Können uns biblische Grundsätze zu Götzen werden?

Ist es möglich, dass man biblische Grundsätze, z.B. betreffend das Zusammenkommen der Gläubigen, derart in den Vordergrund stellen kann, dass sie sozusagen zu "Götzen" werden?

"Zu Götzen machen" ist zu viel gesagt, denn bei diesen Grundsätzen handelt es sich nicht einfach um formelle Regeln oder Gebote, sondern um Wünsche unseres Herrn. Haben wir sie richtig und lebendig erfasst, werden sie in ihm unseren Herzen äußerst kostbar.

Eine gewisse Gefahr in dieser Richtung besteht allerdings darin, dass man diese Grundsätze einseitig gesetzlich, starr dogmatisch erfasst und hervorhebt - unsere natürlichen Herzen neigen dazu – dafür aber oft dem Wachstum und der Pflege des Innenlebens und dem praktischen Wandel nicht die nötige Beachtung schenkt.

Dazu kommt die große Gefahr, an welche der Herr im Sendschreiben an Ephesus so ernstlich erinnert, nämlich das "Verlassen der ersten Liebe", d.h. dass das eigene "Ich" in den Vordergrund, ja selbst an die Stelle des Herrn tritt. In diesem Falle kann es auch ohne "kirchliche Organisation" zu einer erstarrten Gewohnheitsform kommen. Vor dieser Gefahr muss entschieden gewarnt werden, damit wir ihr nicht erliegen, wie z.B. die "frommen" jüdischen Pharisäer, welche die Zeremonialvorschriften betreffs Absonderung und Reinigung einseitig ausgebaut und eigenmächtig noch andere hinzugefügt hatten, so dass die jüdische Religion heute deren mehrere Hundert hat. Damit sind die Pharisäer, wie der Herr Jesus ihnen selbst vorhält (Mt 15,1-10), sogar mit den wahren göttlichen Geboten in Kollision und mit dem Herrn in bittere Feindschaft geraten.

Derselben Gefahr ist auch die Kirche in Sardes erlegen, indem sie wohl nominell an den biblischen Hauptgrundsätzen festhielt, jedoch ohne diese lebendig zu verwirklichen. Sie waren ihr zum blassen Schibboleth geworden (Ri 12); ihre ganze Theologie bewegte sich fast allein in rein theoretischen Erörterungen, während die Seelen geistlichen Hunger litten. Die Geschichte von Sardes zeigt deutlich, dass man die Glaubensdinge nicht bloß auf der theoretisch-dogmatischen Linie erfassen darf, um den Wünschen Gottes gerecht zu werden, sondern es geht um deren lebendige Verwirklichung, darum, dass sie zum wirklichen Inhalt unseres Lebens werden. Hier ist allerdings die Ermahnung am Platz: "Kinder, hütet euch vor den Götzen!" (1. Joh 5,21).


Online seit dem 12.02.2007.