsam gehört. Es ist interessant, dass Jakobus diesen „Glauben“ und dieses „Bekenntnis“ nicht infrage stellt. Man darf seine Worte hier nicht ironisch verstehen. Ein Bekenntnis ohne Glaubenswirklichkeit muss nicht immer Heuchelei sein. Der Einfluss durch Erziehung und unsere Umgebung sowie durch äußerliche Prüfungen kann ein christliches Glaubensbekenntnis bewirken. Aber wenn keine Beziehung zu Gott vorhanden ist, ist dieser Glaube eben in sich selbst tot.

Es kann sein, dass der Mensch zwar keinen positiven Unglauben oder keine direkte Auflehnung gegen Gott offenbart und er sogar den Namen Jesus bis zu einem gewissen Ausmaß ehrt. Daher belächelt Jakobus ein solches, echtes Bekenntnis nicht. Das Bekenntnis ist gut. Aber Jakobus zeigt, dass ein solches intellektuelles Bekenntnis allein viel zu wenig ist. Es ist sogar „schlimmer als nutzlos“, da das vorhandene Wissen nicht ins Gewissen eindringt. Der Mensch ist dadurch in einer größeren Verantwortung als er es wäre, wenn er dieses Wissen nicht hätte. Allerdings entspricht er dieser Verantwortung nicht. Daher kann sich Christus einem solchen Menschen nicht anvertrauen (vgl. Joh 2,23–25).

Wissen reicht nicht – weder für Dämonen noch für Menschen

Mit dem „auch“ in der zweiten Vershälfte stellt Jakobus diesen inaktiven Glauben auf die Stufe von Dämonenglauben. Das muss uns erschüttern. Es geht um die unsichtbaren bösen Geister (Mk 1,23.24; 5,1–13; Lk 8,26–33). Der äußerliche Glaube verändert nicht den Charakter der Dämonen, auch nicht ihren Dienst oder ihre Zukunft. Ihr Glaube mag orthodox (rechtgläubig) sein. Sie selbst aber bleiben trotzdem böse, denn ein orthodoxes Glaubensbekenntnis allein rettet nicht.

Die einzige Auswirkung ist das Zittern. Dieses Wort finden wir nur hier im Neuen Testament. Es ist der Horror, der, wie man sagt, die Haare zu Berge stehen lässt. Die Gegenwartsform zeigt, dass es ihre charakteristische Reaktion ist, wenn sie die Wirklichkeit des ewigen Gottes vor sich haben. Es ist ihr dauerhaftes Erleben und Erbeben, wenn sie mit dem großen Gott zu tun haben: Sie schaudern.

Dafür finden wir mehrere konkrete Beispiele in den Evangelien. Markus 5 und Lukas 8 gehören dazu. Auch in Markus 9,20.26 und Matthäus 8,29 finden wir Hinweise, mit was für einer Angst diese Dämonen ihrem Richter und Herrn begegnen. Sie kennen also die Existenz Gottes (Lk 4,34.41; Apg 16,17; 19,15).

Während des Lebens Jesu gaben die Dämonen Zeugnis von der Sohnschaft des Herrn (Mk 3,11). Sie glaubten an die Existenz eines Bestrafungsortes (Lk 8,31). Sie erkannten Jesus auch als Richter an (Mk 5,1–13). Aber dieses Wissen führt nicht dazu, dass sie ihrem Gericht entrinnen können. Wer keine lebendige Beziehung zu Gott hat (Jak 1,18), geht dem ewigen Gericht entgegen.

Es ist eben keine rettende Erfahrung, zu glauben und zu zittern. Schaudern ist kein Glaube: „Denn Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Frucht aus“ (1. Joh 4,17.18). Christsein schließt Vertrauen auf Christus und ein Leben für Christus ein.

Vielleicht ist Simon, der Zauberer, ein gutes Beispiel für diesen falschen Glauben. In Apostelgeschichte 8,13 lesen wir, dass er glaubte. Aber in den Versen 20 und 21 erkennen wir, dass es kein rettender Glaube war, sondern nur ein für wahr Halten. Er glaubte, hatte aber keine innere Beziehung zu Gott. Das ist das, was auch Paulus an Titus schreibt: „Sie geben vor, Gott zu kennen, aber in den Werken verleugnen sie ihn und sind abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt“ (Tit 1,16).

Schon Jesaja musste ähnlich klagende Worte des Herrn aufschreiben: „Der Herr hat gesprochen: Weil dieses Volk sich mit seinem Mund naht und mich mit seinen Lippen ehrt und sein Herz fern von mir hält und ihre Furcht vor mir angelerntes Menschengebot ist: darum, siehe, will ich fortan wunderbar mit diesem Volk handeln, wunderbar und wundersam; und die Weisheit seiner Weisen wird zunichtewerden, und der Verstand seiner Verständigen sich verbergen“ (Jes 29,13.14). Was Gott von Menschen erwarten kann, finden wir dagegen in Römer 10,9: „Wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, wirst du errettet werden.“

Schlussfolgerung 2: Glaube ohne Werke ist tot (V. 20)

„Willst du aber erkennen, o nichtiger Mensch, dass der Glaube ohne die Werke tot ist?“ (V. 20).

Vers 20 kann man als Abschluss und Schlussfolgerung der vorherigen Belehrungen ansehen, aber auch als Einführung in das, was nun folgt. Das „aber“ muss in diesem Kontext nicht als Gegensatz, sondern als eine Fortführung verstanden werden. Denn im Unterschied zu unserem „aber“ ist das im Grundtext stehende Wort nicht so stark, so dass es manchmal fast wie ein „und“ wirkt.

Jakobus benutzt hier sehr starke Ausdrücke. „Willst du aber erkennen“: Mit diesen Worten geht er den Widersacher sehr hart an. Offenbar weigerte sich dieser standhaft, weil er sich der Gedankenführung des Jakobus widersetzen wollte. Jakobus kannte solche, die ihm widerstanden und keinen Wert auf praktischen Glauben legten. Der Ausdruck „wissen“ ist ein Verb im Aorist Infinitiv. Das macht deutlich, dass diese Rebellion gegen Gott und seine Gedanken nicht zufällig, sondern mit fester Absicht und in einer inneren Aufsässigkeit des Willens stattfindet.

Man könnte das „willst du erkennen“ auch wie eine Einladung deuten. Wer wirklich erkennen will, kann diese Erkenntnis aus der Schrift gewinnen. Es liegt nicht an Jakobus, dass man unwissend bleibt. Es ist das eigene Auflehnen gegen die biblische Belehrung. Durch das „du“ wird die an sich sehr harte Ansprache an den Widersacher dabei gewissermaßen etwas höflicher.

Jakobus durchschaut unter der Leitung des Geistes, dass die abweichende Anschauung „nichtig“, also wertlos und fruchtlos, ist. Allerdings sollten wir vorsichtig sein, eine solche Anrede in die heutige Zeit zu übertragen. Wir können nicht in Menschen hineinschauen und sprechen (oder schreiben) nicht inspiriert wie Jakobus.

Zudem gilt es zu bedenken, dass Jakobus aus Sorge um die gläubigen Christen redete. Sie sollten nicht dieser falschen Lehre anheimfallen, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Glaube und Werken. Eine solche Sorge sollte auch uns antreiben, in Liebe Menschen zu gewinnen, die im Blick auf Glaube und Werke irren.

Bei aller Höflichkeit spricht Jakobus diesen Menschen jedoch in einer geradezu emotionalen Weise an: „O nichtiger Mensch“. Dadurch klingt ein stückweit Ungeduld an, das Jakobus inzwischen nach vielen Hinweisen und dem trotzigen Widerstand des Widersachers hat.

Eine Art Rückblick

Wenn man diesen Vers als eine Art Rückblick sieht, kann man sagen, dass ein Mensch, der sich mit dem Glauben der Dämonen begnügt, in den Augen Gottes nichtig ist. Sein Glaube ist schlicht tot.

Jemand, der meint, Glaube ohne Werke reiche aus, wird zwar unter Menschen möglicherweise geehrt, im Licht Gottes aber „nichtiger Mensch“ genannt. Das Wort, dass Jakobus hier für „nichtig“ gebraucht, ist das, was in der griechischen Sprache für Geld, das keine Zinsen, keine Rente bringt, oder für einen Acker, der brach liegt und keine Frucht hervorbringt, benutzt wird. Es geht um jemand, der sich der Früchte rühmt, die er aber gar nicht trägt. Da mögen viele und große Worte gesprochen werden, aber dahinter steht keine Realität. Der Glaube ist eben tot.

Wie leicht ist es, sich damit zufrieden zu geben, die richtigen Ausdrücke der Wahrheit zu benutzen, ohne dass der praktische Lebenswandel dem entspricht, selbst wenn man letztendlich das ewige Leben besitzt. Insofern enthalten die Worte des Jakobus nicht nur eine Ansprache an tote Bekenner, sondern auch an uns, die wir an den Herrn Jesus glauben. Egal, wie stark man das Bekenntnis der Errettung betonen mag, der Beweis liegt darin, dass man nach seinem Bekenntnis lebt. Damit wird praktischerweise wahr, was Petrus schreibt: „Dass ihr euren Wandel unter den Nationen ehrbar führt, damit sie, worin sie gegen euch als Übeltäter reden, aus den guten Werken, die sie anschauen, Gott verherrlichen am Tag der Heimsuchung“ (1. Pet 2,12). Toter Glaube kann nur tote Werke hervorbringen. Echter Glaube bringt grundsätzlich Glaubenswerke hervor.

Auch wenn Jakobus hier von „dem“ Glauben (mit Artikel) spricht, ist damit nicht, wie meistens, die christliche Glaubenswahrheit gemeint. Der Artikel weist schlicht auf „den“ bestimmten Glauben hin, den Jakobus eben an dieser Stelle behandelt. Deshalb benutzt er auch bei Werken einen Artikel. Es geht um „die“ Taten, die ein lebendiger Glaube natürlicherweise hervorbringt. Ein nichtiger Glaube ohne Werke ist dagegen unproduktiv und nutzlos.

Von diesen Menschen spricht auch Paulus an anderer Stelle (Tit 1,16). Das positive Gegenteil ist: „Das Wort ist gewiss; und ich will, dass du auf diesen Dingen fest bestehst, damit die, die Gott geglaubt haben, Sorge tragen, gute Werke zu betreiben. Dies ist gut und nützlich für die Menschen“ (Tit 3,8).

Die Einführung Abrahams und Rahabs (V. 21–26)

Vom 20. Vers an bis zum Ende des Kapitels führt Jakobus seine Beweisführung weiter. Seine Beweise haben jedoch nicht das Geringste mit einer liebenswürdigen Natur zu tun, wie sie uns als Geschöpfe vielleicht angeboren ist. Es gibt Früchte wie Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit, die durchaus keine bösen Früchte sind. Sie gehören aber nicht zu dem neuen Leben, das seine Quelle in Gott und seinem Wort hat. Die Früchte, von denen Jakobus im Folgenden spricht, sind geradezu Beweise dafür, dass Glaube vorhanden ist. Denn nur Glaube bringt sie hervor.

Abraham opferte seinen Sohn. Rahab nahm die israelitischen Boten auf, indem sie sich mit dem Volk Gottes einsmachte, als es noch keinen Hinweis auf dessen kommende Vorherrschaft in Kanaan gab. Rahab trennte sich somit aus Glauben von ihrem eigenen Volk. Alles für Gott zu opfern, alles für ein Volk aufzugeben, ehe dieses einen einzigen Sieg errungen hat, während andere noch alle äußere Macht besitzen, das sind wirklich Früchte des Glaubens.

Keines von beiden war die Frucht einer liebenswürdigen Natur und kann auch nicht auf irgendetwas natürlich Gutes zurückgeführt werden, was die Menschen ein „gutes Werk“ nennen. Im ersten Fall stand ein Vater im Begriff, seinen Sohn umzubringen, im anderen schickte sich eine unmoralische Frau an, ihr Land zu verraten.

Der Punkt ist somit nicht, dass jeder wahre Gläubige eine Anzahl freundlicher und wohltätiger Handlungen ausführen muss, um seinen Glauben zu erweisen. Natürlich ist es richtig, wohltätig zu handeln. Das ist aber nicht der Beweis des Glaubens. Daher findet man auch die ersten Beispiele ab Vers 14 nicht in positiver, sondern in verneinender Weise vorgestellt. Das heißt: Wer solche Werke nicht tut, kann keinen echten Glauben besitzen. Solche Wohltätigkeit gehört unbedingt mit zu dem, was ein Gläubiger tut. Aber wer wohltätig handelt, ist damit noch lange kein Christ. Auch Ungläubige sind aufgrund natürlicher Begabungen in der Lage, so etwas zu tun. Die Motive dafür können sehr unterschiedlich sein.

Gute Werke oder Glaubenswerke?

Echter Glaube erweist sich dann, wenn lebendige Werke vorhanden sind. Es ist unsere Pflicht als Gläubige, solche Werke zu tun, die wirkliches Leben zeigen. Es müssen Werke einer Art sein, die wie bei Abraham und Rahab notwendigerweise Glauben voraussetzen. Es handelt sich dann oft um Lebenssituationen, in denen ungläubige Menschen ganz anders handeln würden. Der geschätzte Ausleger Frank Binford Hole führt zur Illustration dieses Punktes folgende Beispiele an: Wenn ein reicher Mann darum gebeten wird, einen großen Betrag für einen Wohltätigkeitsdienst zu geben; wenn eine arme Frau ihren gleichfalls armen Nachbarn erstaunlich freundlich und hilfreich begegnet: Was sind das für Werke? Zeigen sie, dass diese Menschen wirklich an Christus glauben? Nein, nicht notwendigerweise.

Wohl kann es wahr sein, dass ihr hilfsbereites Wesen und ihre freigebige Hand darauf beruhen, dass sie sich bekehrt haben. Anderseits kann es auch sein, dass ihrem Verhalten der Wunsch zugrunde liegt, bekannt zu werden und den Beifall ihrer Mitmenschen zu erhalten. Hole fährt dann fort: Doch nehmen wir einmal an, dass beide anfangen, eifriges Interesse für Gottes Wort zu zeigen, gepaart mit weitgehendem Gehorsam des Herzens und einer offenkundigen Zuneigung zum Volk Gottes. Jetzt können wir mit Sicherheit den Schluss ziehen, dass sie wirklich an Christus glauben, denn hier erkennen wir die einzige Wurzel, aus der solche Früchte hervorkommen. Und wir sehen Werke, die diesen Glauben belegen. Denn das Siegel echten Glaubens sind Werke. Genau das veranschaulicht der Geist Gottes durch das Beispiel von Abraham und Rahab.

Bei diesen beiden Personen wäre es unmöglich, die Werke als gute, von Gott gewollte Werke anzusehen, wenn man nicht erkennen könnte, dass wirklich Glaube vorhanden ist. Vergessen wir nicht: In den Augen von Menschen – nicht nur von Ungläubigen – müssten solche Werke wie die Opferung eines Kindes bzw. Volksverrat als verwerflich angesehen werden. Nur durch die Brille des Glaubens ist es möglich, diese Werke wertzuschätzen.

In den Versen 15 und 16 haben wir gesehen, dass Glaube Werke der Barmherzigkeit anderen gegenüber hervorbringt. Diese aber beweisen noch nicht, dass wirklich Glaube vorhanden ist. Nun sehen wir in den Versen 21 bis 23, dass Glaube immer Werke des Gehorsams Gott gegenüber zeigt. In Rahab (V. 25) sehen wir schließlich, dass echte Heiligung im Blick auf die Welt als Frucht ihres Glaubens sichtbar wird. Glaubenswerke tragen genau diesen Charakter.

Die Rechtfertigung Abrahams aus Werken (V. 21–24)

„Ist nicht Abraham, unser Vater, aus Werken gerechtfertigt worden, da er Isaak, seinen Sohn, auf dem Altar opferte? Du siehst, dass der Glaube mit seinen Werken zusammen wirkte und dass der Glaube durch die Werke vollendet wurde. Und die Schrift wurde erfüllt, die sagt: „Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“, und er wurde Freund Gottes genannt. Ihr seht also, dass ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein“ (V. 21–24).

Nachdem Jakobus den negativen Aspekt seines Glaubenstestes eingeführt hat, nämlich dass der Glaube ohne Werke tot ist, wendet er sich nun der positiven Wahrheit zu: Der echte, in diesem Sinn rettende Glaube äußert sich in wirklich guten Werken.

Die beiden Beispiele von Abraham und Rahab werden jeweils mit einer rhetorischen Frage eingeleitet, die in beiden Fällen ein „ja, sicher“ als Antwort verlangen. Sowohl Abraham als auch Rahab stehen jeweils im Fokus. Daher beginnt der Text wörtlich: „Abraham, unser Vater …“ So auch später in Vers 25: „Ebenso auch Rahab …“

Abraham und Rahab – zwei Beispiele für dieselbe Art des Glaubens

Noch etwas zu Abraham und Rahab. Diese beiden Personen waren in fast jeder Beziehung gegensätzlich. Der eine war der Vater der Gläubigen, die andere war eine Prostituierte in Jericho. Der eine, der Vater der Juden, ein ehrbarer Diener Gottes, die andere, eine Heidin, eine arme Frau von unmoralischem Ruf und Beruf. Doch beide illustrieren das Thema von Jakobus auf wunderbare Weise. Die Werke beider Personen bezeugen den Charakter wahren Glaubens, der Werke hervorbringt. Beide hatten Glauben, und beide hatten Werke – Werke, die offenbarten, dass sogar ein ganz besonderes Maß an Glauben vorhanden war. Ihren Glauben konnte man sehen und dadurch auf die gute Quelle schließen.

Der Apostel zitiert diese beiden Fälle aus dem Alten Testament, um erstens zu zeigen, dass der Glaube, der Gott vor Augen hat, wirklich Werke vollbringt. Zweitens macht er deutlich, dass die aus dem Glauben hervorkommenden Werke einen besonderen Charakter haben. Es sind Glaubenstaten und nicht einfach „gute Werke“, wie man sie in der Welt allgemein so nennt.

Auch der Apostel Paulus bezeugt den Glauben dieser beiden. Abraham war bereit, seinen einzigen und geliebten Sohn zu opfern, als Gott es von ihm forderte. Rahab verbarg die Kundschafter und entließ sie in Frieden. Das war jeweils etwas Herausragendes. Isaak war der einzige Sohn dieser Art von Abraham. Zudem ruhten alle Verheißungen Gottes auf ihm, so dass ein unbedingtes Vertrauen auf Gott vorhanden sein musste, ihn in den Tod zu geben (Heb 11,17–19; vgl. 1. Mo 12,2.3). Aus menschlicher Sicht ist nichts Gutes dabei, seinen Sohn zu töten. Im Gegenteil! Glaube ist eben nicht menschlich.

Auch Rahab war nach menschlichen Maßstäben vollkommen untreu: Sie wurde im Blick auf ihr Vaterland zu einer Verräterin. Aber sie verband sich mit dem Volk Gottes zu einer Zeit, als dessen Feinde noch in voller Kraft standen und Israel weder den Jordan überschritten noch auch nur einen einzigen Sieg im Land errungen hatte (vgl. Heb 11,31).

Glaubenswerk 1: die Opferung Isaaks (V. 21)

Zunächst bezieht sich Jakobus auf Abraham, der durch Werke gerechtfertigt worden ist, als er Isaak, seinen Sohn, auf dem Altar opferte. Er handelte in einer Weise, die im Gegensatz zu allem steht, was sonst in der Geschichte der Menschheit zu erleben ist. Die Tatsache, dass Abraham zum Zeugen des Glaubens berufen wird, ist gerade für die Briefempfänger von großer Bedeutung. Ihn hielten sie über alles in Ehren.

1. Mose 22 ist der erste Bezugspunkt für Jakobus. Dieses Kapitel spielt im Neuen Testament eine ganz besondere Rolle und wird mehrfach zitiert. Zunächst ist es Petrus, von dem wir in Apostelgeschichte 3,25, lesen, dass er diese Worte anführt. Später bezieht sich auch Paulus in Römer 8,32 auf diese Handlung Abrahams (vgl. zudem Gal 3,16). Neben Jakobus kommt auch der Schreiber des Hebräerbriefs, vermutlich Paulus, auf diese Begebenheit zurück (Heb 6,13.14; 11,12.17).

Der Fall Abrahams ist sehr lehrreich, da Paulus ihn auch in Römer 4 anführt, um seinen Standpunkt „allein aus Glauben“ in dieser wichtigen Frage zu begründen. Um zu zeigen, dass es der Werke vor Menschen bedarf, um echten Glauben zu beweisen, bedient sich Jakobus also derselben Passage, durch die Paulus zeigt, dass ein Mensch vor Gott ohne Werke auf der Grundlage des Glaubens gerechtfertigt wird. Während sich Paulus aber auf 1. Mose 15,5.6 und auch 17,5 beschränkt, beginnt Jakobus mit 1. Mose 22, um erst dann auf 1. Mose 15,6 zurückzukommen.

In 1. Mose 15 lesen wir, dass Abraham Gott glaubte, als dieser ihm Dinge sagte, die ein Mensch nicht verstehen kann. Abraham und Sara besaßen noch keinen Sohn und waren schon vergleichsweise alt. Als Gott Abraham dann eine unzählbare Nachkommenschaft versprach, glaubte Abraham dieser Verheißung, obwohl es keinen Anhaltspunkt für eine Erfüllung gab. Das rechnete Gott ihm zur Gerechtigkeit.

In diesem Augenblick tat Abraham nichts, was seinen Glauben vor Menschen bewiesen hätte. Gott aber sah seinen Glauben schon damals. In Kapitel 22 dann jedoch tat Abraham ein Werk, das seinen Glauben bewies. Damit vollbrachte er für Menschen sichtbar das, was Gott bereits „in Kapitel 15“ in ihm sah. Vor Gott war Abraham in Kapitel 15 gerechtfertigt, vor Menschen wurde er aus Werken erst in Kapitel 22 gerechtfertigt, als er seinen Sohn opferte. Damit überlieferte er gerade den in den Tod, der als einziger die Verheißungen Gottes hätte erfüllen können. Was Abraham tat, fügte seinem Glauben nichts hinzu. Aber seine Taten bewiesen ihn. Und genau darum geht es Jakobus in diesen Versen.

Jakobus und Paulus ergänzen sich

Jakobus sagt an dieser Stelle also nicht wie Paulus, dass Abraham durch Glauben gerechtfertigt wurde, als er Gott glaubte und es ihm zur Gerechtigkeit gerechnet wurde. Das war natürlich schon damals wahr. Aber Jakobus geht es um die Werke vor Menschen, daher spricht er nicht so wie Paulus. Er zeigt eine Tat, die nur dadurch gutzuheißen war, dass sie im Glauben getan wurde. Denn ohne diesen wäre es eine Gräueltat gewesen.

Um es deutlich zu sagen: Jakobus bestreitet nicht, was in 1. Mose 15 oder Römer 4 steht, wobei im Übrigen Römer 4 erst später geschrieben wurde. Er sagt nur, dass man diesen Glauben Abrahams erst in 1. Mose 22 sehen konnte. Dort war dieses Vertrauen dann aber in seiner ganzen Fülle zu erkennen. Wäre 1. Mose 22 nicht gewesen, hätte Abraham eben diesen echten Glauben für Jakobus gar nicht gehabt. Das ist sozusagen die Botschaft des Schreibers. Dass Gott seinen Bund mit Abraham erst in 1. Mose 22 mit einem Schwur besiegelte, weil Abraham jetzt endgültig sichtbar gemacht hatte, dass sein Glaube echt war, bestätigt diese Sichtweise. Denn diesen Schwur finden wir, jedenfalls in dieser Ausprägung, nicht in 1. Mose 15, wohl aber in Kapitel 22. Genauso wie Jakobus argumentiert im Übrigen auch der Schreiber des Hebräerbriefs (Heb 11,17).

Nun könnte man fragen: Aber sagt Jakobus nicht zumindest an dieser Stelle das Gegenteil von dem, was Paulus in Römer 4,3 schreibt: „Abraham aber glaubte Gott und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“ (vgl. auch Röm 4,2.4 ff.)? Auch später unterstreicht Paulus: „Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes erschien, errettete er uns, nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit … durch Jesus Christus, unseren Heiland, damit wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben würden nach der Hoffnung des ewigen Lebens“ (Tit 3,4–7).

Um diesen Einwand sozusagen vorwegzunehmen und zu entkräften, zitiert Jakobus selbst diesen Vers in 1. Mose 15,6. Er sagt, dass in 1. Mose 22 die Schrift von 1. Mose 15 gewissermaßen erfüllt und bestätigt wurde.

Vor Gott – vor Menschen

Gott wollte nicht nur selbst wissen, dass Abraham ein Gläubiger war. Ihm lag daran, dass er auch vor den Menschen öffentlich als ein gerechter Mensch erwiesen war. Das war durch die Opferung Isaaks möglich. Auch Gläubige können dadurch bei anderen erkennen, ob bzw. dass jemand Werke des Glaubens zeigt.

Dann handelt es sich um eine Person, die ganz auf Gott vertraut, koste es, was es wolle. Der Glaube Abrahams war das Vertrauen auf Gott und sein Wort. Er wird uns als ein unbedingter, nicht zögernder Glaube dargestellt: Abraham, der seinen geliebten Sohn, auf dem alle Verheißungen ruhten, opfern wollte. Hier und in Hebräer 11,17 steht, dass Abraham seinen Sohn in den Augen Gottes wirklich geopfert hat. Er übergab alles, was in seinem Herzen war, an Gott und glaubte Ihm in einer Weise, die allem entgegensteht, was natürlicherweise Menschen zu eigen ist oder worauf sich der natürliche Mensch stützen könnte.

Abraham konnte nur deshalb so handeln, weil er auf eine andere Welt schaute. Er sah nicht allein die damalige Welt, denn er wusste, dass Gott ihm davon nichts geben würde. Das hatte Er ihm deutlich gemacht (vgl. Apg 7,5; vgl. 1. Mo 15,13). Er war ein Fremder auf dieser Erde, aber seine Erwartung war auf die Stadt gerichtet, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist (Heb 11,10). Er sah auf den zukünftigen Erdkreis, auf den Sohn der Verheißung, welcher der Mittelpunkt dieses zukünftigen Erdkreises sein würde. Er sah auf den Sohn in Auferstehung. Daran hielt er auch in der größten Prüfung fest. Was für ein Glaube! Nicht zuletzt deshalb nennen die Juden Abraham „unseren Vater“ (Mt 3,9; Joh 8,33.39). Durch seinen Glauben ist er das auch für uns Christen geworden, für alle, die glauben (Röm 4,12).

Rechtfertigung

Ich gehe an dieser Stelle noch etwas weiter auf die Art der Rechtfertigung ein, von der Jakobus hier spricht. Da der Ausdruck „aus den Werken“, das heißt „auf dem Grundsatz der Werke“, vor dem Verb „gerechtfertigt“ steht, wird damit die Betonung auf diese Art der Rechtfertigung gelegt. Jakobus unterstreicht durch diese Satzstellung, dass es ihm wichtig ist, dass Abraham durch seine Tat, von der wir in 1. Mose 22 lesen, gerechtfertigt worden ist, eben nicht durch Glauben allein (vgl. Vers 24). Das ist sein Argument an dieser Stelle.

Niemand kann sagen: Ich werde durch Glauben gerechtfertigt, wenn keine Werke da sind, die diesen Glauben rechtfertigen, das heißt offenbaren. Dass Jakobus hier Werke in der Mehrzahl nennt, deutet darauf hin, dass es ihm nicht allein um die einzelne Tat geht, von der wir in 1. Mose 22 lesen, sondern um alle Werke, die zu diesem offensichtlichen geistlichen Höhepunkt seines Lebens hinführten.

Jakobus sagt, dass Abraham seinen Sohn opferte. Die hier verwendete Form (Partizip Aorist) weist auf eine abgeschlossene Handlung dessen hin, was Abraham tun wollte, auch wenn Gott ihn daran hinderte, es zu tun. Und wir haben schon gesehen, dass er dieses Opfer in den Augen Gottes wirklich brachte.

Dass hier nicht von Isaak, sondern von seinem Sohn gesprochen wird, zeigt etwas von dem, was es Abraham kostete, das zu tun. Es ging nicht nur um einen Menschen, sondern um jemand, mit dem er eine innige Beziehung hatte.

Durch diese Handlung wurde Abraham gerechtfertigt. Jakobus verwendet für „gerechtfertigt“ wieder den Aorist, was zeigt, dass er wirklich an ein historisches Ereignis denkt (1. Mo 22). Dadurch wird eine göttliche Antwort auf die einzigartige Handlung Abrahams aus Glauben in 1. Mose 22 angedeutet. Rechtfertigen kann man in zweierlei Hinsicht verstehen:

  1. Freisprechen, als Gerechten behandeln bzw. gerecht erklären (sprechen). Das ist das Gegenteil von verurteilen. In diesem Sinn wird das Wort verwendet in: 2. Mose 23,7; 5. Mose 25,1; Jesaja 5,23; 53,11; Matthäus 12,37; Lk 18,14; Römer 3,24; 5,1.
  2. Zeigen oder verteidigen, dass ein bestimmter Weg, ein bestimmtes Verhalten weise oder gerecht ist (Jes 42,21; 43,9; Mt 11,19; Lk 7,29.35; Röm 3,4; 1. Tim 3,16).

Die erste Erklärung ist eher ein Hinweis auf den Bereich der Rechtsprechung. Es ist die göttliche Zustimmung im Blick auf den, der für gerecht erklärt wird. Das wird auf der Grundlage des Sühnungswerks Christi erklärt (Röm 3,21–26). Aber der Punkt der Argumentation von Jakobus ist eher eine göttliche Verteidigung der gerechten Natur des Gläubigen. Und das wird durch die Taten sichtbar, die aus dem Glauben hervorkommen. So kann man die Bemerkung unseres Briefschreibers eher der zweiten Bedeutung von rechtfertigen zuordnen.

Glaube und Werke (V. 22)

Das, was Abraham tun sollte, finden wir sonst nur bei abscheulichen Opfern für Götter erwähnt. Ein Beispiel sind die Opfer für Moloch (oder Molech), dem immer wieder Kinder geopfert wurden (vgl. Jer 32,35). Abraham musste seinen Sohn auch nicht opfern, denn Gott möchte keine Menschenopfer. Das, was Abraham tat, war ein Vorbild auf etwas viel Größeres, auf das Opfer, das Gott brachte. Er gab seinen eigenen Sohn. So stimmen der Jakobusbrief und der Hebräerbrief in der Bewertung und Wertschätzung der Tat Abrahams vollständig überein. Beide zeigen, wie herausragend der Glaube Abrahams war.

Es handelte sich in jeder Hinsicht um eine Tat, die jeglichem Instinkt eines Vaters entgegensteht. Sie wurde noch dadurch verstärkt, dass Isaak der einzige Sohn war, den Abraham liebte. Gott hätte Sara natürlich ein zweites Wunder einer Geburt im Alter schenken können. Aber Gott hatte ihr gemäß 1. Mose 17,16 verheißen, dass sie gerade durch diesen Sohn zu Nationen werden würde. Und im Blick auf Isaaks Geburt hatte Gott das Siegel der Beschneidung und damit seine besondere Bestätigung gegeben.

Wenn Abraham nun diesen einen Sohn opfern sollte, stand wirklich alles auf dem Spiel. Aber offenbar ruhte der Glaube Abrahams fest auf Gottes Zusagen. Er lachte (Namensbedeutung von Isaak) gewissermaßen voller Vorfreude, indem er sich über die Unmöglichkeiten erhob und Gott glaubte, im Gegensatz zu Saras ungläubigem Lachen. Abraham war sich sicher, dass es für Gott unmöglich war zu lügen. Er war daher überzeugt, dass, wenn Isaak durch das Opfer sterben würde, Gott ihn aus den Toten wieder auferwecken würde, um seine Verheißung wahr zu machen. Es gab kein einziges Beispiel bislang für eine solche Totenauferweckung. Aber Abraham glaubte Gott.

Abraham hatte auch früher schon einen außergewöhnlichen Glauben. Das jedoch, was ihm jetzt abverlangt wurde, ging weit über das hinaus, was er zuvor erlebt hatte, als er glauben sollte, dass Gott ihm einen Sohn von der „alten“ Sara geben würde. Würde Gott wirklich diesen Sohn aus den Toten auferwecken, wie es jetzt nötig war, um alles das zu erfüllen, was Er verheißen hatte? Noch nie gab es eine solche Prüfung des Glaubens. Aber es hatte auch noch nie einen solchen Triumph der Gnade gegeben. Dieser Glaube wird offenbar, wenn man den Worten Abrahams an seine Knaben zuhört. Er sagt ihnen: „Wir wollen gehen und anbeten und dann zu euch zurückkehren.“ Wir! (1. Mo 22,5) Für ihn bestand offenbar überhaupt kein Zweifel, dass er nicht alleine zurückkehren würde. So ließ er, obwohl solch ein schweres Werk vor ihm lag, kein Zaudern zu und war Gott sofort gehorsam (vgl. 1. Mo 22,3 (frühmorgens); V. 10).

Der Weg von 1. Mose 15 zu 1. Mose 22

Wir haben bereits gesehen, dass lange vor dem in Vers 21 genannten Ereignis von Abraham bezeugt wurde, dass er dem Herrn glaubte. Gott rechnete ihm diesen Glauben zur Gerechtigkeit (1. Mo 15,6). Es gibt keine Möglichkeit, den Glauben Abrahams stärker zu betonen als dadurch, dass er durch diesen Glauben gerechtfertigt worden war. Genau mit diesem Ziel wird dieser Vers von Paulus in Römer 4 angeführt.

In 1. Mose 22 sehen wir dann den glaubenden Mann, der seine Werke zeigt und auch dadurch gerechtfertigt wird. Es kann überhaupt keinen Zweifel geben, dass Abrahams Werk der Opferung seines Sohnes Isaaks auf dem Altar aus dem Glauben hervorkam. Dieser Glaube zeigte sich durch Gehorsam Gottes Auftrag gegenüber. Hätte ein Mensch eine solche Tat nicht aus Glauben getan, wäre sie böse gewesen.

Manche Kritiker behaupten, die Opferung Isaaks sei zu unwürdig, um die Bezeichnung „gutes Werk“ zu erhalten. Sie sind blind im Blick auf wahren Glauben. Wenn Abraham in jener sternklaren Nacht Gott glaubte (1. Mo 15), dann war er überzeugt, dass Gott ein lebendiges Kind aus erstorbenen Eltern erwecken kann. Er glaubte offenbar, dass Gott Tote zum Leben erwecken konnte. Und was zeigte die Opferung Isaaks? Sie bewies, dass er Gott dies immer noch zutraute. Er opferte Isaak, „indem er urteilte, dass Gott auch aus den Toten aufzuerwecken vermag“ (Heb 11,19).

Wir sehen bei Abraham folglich nicht nur Werke, sondern auch den Glauben, der zu seinen Werken mitwirkte, die somit Glaubenswerke genannt werden. Durch sie wird der Glaube vollendet. Wenn Jakobus auf der einen Seite Werke als Beweis des Glaubens vor Menschen betont, so besteht er auf der anderen Seite darauf, dass der Glaube die Grundlage der Werke sein muss.

Der Glaube handelt durch Werke

Der Glaube handelt, indem er Werke vollbringt. Ohne Glauben sind die Werke letztlich nichts wert und kann es sich nicht um Werke des neuen Lebens handeln. Aber nicht nur das, sondern die Werke „vollenden“ (V. 22) auch den Glauben, der in ihnen handelt. Sie machen ihn sozusagen vollkommen. Vollenden heißt auch, zu einem Ende, zu einem Ziel bringen. Jakobus verwendet dazu hier die passivische Form, die andeutet, dass Gott es war, der Abrahams Glauben durch diese Handlung zu diesem Ziel brachte. Gott war es, der zunächst Abraham als gerecht im Blick auf seinen Glauben erklärte. Der Herr hatte bezüglich dieses Glaubens das große Ziel, dass er sichtbar würde. Dieses Ziel erreichte Gott auch wirklich.

Das Ziel war, dass Abraham durch den Glauben in eine derart enge Beziehung mit Gott gebracht würde, dass er freiwillig Gott an die erste Stelle in seinem Handeln stellen würde. Dieses Ziel wurde in 1. Mose 22 erreicht. Ein Fruchtbaum wird durch die Früchte, die er hervorbringt, vollendet und zu seinem Ziel gebracht.

Wenn der Glaube durch Werke vollendet wurde, heißt das übrigens auch, dass der Glaube zuerst da war. Aber es heißt nicht, dass der Glaube aus Gottes Sicht zunächst fehlerhaft oder unvollständig war, denn Gott erklärte Abraham ohne Werke für gerecht. Entweder glaubt ein Mensch oder nicht. Wo also echter Glaube vorhanden ist, wird es früher oder später eine Blüte geben, die zu Werken führt. Was Abraham tat, war das Siegel, das auf seinen Glauben gesetzt wurde, durch den er vor Gott gerechtfertigt wurde.

In den Versen 22 und 23 sehen wir somit die Ergebnisse des Glaubens Abrahams. Sein Glaube besaß Werke. Die Worte „du siehst“ zeigen, dass Jakobus den Beweis seiner Überzeugung, die in Vers 18 formuliert wird, demonstriert. Abrahams Werke offenbarten wirklich seinen Glauben. „Du siehst“ (Präsens) lässt überhaupt keine Unsicherheit zu. Es war genau so und nicht anders. Das war für niemanden, auch nicht für die Widersacher, zu bestreiten. Gerade deshalb führt Jakobus dieses Beispiel an. Dass er persönlich wird, zeigt zudem, dass jeder ganz persönlich die geistliche Wirklichkeit für sich selbst erkennen und anerkennen muss.

Glaube und Werke bilden ein Ganzes

Jakobus spricht nicht nur allgemein vom Glauben, sondern von „dem Glauben“. Es ist eben Abrahams persönlicher Glaube. Ohne ein solches Glaubensvertrauen hätte er dieses Opfer unmöglich bringen können. Der Glaube wirkte also zusammen mit den Werken. Das zeigt, dass Glaube und Werke zusammengehören. „Seine“ Werke bezieht sich auf die Werke Abrahams. Das Charakteristische seines Glaubens war, dass er sich nicht von den Werken trennen ließ. Glaube und Werke bilden ein vollkommenes Ganzes.

Das Zusammenwirken ist ein Helfen, Unterstützen. Man darf sich das nicht so vorstellen, als ob der Glaube und die Werke gleichberechtigt zusammenarbeiten würden. Aber die Werke Abrahams unterstützten den Glauben in seiner Sichtbarmachung. Zusammenwirken steht hier in der Vergangenheitsform (Imperfekt). Damit deutet Jakobus an, dass dieses Zusammenwirken von Glaube und Werke nicht auf diese eine Gelegenheit beschränkt war, sondern für das ganze Leben und den ständigen Glauben Abrahams charakteristisch war. Glaube ist die motivierende Kraft der Werke, und es kann keine Werke des Glaubens ohne Glauben geben, wie es keine Frucht ohne einen Baum geben kann. Wir können nicht sagen, dass die Frucht des Baums mit dem Baum kooperiert, aber wir können sagen, dass die Frucht uns hilft zu erkennen, was für eine Natur der Baum besitzt.

Um an dieser Stelle noch einmal den Vergleich von Paulus und Jakobus zu bemühen:

  • Man kann sagen, dass man in Römer 4,2.3 liest, dass Abraham durch Glauben und ohne Werke gerechtfertigt wird.
    • Die Frage „vor wem?“ lässt sich leicht beantworten: vor Gott!
    • Wann wurde er gerechtfertigt? Durch den Glauben in der Begebenheit, die in 1. Mose 15 wiedergegeben wird.
  • Bei Jakobus sieht es anders aus. Abraham wurde durch Glauben und Werke gerechtfertigt.
    • Vor wem? Vor Menschen (Jak 2,18), nicht vor Gott.
    • Wann wurde er gerechtfertigt? Diese Rechtfertigung fand nicht in der Begebenheit statt, die wir in 1. Mose 15 finden, sondern bei der Opferung Isaaks (1. Mo 22).
  • Zwischen beiden Ereignissen lag eine lange Zeit. Manche sprechen von 30 Jahren, andere von 40, wieder andere von 50 Jahren. Genau können wir das nicht sagen.

Die Erfüllung des Glaubens von 1. Mose 15 (V. 23)

Es ist sehr erstaunlich, dass die Opferung Isaaks von Jakobus eingeführt wird, bevor er davon spricht, dass Abraham Gott glaubte. Dieses Abweichen von der zeitlichen Reihenfolge und der Geschichte, wie sie durch Mose inspiriert aufgeschrieben wurde, ist nicht nur von Jakobus bewusst so vorgenommen worden. Diese Umdrehung ist sogar notwendig im Blick auf die Frage, um die es Jakobus hier geht.

Jakobus fragt zunächst, ob Abraham, unser Vater, gerechtfertigt wurde, als er Isaak, seinen Sohn, auf dem Altar opferte. Die Antwort lautet: Ja, so ist es. Erst danach kommt dann in unserem Vers, dass diese Werke auf den ursprünglichen Glauben zurückgingen, von dem Gott in 1. Mose 15 spricht.

Das „und“ am Anfang unseres Verses leitet ein weiteres Ergebnis des überragenden Glaubensaktes Abrahams ein. Für Paulus ist 1. Mose 15,6 eine Schlüsselstelle des Alten Testaments (vgl. Röm 4,3.9; Gal 3,6). Dasselbe gilt auch für Jakobus. Offenbar stützte Jakobus die christliche Rechtfertigungslehre ebenfalls auf 1. Mose 15,6. Weil es aber um „die Schrift“ geht, um das ganze Wort und seine Botschaft, trennt er 1. Mose 15 nicht von 1. Mose 22.

Paulus bezieht sich in Römer 4 auf das Geschehen in der ruhigen, sternklaren Nacht, als Gott Abraham seine große Verheißung gab und Abraham sie in einfältigem Glauben annahm. Jakobus spielt in Vers 23 auf dasselbe Kapitel an (1. Mo 15); aber er zitiert es als erfüllt in späteren Jahren, „da er Isaak, seinen Sohn, auf dem Altar opferte“, wie es 1. Mose 22 berichtet. Die Opferung Isaaks war das Werk, durch das Abraham seinen Glauben kundtat, den er lange in seinem Herzen gehabt hatte. Damit wurde auf eine praktische Art die Schrift erfüllt, die sagt, dass Abraham Gott glaubte.

In dieser Glaubenstat bewies Abraham auf sehr gesegnete Weise sein Vertrauen zu Gott. Daraufhin vertraute ihm Gott vieles an und nannte ihn sogar „Freund Gottes“. Wie hätte er tun können, was er tat, wenn er nicht Gott geglaubt hätte? Die Werke besiegelten seinen Glauben.

Die Beziehung von 1. Mose 22 und 1. Mose 15

Für Jakobus demonstrierte das Ereignis in 1. Mose 22, was schon in der früheren Rechtfertigung in 1. Mose 15 verborgen war. Bei dieser ersten Gelegenheit sagte Gott Abraham, als dieser noch kinderlos war, dass seine Nachkommen so zahlreich wie die Sterne des Himmels sein würden (1. Mo 15,1–5) und Abraham glaubte Gott. Die von Jakobus verwendete grammatikalische Konstruktion, das Verb verbunden mit dem Dativ (3. Fall) der persönlichen Beziehung, meint nicht nur, dass Abraham Gott das glaubte, was Er sagte, sondern dass sein Glaube sich in Gott selbst zentrierte. Abraham war davon überzeugt, dass der Charakter Gottes die Erfüllung der Verheißung sicherstellte. Dieses vorbehaltlose Vertrauen auf die göttliche Verheißung wurde ihm nach 1. Mose 15,6 als Gerechtigkeit zugerechnet.

Das Verb „gerechnet“ bedeutet zählen und kalkulieren. Es geht darum, dass dieser betroffenen Person etwas gutgeschrieben wird. Dabei wird ein Vergleich mit einer anderen Sache gezogen, die in etwa gleichgewichtig ist. Gott nahm Abrahams Glauben und erachtete ihn als ausreichenden Grund dafür, ihm seine Gunst zu schenken. Diese Gunst bestand darin, Abraham den Wert von Gerechtigkeit zuzumessen. Es war kein Werk, das Abraham gerecht machte, sondern es war sein Glaube. Der Einzige, der tätig war, war Gott selbst. Aber Abraham glaubte Ihm und so war es gerecht, Abraham entsprechend zu segnen.

Adam und Eva hatten Gottes Wort angezweifelt und waren in Sünde gefallen. Abraham nun tat das Gegenteil und nahm Gottes Wort an. Dadurch wurde er in die richtigen Beziehungen mit Gott gestellt. Das Annehmen des Wortes Gottes war eine gerechte Handlung, die in Übereinstimmung mit Gott stand. Wer so handelt, offenbart Gerechtigkeit und ist somit ein Gerechter. Wir wissen, dass dies nur durch Gottes Gnade möglich ist.

Gerechtigkeit bezeichnet das Charakteristische eines gerechten Menschen. Er handelt nach Gottes Wesen und Gedanken, sowohl im Blick auf Gott als auch auf Menschen. Gott nahm Abrahams Einstellung eines vollständigen Vertrauens als Beweis für die richtigen Taten an, die aus dem Glauben hervorkommen.

Die Schrift wurde erfüllt durch die Glaubenstat Abrahams

Dadurch „wurde erfüllt“, was in der Schrift stand. Damit ist nicht gemeint, dass 1. Mose 15,6 eine Art Weissagung war. Es geht vielmehr darum, dass dieser Vers seine endgültige Bedeutung in dieser Tat des Gehorsams fand. So startet Jakobus mit 1. Mose 22 und zeigt dann auf, dass das entscheidende Ereignis, das dort genannt wird, die logische und bezweckte Erfüllung der Aussage in 1. Mose 15,6 ist, nämlich dass Abraham Gott glaubte.

Es ist interessant, dass Jakobus ausdrücklich sagt, die Schrift in 1. Mose 15 sei durch diese Tat Abrahams in 1. Mose 22 erfüllt worden. Man könnte auch sagen, dass bewiesen wurde, dass Gott im Blick auf Abrahams Glauben recht hatte, denn diese spätere Glaubenserfahrung bewies genau diesen Glauben.

Der Glaubensweg Abrahams

Eine größere Prüfung als diese Forderung Gottes, seinen Sohn zu opfern, wurde von Gott noch nie auf einen gläubigen Vater gelegt. Wir wollen diesen Weg daher kurz verfolgen, um uns die Größe dieser Prüfung und damit des Glaubens Abrahams zu verdeutlichen, auch wenn wir den einen oder anderen Punkt schon überdacht haben. Denn seit der Verheißung, ihn zu einer großen Nation zu machen (vgl. 1. Mo 12,2.3), waren viele Jahre vergangen.

Danach verging wieder viel Zeit, in der Abraham die Grenzen des Landes und des sichtbaren Segens von Gott genannt wurden. Gott spricht in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich von der Nachkommenschaft Abrahams „bis in Ewigkeit“, die unzählbar „wie der Staub der Erde“ sein sollte (1. Mo 13,14 ff.).

Später dann, als dem kinderlosen Mann noch kein Erbe, gegeben worden war als nur Elieser von Damaskus, bestätigte der Herr ihm seine Verheißung erneut. Aus seinen Lenden sollte sein Erbe hervorkommen. Seine Nachkommenschaft würde nicht nur wie der Staub der Erde sein, sondern auch wie die Sterne des Himmels. Denn zum Himmel sollte er schauen (1. Mo 15,5). „Und er glaubte dem Herrn, und er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit“ (1. Mo 15,6). Erst viele Jahre später wurde ihm dann endlich dieser eine Sohn geboren, Isaak, von dem Gott so oft gesprochen hatte (1. Mo 21,2).

Dann vergingen erneut etliche Jahre, in denen Isaak aufwuchs und nicht nur Gegenstand der zärtlichen Liebe seines Vaters war, sondern auch Mittelpunkt seiner Hoffnungen. Durch Gottes Wort gingen diese Erwartungen viel weiter und höher als bei jedem anderen Menschen auf der Erde. Diese Hoffnungen würden durch den Tod dieses einen Erben verloren gehen. Aber Abrahams Vertrauen sah, wie wir gesehen haben, über den Tod hinaus.

Abraham sollte keinen anderen Sohn als Ersatz für Isaak bekommen. Denn in der bitteren Übung im Blick auf Ismael, den er mit seiner Mutter wegsenden musste, die eine Sklavin war, hörte Abraham ausdrücklich von Gott, dass in Isaak seine Nachkommenschaft genannt werden sollte (1. Mo 21,12). Aber Gott vereinfachte die Prüfung für Abraham durch dessen bisherigen Gehorsam nicht, sondern sagte zu ihm nach diesen Dingen: „Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, den Isaak, und zieh hin in das Land Morija und opfere ihn dort als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir sagen werde“ (1. Mo 22,2).

Der wahre Gott, der Gott der Gnade, erwartete also wirklich viel von „seinem Freund“! Allein Isaak war der sichere Kanal des Segens der großen und herrlichen Hoffnungen. Nicht nur das: Der geliebte Sohn sollte nicht einfach sterben, sondern Gott wählte einen erstmaligen, einzigartigen, unerwarteten und schrecklichen Weg, um Abraham zu prüfen. Gott forderte von ihm ein Brandopfer für sich selbst, und zwar von der Hand des Vaters, der zum Schlachter seines eigenen, einzigen Sohnes würde, auf dem alle Verheißungen des Lebens ruhten. Es war eine Prüfung, wie sie vorher und nachher nie wieder vorgekommen ist.

Das waren, wie wir schon gesehen haben, keine Werke, die im Allgemeinen als gute Werke bezeichnet werden könnten. Es sind oft menschenfreundliche Werke, derer sich die Menschen rühmen. Aber sie werden ohne Gott ausgeführt. Nein, in diesem Fall ging es wirklich um ein Glaubenswerk, das ohne Gott unmöglich gewesen wäre. Denn hier schaute jemand dem Tod ins Angesicht, und zwar in einer Art und Weise, die viel weiter ging, als wenn er aufgerufen worden wäre, selbst für seinen Sohn zu sterben. Abraham wurde aufgefordert, mit dem Messer auf Gottes Wort hin seinen einzigen und geliebten Sohn zu schlachten.

Glaube ist übernatürlich

Das alles war deutlich mehr, als ein Mensch von Natur aus tun, fühlen oder ertragen könnte. Es bedurfte zu dieser Handlung eines übernatürlichen Glaubens. Genau diesen sprach der Herr Abraham bereits vorbehaltlos in der Nacht zu, als dieser Gottes Wort über die Nachkommenschaft so zahlreich wie die Sterne annahm und, obwohl es menschlich so unwahrscheinlich war, bejahte (1. Mo 15). Dieser Mann Gottes war durch und durch von der Hoffnung geprägt, dass Gott seine Verheißung im Blick auf Isaak wahr machen würde. Zugleich war er im Vorbild „ein Vater in Christus“ und durch die Erfahrung göttlicher Barmherzigkeit über alles das hinaus, was er zu fragen sich getraut hatte, als er Fürbitte für die Gläubigen in Sodom tat (1. Mo 18,22 ff.), ein gereifter Gläubiger. So vertraute er Gott, selbst in diesem schlimmsten Augenblick seines Lebens. Gott hatte ihn ja auch im Blick auf diesen Augenblick immer wieder gesegnet (vgl. 1. Mo 18,19).

Gott wollte diesen Ihm bekannten unvergleichlichen Glauben prüfen, den seine Gnade Abraham geschenkt hatte, und zwar nicht nur in Wort, sondern in Tat und Wahrheit (vgl. 1. Joh 3,18). So wurde der Glaube wirklich durch die Werke vollendet. Das aber konnte Jakobus nicht aus 1. Mose 15 ableiten, sondern dafür benötigte er die Begebenheit in 1. Mose 22.

Und so wurde durch diese Tat wirklich die Schrift erfüllt, ein Ausdruck, der uns wieder an Matthäus erinnert (vgl. Mt 5,17)! Versetzen wir uns in die Lage Abrahams, soweit das überhaupt möglich ist: Abraham musste Gott nicht nur im Blick auf sich selbst vertrauen, da er der Schlimmste aller Mörder geworden wäre, hätte er seinen Sohn geschlachtet. Er musste auch den festen Glauben haben, dass Gott seinen Sohn aus den Toten auferwecken würde.

Freund Gottes

Kein Wunder, dass Abraham „Freund Gottes“ genannt wurde. Das ist ein weiteres, zusätzliches Resultat des Glaubens Abrahams. Dieser „Titel“ ist keine Erfüllung mehr von 1. Mose 15,6. Jakobus fügt auch keine weitere Unterstützung durch ein Schriftwort dafür an. Wir finden im Alten Testament übrigens keinen Hinweis darauf, dass Abraham dieser Titel schon zu seinen Lebzeiten gegeben worden wäre. Allerdings ist die enge Beziehung Gottes mit Abraham in 1. Mose 18,17–20 enthalten, denn Gott wollte vor Abraham nicht verbergen, was Er tun wollte. Er sah in Abraham einen vertrauten Freund und behandelte ihn auch so, nämlich als einen, der die göttlichen Gedanken verstand und in sie einging. „Es gibt einen, der liebt und anhänglicher ist als ein Bruder“ (Spr 18,24).

Gott nennt Abraham seinen Freund, weil er seinen Glauben konsequent auslebte. Durch seinen Lebenswandel zeigte Abraham, was für einen Wert das Wort Gottes für ihn besaß. In Johannes 15,14 nennt der Herr seine Jünger seine „Freunde“. Er gab sein Leben für sie und behandelte sie als Freunde, indem Er ihnen die Worte weitergab, die Er von seinem Vater gehört hatte. So etwas würde ein Herr nicht mit seinen Sklaven machen. Sie wiederum sollten zeigen, dass sie seine Freunde waren, indem sie Ihm gehorchten.

Die passive Form „wurde genannt“ zeigt, dass Abraham sich diesen Titel nicht selbst zuschrieb. Nicht Abraham initiierte diese Freundschaft und machte Gott zu seinem Freund, sondern umgekehrt. Abraham wurde das große Vorrecht zuteil, dass Gott ihn als Freund und damit als den Empfänger göttlicher Liebe und Vertrautheit annahm. Aber es ist offenbar, dass Gottes Liebe zu Abraham dessen Liebe zu Gott hervorrief. Freund (gr. philos) bedeutet, dass jemand die Liebe mit einem anderen auf Grundlage gegenseitiger Interessen und Anteilnahme teilt. Natürlich war sowohl bei Abraham als auch bei den Jüngern die Beziehung der Freundschaft nichts als göttliche Gnade. Sie bestand darin, dass Gott Abraham diesen Ehrentitel von Ehre und Würde schenkte.

In guten, irdischen Beziehungen drücken wir einer Person das, was wir gerade sagen wollen, in höflicher Weise aus. Danach ist das Thema für uns erledigt. Einem Freund aber erschließen wir unser Herz. Mit ihm sprechen wir über alles, was unser Herz bewegt. Als Abraham „Freund Gottes“ genannt wurde, sprach Gott nicht mit ihm von den Verheißungen, die Gott für Abraham vorgesehen hatte. Er teilte ihm das mit, was Er vorhatte zu tun: das Gericht über Sodom und Gomorra (Ps 25,14). Es ist sehr schön, die enge Beziehung zu sehen, zu der man Gott gegenüber gelangt, wenn man treu mit Ihm wandelt (1. Mo 18,17 ff.).

So behandelte Gott Abraham in 1. Mose 18, als Er ihm sein Geheimnis über Sodom anvertraute. So behandelte ihn Gott, als Abraham Fürbitte für die Gläubigen in Sodom tat. Und so sprachen der gottesfürchtige König Judas, Josaphat (2. Chr 20,7) und Gott selbst durch seinen Propheten (Jes 41,8) von Abraham: Sie nennen Abraham Freund des Herrn. Es ist im Übrigen interessant, dass in diesen beiden Stellen die Nachkommenschaft Abrahams eine große Rolle spielt. Gerade damit hatte der Glaube dieses Gottesmannes zu tun. Wegen seines Glaubens im Blick auf seinen Nachkommen wurde er zu einem echten Freund Gottes.

Zugrunde lag ein Werk, das sich kein gottesfürchtiger Mensch erdenken konnte. Gott verlangte, was nur Er verlangen konnte. Das alles zeigt, wie weit entfernt der Glaube Abrahams von einem Verstandesglauben war. Sicherlich können wir hier die Worte des Herrn anwenden: „Und die Weisheit ist gerechtfertigt worden von ihren Kindern“ (Mt 11,19).

Die Schrift sagt

Noch ein Wort dazu, dass Jakobus davon spricht, dass die Schrift sagt. Diesen Ausdruck und solche Anführungen findet man häufiger im Neuen Testament: zum Beispiel in Johannes 7,38.42; Römer 4,3; 9,17; 10,11; Galater 4,30; 1. Timotheus 5,18; Jakobus 2,23; 4,5. Dadurch, dass Schrift im Singular (Einzahl) steht, wird deutlich, dass die Schrift ein Ganzes ist und keine Widersprüche enthält.

Zudem ist damit klar, dass zur Zeit der Abfassung des jeweiligen Briefes der Kanon des Alten Testaments bereits abgeschlossen war. Dieses Testament war damals „die Schrift“. Aber ab dem Zeitpunkt, an dem dann das Neue Testament geschrieben wurde, gehörte auch jedes neutestamentliche Buch zum inspirierten Wort Gottes (1. Tim 5,18, wo Lukas 10,7 zitiert wird als „Schrift“).

Rechtfertigung aus Werken und Glauben (V. 24)

Nachdem die Sicht des gegen Jakobus argumentierenden Menschen eindeutig zurückgewiesen werden konnte, will Jakobus seine Schlussfolgerung für alle seine Leser verankern. Dieser Vers stellt sozusagen eine weitere Antwort auf die Frage in Vers 14 dar. Dabei ist es wichtig, dass man beide Teile des Verses 24 zusammennimmt und nicht nur den ersten Teil isoliert anschaut. Ausgehend vom Beispiel Abrahams formuliert Jakobus an dieser Stelle in allgemeiner, grundsätzlicher Weise.

Ausgangspunkt war in Vers 15, dass Glaube ohne Werke kein Leben offenbart. Als Beweis zeigt Jakobus zunächst, dass dann, wenn nicht einmal menschliche Barmherzigkeit vorhanden ist, auch kein lebendiger Glaube existieren kann. Wenn kein Nutzen aus unserem Leben hervorkommt, ist das Glaubensbekenntnis somit leer und tot.

In einem zweiten Schritt macht Jakobus deutlich, dass ein für wahr Halten in Bezug auf den echten Glauben zu wenig ist. Auch die Dämonen glauben, dass es Gott gibt. Das aber rettet sie nicht vor der Hölle.

Nun kommt ein dritter Schritt, der noch einmal bestätigt, dass es für das Vorhandensein von Glauben nötig ist, Werke zu zeigen. Nur so ist man vor Menschen gerechtfertigt. Rechtfertigen steht hier in der Gegenwartsform, um darauf hinzuweisen, dass diese Glaubenswerke ständige Praxis im Leben des Erlösten sind, der wirklich glaubt.

Dieser Vers zeigt ausdrücklich, dass ein Mensch vor anderen Menschen nicht ohne Werke als gerecht erklärt werden kann. Jakobus sagt nämlich: „nicht aus Glauben allein“. Glaube und Werke sind untrennbar miteinander verbunden. Jakobus besteht darauf, dass jede Behauptung, Glauben zu besitzen, durch Werke bewiesen werden muss. Die Beweislast liegt bei dem, der beteuert zu glauben.

Die unauflösbare Verbindung von Glaube und Werken

Der zweite Teil des Verses zeigt, dass Glaube die Grundlage für die Rechtfertigung ist. Jakobus ist wie Paulus davon überzeugt, dass Glaube rechtfertigt. Aber Grundlage der Rechtfertigung ist kein Glaube, der sozusagen „allein“ bleibt und keine Werke hervorbringt. Einen solchen Gedanken weist Jakobus zurück. Er verlangt einen wirksamen Glauben.

Mit der Argumentation von Jakobus wird offensichtlich, dass ein Mensch durch Werke gerechtfertigt wird und nicht allein durch Glauben. Es ist jedoch ebenso klar, dass der Schreiber hier nicht von der Rechtfertigung vor Gott durch die Sühnung der Sünden spricht, sondern von der Rechtfertigung vor den Augen der Menschen. Deshalb wiederholt Jakobus das Argument des Sehens: „Ihr seht.“

Bei alledem dürfen wir nicht vergessen, dass Abraham nicht als Ausnahme und Einzelfall vorgestellt wird, sondern als Vorbild für uns. Mit anderen Worten: Unser Glaube ist von der Art her nicht anders als der Abrahams, wenn auch von uns nicht so viel gefordert wird wie von ihm. Aber Gott schreibt diese Worte durch seinen Knecht Jakobus deshalb in sein ewiges Wort hinein, damit wir mit demselben Glauben handeln. Jeder, der erlöst ist, hat diesen Glauben.

Die Rechtfertigung Rahabs aus Werken (V. 25)

„Ist aber ebenso nicht auch Rahab, die Hure, aus Werken gerechtfertigt worden, da sie die Boten aufnahm und auf einem anderen Weg hinausließ?“ (V. 25).

Im Judentum mussten jede Aussage und jeder Beweis, besonders jede Anklage, wenn möglich, durch mindestens zwei Zeugen belegt werden. Wenn es um eine geistliche Aussage ging, dann mussten von jüdischen Lehrern zwei Schriftstellen angeführt werden. Auch Jakobus handelt nach diesem Grundsatz.

Die Aussage wird von Jakobus mit „ebenso“ eingeleitet: Dieser Ausdruck unterstreicht, dass die zweite Illustration letztlich dieselbe Wahrheit lehrt, die auch schon durch Abraham vorgestellt wurde. Allerdings deutet das „aber“ an, dass es in den äußeren Umständen dieses Glaubensereignisses eine Reihe von Unterschieden gibt. Diese zwei zitierten Beispiele, die von so gegensätzlichen Personen und Hintergründen handeln, zeigen, dass die Wahrheit bezüglich der Rechtfertigung von universeller Anwendung ist. Es kommt nicht auf die Personen oder ihre Umstände an: Es geht um den Glauben. Dadurch werden die Bedeutung und Notwendigkeit der Werke noch deutlicher.

Diese zweite Illustration wird in einer parallelen Konstruktion vorgestellt. Wie in Vers 21 benutzt Jakobus zunächst eine Frage, die seine Leser herausfordert, dieses Bild weiter zu überdenken. Das negative „nicht“ verlangt auch hier (formal, von der grammatikalischen Form) eine Bestätigung der Position von Jakobus. Wieder geht es um eine einzelne Person als Beispiel, die auch den Leser ganz persönlich herausfordert. Im Unterschied zu Abraham geht Jakobus bei Rahab nicht weiter auf Einzelheiten in ihrem Leben und Glauben ein. Die Dinge liegen aus seiner Sicht also auf der Hand.

Rahab und Abraham – große Unterschiede

Wir sehen bei Rahab somit ein zweites Beispiel von Werken als Ergebnis wahren Glaubens. Es könnte nicht verschiedener sein zum ersten Beispiel, das wir bei Abraham angetroffen haben. Aber nachdem sie glaubte bzw. aufgrund ihres Glaubens kam sie in die Linie von David. Damit wurde sie zur Mutter des noch größeren Nachkommen dieses großen Königs: von Jesus Christus selbst. Daher ist dieses Beispiel nicht weniger nützlich und kraftvoll und unterstreicht, dass es nicht auf die Herkunft der Person und die Umstände ankommt, sondern auf den Glauben, der sich in Glaubenswerken äußert.

Rahab wird Hure bzw. Prostituierte genannt. Das macht den Akt Gottes und auch ihren Glaubensschritt umso drastischer und herausragender. Schon in Josua 2,1 und 6,17.22.25 wird sie so genannt. Man kann bei diesem Begriff bleiben und muss nicht versuchen, wie teilweise geschehen, eine andere Übersetzung zu suchen, um ihren Status „angenehmer“ für die Juden und Christus, ihren Nachkommen, zu machen. Man hat versucht, andere Übersetzungen wie Gastwirt oder Wirtin zu konstruieren. Aber das Wort bedeutet einfach Hure bzw. Prostituierte. Dadurch will Gott uns ausdrücklich zeigen, welchen moralischen Charakter diese Frau vor ihrer Bekehrung besaß.

Wenn man nicht Glauben hinter ihrer Tat sieht, war das Werk Rahabs nicht besser als das Abrahams. Wenn Abraham und Rahab ohne Gott als Gegenstand und Quelle der Autorität ihres Auftrags gehandelt hätten, wären beide Werke nicht nur wertlos, sondern verabscheuungswürdig gewesen. Menschlich gesehen war einer bereit, seinen eigenen Sohn und Erben umzubringen, die andere verriet ihren König und sein Land an Verwüster. Aber Glaube verändert den Charakter beider Taten vollkommen.

Die Handlung, die Rahab vollbrachte, konnte sie sogar nur deshalb tun, weil sie vor Gott stand. Ohne den Glauben hätte sie niemals so handeln können. Zugleich zeigt uns Jakobus nicht sogenannte gute Werke. Das wird aus der Geschichte Rahabs sehr deutlich. Ihre Glaubenstat war letztlich verbunden mit einer Lüge, auch wenn viele Menschen von einer Notlüge sprechen würden. Eine Lüge ist in Gottes Augen nie gut. Dennoch scheint ihr Glaube deutlich hervor.

Die Geschichte Rahabs

Um den Glauben Rahabs gut verstehen zu können, müssen wir uns kurz an ihre Geschichte erinnern. Den Empfängern seines Briefes war vollkommen klar, worauf sich Jakobus bezog. Für uns ist es nützlich, sich die Geschichte in Josua 2 näher anzuschauen. „Ich weiß, dass der Herr euch das Land gegeben hat und dass der Schrecken vor euch auf uns gefallen ist und dass alle Bewohner des Landes vor euch verzagt sind“ (Jos 2,9). Woher konnte sie das wissen? Es war noch nicht eine einzige Stadt in Kanaan gefallen, nicht einen Fußbreit in Besitz genommen, noch kein Angriff war erfolgt. Das Volk Israel stand noch vor dem Jordan auf der Wüstenseite. Dieser Jordan ging über alle Ufer und erschien eigentlich unüberwindbar. Somit gab es nur Anzeichen, dass das Volk Gottes untergehen würde. Alles stand gegen dieses Volk.

Woher konnte Rahab daher etwas wissen, was weder der König noch das Volk Jerichos erkannten? Durch Glauben: „Denn wir haben gehört [und Glaube kommt durch das Hören des Wortes Gottes, vgl. Röm 10,14.15], dass der Herr die Wasser des Schilfmeeres vor euch ausgetrocknet hat, als ihr aus Ägypten zogt, und was ihr den beiden Königen der Amoriter getan habt, die jenseits des Jordan waren, Sihon und Og, die ihr verbannt habt. Und wir hörten es, und unser Herz zerschmolz, und es blieb kein Mut mehr vor euch in irgendeinem Menschen; denn der Herr, euer Gott, ist Gott im Himmel oben und auf der Erde unten“ (Jos 2,10.11). Das war natürlich eine Erfüllung der Vorhersagen Gottes, die wir in 5. Mose 2,25 nachlesen können. Gott hatte angekündigt, dass Er an diesem Tag beginnen würde, seinen Schrecken und seine Furcht auf die Völker unter dem ganzen Himmel zu legen, „die die Kunde von dir hören und vor dir zittern und beben werden“.

Der Rest der Bewohner Jerichos hatte nicht weniger gehört als Rahab und wusste auch genauso viel wie sie. Aber ihnen nützte dieser Bericht nichts, denn bei ihnen war er nicht mit Glauben vermischt. Rahabs Gewissen dagegen war erwacht. Und sie beugte sich vor Gott, obwohl natürliche Überlegungen dazu eigentlich keinen Anlass geben konnten. Sie erachtete es offensichtlich als Torheit, Sünde und Ruin, gegen den Gott zu kämpfen, der sein Volk von der Macht Ägyptens befreit und die Amoriter vernichtet hatte. Sein Plan, dem Volk Israel das Land Kanaan zu geben, war unabwendbar. Das hatte sie nicht nur verstandesmäßig zur Kenntnis genommen, sondern auch im Glauben die richtigen Schlüsse gezogen. So verbarg sie die beiden Kundschafter, die sie als Vertreter des Volkes anerkannte, dem Gott das Land durch Verheißung und Schwur geben wollte. Sie machte sich mit dem eins, was später der Schreiber des Hebräerbriefes als zwei unwandelbare Dinge benennen würde. Denn „es war unmöglich, dass Gott lügen konnte“ (vgl. Heb 6,17.18). Darauf ruht unser Glaube, und darauf ruhte bereits damals der Glaube dieser Frau.

Glaubenswerk 2: Aufnahme und Wegsendung der Boten Gottes

Daher verzweifelte Rahab nicht. Das wäre die natürliche Folge gewesen, wenn man (wie Dämonen) erkennt, dass Gott wirksam ist und seinem Volk den Sieg geben wird. Der Glaube Rahabs aber zählte auf die Barmherzigkeit im Namen des Herrn, wie es wahres Vertrauen tut. „Und nun schwört mir doch bei dem Herrn, weil ich Güte an euch erwiesen habe, dass auch ihr an dem Haus meines Vaters Güte erweisen werdet; und gebt mir ein zuverlässiges Zeichen, und lasst meinen Vater und meine Mutter und meine Brüder und meine Schwestern und alle ihre Angehörigen am Leben und errettet unsere Seelen vom Tod!“ (Jos 2,12.13). Wie sie die Boten im Glauben aufnahm, so sandte sie diese auf einem anderen Weg wieder weg. Beide Partizipien (aufnahm, hinausließ) stehen in einer Zeitform (Aorist), die deutlich macht, dass Jakobus hier von historischen Tatsachen spricht. Das Aufnehmen schließt im Übrigen ein, dass sie die Boten willkommen hieß und sie als Gäste bewirtete. Die Tatsache, dass sie diese dann auf einem anderen Weg gehen ließ und nicht dem Herrscher Jerichos auslieferte, war schon ein zweites Glaubenswerk.

Während die beiden Männer in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, Männer oder junge Männer genannt werden, bezeichnet sie der Schreiber in Hebräer 11,31 als Kundschafter, also als Spione. Jakobus aber nennt sie Boten. Sie waren Josuas Boten, um ihm einen Bericht der Situation in Jericho zu geben. Aber die Behauptung von Jakobus, dass Rahab sie als Boten aufnahm und beschützte, schließt mit ein, dass sie diese Männer auch als Gottes Boten für sich selbst und für ihre Familie annahm.

Rahabs Zeugnis in Josua 2,8–12 zeigt, dass ihr Glaube sich bislang gewissermaßen auf Zeugen zweiter Hand stützte. Aber diese zwei hebräischen Männer sah sie als authentische Zeugen des Gottes Israels an. Sie waren seine Boten an sie. Ihr Glaube offenbart sich in ihren Taten.

Wegsenden ist sozusagen eine Handlung voller Energie. Sie handelte mit Dringlichkeit, Eile und persönlicher Betroffenheit im Blick auf die Sicherheit der Boten und damit ihren eigenen Schutz. Ihr Einfallsreichtum wird deutlich, da sie die Kundschafter in einer anderen Richtung hinausließ. Auch das gehört zu wahrem Glauben. Nicht durch ihre Tür, sondern durch ihr Fenster ließ sie die Boten ziehen, nicht zurück ins Lager, sondern in die Berge.

Das alles bringt den tiefen Glauben Rahabs ans Licht. Sie hat allen (natürlichen) Patriotismus der Furcht des Herrn geopfert. Weil sie an das Band glaubte, dass den Herrn mit seinem Volk verband, erkannte sie im Glauben, dass Er Jericho zerstören würde. Aber Er würde sie und die Ihren verschonen und retten. Im Gegensatz zu ihren früheren Gewohnheiten, die unrein waren und die andere Menschen zum Bösen verführten, war jetzt ein reiner Glaube am Werk.

Rahab hatte keine Angst vor Menschen

Eigentlich gab es für Rahab genug Gründe, Angst zu haben, dass ihr Verrat offenbar würde (was er ja auch tatsächlich wurde). Aber sie vertraute auf Gott, dass Er sie bewahren würde. Ihr Glaube war einfältig und stark im Blick auf das, was Gott für sein Volk war. Rahab erkannte im Volk Israel den Träger der Verheißungen Gottes. So drückte sich ihr Glaube nicht nur in Worten, sondern auch in Taten aus, die sie, wenn sie entlarvt würden, dem schlimmsten Tod in ihrem Volk ausliefern würden. Sie fürchtete aber nicht den Zorn des Königs oder des Volkes, sondern handelte, als sähe sie den Unsichtbaren (vgl. Heb 11,27). War das nicht für jeden Gläubigen eine deutliche Rechtfertigung durch Werke?

Der Kritiker in den Reihen derjenigen, die Jakobus vor seinem geistigen Auge hatte, mochte viele Argumente gegen Rahab anbringen. Er brandmarkte ihr Handeln als unpatriotisch. Es handelte sich um Landesverrat. Zudem log sie. Was muss sie für ein armseliges Geschöpf gewesen sein! Sie war sozusagen ein verdorbenes Glied eines unter Fluch stehenden Volkes. Und doch zeigen diese Ereignisse, dass Rahab geradezu tastend ihren Weg zum Licht suchte. Ihre Handlungen kann man unter menschlichen Gesichtspunkten und zum Teil sogar unter biblischen Maßstäben tadeln. Aber sie haben auch ein höchstes Verdienst. Sie stellen anschaulich dar, dass Rahab den Glauben an die nichtigen Götter ihres Landes aufgegeben hatte. Stattdessen begann sie, an die Macht und die Barmherzigkeit des Gottes Israels zu glauben. Sie setzte ihr eigenes Leben aufs Spiel.

Abraham sah auf Gott, Rahab sah auf das Volk Gottes. Abraham wusste, dass er das Land niemals besitzen würde. Das kümmerte ihn allerdings nicht, denn sein Glaube war auf die zukünftige Stadt gerichtet. Rahab besaß zwar das Land, denn sie gehörte zum Volk der Kanaaniter, das im Land ansässig war. Aber sie war bereit, es in dieser Beziehung aufzugeben. Sie gab alles auf, um es mit dem Volk Gottes neu zu besitzen. Beide Gläubige waren bereit, etwas aufzugeben. Abraham wusste, dass er das Land nicht besitzen würde, und war bereit, seinen Sohn aufzugeben, und zwar aus Liebe zu Gott. Rahab war bereit, das Land, an dem sie teilhatte, aufzugeben, und das aus Liebe zu dem Volk Gottes. Sie wollte es nur noch zusammen mit diesem Volk besitzen. Ihr Glaube war ebenso wie der Abrahams auf die Zukunft gerichtet. Sie war bereit, das Gegenwärtige aufzugeben, um das Zukünftige zu besitzen.

Das Zeugnis von Glaube und Werken

Die Zeugnisse des Glaubens und der Werke, die hier angeführt werden, sind die mächtigsten, die das Alte Testament kennt und nennt. Gerade das liefert ein kraftvolles und überzeugendes Argument dafür, dass Werke als Beweis des Glaubens nötig sind. Diejenigen in Israel, die den Glauben unseres Herrn Jesus Christus hatten (Jak 2,1), waren verantwortlich, praktische Gerechtigkeit im täglichen Lebenswandel zu offenbaren. Es war für sie wichtig, auf die Notwendigkeit von Glaubenswerken hingewiesen zu werden. Sie kamen ja aus einem System des Buchstabens und mussten davor bewahrt werden, wieder in ein Leben unter Gesetz und aus Gesetzeswerken zurückgeführt zu werden. Ein rein äußerliches Bekenntnis war zu wenig.

Wenn sie im Geist lebten, waren sie aufgefordert, sich umso mehr zu beeifern, auch im Geist zu wandeln. Denn es ist der Wille Gottes, dass wir durch Gutes tun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringen (vgl. 1. Pet 2,15). So bewahren wir uns selbst vor falschen Tendenzen. Der wahre Glaube, den Gott sieht und kennt, zeigt sich im Blick auf Ihn durch das Vertrauen auf sein Wort, auf Ihn selbst, durch die Annahme seines Zeugnisses trotz der Umstände, die diesem Glauben äußerlich oder innerlich entgegenstehen. Wenn unsere Mitmenschen aber bitten: Zeige mir deinen Glauben, dann zeigt er sich durch Werke. Sie sind unsere Rechtfertigung vor den Menschen.

Der Glaube ist im Übrigen auch die einzige Tür, um der Verurteilung und dem Gericht Gottes zu entgehen, wie wir aus Hebräer 11,31 im Blick auf Rahab sehen. Ein rettender Glaube ist kein nichtiges Überlegen und ist auch nicht ohne Werke, wie Jakobus hier zeigt. Hebräer 11 ist aufgeschrieben worden, um Gläubige zu ermutigen, mit ganzem Herzen auszuharren und treu zu bleiben. Jakobus 2 ist geschrieben worden, um aktiven Glauben zu bewirken und bloße Bekenner zu entlarven.

Ein toter Mensch – ein toter Glaube (V. 26)

„Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne die Werke tot“ (V. 26).

Mit diesem Vers schließt Jakobus das Thema von Glaubenswerken ab. Er zieht hier ein Fazit aus dem, was er in den Versen 14 bis 25 vor die Herzen seiner Briefempfänger gestellt hat. Wir mögen von unserem Glauben an Christus sprechen, oder von unserem Glauben an diese oder jene Einzelheit der christlichen Wahrheit. Aber wenn sich unser Glaube nicht in passenden Werken ausdrückt, handelt es sich um einen toten Glauben.

Der Ausleger Frank Binford Hole benutzt in diesem Zusammenhang das schon in der Einleitung wiedergegebene Zitat vom Schlag eines Schmiedehammers. Gestatten wir Jakobus und damit Gott die volle Wirkung dieses Hammers auf unsere Gewissen! Das sind keine strohernen Aussagen, sondern ist ein eiserner Vorschlaghammer Gottes. Hätten wir dieses zweite Kapitel von Jakobus nicht, würde uns wirklich viel fehlen.

In diesem ganzen Abschnitt nimmt Gott den Menschen gewissermaßen beim Wort. Jakobus beurteilt nach den Werken. An dieser Stelle komme ich noch einmal auf die Unterschiede von Paulus und Jakobus zurück. Man hat deren unterschiedliche Belehrungen, was Rechtfertigung betrifft, mit einem Beispiel illustrieren wollen. Ein Eigentümer möchte in seinem Garten einen sehr guten Birnbaum haben. Der Gärtner Paulus gibt ihm einen sehr guten und pflanzt ihn ein. Eines Tages bekommt der Eigentümer Besuch von dem Gärtner Jakobus. Er zeigt diesem seinen Birnbaum und preist ihn an. Jakobus sagt: „Ich weiß nicht, ob das wirklich ein guter Birnbaum ist.“ „Paulus“, antwortet der Eigentümer, „hat mir versichert, dass es wirklich das gute Stück ist, das ich gesucht habe.“ Jakobus entgegnet: „Was mich betrifft, kann ich den guten Baum an seinen Früchten erkennen.“

Das praktische Leben eines Christen sollte durch „gute Werke“ gekennzeichnet sein, so wie der Apostel bereits ermahnt hat, die Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu besuchen (Kapitel 1,27). Echte Glaubenswerke stehen jedoch in solch einem Gegensatz zu der Natur des Menschen, dass sie ohne Berücksichtigung des Glaubens von jedem normal veranlagten Menschen verurteilt würden. Daher bringt der Glaube, wenn er Gottes Willen erkennt und sich ihm unterwirft, besondere Werke hervor. Gerade diese Werke beweisen seinen Glauben. Es ist nicht so, dass wir täglich außergewöhnliche Werke tun. Das finden wir weder bei Abraham noch bei Rahab. Aber sie sind bei einem Gläubigen vorhanden. Darum geht es.

Glaube und Werke

Jakobus besteht also in keiner Weise darauf, dass nur Werke im Leben eines Gläubigen vorhanden sein müssen. Für ihn ist es unabdingbar, dass Werke den Glauben bestätigen. Aber er sucht Werke, die aus Glauben getan werden. Denn die genannten zwei Werke ohne Glauben wären verwerflich. Jakobus entwertet somit den Glauben nicht. Denn darum geht es ihm nicht, sondern er unterscheidet zwischen toten Werken, also Gesetzeswerken, und Glaubenswerken. Ihm geht es nicht um die Rechtfertigung eines Sünders, sondern um die Rechtfertigung eines Glaubensbekenners.

Wer das Wort Gottes aufnimmt und sich somit bekehrt, wird aus unverweslichem Samen wiedergeboren. Dadurch wird er Teilhaber der göttlichen Natur, so dass Gehorsam, Reinheit und Liebe hervorgebracht werden. Das Leben bringt in kleinerem oder größerem Maß lebendige Früchte hervor. Gerade in den Versuchungen und Prüfungen, die natürlich nicht aufhören, sondern in gewisser Weise sogar erst mit der Bekehrung beginnen, bewährt sich der Glaube.

Wir werden somit aufgefordert, unser Licht vor Menschen scheinen zu lassen, damit sie unsere guten Werke sehen und unseren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen (Mt 5,16). Es bleibt wahr, dass nur der Herr diejenigen kennt, die sein sind (2. Tim 2,19). Denn der Mensch sieht nur das Äußere, Gott jedoch sieht in das Herz (1. Sam 16,7). Aber der Glaube macht sich sichtbar durch gute Werke, Glaubenswerke. Und wo diese fehlen, besteht die Gefahr, dass nur ein Bekenntnis und keine Wirklichkeit vorhanden ist.

Glaube und Leib – Werke und Seele

Jakobus schließt diesen Gedankengang mit einem Vergleich ab: Ein Glaube ohne Werke ist so wie ein Leib ohne Seele. Das ist eine äußere Gestalt ohne das innere Leben, das sie beseelt und ihr überhaupt Inhalt gibt. Das „denn“ am Anfang des Verses zeigt, dass die hier folgende Wahrheit unerlässlich mit dem vorherigen zu verbinden ist. Wenn die untrennbare Verbindung, von der Jakobus hier noch einmal spricht, nicht vorhanden ist, dann ist auch alles Vorherige sinnlos.

Die Analogie, von der Jakobus in diesem 26. Vers spricht, wird durch das „wie“ sehr deutlich. In beiden von ihm genannten Fällen ist dann, wenn der zweite Teil fehlt, das Ergebnis letztlich für die an erster Stelle genannten Dinge – Leib und Glaube – der Tod. Es ist nicht ein entweder – oder, sondern beides muss in beiden Stücken vorhanden sein. Wenn der Leib ohne das, was hier Geist genannt wird, auskommen müsste, wäre er tot. Von diesem „tot sein“ hatte er schon in Vers 17 gesprochen. Dieser Vers zeigt uns somit, was Tod ist: Der Leib ohne den Geist ist hoffnungslos, nutzlos, abstoßend, zwar nicht gänzlich ausgestorben, aber doch ohne die Kraft, die ihn einst antrieb. Er ist alleine gelassen. Genauso ist es mit dem sogenannten Glauben, der keine Werke hat, die ihn begleiten.

Tod ist die Trennung des Geistes, also des wahren Menschen, von dem Leib, also der zeitlichen Hütte. Das zeigt uns auch Prediger 12,7: „Der Staub kehrt zur Erde zurück, so wie er gewesen ist, und der Geist zu Gott zurück, der ihn gegeben hat.“ Der leblose Lehm und die leblose Erde ist somit nicht „toter“ als ein Glaube, der sich nicht in Werken der Gerechtigkeit und Taten der Gottseligkeit offenbart.

Wir würden das wahrscheinlich umgekehrt gesagt haben. Ist der Geist nicht höher als der Leib? In der Anwendung des Bildes wird der Leib hier jedoch verbunden mit dem Glauben und der Geist mit den Werken. Der Leib ohne den Geist ist tot, und so auch das Glaubensbekenntnis ohne die Werke. Jakobus teilt den Menschen in zwei Elemente auf, das materielle und das immaterielle. Damit lehnt Jakobus nicht die Dreiteilung von Paulus ab (1. Thes 5,23). Geist als Gegenüber von Leib meint hier das lebensnotwendige Prinzip, was Gott durch sein göttliches Einhauchen dem Menschen verliehen hat (1. Mo 2,7). Es macht aus dem materiellen Leib eine lebendige Seele. Der Leib hat kein unabhängiges Leben getrennt vom innewohnenden Geist des Lebens. Ohne diesen wäre der Körper eine nutzlose Leiche.

Wirkungsloser Glaube ist tödlich

Ein Leib ohne Geist ist tot und gehört nicht mehr „auf die Erde“. Der Geist ist die treibende Kraft, die sich durch das Instrument des Leibes ausdrückt. Der Glaube ist die Triebkraft, die sich durch das Mittel von Werken ausdrückt. Jakobus als Mann der Praxis sieht die Dinge allerdings umgekehrt. Er vergleicht den Leib mit dem Glauben und die Werke mit dem Geist. Ohne den alles bestimmenden Geist ist unser Leib tot, ohne die alles bestimmenden Werke ist der Glaube tot. Der Leib ist nötig, sonst kann der Geist sich nicht äußern, und der Glaube ist nötig, sonst kann es keine Werke geben. Aber der Nachdruck liegt hier auf dem Geist und den Werken.

Jakobus verfolgt hier somit zunächst ein Paradoxon. Durch eine eigenartige Umkehr vergleicht er Glauben, der immateriell ist, mit dem physischen Leib, während Werke, die es mit materiellen Dingen zu tun haben, mit dem Geist verbunden werden. Dabei gilt es zu bedenken, dass Leib und Geist zusammen ein Ganzes bilden: nämlich die lebendige Person. Ähnlich bilden Glaube und Glaubenswerke zusammen ein Ganzes: nämlich den lebendigen Glauben. Alles andere verdient den Namen Glauben nicht (vgl. Vers 17). Deshalb ist auch im zweiten Teil von Glauben und Werke der Tod genauso wirklich wie im ersten Paar. Ein inaktiver Glaube, der in einem rein intellektuellen Glaubensbekenntnis begraben liegt, hat genauso viel (also wenig) Wert wie eine Leiche. Ein echter Glaube dagegen ist ein aktiver Glaube.

Die Form von Glauben ohne wirksame Realität antwortet sozusagen auf den Leib ohne lebendig machenden Geist. Das heißt nicht, dass der lebendige Glaube sein Leben durch die Werke erhält, wie der Leib sein Leben von dem lebendig machenden Geist bekommt. Werke sollen nicht dem Glauben zugefügt werden, sondern es geht darum, dass man die richtige Art von Glauben hat. Das ist dann der Fall, wenn der Glaube durch Werke wirksam wird.

In Vers 17 wurde gesagt, dass Glaube, wenn er keine Werke hat, in sich selbst tot ist. In Vers 20 lesen wir, dass der Glaube ohne Werke tot, unwirksam und fruchtlos ist. Hier am Ende lesen wir, dass Glaube ohne Werke in jeder Hinsicht tot ist. Kann es etwas Abstoßenderes geben als eine Leiche, wenn man erwartet, auf einen lebenden Menschen zu stoßen? Genauso ist es, wenn jemand vorgibt zu glauben, aber keine Glaubenswerke tut. Der Herr selbst sagt, dass der, der glaubt, ewiges Leben besitzt. Und ewiges Leben zeigt sich durch entsprechende Taten.

Zu guten Werken geschaffen

Für was ist der Gläubige hier auf der Erde zurückgelassen worden, als einen Lebenswandel zur Ehre des Herrn zu führen und Ihm zu dienen und für Ihn zu leiden und Ihn anzubeten, während er auf den Herrn wartet? „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen“ (Eph 2,10). Das war das Kennzeichen der kürzlich erst zum Glauben gekommenen Thessalonicher. Der Apostel spricht von den Werken des Glaubens und der Bemühung der Liebe und dem Ausharren der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus. Bei ihnen war das Evangelium nicht nur in Wort, sondern auch in Kraft und im Heiligen Geist und in großer Gewissheit vorhanden (1. Thes 1,3–5). Das wurde auch von denen erwartet, die aus dem Judentum kamen, denn sie mussten in besonderer Weise vor einem leblosen Formalismus gewarnt werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass echter Glaube sich weder allein auf das Herz noch auf das Lippenbekenntnis beschränkt. Echter Glaube äußert sich vielmehr in bestimmten Werken, also in einer christlichen Lebenspraxis. Ohne eine solche christliche Praxis geht man verloren, weil ein solcher Zustand offenbart, dass kein Glaube vorhanden ist. Gottes Gnade erreiche ich nicht durch Werke. Aber diese Gnade ist offensichtlich nicht vorhanden, wenn dem Glaubensbekenntnis nicht Werke folgen. In diesem Sinn soll uns die Beschäftigung mit diesen Versen dazu bringen, Frucht in jedem guten Werk zur Verherrlichung Gottes zu bringen (Kol 1,10).

Fußnoten

  • 1 Martin Luther soll einmal gesagt haben: „Ich lese die Bibel, wie ich meinen Apfelbaum ernte: Ich schüttle ihn, und was runterkommt und reif ist, das nehme ich. Das andere lasse ich noch hängen. Wenn ich eine Stelle der Bibel nicht verstehe, ziehe [lüpf‘] ich den Hut und geh vorüber.“
  • 2 Das „du“ passt übrigens auch zu dem „du“ in Vers 18. Es geht um dieselbe Person bzw. Personengruppe.
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