Gottes Rettung
Die Rechtfertigung des Sünders und die Befreiung des Gläubigen

Die Verheißungen Gottes an Israel werden mit seinen Handlungen mit Israel und den Nationen und mit Gnade in Überein-stimmung gebracht

Abschnitt III

Kapitel 9–11

Gottes Verheißungen an Israel

Wir werden feststellen, dass der erste dieser beiden Abschnitte die natürliche Folge dessen ist, was wir bisher betrachtet haben. Denn die Juden würden natürlich fragen, wenn sie hören, dass die Rettung Juden und Nichtjuden gleichermaßen zukomme: „Was ist mit den Verheißungen Gottes an Israel? Wie willst du die mit der Gnade in Übereinstimmung bringen, und zwar mit Gnade, die allen gleichermaßen gilt?“

Um diese Frage zu beantworten, erklärt Paulus zu Beginn, dass nicht alle, die aus Israel sind, Israel sind, und er beharrt auf Gottes göttlichem Vorrecht der Erwählung, indem er dies mit einem Argument belegt – dem jeder Jude zustimmen würde, denn sein Segen hing davon ab – nämlich damit, dass Gott Isaak und Jakob erwählte statt Ismael und Esau. War Gott also darin ungerecht, dass Er eine solche Auswahl traf? Nein, sicherlich nicht, denn in Israels Fall war es so, als ganz Israel außer Mose und Josua versagt und den Tod verdient hatte, dass Gott erklärte: „Ich werde mich erbarmen, wessen ich mich erbarmen werde“ (2. Mo 33,19). Tatsächlich hing alles von dem Erbarmen ab, denn wenn der Herr der Heerscharen ihnen nicht Nachkommen übriggelassen hätte, wären sie wie Sodom gewesen und wären wie Gomorra gemacht worden.

Versöhnt mit der Gnade

Dies also ist der Schlüssel zu einem Abschnitt, der dadurch, dass sie ihn falsch verstanden haben, viele Seelen beunruhigt hat – nämlich, dass, wenn Gott jemanden rettet, es allein auf der Grundlage souveräner Gnade geschieht, nicht auf der Grundlage des Wollens von Menschen, sondern weil Er, als alle verloren waren, einigen Erbarmen erwiesen hat. Und wer sollte es ihm verwehren?

Gnade gilt Juden und Nichtjuden gleich

Würde Gott also seine auserwählende Gnade auf die Juden beschränken? Nein, seine Berufenen stammten auch aus den Nichtjuden, so wie der jüdische Prophet Hosea es verkündigt hatte. Im Endeffekt gelangten die Nichtjuden zur Gerechtigkeit, obwohl sie nicht nach ihr strebten; während Israel Gerechtigkeit nicht durch Glauben sondern durch Gesetz gesucht hatte und über den Stein des Anstoßes eines Messias gestolpert war, der in Erniedrigung gekommen war. Und all ihr Eifer um das Gesetz als ein Mittel zur Gerechtigkeit war vergeblich. Der Gesetzgeber selbst hatte nur versprochen, dass der Mensch, der es hielt, durch es leben sollte; während auf der anderen Seite die Gerechtigkeit, die aus Glauben ist, verkündigt, dass, alles andere als eine Sache menschlicher Errungenschaft, das Wort ihnen nah war in ihrem Mund und in ihren Herzen – nämlich das Wort des Glaubens, das Paulus predigte. Hatte nicht ihr eigener Prophet mit Blick auf die Nichtjuden, die mit Israel am Segen teilhaben, gesagt: „Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden“, „denn jeder, der irgend den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden“, – so schließt er also auch die Nichtjuden durch das allumfassende Wort „jeder“ mit ein. Daneben zeigt der Apostel, dass eben diese Gnade, die er predigte, für die Nichtjuden durch das Gesetz und die Propheten vorhergesagt worden war; denn, während Jesaja über Israel fragt: „Wer hat unserer Verkündigung geglaubt?“, kann er hinzufügen: „Ich bin gefunden worden von denen (den Nichtjuden), die mich nicht suchten.“ Und Mose kann von der Zeit sprechen, wenn Gott sein Volk Israel zur Eifersucht reizen wird durch die, die nicht sein Volk sind; aber zu Israel sagt Gott: „Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt zu einem ungehorsamen und widersprechenden Volk.“

Ist Israel verworfen?

Hatte Gott also Israel verworfen? Sicherlich nicht; denn Paulus selbst war ein Beweis dafür, dass es nicht so war. Elias Fall zeigt ebenso, dass Gott immer, selbst in Ahabs Tagen, seinen auserwählten Überrest hat. Ist Israel also endgültig gestrauchelt? Nein, sondern durch ihren Fall wird den Nichtjuden die Rettung angeboten, um die Juden zur Eifersucht zu reizen. Und wenn der Fall Israels auf diese Weise Reichtum und Segen für die Welt hervorgebracht hat und ihr Verlust der Reichtum der Nichtjuden ist, was wird es erst sein, wenn Israel wiederhergestellt wird, wie es tatsächlich in den letzten Tagen sein wird?

Der Baum des Vorrechts

Der Apostel gibt uns als nächstes im Bild des Ölbaumes einen Überblick über Gottes Handeln entsprechend der Haushaltungen. Nun, dieser Baum der Verheißung oder des Vorrechts befindet sich auf der Erde, und er darf nicht mit der Kirche verwechselt werden, dem Leib Christi, der wesensmäßig und ewig durch den Heiligen Geist mit Christus, dem Haupt im Himmel, verbunden ist, auch wenn er noch auf der Erde ist. Im Bild des Ölbaumes dagegen wird die Frage, was nun wesensmäßig und ewig ist, nicht behandelt, sondern es geht um die, die am Platz des Vorrechts sind, und damit in den Ölbaum eingepfropft wurden.

Die Wurzel des Baums des Vorrechts ist Abraham und Israel stellt die natürlichen Zweige dar, von denen einige abgebrochen wurden, damit die Zweige des wilden Ölbaums (die Nationen) eingepfropft würden. Die Nichtjuden sollen sich darüber aber nicht rühmen, denn Israel war durch Unglauben gefallen. Die Nichtjuden standen durch Glauben: Wenn der versagte, würden auch sie abgeschnitten. Und Israel wiederum, wenn sie nicht im Unglauben verharrten, sollte eingepfropft werden – was wirklich so stattfinden wird; denn wenn die Fülle der Nationen eingegangen ist, wenn die Kirche (in der es weder Juden noch Nichtjuden gibt) von diesem Schauplatz entrückt ist, dann wird es wieder nationale Unterscheidungen geben und Israel wird als Nation, ganz Israel, gerettet werden. Denn der Herr selbst wird kommen, um auf der Erde zu regieren, der Erretter, der die Gottlosigkeit von Jakob abwenden wird. Denn Gottes Verheißungen werden nicht von Israels Versagen berührt. Er wird sie noch segnen, obwohl Er ihr Versagen jetzt zu einem Mittel macht, um den Segen auf die Nationen auszuweiten. Denn Gottes Gaben und seine Berufung sind unbereubar, und Israel wird noch die Verheißungen unter Christus, dem wahren David und Salomo, ererben.

Begnadigung, Gottes allgemeines Prinzip

So stellen wir fest, dass wir Nichtjuden in der vergangenen Zeit nicht an Gott geglaubt haben und Gott dennoch den Unglauben der Juden zum Anlass genommen hat, um seine Begnadigung auf uns auszuweiten. Jetzt aber haben die Juden nicht an die Begnadigung geglaubt, die uns erwiesen wurde (denn so sollte es übersetzt werden), damit Gott im Gegenzug diese Begnadigung zum Anlass nehme, die Begnadigung auf sie auszuweiten. Denn alle, Juden und Nichtjuden, sind in dem Unglauben eingeschlossen, so dass der Segen für alle allein auf der Grundlage von Begnadigung erfolgen möge.

Während Gottes Handeln gemäß der Haushaltungen so vor seinen Augen vorüberzieht und in jedem Fall trotz des Versagens auf Seiten des Menschen durch die souveräne Begnadigung Gottes in Segen mündet, mag sich der Apostel zu Recht über die Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes wundern, die das Versagen des Menschen in Anlässe verwandelt, um seine souveräne Gnade noch völliger darzustellen.

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