Psalmen, Die – Bibel-Lexikon

Dieses Buch ist das „Herz" der Bibel genannt worden. Es drückt Gefühle aus, die von dem Geist Christi in den Herzen des Volkes Gottes hervorgerufen werden: Ob es sich um Gebet handelt, um Leid, Bekenntnis oder Lobpreis. In diesen Empfindungen werden die Wege Gottes entfaltet und mit ihrem segensreichen Ausgang den Gläubigen bekannt gemacht.

Das Buch trägt merklich einen prophetischen Charakter, wobei die durch die Sprache der Psalmen abgedeckte Zeitspanne von der Verwerfung Christi (Ps 2; Apg 4,25-28) bis hin zu den Halleluja-Gesängen reicht, die der Aufrichtung des Königreiches folgen werden. Die Schreiber beziehen sich nicht bloß auf das, was andere getan oder gefühlt haben, sondern sie drückten aus, was sie selbst in ihren eigenen Seelen erfahren haben. Und doch beschreibt ihre Sprache nicht nur einfach ihre Gefühle, sondern das Empfinden des Geistes Christi, der in ihnen sprach, indem er an ihren Bedrängnissen teilnahm, an den Sorgen und den Freuden des Volkes Gottes in jeder Phase ihrer Erlebnisse. Dies erklärt, warum Christus durch die gesamten Psalmen hindurch zu finden ist. Manche der Psalmen beziehen sich ausschließlich auf ihn (so wie Psalm 22), in anderen nimmt Christus seinen Platz mit den Gläubigen ein (obwohl die Sprache die des Überrestes ist), indem er ihre Bedrängnisse zu seinen Bedrängnissen macht, und ihr Leid zu seinem Leid. In keinem Teil der Schrift wird das innere Leben des Herrn Jesus so offen gelegt wie in den Psalmen. Man kann die Psalmen „das Handbuch des irdischen Chors" nennen. Sie beginnen mit dem Ausdruck „Glückselig der Mann" und enden mit „Lobt den HERRN!" Der Mensch ist gesegnet auf der Erde, und der HERR wird gepriesen von der Erde aus.

Die Kapitel 2. Samuel 22 und 1. Chronika 16 sind Beispiele für unmittelbare Umstände, in denen Psalmen gedicht wurden (vgl. Ps 18; 105,1-15). In den Überschriften der Psalmen werden weitere Beispiele erwähnt. Jedoch beeinträchtigten diese Umstände in keiner Weise den Geist Gottes, die Psalmisten so zu leiten, dass sie Dinge äußerten, die in ihrem vollen Umfang nur allein in Christus erfüllt werden konnten. David sagte: „Der Geist des HERRN hat durch mich geredet, und sein Wort war auf meiner Zunge" (2. Sam 23,1.2). Manche haben sich große Mühe gegeben, die Psalmen in eine mutmaßliche chronologische Reihenfolge zu setzen, aber dies führt nur dazu, das Ganze zu zerstören, denn Gott selbst hat ihre Anordnung festgelegt, und an vielen Stellen können wir die Schönheit dieser Ordnung auch erkennen.

Man darf nicht vergessen, dass die Propheten des A.T. nicht begriffen haben, auf was „der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete" (1. Pet 1,11). Davids eigene Erfahrungen konnten ihn nicht dazu veranlasst haben, Psalm 22 zu verfassen. Aber weil er ein Prophet war, hat offenkundig der Geist Christi, der in ihm war, Worte hervorgebracht, die durch Christus am Kreuz geäußert werden würden. In diesem Psalm haben wir ein deutliches Beispiel für einen prophetischen Psalm, und zweifellos zieht sich der Geist der Prophetie durch alle Psalmen.

Wenn man dies als die Haupt-Charaktereigenschaft der Psalmen ansieht, so erscheinen sie in einem völlig anderen Licht als viele meinen, die das Buch als christliche Erfahrungen betrachten. Die Frömmigkeit, welche die Psalmen atmen, ist stets erbaulich; das tiefe Vertrauen auf Gott, das in den Psalmen in Prüfung und Leid zum Ausdruck kommt, hat das Herz der Heiligen Gottes durch alle Zeiten hindurch ermuntert. Diese heiligen Erfahrungen sind zu bewahren und zu schätzen. Und doch: Wer hat nicht die Schwierigkeit empfunden, Gott anzurufen und zu bitten, seine Feinde zu vernichten? Wie können Christen Sätze wie „Glückselig, der deine Kinder ergreift und sie hinschmettert an den Felsen" (Ps 137,9) zu ihrer eigenen Sprache machen? Und wie kann ein solcher Satz vergeistlicht werden? Solche Aufrufe sind nur verständlich in Verbindung mit einem zukünftigen Tag, wenn der allgemeine Abfall gekommen ist und der Widerstand gegen Gott offen zu Tage tritt und man sich dazu bekennen wird. Dann wird die Zerstörung seiner Feinde der einzige Weg zur Befreiung seines Volkes sein.

Wenn man nicht den Unterschied zwischen dem Geist der Psalmen und dem Geist der Christenheit beachtet, erkennt man nicht das volle Licht der Erlösung und der Stellung des Christen in Christus. Der Leser ist dann geneigt, in einer gesetzmäßigen Haltung festgehalten zu werden. Sein Fortschritt wird verhindert, und er versteht die Psalmen nicht, noch dringt er ein in das gnädige Mitleiden Christi in seiner wahren Anwendung. Wenn man sich an die Haltung der Juden zu der Zeit erinnert, als der Herr hier auf der Erde war, und an ihren erbitterten Widerstand gegenüber dem Messias (der noch bis heute existiert), so kann man ihre Empfindungen verstehen, wenn ihre Augen unter Drangsal geöffnet werden, um zu sehen, dass es tatsächlich ihr Messias war, den sie gekreuzigt haben. Ebenso groß wird ihre Verfolgung von außerhalb sein, aus der Gott einen Überrest erretten und in Segnungen einführen wird. In alle ihre Nöte tritt Christus ein, er leidet in Mitgefühl mit ihnen. Alle diese Dinge, ebenso wie die Umstände, durch die sie hindurchgehen werden, findet man in den Psalmen. Aber diese Umstände sind nicht genau die Umstände der Christen.

Da die Psalmen einen Teil der Heiligen Schrift bilden, muss man zunächst ihren wahren Platz und ihre Bedeutung sehen, bevor man sie richtig auslegen kann. Die Schreiber waren keine Christen und konnten keine christlichen Erfahrungen ausdrücken. Trotzdem können ihre Frömmigkeit, ihr Vertrauen auf Gott und der Geist des Lobens häufig die Sprache eines Christen sein, und sogar einen Christen beschämen. Christus muss überall gesucht werden, sei es in dem, was er persönlich durchlitten hat, oder sei es in seinem Mitleiden mit seinem Volk Israel. Dies muss darin enden, dass er es in die vollen Segnungen der Erde einführt, wenn er begrüßt werden wird als „Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst" (Jes 9,5).

Das Buch der Psalmen ist im Hebräischen in fünf Bücher eingeteilt, jedes von ihnen trägt eigene prophetische Charakterzüge. Je mehr man diese versteht, desto klarer wird die Tatsache, dass Gott über die Anordnung der Psalmen gewacht hat. Jedes Buch endet mit einem Gott zugeschriebenen Lob oder einer Doxologie.

Das erste Buch

Das erste Buch umfasst die Psalmen bis einschließlich Psalm 41. Es beschäftigt sich mit dem Zustand des zukünftigen jüdischen Überrestes (Juda), bevor sie aus Jerusalem hinausgetrieben werden (vgl. Mt 24,16). Christus wird darin weitgehend mit ihnen verbunden. Das Buch erinnert in vielen Punkten an die persönliche Geschichte des Herrn, als er hier auf der Erde war, obwohl die eigentliche Bedeutung dieses Buches in die Zukunft reicht. Das Licht der Auferstehung dämmert den Gläubigen in diesem Buch in Verbindung damit, dass Christus durch den Tod in die völlige Freude zur Rechten Gottes eingegangen ist (vgl. Off 6,11).

In Psalm 2 (die ersten beiden Psalmen können als ein Art Einführung zum Ganzen gesehen werden) haben wir Christus, wie er - verworfen von den Juden und Heiden - doch als König in Zion eingesetzt werden wird. Er wird als der Sohn Gottes bezeichnet, wie er die Erde als sein Eigentum besitzt und seine Feinde, die Nationen, richtet. In weiterem Sinne sind die Psalm 1 bis 8 eine Einführung: Psalm 3 bis 7 geben die Grundsätze an, die der Verwerfung Christi in Psalm 1 und 2 folgen; Psalm 8 beschreibt seine Erhöhung als Sohn des Menschen, er endet mit „HERR, unser Herr, wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde" (Ps 8,10). In Psalm 16 wird die persönliche Herrlichkeit Christi eingeführt und seine Verbindung „zu den Herrlichen" auf der Erde (Ps 16,3).

Wie bereits erwähnt, wird an manchen Stellen sehr deutlich, wie angemessen die Psalmen angeordnet sind. So ist es z. B. bei den Psalm 22, 23 und 24. Psalm 22 stellt die Leiden Christi im Vollbringen der Sühnung dar. Als Folge dieser vollbrachten Sühnung, wird der Herr in Psalm 23 der Hirte und sorgt für die Schafe. Im 24. Psalm wird der Einzug des Königs der Herrlichkeit durch ewige Tore gefeiert (Ps 24,7).

In Psalm 40 kommt aus Gott ein göttlich Vollkommener hervor - die wahre Lade des Bundes -, der fähig war, den Willen Gottes in seinem ganzen Umfang zur Ausführung zu bringen. Und gleichzeitig war er in der Lage (indem er sich selbst opferte) das ganze System der Opfer abzuschaffen, an denen Gott kein Wohlgefallen gefunden hatte.

Das zweite Buch

Das zweite Buch umfasst die Psalm 42 bis einschließlich 72. Der Überrest wird hier außerhalb von Jerusalem gesehen. Die Stadt ist der Bosheit preisgegeben worden, aber Israel muss wieder zurück gebracht werden. Im ersten Psalmbuch wird der Name des HERRN durchgehend verwendet, aber hier wird häufig Gott als solcher angeredet (Elohim). Die Treuen werfen sich noch mehr auf das, was Gott in seiner eigenen Natur und seinem Charakter ist, wenn sie sich nicht mehr länger dem Ort nähern können, wo der HERR seinen Namen hat wohnen lassen, denn dort herrscht jetzt der Antichrist. In Psalm 45 wird der Messias eingeführt, und der Überrest feiert freudig, was Gott für sein Volk ist. Obwohl der Gläubige andeutungsweise die Auferstehung in den Gegebenheiten dieses Buches sehen kann, wird eigentlich doch die Wiederherstellung Zions beschrieben (Ps 45 - 48; 69,36). Gott strahlt aus Zion hervor (Ps 50,2). Die Psalm 69, 70 und 71 sprechen von der Demütigung des Überrestes, und Christus ist darin bei ihnen. Manche Verse weisen klar auf die Person Christus hin, wie z. B. wenn auf die Galle und den Essig Bezug genommen wird (Ps 69,22). Am Schluss dieses Psalmbuches gelangt der Psalmist zu der Doxologie „Und die ganze Erde werde erfüllt mit seiner Herrlichkeit! Amen, ja, Amen", und fügt noch hinzu: „Die Gebete Davids, des Sohnes Isais, sind zu Ende" (Ps 72,19.20).

Der 68. Psalm zeigt, dass die Kraft Gottes und die Herrlichkeit für Israel von alters her in den Himmeln war. Die Himmel sind der Sitz des Segens (Ps 68,10.19) und der Herrschaft (Ps 68,5.33-36). Daher wird Christus als aufgefahren in die Höhe gesehen.

Das dritte Buch

Das dritte Buch enthält die Psalm 73 bis einschließlich 89. Es behandelt weiterführend die Wiederherstellung Israels als eine Nation, in Hinblick auf ihre allgemeinen Interessen. Das Heiligtum ist das hervorstechende Thema. Obwohl von Gläubigen gesprochen wird, ist der Gedanke nicht so stark begrenzt auf den jüdischen Überrest wie in den vorhergehenden Büchern. Wir finden in diesem Buch nur einen einzigen Psalm, den David geschrieben hat. Die meisten Psalmen sind von Asaph und den Söhnen Korahs, den Leviten. Im Psalm 88 kommt der schmerzliche Schrei einer Seele zum Ausdruck, die unter einem gebrochenen Gesetz dem Zorn Gottes unterliegt. Dann, in Psalm 89, wird Lob dargebracht für den unveränderlichen Bund des HERRN mit David, was ausgeweitet wird auf den Heiligen Israels als ihren König. Der Psalm rühmt die sicheren Gnaden Davids, obwohl Davids Haus außerordentlich versagt hatte und niedergeworfen worden war.

Das vierte Buch

Das vierte Buch umfasst die Psalm 90 bis 106. Es beginnt mit einem Psalm von Mose. In diesem Abschnitt wird die Ewigkeit Elohims, Israels Adonai, betrachtet, wie sie zu jeder Zeit ihren Wohnort hatte, so wie es der erste Vers ausdrückt. Es ist die Antwort auf das Ende von Psalm 89, vergleiche auch Psalm 102,24-29 mit Psalm 89,45.46. In Psalm 91 nimmt der Messias seinen Platz mit Israel ein, und in Psalm 94 - 100 kommt der HERR in die Welt, um das Königreich in Herrlichkeit und göttlicher Ordnung zu errichten. Es ist die Einführung des Erstgeborenen in den Erdkreis (vgl. Heb 1,6), angekündigt durch den Schrei des Überrestes.

Das fünfte Buch

Das fünfte Psalmbuch beinhaltet die Psalm 107 bis 150. Dieses Buch zeigt uns die allgemeinen Ergebnisse der Regierung Gottes. Die Wiederherstellung Israels inmitten von Gefahren und Schwierigkeiten berührt verschiedene Aspekte: die Erhöhung des Messias zur Rechten Gottes, bis seine Feinde ihm zum Fußschemel gemacht werden, Gottes Wege mit Israel, ihr ganzer Zustand, und die Grundprinzipien, auf denen sie bei Gott stehen, sein Gesetz, das in ihre Herzen geschrieben ist, und schließlich völliges und beständiges Lob nach der Zerstörung ihrer Feinde, an dem sie mit Gott teilhaben. Zur näheren Erläuterung der Stufenlieder siehe den gesonderten Artikel über die Stufenlieder.