Widersprüche in den Geschlechtsregistern des Herrn Jesus?

Bibelstelle(n): Matthäus 1; Lukas 3

1. Eine allgemeine Antwort

Die beiden Abschnitte Matthäus 1,1–17 und Lukas 3,23–38 enthalten zwei Geschlechtsregister oder Ahnenreihen des Herrn Jesus. Beide bestätigen seine Herkunft aus dem Königshaus Davids, weisen aber große Unterschiede auf, weil sie die Stammbäume von zwei verschiedenen Personen sind: Joseph und Maria. Das Geschlechtsregister bei Matthäus geht in der Einleitung sowohl auf David, den ersten König nach Gottes Gedanken, als auch auf Abraham, den ersten Empfänger der Verheißungen Gottes, zurück. In diesem Evangelium wird der Herr Jesus als „Sohn Davids“ aus dem Haus Israel, als der rechtmäßige Messias und König beschrieben. In Ihm wurden sowohl die Verheißungen an Abraham (1. Mose 22,18; Galater 3,16) und die Weissagungen über den Sohn Davids (Jeremia 23,5; Matthäus 22,42) erfüllt.

Alle Nachkommen Davids bis zur Babylonischen Gefangenschaft sind als gekrönte Könige aus dem AT bekannt. Es fehlen aber in dieser Liste die gottlosen Könige Ahasja, Joas, Amazja sowie Joahas und Jojakim. Jekonja, der als letzter König vor der Babylonischen Gefangenschaft genannt wird, ist identisch mit Jojakin (Jeremia 27,20). Die ersten drei waren Nachkommen der gottlosen Königin Athalja. Joahas war ein gottloser König, der nur drei Monate regierte (2. Könige 23,31). Durch die begründeten Auslassungen dieser Namen enthält jede der drei Perioden (Abraham – David, David – Babylonische Gefangenschaft, Babylonische Gefangenschaft – Christus) 14 Generationen.

Diese Zahlen sind geistlich-symbolisch zu verstehen, denn sie beinhalten die Formel 3x7x2, d.h. eine göttliche (3) Vollkommenheit (7) des Zeugnisses (2). Die Auslassung der genannten Könige ist also kein Fehler von Matthäus, der als Jude natürlich wusste, wie die Könige Judas hießen. Außerdem hätte ihn jeder einigermaßen schriftkundige Jude berichtigen können. Hier zeigt sich eine Gefahr bei der Übertragung von Denkweisen: Die Forderung nach generationenmäßiger Vollständigkeit eines Geschlechtsregisters mag in der heutigen westlichen Welt als selbstverständlich erscheinen, für einen Juden war das anerkannte Geschlechtsregister als solches wichtig, nicht dessen penible Ausfüllung mit jeder einzelnen Generation. Das sieht man auch, wenn man die Ahnentafeln in den ersten Kapiteln des ersten Buches der Chronika liest.

Dass es sich hier um den Stammbaum Josephs, des Mannes der Maria handelt, geht aus Matthäus 1,16 hervor, wo es am Schluss der Ahnenreihe heißt: „Jakob aber zeugte Joseph, den Mann der Maria, von der Jesus geboren wurde, der Christus genannt wird.“ Nach dem Gesetz Israels war Jesus der Sohn Josephs. Insgesamt gilt:

  • Der Vater-Sohn-Begriff überspannt manchmal mehrere Generationen. „Sohn“ bezeichnet in antiken Texten einen männlichen Nachfahren, der nicht unbedingt der leibliche Sohn sein muss.
  • Ebenso hat „Vater“ die Bedeutung als Vorfahre. So wird zum Beispiel Ahasja, der Sohn Jorams (2. Könige 8,24), als „Sohn Josaphats“ bezeichnet. Er war aber sein Enkel. So etwas ist auch aus nichtbiblischen Inschriften bekannt.
  • Auch der Begriff „zeugen“ meint nicht immer einen biologischen Prozess, sondern bezieht sich manchmal auf Abstammungslinien, wobei mehrere Generationen übersprungen werden können.

Das Geschlechtsregister in Lukas 3 stellt den Herrn Jesus in Übereinstimmung mit dem ganzen Charakter dieses Evangeliums als den vollkommenen Sohn des Menschen in seiner Erniedrigung vor. Als solcher ist Er mit dem ganzen Menschengeschlecht bis auf Adam verbunden, aber durch seine Mutter Maria. Deshalb schreibt Lukas auch unter der Leitung des Heiligen Geistes: „Und er, Jesus ... war, wie man meinte, ein Sohn Josephs...“ (Lukas 3,23). Im Unterschied und in Ergänzung zu Matthäus beweist Lukas, dass Maria, die Mutter des Herrn Jesus, aus dem Haus Davids stammt, wenn auch nicht über den Thronfolger Salomo, sondern durch seinen Bruder Nathan (Lukas 3,31; 2. Samuel 5,14; 1. Chronika 3,5).

2. Welcher Sohn Davids befindet sich in der Abstammungslinie des Herrn Jesus?

„Isai aber zeugte David, den König. David aber zeugte Salomo von der, die Urias Frau gewesen war“ (Matthäus 1,6).

„... des Menna, des Mattatha, des Nathan, des David“ (Lukas 3,31).

Wie oben angeführt, beschreibt Matthäus den Stammbaum des Herrn Jesus über seinen rechtlichen Vater Joseph. Im Lukasevangelium wird dagegen die Stammeslinie über seine leibliche Mutter Maria angeführt. In dem König David treffen sich beide Linien. Deshalb erwähnt Matthäus Salomo als Vorfahre des Herrn Jesus. Lukas dagegen Nathan. Das ist auch kein Widerspruch zum Alten Testament, denn dort erfahren wir, dass David mehrere „Söhne in Hebron geboren wurden“ (2. Samuel 3,2–5) und weitere Söhne und Töchter, darunter auch Salomo und Nathan, „in Jerusalem geboren wurden“ (2. Samuel 5,13–16).

3. Wer war der Vater von Ussija?

„Asa aber zeugte Josaphat, Josaphat aber zeugte Joram, Joram aber zeugte Ussija“ (Matthäus 1,8).

„Und das ganze Volk von Juda nahm Ussija, der sechzehn Jahre alt war, und sie machten ihn zum König an seines Vaters Amazja statt“ (2. Chronika 26,1).

Amazja war der Vater Ussijas. Joram war ein weiter entfernter Vorfahre (vielleicht sein Großvater?).

4. Wer war der Vater von Jekonja?

„Josia aber zeugte Jekonja“ (Matthäus 1,11).

„Und die Söhne Josias: Der Erstgeborene: Jochanan; der zweite: Jojakim; der dritte: Zedekia; der vierte: Schallum. Und die Söhne Jojakims: dessen Sohn Jekonja, dessen Sohn Zedekia“ (1. Chronika 3,16).

Der Vater Jekonjas hieß Jojakim. Er wird in Matthäus 1 nicht erwähnt. Josia war der Großvater Jekonjas.

5 War Jekonja oder Neri der Vater von Schealtiel?

„Nach der Wegführung nach Babylon aber zeugte Jekonja Schealtiel, Schealtiel aber zeugte Serubbabel“ (Matthäus 1,12).

„des Johanna, des Resa, des Serubbabel, des Schealtiel, des Neri“ (Lukas 3,27).

Es handelt sich hier um zwei verschiedene Personen mit Namen Schealtiel. Interessanterweise nannten beide einen Sohn Serubbabel. Das ist aber in der Antike nicht ungewöhnlich. So nannten sowohl Könige aus Juda wie auch Könige aus Israel ihre Söhne Joram und Ahasja (2. Könige 1,17; 8,16.25.). Auch bei den alten ägyptischen Dynastien findet man Ähnliches1.

6. Wie hieß der Vater Serubbabels und welcher seiner Söhne war ein Vorfahre von Jesus Christus?

„Nach der Wegführung nach Babylon aber zeugte Jekonja Schealtiel, Schealtiel aber zeugte Serubbabel, Serubbabel aber zeugte Abihud, Abihud aber zeugte Eljakim, Eljakim aber zeugte Azor“ (Matthäus 1,12.13).

„... des Johanna, des Resa, des Serubbabel, des Schealtiel, des Neri“ (Lukas 3,27).

„Und die Söhne Jekonjas: Assir; dessen Sohn Schealtiel, und Malkiram und Pedaja und Schenazar, Jekamja, Hoschama und Nebadja. Und die Söhne Pedajas: Serubbabel und Simei. Und die Söhne Serubbabels: Meschullam und Hananja; und Schelomit war ihre Schwester; und Haschuba und Ohel und Berekja und Hasadja, Juschab-Hesed, fünf“ (1. Chronika 3,17–20).

Nach Aussage des Matthäus-Evangeliums war Schealtiel der Vater von Serubbabel, nach 1. Chronika 3 hieß er allerdings Pedaja. Diese Schwierigkeit kann dadurch gelöst werden, dass Schealtiel (hebräisch: „Ich habe von Gott erbeten“) und Pedaja (hebräisch: „Der Herr hat erlöst“) unterschiedliche Namen ein und derselben Person waren. Pedaja besaß demnach den Zweitnamen Schealtiel oder neben seinem eigentlichen Namen noch einen Rufnamen.

Schealtiel in Lukas 3 ist wahrscheinlich eine ganz andere Person als die in Matthäus 1 erwähnte – auch wenn beide einen Sohn mit Namen Serubbabel besaßen. Pedaja-Schealtiel (1. Chronika 3,18 u. Matthäus 1,12) war wohl ein Enkel Jekonjas. Der König Jekonja (auch Jojakin genannt) regierte von 598–597 v. Chr. Sein Enkel lebte dann um ca. 540 v. Chr. Schealtiel (Lukas 3) stammt aus der 21. Generation nach David. David lebte ungefähr 1000 v. Chr. Wenn man pro Generation ungefähr 30 Jahre veranschlagt, lebte Schealtiel um 370 v. Chr. Damit ist offensichtlich, dass hier von ganz verschiedenen Personen – die allerdings den gleichen Namen trugen – die Rede ist.

7. Wer war der Vater Josephs?

„Jakob aber zeugte Joseph, den Mann der Maria, von der Jesus geboren wurde, der Christus genannt wird“ (Matthäus 1,16).

„Und er, Jesus, begann seinen Dienst, ungefähr dreißig Jahre alt, und war, wie man meinte, ein Sohn Josephs, des Eli“ (Lukas 3,23).

In Matthäus 1,16 wird von der Zeugung Josephs durch Jakob, aber auch von der Tatsache gesprochen, dass Joseph der „Mann der Maria“ war. Wir haben also eindeutig den Stammbaum Josephs vor uns. In Lukas 3,23 heißt es jedoch: „Und er, Jesus ... war, wie man meinte, ein Sohn Josephs, des Eli“. Im Lukasevangelium liegt demnach nicht der Stammbaum Josephs vor, sondern der der Maria. Erstens verläuft dieser bis zu David völlig anders (wenn beide sich auch bei Serubbabel und Schealtiel „treffen“, s. o.). Zweitens wird ausdrücklich nichts von einer „Zeugung“ Jesu durch Joseph gesagt, was ja völlig falsch gewesen wäre (vgl. Lukas 1,35), sondern das Wort sagt: „... und war, wie man meinte, ein Sohn Josephs, des Eli“. Ebenso wenig lesen wir etwas von der Zeugung Josephs durch Eli. Im Gegenteil, es heißt sehr zurückhaltend und knapp: „des Eli“. Eli war nicht der Vater Josephs, sondern Marias und damit sein Schwiegervater. Außerdem zeigt der Ausdruck „wie man meinte“, dass es sich lediglich um eine öffentliche Annahme handelte, dass Jesus der leibliche Sohn Josephs sei. In Wirklichkeit war er es nicht.

8. Wie viele Generationen gab es zwischen dem babylonischen Exil und Jesus Christus?

„Abraham(1)2 zeugte Isaak(2); Isaak aber zeugte Jakob(3), Jakob aber zeugte Juda(4) und seine Brüder(4); Juda aber zeugte Perez(5) und Serach(5) von der Tamar; Perez aber zeugte Hezron(6), Hezron aber zeugte Ram(7), Ram aber zeugte Amminadab(8), Amminadab aber zeugte Nachschon(9), Nachschon aber zeugte Salmon(10), Salmon aber zeugte Boas(11) von der Rahab; Boas aber zeugte Obed(12) von der Ruth; Obed aber zeugte Isai(13), Isai aber zeugte David(14), den König. David aber zeugte Salomo(1) von der, die Urias Frau gewesen war; Salomo aber zeugte Rehabeam(2), Rehabeam aber zeugte Abija(3), Abija aber zeugte Asa(4), Asa aber zeugte Josaphat(5), Josaphat aber zeugte Joram(6), Joram aber zeugte Ussija(7), Ussija aber zeugte Jotham(8), Jotham aber zeugte Ahas(9), Ahas aber zeugte Hiskia(10), Hiskia aber zeugte Manasse(11), Manasse aber zeugte Amon(12), Amon aber zeugte Josia(13), Josia aber zeugte Jekonja(14) und seine Brüder(14) zur Zeit der Wegführung nach Babylon. Nach der Wegführung nach Babylon aber zeugte Jekonja(1) Schealtiel(2), Schealtiel aber zeugte Serubbabel(3), Serubbabel aber zeugte Abihud(4), Abihud aber zeugte Eljakim(5), Eljakim aber zeugte Azor(6), Azor aber zeugte Zadok(7), Zadok aber zeugte Achim(8), Achim aber zeugte Elihud(9), Elihud aber zeugte Eleasar(10), Eleasar aber zeugte Matthan(11), Matthan aber zeugte Jakob(12), Jakob aber zeugte Joseph(13), den Mann der Maria, von der Jesus(14) geboren wurde, der Christus genannt wird. So sind nun alle Geschlechter von Abraham bis auf David vierzehn Geschlechter, und von David bis zu der Wegführung nach Babylon vierzehn Geschlechter, und von der Wegführung nach Babylon bis auf den Christus vierzehn Geschlechter“ (Matthäus 1,2–17).

Der Stammbaum, wie er in Matthäus 1 aufgeführt wird, wird nach Vers 17 in drei Epochen mit je 14 Generationen unterteilt. Demnach müsste der Leser im Text 42 Generationen finden. Das ist aber scheinbar nicht der Fall, denn er kommt nur auf 41 Namen[3].

Die erste Zeitepoche von Abraham bis David führt genau 14 Namen bzw. Generationen auf, die eben mit der Zeit Davids endet. Auch in der folgenden Zeitspanne, die mit Salomo beginnt, finden sich 14 Generationen. Der Epochenwechsel ist in diesem Fall an eine Person gebunden, an den König David. Er darf deswegen auch nur einmal gezählt werden.

Der Wechsel von der zweiten zur dritten Zeitepoche ist aber nicht an eine Person, sondern an ein Ereignis gebunden, nämlich an die babylonische Gefangenschaft. Genau in dieser Zeit lebte der König Jojakin, wie 2. Könige 24 und 25 berichten. Im Alter von achtzehn Jahren begann seine Regierung. Er regierte drei Monate und 10 Tage, in den Jahren 598 und 597 v. Chr., als Jerusalem von Nebukadnezar belagert und Juda in die babylonische Gefangenschaft geführt wurde. Jojakin selbst wurde nach Babel weggeführt und dort 36 Jahre im Gefängnis gehalten. Bei Beginn der Regierungszeit Ewil-Merodaks, des Sohnes Nebukadnezars, 562 v. Chr. wurde er aus dem Gefängnis herausgeführt und über andere gefangene Könige erhöht. Der Grund dafür war wohl Mitleid, das der babylonische König über den solange im Gefängnis sitzenden Jojakin hatte. Jojakins Hauptlebensabschnitte bestanden demnach aus 18 Jahren Freiheit vor der babylonischen Gefangenschaft und anschließenden 36 Jahre Gefängnis nach der Wegführung in die babylonische Gefangenschaft. Außerdem wurde Jekonja vor der Wegführung geboren, war bis zur Wegführung kinderlos und zeugte seine Kinder nach der Wegführung. Deshalb wird der König Jekonja zweimal aufgeführt, da er vor und in der Gefangenschaft in völlig verschiedenen sozialen Umständen lebte. So sind es genau 14 Generationen vor und 14 Generationen nach der babylonischen Gefangenschaft. Es heißt in Vers 17 eben nicht von David bis auf Jekonja und von Jekonja bis auf Christus, sondern von David bis zur Wegführung, und von der Wegführung bis auf Christus.

9. War Kenan oder Arpaksad der Vater von Schelach (Sala)?

„... des Serug, des Reghu, des Peleg, des Heber, des Sala, des Kenan, des Arpaksad, des Sem, des Noah, des Lamech“ (Lukas 3,35.36).

„Und Arpaksad lebte 35 Jahre und zeugte Schelach“ (1. Mose 11,12).

Der Vater von Schelach war Arpaksad. Das bestätigt auch das Alte Testament. Der Name Kenan in Lukas 3,35 kommt in einigen wichtigen Handschriften zum Lukasevangelium nicht vor. Allerdings findet sich der Name Kain an in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments. Vielleicht ist er von dort aus in einige neutestamentliche Abschriften gekommen.

An dieser Stelle lernen wir, dass wohl kein Geschlechtsregister vollständig ist. Ein direkter Verwandtschaftsbezug ist manchmal nicht herstellbar. Es ist nicht das Ziel Gottes, uns eine vollständige Auflistung aller Generationen bis zur Zeit Adams zu geben.


Online seit dem 12.03.2017.

Fußnoten

  • 1 In der 12. Dynastie hatte sowohl Amenemhet I und Amenemhet II jeweils einen Sohn mit Namen Senwosret, die ebenfalls auf dem Thron saßen. Ähnliches findet sich in der 18. Dynastie mit den Pharaonen Thutmosis III/IV, die jeweils einen Sohn Amenophis nannten. In der 20. Dynastie hießen mit Ausnahme Sethnacht alle Herrscher Ramses, d. h. die Väter, Söhne, Enkel und Urenkel.
  • 2 In Klammern sind die Generationen der entsprechenden Zeitepochen angeführt.