Da bin ich in ihrer Mitte

2. Die Versammlung als der Leib Christi

Da bin ich in ihrer Mitte

Nachdem wir uns im ersten Kapitel – so jedenfalls hoffe ich -einen gewissen Überblick über das Handeln Gottes in den verschiedenen Haushaltungen und über Ursprung, Wesen und Bestimmung der Versammlung Gottes verschaffen konnten, möchte ich, ehe wir uns unserem Hauptgegenstand, dem Zusammenkommen der Versammlung, zuwenden, etwas ausführlicher auf die verschiedenen Charaktere der Versammlung zu sprechen kommen, wie sie uns die Heilige Schrift anhand von vier Symbolen vorstellt.

Wenn Gott Bilder benutzt, um uns Seine Gedanken klarzumachen, so sind diese Bilder – im Gegensatz zu unseren Vergleichen – äußerst präzise und zutreffend, voll göttlicher Weisheit, und Seine Vergleiche „hinken“ nicht. Aber wir sollten die verschiedenen Bilder, die Gott uns von derselben Sache gibt, um uns unterschiedliche Belehrungen darüber zu geben, nicht miteinander vermengen, wie das leider manchmal getan wird. Ein Leib ist eben kein Haus, ein Leuchter nicht eine Braut. Es ist dieselbe Versammlung, aber sie wird jeweils in einem anderen Charakter gesehen. So redet die Schrift nie von Gliedern einer oder der Kirche, wohl aber von Gliedern des Leibes Christi. Nehmen wir noch ein anderes Beispiel, um diesen Punkt klarer zu machen, weil manche meinen, dass, wenn die Versammlung der Leib Christi ist, sie nicht zugleich auch die Braut Christi sein könne. Der Gläubige wird in der Heiligen Schrift mit ganz verschiedenen Namen bezeichnet: Er ist ein Kind Gottes und ein Sohn Gottes, er ist ein Heiliger, er ist ein Jünger des Herrn usw. Aber Kind ist nicht dasselbe wie Sohn, ein Heiliger nicht dasselbe wie ein Jünger. Es mag sich um dieselbe Person handeln, aber ihr Charakter ist jeweils ein anderer. Um die Vorrechte und die Verantwortlichkeiten dieser Person zu erkennen, ist es notwendig, ihre jeweilige Stellung, in der Gott sie sieht, zu erfassen. So ist es auch mit der Versammlung Gottes. Gott hat sie in verschiedene Beziehungen zu Sich und zu Seinem Sohn gebracht, und um diese verschiedenen geistlichen Beziehungen für uns fassbar zu machen, benutzt Er unterschiedliche Symbole oder bildhafte Bezeichnungen.

Nun wird uns in einer ganzen Anzahl von Stellen der neutestamentlichen Briefe die Versammlung als Leib Christi vorgestellt. Unter dem Bild des menschlichen Körpers will der Heilige Geist den Gedanken innigster Einheit und Verbindung in uns wachrufen. Was ist im natürlichen Bereich unser Leib, unser Körper? Im Allgemeinen meinen wir damit jeden Teil, der nicht unser Haupt ist. Auch ist ein Körper ohne Haupt nicht denkbar, ebenso wenig ein Haupt ohne Körper. Im Bild des Leibes Christi wird uns also die Versammlung in ihrer göttlichen Verbindung, in ihrem wunderbaren Eins-Sein mit Christus, dem Haupt im Himmel, dargestellt. Wir haben das schon bei der Betrachtung von Epheser 2gesehen.

Wodurch der Leib NICHT gebildet wird

Wodurch ist nun der Leib Christi entstanden? Es ist zur Erklärung einer Sache zuweilen ganz nützlich, sich klarzumachen, was sie nicht ist. So lasst uns eben einmal überdenken, wodurch diese Vereinigung nicht erreicht wird, weil dadurch helles Licht auf unseren Gegenstand fällt:

1) Nicht durch den persönlichen Glauben des Menschen. Gewiss, der Glaube ist eine unabdingbare Voraussetzung, um an dieser Segnung teilzuhaben; aber der Glaube ist dem Charakter nach stets eine persönliche Sache und vereinigt nicht. Glauben gab es auch, wie wir schon gesehen haben, in früheren Epochen, aber den Leib Christi gab es noch nicht.

2) Nicht durch den Empfang des neuen Lebens. Göttliches Leben hatten auch die alttestamentlichen Gläubigen, ebenso die Jünger des Herrn vor Seinem Tod und Seiner Auferstehung. Und doch bestand zu jener Zeit die Versammlung Gottes, der Leib Christi, noch nicht.

3) Nicht durch die Menschwerdung Christi. Es ist ein völlig irriger Gedanke anzunehmen, dass der Herr Jesus Sich durch Seine Menschwerdung mit einer gefallenen Menschheit verbunden, eins gemacht hätte. Als Mensch hier auf der Erde war Er, wie Johannes 12, Vers24, zeigt, das wahre Weizenkorn und als solches allein: Er machte Sich nicht eins mit uns in unserem gefallenen Zustand.

Göttliche Voraussetzungen zur Bildung des Leibes

Ehe es die Versammlung geben konnte, musste erst der Herr Jesus den Tod schmecken, musste das wahre Weizenkorn in die Erde fallen und sterben. Mit der Auferweckung Jesu Christi aus den Toten bestätigte Gott, dass Er durch das Werk Seines Sohnes vollkommen befriedigt war. Während der darauffolgenden vierzig Tage, in denen Sich der Herr den Seinen in vielen sicheren Kennzeichen lebendig darstellte, indem Er von ihnen gesehen wurde und über die Dinge redete, die das Reich Gottes betreffen (Apg 1,3), war der Heilige Geist noch nicht auf der Erde; denn wir lesen in Johannes 7, Vers 39: „Denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war.“ Erst als der Herr Jesus in den Himmel aufgenommen und mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt war, sandte Er die Verheißung des Vaters, das ist den Heiligen Geist, auf die Seinen herab. Wie wir schon gesehen haben, geschah dies am Tag der Pfingsten. Es war die Geburtsstunde der Versammlung: Durch das Herabkommen des Heiligen Geistes wurde der Leib Christi, diese wunderbare Einheit, gebildet. Das sagt uns 1. Korinther 12, Vers 13 – eine Stelle, die wir gleich noch näher betrachten wollen.

Wenn wir jetzt zunächst von den Voraussetzungen für die Bildung des Leibes sprechen und vorher feststellten, dass durch die Menschwerdung Christi allein, so unfassbar sie ist, dieser Leib nicht gebildet werden konnte, so sei jetzt noch hinzugefügt, dass die Menschwerdung unseres Herrn natürlich eine der wesentlichsten Voraussetzungen war: Wäre Er einfach in Seiner Herrlichkeit als Gott geblieben, hätte es auch nie eine Vereinigung mit Ihm geben können.

Es war die Taufe mit dem Heiligen Geist (gemäß der Lehre von 1. Korinther 12), welche die einzelnen Gläubigen zu einem Leib zusammenfügte. Fassen wir das bisher Gesagte kurz zusammen:

  1. Es konnte keinen Leib geben, ehe Christus, das Haupt, im Himmel war.
  2. Die Versammlung konnte nicht eher ihren Anfang nehmen, als bis die Taufe mit dem Heiligen Geist am Tag der Pfingsten geschehen war.

Erwähnung in vier Briefen

In der Apostelgeschichte, dem inspirierten Bericht über die frühe Kirche, finden wir noch nicht die Belehrung über den Leib Christi, wohl aber die Tatsache selbst. Aber in Kapitel 9 bei der Bekehrung des Saulus – begegnet uns eine kostbare Andeutung dieser herrlichen Wahrheit: In den Worten „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ (Er sagt nicht: „Was verfolgst du meine Jünger?“ vgl. Apg 9,4) macht Sich der Herr auf wunderbare Weise eins mit den Seinen. Indem Saulus Sein Volk verfolgte, verfolgte er Ihn selbst. Durch die Form Seiner Frage deutet Er die Wahrheit an, dass Seine Heiligen auf der Erde ein Teil von Ihm selbst sind.

Die Lehre über die Versammlung als Leib Christi wird uns in vier paulinischen Briefen des Neuen Testaments gegeben: im Römerbrief, im 1. Korintherbrief und in den Briefen an die Epheser und Kolosser. Während wir im Epheserbrief die Versammlung mehr in ihrer ewigen Bestimmung nach dem Ratschluss Gottes und damit ihre herrliche Stellung in Christo finden, wird uns im Kolosserbrief mehr die Herrlichkeit des Hauptes im Himmel vorgestellt. Es ist der Wille Gottes, dass die moralischen Herrlichkeiten des Hauptes in dem Leib hier auf der Erde in der gegenwärtigen Zeit dargestellt werden. Deswegen beschreibt der Apostel dort die Herrlichkeit dieses „Geheimnisses“ mit dem bemerkenswerten Ausdruck, der gleichsam das Schlüsselwort für den ganzen Brief ist: „welches ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kapitel 1. 27). Die erste und sehr schlichte, für unseren Gegenstand aber sehr wichtige Erwähnung des Leibes Christi finden wir in Römer 12, Verse 4 und 5, der wir uns kurz zuwenden wollen:

„Denn gleichwie wir in einem Leibe viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle dieselbe Verrichtung haben, also sind wir, die Vielen, ein Leib in Christo, einzeln aber Glieder voneinander.“

Leicht verständliches Bild! So wie wir in unserem menschlichen Körper viele Glieder haben, diese Glieder zusammen aber einen Leib bilden, so sind auch wir als Gläubige einzeln Glieder voneinander, bilden aber zusammen den einen Leib in Christo. WIR - das meint alle wahren Christen. Und so wie die Glieder unseres natürlichen Leibes verschiedene Aufgaben und Funktionen auszuführen haben, so haben auch die Glieder des Leibes verschiedene Verrichtungen zu erfüllen. Wir werden auf diesen wichtigen Punkt in einem späteren Kapitel zurückkommen, wenn wir uns mit den Gaben beschäftigen, die der Herr Seiner Versammlung, „den Menschen“ (Eph 4,8), gegeben hat. Die Verbindung der Gläubigen untereinander ist an dieser Stelle des Römerbriefes also der vorherrschende Gedanke: Ich kann nicht ohne dich auskommen und du nicht ohne mich. Das vereinigende Band ist nicht eine Lehre, nicht irgendein Glaubensbekenntnis, sondern der Heilige Geist, wie wir sogleich sehen werden.

Zu EINEM Leibe getauft

In 1. Korinther 12, Verse 12 und 13, begegnet uns die Wahrheit von dem einen Leibe nach einer kurzen Erwähnung in Verbindung mit dem Tisch des Herrn in Kapitel 10 zum zweiten Mal in diesem Brief:

„Denn gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: also auch der Christus. Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt worden.“

Um die Einheit der Gläubigen bei all ihrer persönlichen Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit darzustellen, benutzt der Apostel Paulus hier erneut das Bild des menschlichen Körpers. So wie der natürliche Leib aus vielen, verschiedenartigen Gliedern besteht, dennoch aber einen zusammenhängenden Organismus bildet, so ist auch die Versammlung ein harmonisches Ganzes, eine organische Einheit und harmonisiert mit den verschiedenen Gaben, die der Geist austeilt, wie Er will. Auf diese Gaben kommen wir, wie bemerkt, in einem späteren Kapitel zu sprechen. So innig ist die Verbindung zwischen dem Haupt und dem Leib, dass Christus und die Versammlung zusammen „der Christus“ genannt werden: „also auch der Christus.“ Wir hätten nicht gewagt, das so auszudrücken, sondern hätten sicher gesagt: „also auch die Versammlung.“ Wunderbare Gnade Gottes! Gott betrachtet Christus und die Versammlung als einen geheimnisvollen Menschen, der, obwohl er viele Glieder hat, vollkommen eins ist. Die Versammlung ist eins gemacht mit Ihm, und dies deswegen, weil „wir alle in einem Geiste zu einem Leibe getauft worden sind, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt worden.“ In diesem Leib haben alle religiösen und gesellschaftlichen Unterschiede aufgehört; Christus ist „alles und in allen“ (Kol 3,11).

In (oder in der Kraft von) einem Geiste getauft zu werden, bedeutet nicht, göttliches Leben zu empfangen. Diese Taufe wird, wie wir bereits gesehen haben, nicht toten Ungläubigen geschenkt, sondern den bereits Lebendig-Gemachten. Der Heilige Geist, den Gott als Antwort auf das vollbrachte Werk Seines Sohnes am Tag der Pfingsten auf diese Erde herabsandte, verband die wahren Gläubigen mit Christus in der Herrlichkeit und verband sie untereinander. Was also machte die Gläubigen zu Gliedern am Leib Christi? Die Taufe mit dem Heiligen Geist! Nicht etwa die Wassertaufe; denn diese ist eine rein persönliche Sache („ein jeder von euch werde getauft“; Apg 2,38), sie ist ein Begräbnis,und sie geschieht auf den Tod Christi (Röm 6,2-3).

Besteht ein Unterschied zwischen „in einem Geist zu einem Leib getauft werden“ und „mit einem Geist getränkt werden“? Was bedeuten diese Ausdrücke? Nun, ich wage einmal folgende Erklärung. „In einem Geist“ bezeichnet offensichtlich den göttlichen Einfluss, die wirkende Kraft,die bei dem geheimnisvollen Vorgang „Taufe mit Heiligem Geist“ in Tätigkeit ist (obwohl natürlich der Heilige Geist absolut Gott, eine Person der Gottheit ist). „Zu einem Leibe“ zeigt dagegen das Ergebnis, das erreicht werden sollte und erreicht wurde. „Mit einem Geiste getränkt werden“ scheint mir den Weg, die Art und Weise anzudeuten, wie dieses Ergebnis erreicht wurde. Das griechische Wort „potízo bedeutet tränken, zu trinken geben. Der Satz „Und sind alle mit einem Geist getränkt worden“ sagt also: Wir sind alle dahingeführt worden, den einen Geist, den Heiligen Geist, zu trinken. Ich glaube nicht, dass das nur ein Beseeltsein von ein und derselben Gesinnung meint, sondern nehme an, dass hier von dem persönlichen Empfang des Heiligen Geistes gesprochen wird. Es mag eine Anspielung auf Johannes 7, Verse 37-39, sein -Verse, mit denen wir uns schon beschäftigt haben. Dort war das Ergebnis, dass Ströme lebendigen Wassers aus dem Leib des einzelnen hervorfließen würden. Hier ist das Ergebnis, dass die einzelnen Gläubigen durch den persönlichen Empfang des Heiligen Geistes dem einen Leib, dem Leib Christi, hinzugefügt werden.

Der 13. Vers in 1. Korinther 12 ist eine absolute Aussage, die in der Vergangenheitsform steht und einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Vorgang bezeichnet: „Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden ... und sind alle mit einemGeist getränkt worden.“ Das führt mich zu der Bemerkung, dass es nicht jeden Tag neu eine Geistestaufe gibt. Der Leib wird nicht immer wieder neu gebildet. Der Herr Jesus hatte in Apostelgeschichte 1. Vers 5, davon gesprochen, die Tatsache selbst fand am Tag der Pfingsten statt (Apg 2). Anfangs bildeten nur Gläubige aus den Juden die Versammlung. In Apostelgeschichte 8 und 10 werden dann die Gläubigen aus den Samaritern und den Nationen eingeführt. Der Leib Christi hatte seine beabsichtigte und volle Gestalt erst, als auch die Gläubigen aus den Nationen in diese Einheit eingefügt wurden. Deswegen sagt der Apostel: „Es seien Juden oder Griechen.“ Aber dieses spätere Hinzufügen einzelner zum Leib Christi wird in der Schrift nie „Taufe mit Heiligem Geist“ genannt, sondern „Versiegelung“ und „Salbung“ (2. Kor 1. 21–22;Eph 1. 13–14; 4, 30; 1. Joh 2,20). Der Gläubige, der sich heute in der Zeit der Gnade im Glauben auf das Werk Christi stützt, empfängt persönlich den Heiligen Geist, er wird mit Ihm versiegelt oder gesalbt. Es ist derselbe Heilige Geist; und dadurch, dass Gott, der Heilige Geist, nun in dem Leib des Gläubigen wie in einem Tempel wohnt (1. Kor 6,19), wird er ein Glied am Leib Christi. Unermessliches Vorrecht!

Dass die Schrift für das Hinzufügen einzelner nach Pfingsten den Ausdruck Taufe mit Heiligem Geist vermeidet, sei an einigen Beispielen aus der Apostelgeschichte aufgezeigt:

„Tut Buße, und ein jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen „ (Kapitel 2, 38).

„... welche, als sie hinabgekommen waren, für sie beteten, damit sie den Heiligen Geist empfangen möchten; denn er war noch nicht auf einen von ihnen gefallen, sondern sie waren allein getauft auf den Namen des Herrn Jesus“ (Kapitel 8, 15–16).

„Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten“ (Kapitel 10, 44).

„Und er fand etliche Jünger und sprach zu ihnen: Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden seid? ... und als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam der Heilige Geist auf sie“ (Kapitel 19, 2.6).

Ich habe versucht zu zeigen, dass die Taufe mit dem Heiligen Geist ein einmaliges Ereignis war, wodurch der Leib Christi auf der Erde gebildet wurde, und dass die einzelnen Gläubigen späterer Tage durch den persönlichen Empfang des Heiligen Geistes an dieser Segnung teilhaben. Vielleicht ist es nützlich, zur weiteren Erklärung ein Bild anzufügen, das ein längst heim-gegangener Diener des Herrn hierfür gebraucht hat.

Stellen wir uns einen schönen Sommertag und einen Teich vor, der bei völliger Windstille ruhig daliegt. Dieser Teich ist von seinem Rand her ziemlich dicht mit Binsen bewachsen, die vereinzelt bis zur Mitte vordringen. Nun werfen wir in die Mitte des Teiches einen Kieselstein. Er sinkt glucksend nach unten, und auf der Oberfläche des Wassers entsteht eine kreisförmig sich ausbreitende Wellenbewegung. Dieser Steinwurf soll dem Tag der Pfingsten entsprechen, und die anfangs kleine Welle umfasste die kleine Schar im Obersaal, jene hundertundzwanzig.

Um zum Bild zurückzukommen: Schnell weitet sich nun der Kreis aus und erreicht bald die nächsten Binsen und schließt auch sie ein. Und während sich die kreisförmige Welle weiter und weiter ausbreitet und schließlich das Ufer erreicht, umschließt sie mehr und mehr Binsen, bis sie endlich alle erfasst hat. Geradeso wird jede Seele, die durch den Glauben an Christus errettet und mit dem Heiligen Geist versiegelt wird, mit eingeschlossen in die Taufe des Heiligen Geistes. Es ist nicht jedes Mal eine neue Taufe, aber alle Versiegelten haben Teil an dieser Segnung, gehören zu dieser wunderbaren Einheit.

Der Leib Christi in seinem zeitlichen Aspekt

Jetzt ist es Zeit anzumerken, dass uns die Wahrheit von dem Leib Christi in dreierlei Hinsicht in der Schrift vorgestellt wird: in einem zeitlichen, in einem örtlichen und in einem ewigen Aspekt.

Aus der Betrachtung von 1. Korinther 12 haben wir schon gelernt, dass alle Gläubigen zusammen den Leib Christi bilden; aber ich mache jetzt einen wichtigen Zusatz: alle Gläubigen, die zu einem gegebenen Zeitpunkt zwischen Pfingsten und der Entrückung auf der Erde leben. Der Apostel hat nach der Sicht von 1. Korinther 12 nicht den Gedanken, dass ein Teil des Leibes im Himmel und ein anderer auf der Erde sei. Dass er nur an die lebenden Gläubigen und nicht an heimgegangene Geschwister im Paradies denkt, macht der Satz in Vers 26 „Und wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit“ unbestreitbar klar, denn im Himmel leidet kein Glied mehr. Entschlafene gehören in diesem Sinn nicht zum Leib Christi auf Erden, ebenso wenig wie beurlaubte Rekruten oder Reservisten zur aktiven Truppe gehören. Denn der Leib, der, wie wir uns erinnerten, der Tempel des Heiligen Geistes war, liegt nun im Grab und fällt der Verwesung anheim. Durch das Wohnen des Heiligen Geistes im Leib des Gläubigen war er ja zu einem Glied am Leibe Christi geworden, aber jetzt ist diese Hütte „zerstört“ (2. Kor 5, l).1 Natürlich werden alle Entschlafenen der Gnadenzeit, die heute gleichsam „in der Reserve“ sind, am Tag der „Generalmobilmachung“ vollzählig dabei sein. Wenn der Herr Jesus zur Entrückung der Braut wiederkommt, werden sie alle zum Leib Christi in seinem ewigen Aspekt gehören. Aber wenn der Leib Christi auf der Erde vorgestellt wird, haben Entschlafene keinen Anteil daran.

Zu keinem Zeitpunkt seines Bestehens auf der Erde fehlt nämlich dem Leib Christi ein Glied. Ein unvollständiger, sozusagen verstümmelter Leib ist nicht Teil der Belehrung der Schrift über die Versammlung Gottes. Deswegen sollten wir nicht beten, der Herr möge noch Seinem Leibe „Glieder hinzufügen“. Der Leib ist, was seine Glieder angeht, nach den Gedanken Gottes stets intakt und vollständig. Dass er jedoch das Wachstum Gottes wachst und bei gegebenem Anlass handelt, ist klar die Lehre der Schrift. Aber beides könnte er nicht, wenn ihm einige Glieder fehlten. Es ist deswegen nicht ohne Bedeutung, dass die Schrift immer nur dann von den Gliedern des Leibes, von den Gelenken und Banden spricht, wenn der Leib, als Ganzes auf der Erde bestehend, vorgestellt wird:

„Lasst uns in allem heranwachsen zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus, aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe“ (Eph 4,15-16).

„Und nicht festhaltend das Haupt, aus welchem der ganze Leib, durch die Gelenke und Bande Darreichung empfangend und zusammengefügt, das Wachstum Gottes wächst“ (Kol 2,19).

Diese Betrachtungsweise des Leibes also können wir seinen zeitlichen Aspekt nennen. Er zeigt uns, was der Leib Christi in dieser Zeit ist und wie die Gläubigen ihn in dieser Zeit darstellen sollen.

Doch nicht nur in Bezug auf die Vollständigkeit des Leibes Christi zu jedem Zeitpunkt seines Bestehens auf der Erde ist diese Seite von großer Bedeutung, sondern auch in einer das Gemeindeleben zutiefst berührenden Hinsicht: Die Schrift kennt keine voneinander unabhängigenörtlichen Versammlungen. Dass es örtliche Versammlungen gibt, wird uns sogleich beschäftigen; aber sie sind voneinander nicht unabhängig, weil sie alle zusammen den einen Leib Christi auf der Erde bilden. Wo immer auf der Erde der Leib einen sichtbaren Ausdruck finden mag (das ist eine Seite für sich), er wächst das Wachstum Gottes. Alle lebenden Gläubigen gehören zu diesem Leib Christi. Dieser ganze Leib wächst dadurch, dass die einzelnen Gläubigen als Bande und Gelenke die ihnen vom Haupt übertragenen Funktionen ausüben. Da kann kein Glied von dem anderen sagen: „Ich brauche dich nicht.“ Ich kann nicht ohne dich auskommen und du nicht ohne mich. Und wenn du am Nordpol wohnen solltest und ich am Südpol wohnte, das ändert überhaupt nichts an dem Grundsatz. So sehr sind wir ein Leib in Christus. Das war ja auch die Lehre von 1. Korinther 12. Und wenn schon das einzelne Glied von dem anderen nicht sagen kann: „Ich bedarf deiner nicht“ (1. Kor 12,21), wieviel weniger kann dann eine örtliche Versammlung von einer anderen sagen, dass sie ihrer nicht bedarf!

Unabhängigkeit ist niemals ein göttlicher Grundsatz. Gott hat uns als Glieder von Christus, dem Haupt des Leibes, abhängig gemacht, und Er hat uns auch voneinander abhängig gemacht. Auch in der Schöpfungsordnung Gottes herrscht niemals das Prinzip der Unabhängigkeit, hat Er selbst uns allen doch Leben und Odem und alles gegeben (Apg 17,25). Unabhängigkeit in geistlichen Dingen zu beanspruchen ist letzten Endes nichts anderes als Freisinnigkeit und Eigenwille.

Dass eine „Ortsgemeinde“ nach anderen Grundsätzen handeln könnte als eine andere, ist mit den Gedanken und dem Geist der Heiligen Schrift völlig unvereinbar. Wenn der Apostel Paulus von Gott benutzt wurde, über die Ordnung in der Versammlung zu schreiben (und das ist gerade in seinem ersten Brief an die Korinther der Fall), dann schreibt er nicht nur der Versammlung Gottes, die in Korinth ist, sondern auch allen, die an jedem Orte den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, sowohl ihres als unseres Herrn (1. Kor 1. 2). Was er den Gläubigen in Korinth schrieb, gilt ebenso jedem, der sich zu Christus als Herrn bekennt, zu welcher örtlichen Versammlung der einzelne auch gehören mag. Wenn der Apostel sein geliebtes Kind Timotheus zu den Korinthern sandte, damit er sie an seine Wege in Christo erinnerte, dann fügt er hinzu: „gleichwie ich überall in jeder Versammlung lehre“ (Kapitel 4, 17). Wenn er in Kapitel 7 auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau zu sprechen kommt, schließt er seine Belehrungen über diesen Gegenstand mit den Worten ab: „Doch wie der Herr einem jeden ausgeteilt hat, wie Gott einen jeden berufen hat, also wandle er; und also verordne ich in allen Versammlungen“ (Vers 17). Und was der Apostel bezüglich der Sammlungen allen Versammlungen von Gala-tien verordnet hatte, galt genauso den Korinthern und gilt uns heute (Kapitel 16, l).

Das alles zeigt uns, dass es eine Unabhängigkeit unter den Gläubigen an verschiedenen Orten nicht gab und nicht geben kann. Es wäre nichts anderes als eine totale Leugnung der Wahrheit von dem einen Leib Christi auf der Erde. Wenn wir zum „Binden und Lösen“ durch die Versammlung kommen, werden wir finden, dass die Beschlüsse der örtlichen Versammlung für den ganzen Leib auf der Erde bindend sind. Wenn sie im Himmel Anerkennung finden (Mt 18,18), sollten sie dann nicht umso mehr an jedem Ort auf der Erde, wo Gläubige in der Einheit des Geistes zusammenkommen, anerkannt werden und Gültigkeit haben? Bezieht sich „drinnen“ in 1. Korinther 5, Vers 12, etwa nur auf die örtliche Versammlung? Nicht vielmehr auf die ganze Versammlung, wie sich auch „draußen“ auf alle jene erstreckt, die außerhalb von ihr in dieser Welt sind? Und die Gaben in Epheser 4: Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer – hat Christus sie nicht dem ganzen Leib gegeben?

Nein, die Schrift kennt nicht den Gedanken einer Konföderation einzelner Ortsgemeinden, von denen jede vollständig autonom ist. Lasst uns festhalten, was uns in Epheser 4, Vers 4, gesagt wird: „Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung.“ Gott möchte, dass wir uns befleißigen, die Einheit des Geistes in dem Bande des Friedens zu bewahren (Vers 3). Was das bedeutet, soll uns am Ende des Buches beschäftigen. Doch sei mit aller Dringlichkeit noch einmal festgehalten: Die Leugnung des Leibes Christi in seinem zeitlichen Aspekt führt unweigerlich zu unbiblischen Grundsätzen und Praktiken, die das Haupt des Leibes, Christus im Himmel, zutiefst verunehren und den Kindern Gottes schweren Schaden zufügen.

Der Leib Christi an einer bestimmten Örtlichkeit

Ich habe schon öfter den Ausdruck örtliche Versammlung erwähnt. Auf diese Seite des Leibes Christi wollen wir jetzt näher eingehen. Ein für unseren Gegenstand sehr wichtiger Vers findet sich gegen Ende des 12. Kapitels des ersten Korintherbrief es:

„Ihr aber seid Christi Leib, und Glieder insonderheit“ (Vers 27).

Der Apostel hatte in einer allgemeinen, alle Gläubigen auf der Erde umfassenden Weise von dem Leib, seinen Gliedern und deren mannigfachen Funktionen gesprochen, die sie zum Nutzen des Ganzen ausüben (Verse 14–26). Jetzt aber sagt er überraschend: „Ihr aber seid Christi Leib.“ Wen meint er mit „ihr“? Offenbar die Gläubigen in Korinth, wie uns die Anreden in den beiden Briefen an die Heiligen in Korinth zeigen (1. Kor 1,2; 2. Kor 1. l). Sie werden nicht nur als gläubige Christen an jenem Ort angesehen, sondern sie bildeten die örtliche Versammlung Gottes zu Korinth, und diese wiederum war der Ausdruck der größeren Wahrheit, des einen Leibes.

Hier haben wir also den Leib Christi in seinem örtlichen Aspekt. Auch das ist eine besonders wichtige Seite, wenn es um die Darstellung des einen Leibes und um unser Zusammenkommen als Glieder Seines Leibes geht. Gott möchte, dass der Leib Christi an diesem oder jenem Ort auf der Erde sichtbar werde. In diesem Sinn waren die Gläubigen in Korinth Christi Leib in Korinth. Sie waren nicht der Leib Christi in Korinth, so dass andere Gläubige an anderen Orten davon ausgeschlossen wären (es ist bezeichnend, dass im Griechischen vor „Leib“ der Artikel fehlt); aber sie trugen als örtliche Versammlung die Kennzeichen des Leibes Christi und sollten sie an ihrem Platz offenbaren.

Das sind die Gedanken Gottes für jede örtliche Versammlung – auch heute noch. Ob es die Kinder Gottes verstehen oder nicht: Gott betrachtet alle Gläubigen an einem gegebenen Ort als Christi Leib dort, das heißt als den Ausdruck des Leibes Christi an jenem Ort. Sie haben das Vorrecht und die Verantwortlichkeit, an ihrem Ort für Christus und gemäß der Einheit Seines Leibes zu handeln. Es gibt nur einen Leib, wie es auch nur ein Haupt gibt – Christus. Jede Unabhängigkeit ist ausgeschlossen. Dass diese Grundsätze für das örtliche Zusammenkommen der Gläubigen von äußerster Wichtigkeit sind, wird jeder aufrichtige Christ schon jetzt erkennen. Gewiss, die Kirche befindet sich heute im Ruin, und keine Gruppe von Gläubigen an einem Ort kann behaupten, Christi Leib dort zu sein. Aber Gott gibt uns für die Tage des Verfalls keine anderen Grundsätze, nach denen wir handeln sollen. Wir sind nach wie vor berufen, diesen Charakter der Einheit des einen Leibes darzustellen und alles zurückzuweisen, was der großen Wahrheit von dem einen Leib widerspricht. Möge Gott dazu Gnade schenken und dieses Buch segnen!

Das Geheimnis Seines Willens

Am Ende des ersten Kapitels des Epheserbriefes wird uns der Leib Christi in seinem ewigen Aspekt vorgestellt, oder wir können auch sagen: der Leib Christi, wie er in dem Ratschluss Gottes besteht. Bevor wir uns jedoch mit dieser überaus kostbaren Seite der Versammlung näher befassen, ist es sicher gut, darüber klar zu werden, was Sich Gott „für die Verwaltung der Fülle der Zeiten“, das heißt für die Zeit des Tausendjährigen Reiches, in Sich selbst vorgesetzt hat. Dieser Vorsatz Gottes im Blick auf Christus und die Versammlung in jener letzten Epoche wird in Vers 10 das „Geheimnis seines Willens“ genannt, Er gipfelt darin, „alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist“; das heißt, es ist Gottes Wille, dass Christus als verherrlichter Mensch über das ganze Universum herrschen soll. Das ist der erste, überragende Teil dieses Geheimnisses. Der zweite, ihm untergeordnete Teil wird in den Versen 11–14 beschrieben: Die Gläubigen der Gnadenzeit haben in Ihm ein Erbteil erlangt, das darin besteht, dass sie mit Ihm herrschen werden. Christus wird im Tausendjährigen Reich die absolute Oberhoheit über Himmel und Erde besitzen und ausüben, die dann nicht mehr getrennt sind, sondern unter Seiner Friedensherrschaft ein einheitliches Ganzes bilden. Er wird über alles herrschen, nur nicht über Seine Versammlung: Sie wird mit Ihm herrschen2.

Die Versammlung besitzt schon jetzt das große Vorrecht und den unermesslichen Segen, dass sie sowohl mit Christus vereinigt ist als sie auch zu Ihm gehört und in Christus ist. Welcher Segnungen kann sich die Versammlung doch erfreuen! Gewiss, auch sie hat als verantwortliches Zeugnis Gottes auf der Erde versagt, wie der Mensch in jeder Haushaltung vorher ebenfalls versagt hat. Wir sahen das schon bei der Betrachtung der sieben Haushaltungen in Kapitel 1. Aber in der Fülle der Zeiten, der siebten Haushaltung, wird Christus als Mensch regieren und alle Gedanken Gottes erfüllen, und zwar gerade auf dem Schauplatz, wo Gott durch den Menschen bisher so verunehrt worden ist. In den tausend Jahren der Herrschaft Christi wird die ganze Schöpfung an den Segnungen Seiner Regierung teilnehmen – Segnungen, die nur aus der Gnade Gottes hervorfließen und ebenfalls das vollbrachte Werk Christi am Kreuz von Golgatha zur Grundlage haben. Trauer und Schmerz, das Unterworfensein der Schöpfung unter die Nichtigkeit (Röm 8,20 ff.), die Zeit der geistlichen Blindheit der Volkes Gottes vor alters (Israels) und die Zeit der törichten Regierungen der Nationen werden dann zu ihrem Ende kommen. Auch die Schwachheit der Versammlung, ihre Trennungen und die Macht Satans zur Verführung der Menschen werden nicht mehr sein.

Noch seufzt die ganze Schöpfung, da all diese Dinge noch bei uns sind. Als Folge der Sünde wurde diese Schöpfung allen Arten von Leiden und Krankheiten, ja dem Tod unterworfen. Aber Gott wird all diesem ein Ende bereiten, wenn Christus kommen wird, um über diese leidende Schöpfung zu regieren. In jener Zeit wird der Satan gebunden, werden die Menschen von seiner Knechtschaft und Verführung befreit werden. Dann wird Gott Sein irdisches Volk unter der Führerschaft und dem Königtum des Messias segnen. Er wird auch jede Nation segnen, wenn Er in ihrer Mitte geheiligt werden wird. Auch die Erde selbst wird nicht länger in ihrem heutigen Zustand von Armut und Elend bleiben, sondern der Fluch wird beseitigt werden, und die Wüste wird frohlocken und blühen.

Die ganze gegenwärtige Szene wird verändert werden, wenn Christus zur Quelle und zum Mittelpunkt jeder Segnung gemacht ist. Christus wird als der „Stärkere“ den Starken binden, denn „der Same des Weibes wird der Schlange den Kopf zertreten“. Er ist der Herr des Himmels und der Erden, der als Messias über Sein irdisches Volk und als Sohn des Menschen über alle Nationen der Erde herrschen wird. Diese ruhelose Welt wird dann völlig geheilt werden, wenn der Herr Jesus aus der Verborgenheit hervortreten und jedes Auge Ihn in Seiner Herrlichkeit sehen wird. Dann wird Er auch in Seinen Heiligen, die mit Ihm in Herrlichkeit erscheinen, verherrlicht werden, wird bewundert werden in allen denen, die geglaubt haben (2. Thes 1. 10). Das ist in kurzem der Ratschluss Gottes, das Geheimnis Seines Willens. Sein herrlicher Name sei dafür gepriesen!

Seine Fülle

Nachdem uns in Vers 10 und 11 von Epheser l der Vorsatz Gottes für die Zeit des Tausendjährigen Reiches vorgestellt worden ist, kommt der Apostel in den beiden letzten Versen des Kapitels auf den Leib Christi in seiner absoluten, zeitlosen Beziehung zu sprechen und sagt:

„und hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“ (Verse 22 und 23).

Dass der Herr Jesus einmal über alles herrschen wird, sahen wir schon, aber unterworfen ist Ihm von Gott schon heute alles. Schon heute ist Christus als Sohn des Menschen Haupt über alles, über das ganze Universum, wenn wir es auch noch nicht so sehen (Heb 2,8). Welch ein Gegensatz wird uns hier vor die Herzen gestellt: Unser teurer Herr als Mensch einst im Grabe – jetzt als solcher (nicht als Gott) hoch erhoben! Er ist erhöht worden zur Rechten Gottes in unserer, das ist in der menschlichen Natur, damit wir Menschenkinder an Seiner Erhöhung Anteil haben können. Und diese gesegnete Person ist als Haupt über alles der Versammlung gegeben worden. Wunderbare Gnade!

Hier wird nicht von Christus als dem Haupt der Versammlung gesprochen, obgleich Er das natürlich ist (Kol 1. 18), sondern als dem Haupt über alles. Als solches hat Gott Ihn der Versammlung gegeben. Lasst uns einen Augenblick hierbei verweilen. In Johannes 17 finden wir die Worte „MIR gegeben“. Welch einen Wert müssen wir doch in den Augen des Vaters haben, dass Er uns Seinem geliebten Sohn als Geschenk gibt! Das ist in der Tat unermessliche Gnade.

Aber hier im Epheserbrief heißt es: „der Versammlung gegeben“. Möge Gott unsere Herzen weit und fähig machen, diese Gedanken Seiner Gnade zu erfassen und zu genießen! Was muss doch die Versammlung für das Herz Gottes sein, dass Er ihr diese Person, diesen Gegenstand Seiner Liebe und Seines

Wohlgefallens gegeben hat! Welche Offenbarung der Liebe Gottes! Mehr konnte uns Gott nicht geben als Ihn, der einst all Sein Wohlgefallen tat und den Er als Antwort darauf als Haupt über alles erhöht hat. Der Christ ist nun ein Glied Seines Leibes und ist durch den Heiligen Geist in die innigste Verbindung mit Ihm gekommen, nicht nur, dass er in Ihm Leben fand, sondern dass er sich auch des Eins-Seins mit Ihm erfreut, der das erhöhte Haupt über alles ist.

Wenn Gott auch eigentlich Adam die Herrschaft über alles, was unter ihm war, übertrug, so teilte sie doch Eva nach dem Willen Gottes mit ihm durch ihre Verbindung mit Adam. So teilt auch die Versammlung durch ihre Vereinigung mit dem letzten Adam (1. Kor 15,45), dem Menschen vom Himmel, der jetzt im Himmel ist, all Seine Ihm verliehene Herrlichkeit, teilt Seinen Platz der Herrschaft über alles als Sein Leib, das heißt, sie ist in unzertrennlicher Verbindung mit Ihm. Die Versammlung ist Sein Leib, wir gehören zu Ihm. Wie sollte das unsere Herzen über die gegenwärtige Szene erheben!

Die gesegnete Feststellung, dass Gott Christus als Haupt über alles der Versammlung gegeben hat, macht es notwendig, die Versammlung näher zu beschreiben. Das geschieht in Vers 23: „Welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.“ Lasst uns zunächst festhalten, dass unsere Aufmerksamkeit jetzt zum ersten Mal auf die Versammlung als einen besonderen Gegenstand des göttlichen Ratschlusses gelenkt wird. Was Christus für die Versammlung ist, haben wir schon kurz gesehen. Aber die Versammlung steht auch in einer definitiven Beziehung zu Christus. Wenn daher hier gesagt wird, dass sie „Sein Leib“ sei, so schließt dieser Ausdruck in wunderbarer Weise die unauflösliche Vereinigung und Verbindung mit ein, die zwischen dem Erstgeborenen und den vielen Brüdern besteht. Die Versammlung ist also

  1. der Leib und
  2. die Fülle Christi.

Beide Wahrheiten sind für unseren Verstand nicht fassbar, und doch dürfen wir sie im Glauben ergreifen und uns ihrer Wirklichkeit und Kostbarkeit erfreuen. Wie glücklich dürfen wir uns schätzen, dass wir als Christen es mit der Wahrheit, dem Wort Gottes, zu tun haben! Die geheimnisvolle Einheit von Christus und Seinen lebendigen Gliedern ist eine Wahrheit, die, verwirklichen wir sie im Glauben als eine gegenwärtige Tatsache, eine der wichtigsten Quellen für die Freude der Gläubigen ist.

Zum einen ist es nun ja wahr, dass Christus unsere Fülle als der Herr des Lebens und der Gnade ist. Er ist alles und in allen. Diesen Gedanken finden wir mehr im Kolosserbrief entwickelt. Auf der anderen Seite wird die Versammlung Seine Fülle genannt. Die Versammlung ist also – so dürfen wir mit Ehrerbietung sagen – die Ergänzung des auferstandenen Herrn. Er ist sowohl Gott als auch Mensch. Als Sohn Gottes bedarf Er niemandes, um Seine Herrlichkeit voll zu machen, wohl aber als Mensch. Obwohl Er das Universum mit Seiner göttlichen Herrlichkeit erfüllt, ist Er, wenn die Zeit der Offenbarung hiervon gekommen sein wird, nicht allein, nicht isoliert. Das Haupt ohne Leib wäre unvollständig: Christus wäre ohne die Versammlung in Seiner Auferstehungsherrlichkeit ebenso unvollständig, wie es Adam ohne Eva gewesen wäre. Nun, diese Beziehung der Versammlung zu Ihm, der das Haupt ist, ist ewig: Sie wird immer bestehen bleiben. Das Tausendjährige Reich und unser Anteil an der Herrschaft Christi wird vorübergehen, aber diese Beziehung, dieses gesegnete Eins-Sein mit Christus wird immer und ewig bleiben. Unermessliche Gnade Gottes' Unfassbarer Ratschluss Gottes!

Das ist also der ewige Aspekt des Leibes Christi: Der Herr Jesus will mit den Seinen Seine Herrlichkeit in Ewigkeit teilen. Denn das war der Gedanke Gottes von Ewigkeit her, dass, wenn Sein Sohn dieser gesegnete, verherrlichte Mensch sein würde, Er zu Seiner eigenen Verherrlichung all die Herrlichkeit, die Er als der auferstandene Mensch hat, mit denen teilen sollte, die ihrer Natur nach nichts als arme, verlorene Sünder waren, die aber jetzt mit Christus in der Höhe so innig verbunden sind. Welch ein Trost für unsere Herzen zu wissen, dass Er nicht ohne uns in der Ihm verliehenen Herrlichkeit sein will, dass Er Sein Erbteil nicht ohne uns antreten will und wird! Dann wird des Herrn Gebet in Johannes 17, Vers 24, vollkommen erhört werden: „Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf dass sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt.“ Noch haben wir die Herrlichkeit nicht erreicht, Geliebte, aber wir haben schon das geschmeckt, was besser ist als Herrlichkeit – Seine göttliche Liebe, die uns dorthin bringen wird.

Fußnoten

  • 1 Um irrtümlichen Gedanken vorzubeugen, sei hinzugefügt, dass Gläubige, wenn sie entschlafen, nicht den Heiligen Geist verlieren, als hätten sie keinerlei Verbindung mehr mit Ihm. Die Worte des Herrn Jesus in Johannes 14, Verse 16 und 17. zeigen uns vielmehr das Gegenteil: Er bleibt bei ihnen in Ewigkeit.
  • 2 Die Tatsache, dass auch von den Märtyrern der Drangsalszeit in Offenbarung 20, Vers 4, gesagt wird, dass sie mit dem Christus herrschen, macht klar, dass es sich hier bei dem zweiten Teil des Geheimnisses nicht um die höchste Seite der Vorrechte der Versammlung handelt. Dennoch bleibt die besondere Stellung der Versammlung und ihre Verbindung mit Christus für Zeit und Ewigkeit erhalten.
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