Wie werden die Heiden, die weder von Jesus, noch dem Gesetz gehört haben, gerichtet?

Werden diejenigen, welche Jesus Christus nicht als Erretter annehmen, nach dem Gesetz gerichtet? Wie aber die Heiden, die nie von Jesus, noch vom Gesetz gehört haben? Gilt für diese Römer 1,18-32?

Bibelstelle(n): Römer 1,18-32

Fürs Erste muss klar verstanden werden, dass nach dem Alten Testament das Gesetz die Richtschnur für den Wandel und die Erfüllung desselben das Mittel zur Erlangung des ewigen Lebens und der Seligkeit war. In diesem Sinn ist Christus das Ende des Gesetzes, weil Er dessen Forderungen erfüllt hat und das Seelenheil jetzt aufgrund Seines Werkes dem Glaubenden aus Gnaden zuteil wird. Natürlich ist deshalb das Gesetz nicht aufgelöst (Mt 5,17), sondern die darin ausgedrückten Richtlinien des Willens Gottes und des Charakters des Gläubigen sind für das neue, göttliche Leben ebenso maßgebend, sogar in erhöhtem Masse. Sie sind aber nicht mehr als zweckmäßige Gebote gemeint, sondern als der selbstverständliche Charakter des neuen Lebens. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass im Wort Gottes (z.B. in 1. Joh 2 und im Galaterbrief) oft unter dem Ausdruck "Gesetz" das gesamte geoffenbarte Wort Gottes gemeint ist, also ein viel weiterer Begriff als der des Gesetzes vom Sinai.

Unter Gesetz steht genau genommen nur Israel, denn ihm allein ist das Gesetz gegeben worden. Die ungläubige Namenschristenheit wird nach ihrem Verhalten zu der ihr gewordenen Offenbarung, also in Bezug auf ihre Stellungnahme zur Person von Jesus Christus, gerichtet werden. Wer freilich sich auf seine eigene Gerechtigkeit und seine guten Werke berufen will, der wird diese allerdings nach den Ansprüchen des Gesetzes, welche ein Minimum der Forderungen eines heiligen Gottes darstellen, gemessen sehen und finden müssen, dass er nicht einmal diesen genügen konnte.

Was nun die Heiden, die nie etwas von Jesus Christus noch vom Gesetz gehört haben, anbetrifft, gilt für diese, wie Sie richtig annehmen, Römer 1,18-32 als Aufklärung, weiterhin Lukas 12,47-48, wonach jeder nach dem Maß seiner Erkenntnis des Willens Gottes gerichtet wird. Nun, ein gewisses Maß Verantwortung haben auch die unwissenden Heiden, denn gewisse Richtlinien für ihr Verhalten, für gut und böse usw. haben alle Menschen. Alle Völker haben Kenntnis davon, dass einst ein guter Gott die Welt erschaffen hat, dass sich aber die Menschen von Ihm abgewandt haben. Alle haben eine gewisse, wenn auch vielfach verdorbene Kenntnis der Ereignisse, welche die Kapitel 1. Mose 1-11 berichten. Sie haben ferner das Zeugnis der Schöpfung und alle Menschen haben die Stimme des Gewissens, wenn auch der Teufel hierin viel Verwirrung zu schaffen verstanden hat.

Sodann aber sind auch die Heiden durchaus nicht ohne besondere Offenbarungen Gottes geblieben. Gerade um die Zeit, als Gottes Sohn auf Erden erscheinen sollte, ist die gesamte Menschheit darauf vorbereitet worden. So enthält schon die Weisheit der alten Griechen manchen darauf hindeutenden Zug, so dass auch die griechische Philosophie eine Art Zuchtmeister auf Christus hin genannt werden kann. Durch Sybillen, eine Art Prophetinnen, in den verschiedenen Gebieten der alten Welt, wurde damals sogar die Geburt Jesu mit z.T. kaum weniger deutlichen Worten als in der Heiligen Schrift vorher verkündigt. Leider hat der Teufel es verstanden, die Menschen von der Erwartung des Herrn abzulenken. Die Missionare haben in manchen Gegenden gewisse Überlieferungen vorgefunden, welche auf ihr Kommen, die Bibel und ihre Botschaft hinwiesen und dem Evangelium den Weg bereitet haben, so z.B. bei den Karenen in Birma, auf Java u.a.m. Fürwahr, Gott bezeugt sich den Menschen, auch den Heiden, auf mannigfache Weise, so dass sie keine Entschuldigung haben1.


Online seit dem 07.09.2006.

Fußnoten

  • 1 Vgl. a. Hiob 33,29-30 [Anm. der Redaktion].