Ist das Gebet des Herrn in Johannes 17,21 schon erhört worden?

Ich hörte, dass ein Bruder behauptete, dass das Gebet des Herrn: "...damit sie alle eins seien, wie du, Vater in mir und ich in dir, damit auch sie in uns eins seien damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21) noch nicht erhört worden sei. Dieses Gebet werde noch erhört werden müssen, bevor der Herr zur Abholung Seiner Brautgemeinde kommen könne. Ist dieser Gedanke biblisch?

Bibelstelle(n): Johannes 17,21

Nein, diese Behauptung ist durchaus irrig. Das Gebet des Herrn ist erhört. Die Kirche (die Gemeinde, die Versammlung) besteht, sie ist da. Das Wort des Herrn: „Auf diesen Felsen werde ich meine Versammlung bauen“ (Mt 16,18) ist in seiner ganzen Fülle, Schönheit, Einheit und Pracht aus dem Erlösungswerk des Herrn hervorgegangen und am Pfingstag durch den Heiligen Geist gebildet worden. Es ist die Körperschaft, auf welcher nun in dem Namen Jesus Christus Gottes Wohlgefallen ruht. An dieser kostbaren Tatsache hat sich seit dem Pfingsttage auch gar nichts geändert. Sie ist in Gottes Augen heute noch das, was sie damals war. Auch die Welt hat diese Einheit gesehen (Apg 4,32), denn eine solche Heiligkeit und Würde ging von ihr aus, dass sie nicht wagten – in ihrem unbekehrten Zustande – sich ihr anzuschließen, ja, mehr noch, sie priesen Gott über das, was sie mit eigenen Augen sahen (Apg 5, 13). Daraus geht hervor, dass das Gebet des Herrn seine restlose Erhörung fand, wie es denn auch nach dem göttlichen Ratschluss also erfüllt werden musste. Selbstverständlich kann und wird sich daran in Ewigkeit nie mehr etwas ändern; denn was göttlich ist, bleibt, es ist ewig, wie sehr sich auch der Mensch bemühen mag, daran zu schütteln und zu rütteln. Gottes Haus ruht auf Felsengrund und kann nicht und nie erschüttert werden. In Bewunderung dürfen wir dies schauen, genießen und in Anbetung vor Dem, der es zustande gebracht, niederfallen. Wie herzerquickend und erfreulich ist das schöne Bild von der vollkommenen Einheit und der Kraft, eine Kraft, die so groß war, dass die Stätte sich bewegte, wo sie beteten; und mit „großer Kraft“ legten die Apostel Zeugnis ab (Apg 4,31.33).

Leider ist diese Einheit in ihrer praktischen Darstellung heute nicht mehr zu sehen. Sehr bald säte der böse Feind den Samen der Spaltungen und Trennungen unter die Heiligen, wie wir dies ja aus der Geschichte der christlichen Kirche deutlich erkennen, und was zu der traurigen Zerrissenheit des Volkes Gottes unserer Tage geführt hat. Ist hier eine Heilung möglich? Selbstverständlich wäre sie möglich, wenn man gewillt wäre, zu dem zurückzukehren, was von Anfang war, wie denn auch Johannes an die Gläubigen schreibt: „Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang gehört habt, so werdet auch ihr in dem Sohn und in dem Vater bleiben“ (1. Joh 2,24). Leider bringt man selbst in geförderten christlichen Kreisen bei allem Eifer, der sonst z.B. für die Ausbreitung des Evangeliums getätigt wird, die Kraft nicht mehr auf, diesen Schritt zur Einheit, nicht bloß zur Einigkeit, zu tun, wie dies denn auch mannigfache Beispiele unserer Tage zeigen. So müssen wir mit Schmerz erkennen, dass der Riss unheilbar geworden ist. Statt die Hoffnung nähren zu können, dass es sich ändern würde, wie sehr wir dies begrüßen und wünschen mögen, nimmt der Verfall eben doch von Tag zu Tag zu. Es ist gewiss richtig zu beten: „Herr, eine Dein Volk!“, aber selbst wenn wir so großen Glauben haften, der Berge versetzen kann, so können wir uns doch nicht über Dinge hinwegtäuschen, die uns im göttlichen Worte klar bezeugt sind. Die Heilige Schrift, welche in allen Dingen maßgebend ist, gibt uns keine Zusage, dass die Parteiungen in den letzen Tagen der Christenheit aufhören würden. Im Gegenteil, sie sagt von Laodicäa, dem letzten Zustand der Christenheit, wie aus dem letzten Sendschreiben in Offenbarung 3 deutlich zu erkennen ist, dass der Herr diese laue, trage, satt gewordene, sich selbst gefallende Christenheit ausspeien wird aus Seinem heiligen Munde. Das lautet doch ganz anders, als die Lehre von einer schlussendlichen Wiederherstellung der Kirche in apostolischer Einheit und Kraft. Die wahre Kirche – alle an Christus Jesus gläubigen und in Seinem Blute gewaschenen Seelen – wird Er sich entgegenrücken in die Herrlichkeit, die tote Bekenner-Christenheit bleibt zurück zum Gericht. Nicht wahr, das ist doch wirklich nicht schwer, dies auseinander zu halten? Es ist also unbedingt abwegig, die Wiederkunft des Herrn von einer Klausel abhängig zu machen; es sei denn die, dass die Seele errettet und wiedergeboren sein muss, was sich wieder nicht auf eigene Werke gründet, sondern auf die Gnade allein.

Noch eins: Wenn die Ankunft des Herrn, sei es von der Erreichung eines gewissen Grades von Heiligkeit (welcher?), wir dies auch öfters gelehrt wird, oder wie Ihre Frage lautet, von der praktischen Einheit der zerrissenen Christenheit abhinge, dann könnte der Herr – das muss doch jede einsichtige Seele erkennen – nie kommen. Das steht aber wiederum im Gegensatz zum Worte Gottes, das uns anweist, den Herrn täglich und stündlich zu erwarten, (Mt 24, 48–51; 25,6; 1. Thes 1,10; Off 3,10–11; 22,17.20 u.a.St.) Es erübrigt sich zu sagen, dass jeder wahre Christ nach Heiligkeit und nach der Verwirklichung der Einheit trachten sollte, damit dürfen wir aber nicht klare Zeugnisse des göttlichen Voraussehens ignorieren oder gar in Frage stellen. Sicherlich sind alle Trennungen beklagenswert, aber was der Mensch nun einmal verdorben hat, das flickt Gott nicht wieder. Er bleibt Seiner Heiligkeit und Seinen Regierungswegen treu.

Aber – Gott sei gepriesen – wir dürfen uns an dem freuen, was unabänderlich besteht, das sind die Gedanken des Herrn über Sein Volk in Christus Jesus. Dafür lasst uns dankbar sein! Ja, den Herrn, der es zuwege gebracht, wollen wir loben und preisen!


Online seit dem 07.09.2006. Zuletzt bearbeitet am 17.12.2017.