Die Heilige Schrift und wie sie redet

II. Der Hauptgedanke der Heiligen Schrift

Die Heilige Schrift und wie sie redet

Gott hat, wie auch jeder menschliche Verfasser einer Schrift, mit Seinem Heiligen Buch einen besonderen Zweck im Auge, und ihn zu kennen ist schon insofern von Wichtigkeit, als der Leser davor bewahrt wird, in der Bibel Dinge zu suchen, deren Mitteilung Gott nicht beabsichtigt hat. Wenn man über den Hauptgegenstand des Wortes Gottes im klaren ist, ist auch die Gefahr geringer, etwas in die Schrift „hineinzulegen“, was sie gar nicht enthält. Bei der Kenntnis großer durchgehender Linien der Heiligen Schrift, ja, einzelner Bücher der Bibel, werden dagegen für den Leser manche Einzelheiten größere Bedeutung erlangen. Dies kann dann auch vermehrte Freude am Worte bewirken.

Im ersten Verse der Bibel (1. Mose 1, 1) wird die Erschaffung der Himmel und der Erde in majestätischen Worten mitgeteilt. Fast alles übrige des ganzen ersten Kapitels berichtet über das Sechstagewerk Gottes; durch dieses Werk wurde die Erde als Wohnstätte für den Menschen hergestellt. Die Erschaffung des Menschen bildet offensichtlich den Abschluß und die Krönung der Schöpfung.

Es wird dann im zweiten Verse gesagt, daß die Erde wüst und leer war, bedeckt mit Finsternis und von tiefen rauschenden Wassern überflutet. Dieser Zustand der Erde machte das göttliche Werk ihrer Wiederherstellung notwendig.

In dem betrachteten kurzen Teile ist einiges in der Darstellungsweise der Schrift sehr auffallend.

  1. Die Erschaffung des Menschen erfolgt nicht in gleicher Weise wie vorher, wo gesagt wird: „Gott sprach. . . und es ward also.“ Vielmehr geht Gott mit Sich zu Rate: „Lasset uns Menschen machen.“ (Das im Neuen Testament enthüllte Geheimnis von drei Personen in der Gottheit – Dreieinheit -liegt hier schon zugrunde.)
  2. „... in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis.“ Hierdurch kündigt Gott an, daß der Mensch Sein Stellvertreter auf der Erde sein sollte (Bild), und ferner, daß Er ihm die notwendigen Fähigkeiten dazu gegeben hatte (Gleichnis, d. h. Ähnlichkeit).
  3. In Vers 27 wird von der Erschaffung des Menschen nicht weniger als dreimal gesprochen. „Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn; Mann und Weib schuf er sie.“ Der Mensch ist offensichtlich das wichtigste Geschöpf in Gottes Sechstagewerk.
  4. Gott erteilt dem Menschen nicht nur die Aufgabe, über die Tiere und „über die ganze Erde“ zu herrschen, sondern erwies ihm auch Seine Fürsorge, indem Er ihn in den Garten Eden setzte (Kap. 2), wo er von jedem Baume des Gartens – bis auf einen – „nach Belieben essen“ durfte. Gottes Güte hatte reichlich vorgesorgt.

Betrachten wir dies alles, so erkennen wir deutlich, daß Gott sich mit dem Menschen beschäftigen wird, und zwar als Ihm verantwortlich.

Denn jedes denkende und mit Willen begabte Geschöpf ist Gott selbstverständlich verantwortlich. Der Mensch ist in dieser Hinsicht das höchste Wesen auf der Erde. Der Grundsatz seiner Verantwortlichkeit wird sich also durch die ganze Schrift hindurchziehen.

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Bereits im 2. Kapitel, im Garten Eden, finden wir den Menschen unter Verantwortlichkeit gestellt. Bei der reichen Fülle von Früchten durfte er jedoch von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen nicht essen. Die Folgen der Übertretung dieses Gebotes würden furchtbare sein: „Denn welches Tages du davon issest“, sagt Gott, „wirst du gewißlich sterben“ (V. 17). Verführt durch Satan, „die alte Schlange“, fiel der erste Mensch in Übertretung, war unter die Macht Satans und des Todes geraten, d. h. er wurde sterblich, dem Tode verfallen, denn dieser war sein unausweichliches Los geworden. Durch diesen Zustand ist auch der Leib des Menschen mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen worden. Im Schweiße seines Angesichts soll Adam dem um seinetwillen verfluchten Erdboden mühsam den Ertrag abringen. Das Schlimmste aber von allem: die Gemeinschaft mit Gott war unterbrochen! Seiner Gerechtigkeit entsprechend hätte Gott den Übertreter sofort der Gottesferne, der Verdammnis, überantworten können. Er tat es nicht, Er bekleidete ihn vielmehr mit Röcken von Fell, ja, Er verhieß sogar den Erlöser und Sein Erlösungswerk! „Er (der Same des Weibes) wird dir (der Schlange) den Kopf zermalmen, und du, du wirst ihm die Ferse zermalmen“ (Kap. 3, 15). Es ist das erste Wort, das Gott über das Opfer des Herrn Jesus am Kreuz von Golgatha sprach! Der Teufel, der die Macht des Todes hat (Heb 2, 14), mußte besiegt werden, wenn der Mensch aus seiner Botmäßigkeit errettet werden sollte. So zeigt Gott schon jetzt, was zu tun Seine Absicht war.

Unter den Nachkommen Adams sehen wir sich zwei Familien bilden: die Familie des Glaubens und die Familie der Welt. Die Linie des Glaubens wird von Adam über Seth (= Ersatz, anstelle Abels) und He- noch, der 300 Jahre mit Gott wandelte und dann entrückt wurde, und Noah und bis zu Abraham geführt. Dabei wird Adam in direktem Zusammenhang in dem folgenden Geschlechtsregister genannt (1. Mose 5, 3 ff.). Dies ist im Blick auf Kain und seine Nachkommen nicht der Fall. Es ist klar, daß Kain Adams Erstgeborener war, aber das Haupt des Menschengeschlechts, „der erste Mensch“, wird nicht mit der Familie der Welt in Zusammenhang gebracht. Bedeutsame, nicht auf der Oberfläche liegende Darstellungsweise der Schrift! Der Geist Gottes will zeigen, daß Adam zu der Linie des Glaubens gehört. Kain, der Mörder seines Bruders Abel, und die nachfolgenden Geschlechter machen sich das Leben ohne Gott angenehm. Das kennzeichnet die Welt zu allen Zeiten. Schließlich war „des Menschen Bosheit groß“ auf der Erde. Verderben und Gewalttat mehrten sich. Gott brachte die große Flut über die ganze Erde. Alle Menschen und die Tiere kamen in den Wassern um. Noah baute auf Geheiß Gottes eine Arche „zur Rettung seines Hauses“. So wurden Noah und seine Familie und die sich bei ihm in der Arche befindenden Tiere gerettet.

Die Erde wurde von den drei Söhnen Noahs nach und nach bevölkert. Später trat der Hochmut der Menschen zutage. „Sie sprachen: Wohlan, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm, dessen Spitze an den Himmel reiche, und machen wir uns einen Namen, daß wir nicht zerstreut werden über die ganze Erde“ (1. Mose 11, 4). Sie hatten „alle eine Sprache“, und Gott verwirrte ihre Sprache, so daß einer des anderen Sprache nicht verstand. „Und Jehova zerstreute sie von dannen über die ganze Erde; und sie hörten auf, die Stadt zu bauen. Darum gab man ihr den Namen Babel“ (Verwirrung). Gott durchkreuzte die ehrgeizigen Pläne des Menschen. Nur Verwirrung und Zerstreuung war die Folge von allem.

Aber nun sehen wir in der Darstellungsweise des Wortes Gottes wieder etwas sehr Auffälliges: das Tempo der Berichterstattung wird plötzlich ganz langsam, so langsam, daß die ersten 11 oder genauer 9 Kapitel (3–11) etwa einen gleichgroßen Zeitraum umfassen wie die ganze übrige Bibel zusammen, nämlich rund 2000 Jahre. (Hierbei ist nicht der Inhalt, sondern der geschichtliche Ablauf der Berichterstattung gemeint.) Und wenn man fragt: Was kommt dann? so lautet die Antwort: die Geschichte der drei Erzväter des Volkes Israel und die Geschichte Josephs. Die Berichte über die vier Männer nehmen gut 4/5 des Raumes vom ganzen ersten Buche Mose ein! Diese Tatsache weist deutlich darauf hin, daß sich das Wort Gottes nun mit der Geschichte Israels befassen wird.

Gott wählte das Volk Israel unter allen Völkern für Sich aus, Sein Eigentum zu sein, wenn es fleißig auf Seine Stimme hören und Seinen Bund halten würde (2. Mose 19, 5). Das auserwählte Volk war also unter Verantwortung gestellt. In völliger Verkennung seiner Unfähigkeit, das Gute zu tun und das Böse zu meiden, unterwirft sich das Volk der Forderung Gottes und stellt sich auf den Boden der Verantwortlichkeit. „Da antwortete das ganze Volk insgesamt und sprach: Alles, was Jehova geredet hat, wollen wir tun! Und Mose brachte die Worte des Volkes zu Jehova zurück“ (V. 8).

So beginnt denn Gott mit dem 2. Buch Mose die Schilderung Seiner Wege mit Israel als einem mit Ihm in Verbindung stehenden, Ihn kennenden und Ihm gehörenden Volk. Aber schon nach der Austeilung des Landes muß Josua das Volk auffordern: „So tut nun die fremden Götter hinweg, die in eurer Mitte sind, und neiget euer Herz zu Jehova, dem Gott Israels“ (Jos 24, 23). Wieviel Mühe machte sich Gott mit dem immer wieder irrenden, abtrünnigen Volk, um es zu Sich zurückzuführen! Man kann die Berichte über Gottes Bemühungen um das Volk nicht ohne innere Bewegung lesen!

So enthält das Alte Testament vornehmlich, als Hauptlinie, die Geschichte der Wege Gottes mit Seinem irdischen Volke, mit Israel, seine Beiseitesetzung und Verwerfung auf dem Boden des Gesetzes, von Gott dahingegeben unter die Herrschaft der Nationen.

Vorher hatte Gott nach Ablauf der von Jeremia geweissagten 70jährigen Babylonischen Gefangenschaft des Zwei-Stämme-Reiches Juda in Gnaden einen kleinen Teil in das Land der Väter zurückgebracht. Aber auch diese wenigen blieben nicht treu, so daß Gott dem Volke nach Maleachi keine Propheten mehr sandte. Bis zur Geburt des Herrn Jesus währten die bekannten „400 Jahre des Schweigens“; ernste Tatsache: Gott redet nicht mehr!

In den Büchern Daniel, Esra und Nehemia nennt sich Gott den Gott des Himmels. Im Buche Esther wird Gott überhaupt nicht mehr erwähnt, Er wirkt gleichsam hinter der Szene. Wir lesen zwar nichts von Götzendienst bei dem Volke, schon vorher wird nichts davon gesagt. In den Evangelien wird nur einmal von Göttern gesprochen, der Herr Jesus tut es. Er zitiert eine Stelle aus den Psalmen, wo die Richter so genannt werden (Joh 10, 34).

Dennoch waren die aus der Gefangenschaft Zurückgekehrten in einem schlechten Zustand. Ein Geist der Gleichgültigkeit und des Widerspruchs gegen Gottes Wort kennzeichnete sie, so daß sie Jehova, ihren Gott, verachteten. Gott sagt ihnen durch den Propheten Maleachi: „Ich habe euch geliebt, spricht Jehova; aber ihr sprechet:,Worin hast du uns geliebt?'... Ihr Priester ... sprechet: Womit haben wir deinen Namen verachtet?“ Sie brachten Blindes, Lahmes und Krankes als Opfergabe für ihren Gott dar, so daß Jehova ihnen zuruft: „Bringe es doch deinem Landpfleger dar: wird er dich wohlgefällig annehmen?“ (Kap. 1, 2. 6. 8). Das Volk und seine Priester widersprechen allem, was Gott sagt. „Eure Worte sind trotzig gegen mich gewesen, spricht Jehova“, ja, sie sagen sogar: „Vergeblich ist es, Gott zu dienen, und was für Gewinn, daß wir seiner Hut warteten?“ (Kap. 3, 13. 14). Es ist derselbe Geist, der Geist des Widerspruchs (Heb 12, 3) und der Verachtung (Jes 53, 3), der gut 400 Jahre später dem Herrn Jesus in den Schriftgelehrten und Pharisäern entgegentrat.

Eng verwoben mit der betrachteten Hauptlinie der Geschichte der Wege Gottes mit Seinem irdischen Volke ist eine andere von der ersten nicht zu trennende Linie, die besonders seit den Tagen des Verfalls deutlich hervortritt: Gottes Beschäftigung mit den Treuen, und wenn es auch nur wenige sind, wenn es nur ein Überrest ist. Gott hat zu allen Zeiten auf der Erde ein Zeugnis gehabt, und darin erblicken wir Seine Treue, indem Er Seine Verheißungen wahrmacht. Gottes Tun mit den Gläubigen ist nur Gnade. Niemand von ihnen wird jemals eigene Verdienste hervorheben, sondern jeder nur Gottes Gnade, Treue und Langmut rühmen.

Es war Gnade, daß Gott dem untreuen Volke Richter und Befreier, wie z. B. Gideon, Simson und Samuel sandte. Es war nichts als Gnade, daß Er dem Volk, das allein unter der unmittelbaren Regierung Gottes stand und das einen König begehrte, einen David und einen Salomo als Herrscher gab. Nach vielen Abtrünnigkeiten der ganzen Nation schenkte Gott dem Reiche Juda in Gnaden Erweckungen unter den gottesfürchtigen Königen Hiskia und Josia. So wird selbst in den Zeiten des Niederganges immer wieder Gottes Langmut und Gnade offenbar.

Auch in den Tagen des letzten Propheten gab es einen Überrest. Wir lesen in Maleachi 3, 16: „Da unterredeten sich miteinander, die Jehova fürchten, und Jehova merkte auf und hörte; und ein Gedenkbuch ward vor ihm geschrieben für die, welche Jehova fürchten und welche seinen Namen achten.“ Mit welchem Wohlgefallen blickte Gott auf diese Treuen, daß Er ein Gedenkbuch für sie schreiben ließ! Wie ermunternd und tröstend ist es auch für alle, die in den Tagen des Niedergangs des christlichen Zeugnisses das Wort des Herrn treu bewahren und Seinen Namen nicht verleugnen wollen!

Selbst als der Sohn Gottes auf die Erde kam, fand sich inmitten des Volkes ein Überrest: die Hirten auf dem Felde, Joseph und Maria, der greise Simeon und die Prophetin Anna samt „allen, welche auf Erlösung warteten in Jerusalem“ (Lk 2, 38). Auch Nathanael gehörte zu ihnen.

Und die übrigen? Als die Magier von fernem Land nach Jerusalem kamen und fragten: „Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? denn wir haben seinen Stern im Morgenlande gesehen“, sagt die Schrift weiter: „Als aber der König Herodes es hörte, wurde er bestürzt, und ganz Jerusalem mit ihm“ (Mt 2, 2. 3). Statt Freude oder doch Hoffnung Erschrecken in der Stadt, die der Mittelpunkt der Frömmigkeit und Sitz des Judentums war! In der Stadt, die später ihren Messias nicht in ihren Mauern dulden wollte, sondern den Herrn der Herrlichkeit ans Kreuz schlug!

So hatten denn die Wege Gottes mit dem Menschen, insbesondere mit Israel, das völlige Verderben Seines Geschöpfes offenbart. Dies aber gab der Gnade Gottes Veranlassung, sich des schuldbeladenen Menschen anzunehmen. Statt ihn der Verdammnis anheimfallen zu lassen, wollte Er ihn retten. Die Pläne dazu hatte Gott schon in der Ewigkeit, vor Grundlegung der Welt, beschlossen; sie sollten durch die Person des Sohnes Gottes, der bereit war, auf die Erde zu kommen, ausgeführt werden. Dieser neue Weg wurde beschritten: „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe“ (Gal 4. 4).

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Bei dem Neuen Testament angekommen, sei noch ein Vergleich mit dem Alten Testament angestellt, und zwar jeweils bezügl. des Anfangs und des Endes. Das Alte Testament beginnt: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“; es schließt mit den Worten: „. . . auf daß ich nicht komme und das Land mit dem Banne (od. Fluche) schlage.“ Also das Alte Testament fängt mit Gott an und endet mit Fluch. Das Neue Testament beginnt: „Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams“; es schließt mit den Worten: „Die Gnade des Herrn Jesu Christi sei mit allen Heiligen!“ Das Neue Testament fängt also mit Jesus Christus an und endet mit Gnade. Dieser Unterschied kann nicht größer sein und ist bezeichnend dafür, daß der sündige Mensch von Fluch und Gericht nur durch die Person des Erlösers Jesus Christus befreit und Gnade und Segen empfangen kann. Die Wege Gottes mit dem Menschen nahmen daher im Neuen Testament in Christo Jesu einen völlig neuen Charakter an.

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Der zweite Mensch

Das Erlösungswerk des Herrn Jesus auf Golgatha erlaubt Gott nun, in einer ganz neuen Weise mit dem Menschen zu handeln. Wir sehen dieses Neue verdeckt auch im Alten Testament angedeutet.

Bei Beginn der Ernte sollte der Priester die Erstlingsgarbe, ein Bild von dem als Erstling auferstandenen Christus, vor Jehova weben, und zwar „am anderen Tage nach dem Sabbath“ (3. Mose 23, 11). Dieser „andere“ Tag war also ein 8. Tag. Für das Pfingstfest, ein Bild von der Ausgießung des Heiligen Geistes, gebot Gott: „Und ihr sollt euch zählen vom anderen Tage nach dem Sabbath, von dem Tage, da ihr die Webe-Garbe gebracht habt: es sollen sieben volle Wochen sein. Bis zum anderen Tage nach dem siebenten Sabbath sollt ihr fünfzig Tage zählen“ (V. 15. 16). Wieder „der andere Tag nach dem Sabbath“! Er spielt also eine große Rolle. Nach der alten Zählweise ist er der 8. Tag, aber nach der neuen Ordnung, die später gelten sollte, ist es der 1. Tag der Woche, unser heutiger Sonntag; es ist der Tag des Herrn. In den obigen Beispielen aus dem 3. Buch Mose ist es bezeichnend, daß sowohl die Auferstehung des Herrn Jesus als auch das Herniederkommen des Heiligen Geistes auf die Erde an einem ersten Wochentage erfolgte.

Die Zahl 8 ist die Zahl eines neuen Anfangs. So haben wir es einige Male in der Schrift, z. B. in der Geschichte Noahs. Nach der großen Flut verließ Noah mit seiner Familie, also „wenige, das ist acht Seelen“ (1. Pet 3, 20), auf Befehl Gottes die Arche. Die gereinigte Erde bedeutet einen neuen Anfang. Mit 8 Personen begann Gott Seinen Weg mit den Menschen aufs neue.

Die Geschichte des Menschen wird mit dem Herrn Jesus, dem „zweiten Menschen“ (1. Kor 15, 47), neu, auf anderer Grundlage, begonnen. Der Sohn Gottes, „das Wort“, ward Fleisch, wahrhaft Mensch, geboren von einem Weibe, geboren unter Gesetz, um – welch unbegreifliche Gnade! – als Mensch das ganze Gericht Gottes anstelle des Übertreters auf Sich zu nehmen. Auch in den Tod ging der gnadenreiche Erlöser, um dem die Macht zu nehmen, der die Macht des Todes hat, und Menschen aus seiner Gewalt befreien zu können. So wird nun Juden und Heiden zugerufen: „Die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen“ (Tit 2, 11). Jeder kann ein volles Heil, Vergebung all seiner Sünden und ewiges Leben umsonst erhalten. Auch allen, die „im Glauben gestorben“ sind (Heb 11, 13), konnten die kostbaren Ergebnisse des Werkes Christi zugerechnet werden, denn Gott sah stets dieses wichtige Werk vor Sich, da bei Ihm Gegenwart und Zukunft eins sind. Einen anderen Weg, Gott zu nahen, als die Gnade gibt es nicht; alles eigene Bemühen ist vergeblich und eine Verachtung der Gnade Gottes. Wie könnte jemand dem Gericht Gottes entgehen?

So ist die Person und das Werk des Mensch gewordenen Sohnes Gottes, des Herrn Jesus Christus, der Hauptgegenstand des Wortes Gottes, vornehmlich im Neuen Testament enthalten. Die notwendigen Ermahnungen und Belehrungen über Gesinnung, Wandel und Segnungen des Christen schließen sich an; ebenso auch die Offenbarungen über die himmlische Bestimmung des Gläubigen, für ewig bei seinem Herrn zu sein. So wird dem Pilger zugerufen: „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kol 1, 27).

Bei der Betrachtung der Wege Gottes mit dem Menschen, wie sie im Neuen Testament offenbart sind, kann unmöglich ein Hauptgegenstand übersehen werden: die Versammlung (Kirche, Gemeinde) des lebendigen Gottes. Sie besteht aus allen wahren Gläubigen – die zahlreichen leblosen christlichen Bekenner gehören nicht zu ihr aus denen, die auf Grund von Buße und Glauben an das sühnende Blut Christi Lebensgemeinschaft mit Ihm besitzen. Die Versammlung ist für Gott der wichtigste Gegenstand auf der Erde. Christus hat die Versammlung geliebt, Sich selbst für sie hingegeben (Eph 5, 25), der Heilige Geist hat sie am Pfingsttage gebildet (Apg 2) und wirkt seither durch die Gaben in ihrer Mitte zu ihrem Nutzen (1. Kor 12, 11; Eph 4, 12). Die Versammlung ist die himmlische Braut Christi, sie wird in Offenbarung 19,7 Sein Weib und in Kap. 21, 9 „die Braut, das Weib des Lammes“ genannt. So wird sie, die Gott Seinem Sohne gegeben hat, Seine zukünftige Herrlichkeit mit Ihm teilen. Zu welch hoher Stellung, in welche innige Beziehung ist doch die Versammlung gebracht! Niemand sonst als nur der Versammlung, dem Leibe Christi (Seinen Gliedern), wird die Liebe des Herrn Jesus in einem solchen Ausmaß zuteil. Ein großer Teil des Neuen Testaments handelt von ihr, von denen, die sie bilden, und von ihrem Haupte: Christus.

Die Wege Gottes mit dem Menschen erreichen mit der Versammlung ihren Höhepunkt. Sie ist, wie auch die ganze christliche Haushaltung überhaupt, im Alten Testament nicht geoffenbart worden. Die christliche Zeit ist eine spätere Einschiebung. Wenn wir sagen: eine „spätere“, so betrifft dies nur den zeitlichen Ablauf der Ereignisse auf der Erde, denn in den Ratschlüssen Gottes war die Versammlung schon vor Grundlegung der Welt beschlössen (Eph 1, 4).

Wenn die Gläubigen bei dem Herrn sein, also ihr himmlisches Ziel erreicht haben werden, brechen die Gerichte über diese Erde herein, kommt die Stunde der Versuchung, „um die zu versuchen, welche auf der Erde wohnen“ (Off 3, 10), „es ist eine Zeit der Drangsal für Jakob“ (Jer 30, 7). Das in das Land zurückgekehrte jüdische Volk wird wegen seiner Abtrünnigkeit gerichtet werden. Gott benutzt diese große Drangsal, „dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt hin nicht gewesen ist, noch je sein wird“ (Mt 24, 21), dazu, den Überrest aus Seinem Volke durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes zu bilden. Der Überrest wird den verheißenen Messias erwarten und als Seine Boten das kommende Reich ankündigen.

Wenn der Sohn des Menschen am Ende der Drangsalsperiode erscheint, wird der Überrest Ihn als seinen König erkennen, den die Juden einst getötet hatten. „Sie werden den anschauen, welchen sie durchstochen haben“ (Joh 19, 37). Dies wird bei dem Volke der Juden große Trauer bewirken (Sach 12, 10 ff.), nachdem Gott den Geist der Gnade und des Flehens über das Haus Davids und über die Bewohner von Jerusalem ausgegossen haben wird. So wird der Überrest aus Juda und schließlich ganz Israel für die Aufnahme ihres Königs zubereitet sein.

Wie wunderbar! Gott weiß die Strafe über die schuldige Nation und die Wiederherstellung eines Teiles von ihr durch dieselben Ereignisse herbeizuführen.

Seine Weisheit fand einen Weg, die dem Abraham gegebenen Verheißungen (1. Mose 15, 5–7; 12, 2) zu erfüllen. War es Gott nicht möglich, den unter Gesetz und damit unter Verantwortlichkeit stehenden Menschen zu segnen, dann auf dem Boden freier Liebe und Gnade. Gott hält Sein Wort, sei es zum Guten oder zum Bösen, sei es zum Segen oder zum Gericht. Er kann durch niemand und durch nichts an der Durchführung Seiner Absichten gehindert werden. Dies ist eine Seiner majestätischen Herrlichkeiten.

In der großen Drangsalszeit werden auch die übrigen Völker gerichtet werden. Der Sohn des Menschen, Christus, wird jeden Widerstand gegen Sich brechen und Sich alle Feinde unterwerfen. Er wird dann Sein 1000jähriges Friedensreich aufrichten und inmitten Seines Volkes, das am Tage Seiner Macht voller Willigkeit sein wird, von Jerusalem aus über die ganze Erde herrschen. Himmel und Erde werden in Verbindung stehen, so daß der Traum Jakobs (1. Mose 28) erfüllt sein wird.

Diese 1000jährige Segenszeit wird aber den Menschen nicht verändert haben. Der Teufel verführt die Nationen und versammelt sie zum Krieg wider den Herrn und die Heiligen und die geliebte Stadt. Dann wird Satan, der Urheber alles Bösen, in den Feuer-und Schwefelsee geworfen. Er hat damit sein gerechtes und endgültiges Gericht empfangen.

Alle, die nicht zu der ersten Auferstehung gehören, werden auferstehen zum Gericht. Vor dem großen weißen Thron werden sie stehen und alle ihre gerechte Strafe bekommen. Der Weltenrichter wird der sein, der ihr Retter sein wollte, Jesus Christus. Sie werden ebenfalls in den Feuersee geworfen; damit werden sie an dem Orte der Qual sein, wo schon Satan sein wird. Sie dienten ihm hier auf Erden und wollten sich von seiner Macht nicht befreien lassen, so müssen sie auch sein Los in Ewigkeit teilen. Welch erschreckender Gedanke! Sollte er die Jünger des Herrn nicht mehr antreiben, Ungläubige zum Herrn zu führen mit allem Eifer, „beschuht an den Füßen mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens“ (Eph 6, 15)?

Wenn der Herr sich auf den großen weißen Thron gesetzt hat, um die Toten zu richten, werden Himmel und Erde vergehen (Off 20, 1). Sie werden, in Feuer geraten, mit gewaltigem Geräusch vergehen (2. Pet 3, 12. 10).

Der Seher sieht dann „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Off 21, 1). In ihnen wird sich keine Verunreinigung mehr finden. Der Gedanke hegt nahe, daß die neuen Himmel und die neue Erde von höherer Ordnung und größerer Herrlichkeit sein werden. Damit hat der ewige Zustand angefangen. Er wird nie enden! „Durch Ihn“, Christus, sind „alle Dinge“ mit Gott „versöhnt“ (Kol 1, 20). Eine volle Harmonie wird Himmel und Erde erfüllen und zur Herrlichkeit ihres Urhebers sein.

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„Mit kurzen Worten geschrieben“

Der Haupt- und Zielgedanke des Wortes Gottes ist die Darstellung der Wege Gottes mit dem in Sünde gefallenen Menschen. Auch als Gott die gereinigte Erde nach der Flut sich durch die Familie des gerechten Noah bevölkern ließ, zeigte sich großes Verderben unter den Menschen. Mit dem von Gott auserwählten Volke Israel, das Er aus der Macht Pharaos errettete und reichlich segnete, indem Er ihm das verheißene Land gab, hatte Gott viel Mühe. Obgleich Er „vielfältig und auf mancherlei Weise ehemals ... in den Propheten“ redete (Heb 1, 1), war das Volk im ganzen nicht von seiner Hartnäckigkeit und seinem Sündenwege abzubringen. Gott hat Israel wegen seiner Gesetzlosigkeit beiseite gesetzt und die Herrschaft den Nationen übergeben. Da tat Gott ein Letztes, etwas ganz Besonderes. Er sandte Seinen Sohn, den lange zuvor verheißenen König, zu dem kleinen Überrest des Volkes, der unter römischer Herrschaft im Lande war. Dessen einzige Antwort war die Kreuzigung ihres Messias'.

So hat sich der unter Verantwortung stehende Mensch immer wieder als unverbesserlich und Feind Gottes erwiesen; seine Bosheit war groß, „und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens war nur böse den ganzen Tag“ (1. Mose 6, 5); „von der Fußsohle bis zum Scheitel ist nichts Gesundes an ihm“ (Jes 1, 6).

Dennoch hatte Gott stets ein Zeugnis auf Erden gehabt, im Alten Testament und im Neuen Testament. Auf die Gottesfürchtigen und Gerechten blickt Gott, wie geschrieben steht: „Denn Jehovas Augen durchlaufen die ganze Erde, um sich mächtig zu erweisen an denen, deren Herz ungeteilt auf ihn gerichtet ist“ (2. Chr 16, 9). Das Wirken des Herrn mit ihnen gehört auch zu dem Hauptgegenstand der Heiligen Schrift.

Der gekreuzigte Jesus Christus vollbrachte das Erlösungswerk zur Rechtfertigung Gottes, indem Seine Forderung an den Menschen bezüglich seiner Sünden erfüllt wurde. Dies Werk ist die Grundlage dafür, daß Gott Seine Gnade zu allen Menschen überströmen lassen kann. Die sie annehmen, werden errettet und empfangen eine Fülle von Segnungen. Sie sollen würdig wandeln der Berufung, mit welcher sie berufen worden sind. Sie alle zusammen bilden die Versammlung Gottes. Der Heilige Geist, der sie zu einem Leibe zusammengefügt hat, wohnt und wirkt in ihr und den einzelnen Gliedern, die in anderer Hinsicht auch die Braut Christi genannt werden. Sie ist in ein so inniges Verhältnis zu Ihm gebracht, daß Sein nächstes Kommen nur ihr gilt, um sie einzuführen in die Herrlichkeit des Himmels, damit sie auf immer bei Ihm sei. Die Erfüllung der Ratschlüsse Gottes hinsichtlich der Versammlung stellt das Höchste aller Wege Gottes mit Menschen dar.

Den Abschluß des Handelns Gottes mit ihnen bilden die verschiedenen Gerichte, die 1. wegen der Offenbarung des Wesens Gottes notwendig und 2. infolge der Verantwortung und des Versagens des Menschen unerläßlich sind. Der zuerst genannte Grund macht auch die Mitteilung der Erschaffung der neuen Himmel und der neuen Erde notwendig. Denn es ist mit der Ehre und der Würde Gottes völlig unvereinbar, daß Gott bei der Verwirklichung irgendeiner Absicht steckenbleiben und nicht zu Seinem Ziele kommen sollte.

Beim Wirken Gottes im Blick auf die Schöpfung sowohl als auch bei Seinem Tun mit dem Menschen sind viele Wesenszüge, viele Seiner Herrlichkeiten zutage getreten. Sie kennenzulernen, besonders nachdem Gott Sich in Seinem Sohne geoffenbart und den Heiligen Geist gesandt hat, ist eine der ersten Hauptaufgaben des Christen und die ständige Absicht des Verfassers der Bibel, des Heiligen Geistes.

In und bei Gott sind Macht, Stärke, Unumschränktheit, Licht, Weisheit, Erkenntnis, Einsicht, Liebe, Gnade, Güte, Erbarmen, Langmut, Freude, Friede, Ruhe, Beständigkeit, „keine Veränderung, noch eines Wechsels Schatten“. Wer könnte je die Fülle Gottes ermessen oder beschreiben! „In welchem verborgen sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unausspürbar seine Wege!... Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.“ (Kol 2, 3; Röm 11,33.36.)

Wer kann Deine Größe nennen
und Dein Wundertun verstehn!

Wer kann, wie Du bist, Dich kennen
und in Deine Tiefen sehn!

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