Betrachtung über den Propheten Sacharja (Synopsis)

Kapitel 11-12

Betrachtung über den Propheten Sacharja (Synopsis)

Der Geist knüpft hier an die Gerichte an, welche auf die Verwerfung des Messias folgen würden, und gibt genauere Angaben betreffs dieser Verwerfung sowie der daraus entstehenden besonderen Umstände der letzten Tage. Es ist die Geschichte Israels in seinem Verhältnis zu Christo.

Ich glaube, daß der Anfang von Kapitel 11 von dem Einfall der Nationen in Israel handelt. In den ersten drei Versen finden wir ein Bild von dem allgemeinen Zustand des Landes. Im 4. Verse nimmt Jehova Sich der Lage Seiner ausgeplünderten Herde an. Ihre Käufer aus den Nationen behandelten sie nur wie einen Raub. Ihre eigenen Hirten verschonten sie nicht. Obwohl nun Jehova die Nation den Folgen ihrer Ungerechtigkeit preisgibt, so ist Er doch von Mitleid über die Elenden der Herde bewegt und trägt Sorge für die Unterdrückten. Es ist derselbe Geist, welchen wir bei Christo während Seines Lebens inmitten Israels wahrnehmen.

Durch die zwei Stäbe wird die Machtvollkommenheit Jehovas dargestellt, um sowohl alle Nationen unter Seiner Oberhoheit zu vereinigen als auch Juda und Israel in eins zusammenzufügen - welche doppelte Wirkung durch die Gegenwart Christi hervorgerufen wird. Indessen werden die Hirten Israels vertilgt, und Christus, der voll Kummer über das böse, verderbte Volk und selbst von ihnen verworfen ist, überläßt sie nun sich selbst und den Folgen, ihres Verhaltens. In Übereinstimmung damit verzichtet Er für jene Zeit darauf, die Nationen als Sein Erbteil zu empfangen, da Er in Israel dasselbe antreten soll. Die Elenden der Herde haben jedoch erkannt, daß durch Ihn und Sein Auftreten das prophetische Wort erfüllt worden ist; sie haben nicht darauf gewartet, daß der Messias Seine Herrlichkeit in Israel öffentlich kundtun würde, sondern haben sich Seiner Person angeschlossen, da sie aus den Beweisen, die Er ihnen gab, erkannten, daß Er von Gott gesandt war. Wie mir scheint, bezieht sich dies sowohl auf die Tage des Wirkens der Apostel in Israel als auch auf die Zeit des Lebens Christi hienieden. In der Weissagung wird nur von der Tatsache selbst gesprochen. Die Verse 12 und 13 berichten von dem Preise, dessen die Nation ihren König und ihren Heiland für wert geachtet hat. Jedermann weiß, wie diese Worte in Erfüllung gegangen sind. Der Prophet führt hier die Sache in prophetischer Weise aus und deutet damit an, daß nach den Ratschlüssen Gottes es tatsächlich so geschehen sollte. Außerdem ist ersichtlich, daß Christus hier als Jehova Selbst erscheint. Diese Wahrheit tritt klar hervor, wenn man den Zusammenhang von Vers 6 und 9 betrachtet. Die Gedanken Jehovas betreffs dessen, was Er zu tun beabsichtigt, kommen in der Person Jesu zur Ausführung. Auch die Vereinigung von Juda und Israel, deren verbindendes Band Christus sein sollte, wird hinausgeschoben. In den Versen 15 - 17 sehen wir, wie der Prophet das Gerät eines törichten Hirten nehmen muß, um so das Verhalten des Antichristen vorbildlich darzustellen (wie vorher das Tun des Judas) und um auf diese Weise das Auftreten des törichten Hirten anzukündigen, welchen Gott dem Volk zum Gericht erwecken und den selbst das verdiente Gericht treffen würde. Christus kam in dem Namen des Vaters; Er wurde nicht aufgenommen. Ein anderer würde, wie Er sagt, in seinem eigenen Namen kommen, und ihn würde das Volk aufnehmen.

Der Hinweis auf den Antichristen als einen Hirten 1 in Israel führt auch dazu, der Ereignisse zu gedenken, die sich in den letzten Tagen um Jerusalem zusammendrängen werden. Alle Nationen werden sich um Jerusalem versammeln, doch nur um in ihm einen Laststein zu finden, der sie zermalmen wird. Gott will die Macht des Menschen richten, Sein Volk aber in Seiner unumschränkten Gnade emporheben. Die gegen Jerusalem heraufgezogenen Nationen wird Er vertilgen. Indes erfolgt die Befreiung des Volkes durch die Macht Jehovas zunächst. Das ist eine unumschränkte Gnade, die dem ersten der Sünder, dem schwachen, aber trotzdem geliebten Juda, zuteil wird, welches zu all seiner Empörung gegen Gott noch das hinzugefügt hatte, daß es seinen König und Heiland verachtete und verwarf.

Die Gnade Gottes übernimmt die Leitung aller Hilfsquellen des Menschen. Die Frechheit der Feinde des Volkes Gottes erregt Seine Zuneigungen, die sich nie verringern, und so dient gerade diese Frechheit, indem sie Gott veranlaßt, handelnd aufzutreten, dazu, die Treue Seiner Liebe an den Tag zu legen. Juda, das schuldbeladene und doch geliebte Juda, wird errettet - das will sagen: der Überrest, für den die Bedrängnis Israels eine Last gewesen war; indessen muß die Frage, wie sie sich Gott gegenüber verhalten hatten, noch erörtert werden. Dessenungeachtet hat die Gnade, die sich in ihrer Befreiung gezeigt hatte, auf ihre Herzen gewirkt. Das Gesetz war in dieselben geschrieben. Das Bewußtsein, von einem Gott geliebt zu werden, gegen den man sich in so weitgehendem Maße empört hat, macht das Herz schmelzen. Darauf geht die Gnade weiter und stellt dem Volke den Messias vor Augen, welchen sie durchbohrt hatten. Der Verworfene ist kein anderer als der Jehova, welcher sie rettet. Jetzt handelt es sich nicht länger nur um ein Schreien in der Not, wobei Jehova die einzige Zuflucht ist; vielmehr ist Israel oder genauer Juda, das nun nicht mehr eine Beute der schrecklichen Angst ist, welche aus seiner Not hervorging, ganz und gar mit seiner Sünde beschäftigt, wie es dieselbe in der Gegenwart eines gekreuzigten Heilandes fühlt. Es handelt sich jetzt nicht mehr um einen Kummer, der ihre allgemeine Lage betrifft, um den Schmerz einer Nation, die sich in ihren teuersten Empfindungen unterdrückt und zertreten sieht. Nein, jetzt sind es Herzen, die in dem Gefühl dessen dahinschmelzen, was sie gegen Den gewesen sind, der Sich Selbst für sie dahingegeben hatte. Jedes Geschlecht, von seiner persönlichen Schuld überführt und dadurch von den anderen getrennt, bekennt die Größe seiner Sünde besonders, wobei sich keinerlei Furcht vor Gericht oder Strafe offenbart, wodurch ihre Trauer an innerem Werte und Aufrichtigkeit verlieren würde. Ihre Seelen sind der Wirksamkeit Christi entsprechend hergestellt. Dieses Werk bringt das Volk endgültig in Beziehung zu Gott. In der vorbildlichen Geschichte Davids sahen wir dieselbe innere Ordnung: zuerst fanden wir die Lade auf dem Berge Zion, und dann folgte der Auftritt auf der Tenne Arawnas, des Jebusiters.


Fußnoten

  • 1 Ich glaube, daß der „nichtige Hirte“ (V. 17) dieselbe Person ist. Er läßt die Juden im Stich und macht sich mit der heidnischen Weltmacht eins, nachdem dem Gottesdienst der Juden ein Ende gemacht ist.
Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel