Prophetische Übersicht über die Psalmen

Psalm 19-24

Diese Psalmenserie besteht eigentlich aus zwei kleineren Gruppen aus jeweils drei Psalmen. Psalm 19 stellt Christus in seiner Schöpfung und in seinem Wort dar, Psalm 20 hingegen Christus in seinem Mitgefühl und Psalm 21 zeigt uns Christus in seiner königlichen Herrlichkeit. Darauf folgt Psalm 22, in welchem wir Christus als den guten Hirten finden, der sein Leben lässt für seine Schafe (Joh 10,11). Psalm 23 zeigt uns Christus als den großen Hirten der Schafe, der aus den Toten wiedergebracht wurde (Heb 13,20). Schließlich stellt uns Psalm 24 Christus als den in seiner königlichen Herrlichkeit erscheinenden Erzhirten vor die Blicke (1. Pet 5,4). Für die prophetische Anwendung verbinden wir die beiden Gruppen hier zu einer Serie, da J. N. Darby und andere dies vorschlugen, obwohl ersterer es in seiner Übersetzung nicht entsprechend gekennzeichnet hat (siehe „Notes and Comments“, Bd. 3, S. 79.82).

Psalm 19

Dieser Psalm umreißt die Mittel, durch welche Gott in der Drangsalszeit Zeugnis über sich selbst ablegen wird. Auch wenn die Christen durch die Entrückung aus dieser Welt herausgenommen sein werden (1. Thes 4,15–18) und damit das Evangelium der Gnade Gottes nicht länger gepredigt werden wird, so wird Gott weiterhin noch ein Zeugnis seiner selbst für die Menschen aufrechterhalten, nämlich durch seine Schöpfung (Ps 19,2–7) und durch sein Wort (Ps 19,8–12). Gott wird durch diese beiden Zeugnisse wirken; in besonderer Weise unter den Juden, die im Beginn der Drangsalszeit in ihr Land zurückkehren werden. Unter ihnen wird ein Überrest erweckt werden. Dieser wird aufrichtig danach trachten, gemäß seiner Erkenntnis über Gott zu leben. Der Schluss des Psalms beschreibt den Effekt, den diese beiden Zeugnisse auf die Seelen der Gläubigen des Überrestes haben wird. Sie durchlaufen große Herzensprüfungen und wünschen vor dem dann gegenwärtigen Abfall im Land, genannt „die große Übertretung“, abgesondert zu sein (Ps 19,13–15).

Psalm 20

Während der 19. Psalm beschreibt, wie ein gottesfürchtiger Überrest geformt und von der Masse der Juden abgesondert wird, stellt uns dieser Psalm die Verfolgung vor, welche dieser Überrest als eine Folge seines Glaubens an den HERRN durchleben wird. Christus tritt vollständig in die Leiden des Überrestes ein und wünscht sich von Herzen, dass dieser von dem HERRN „am Tag der Drangsal“ (Ps 20,2; die Drangsalszeit: Dan 12,1; Jer 14,8; 30,17) erhört wird. Er vertritt den Überrest und spricht von dem kommenden Zeitalter, in dem alle Ratschlüsse Gottes in Bezug auf Ihn selbst und auf Israel erfüllt sein werden. Dann wird der Überrest erlöst sein und über seine Rettung jubeln können (Ps 20,2–6). Indessen wird die Masse der Juden („die Vielen“ Dan 9,27) ihr Vertrauen auf die militärische Macht („Wagen“ und „Rosse“ Ps 20,8) des Tieres setzen. Dieses Tier ist das wiedererstandene Römische Reich. Mit ihm werden die Juden einen Bund schließen, von welchem sie meinen, er könne ihnen Schutz vor den Gefahren, die von den arabischen Völkern im Mittleren Osten ausgehen, bieten. Folglich sind sie in tiefe Abtrünnigkeit von Gott gefallen. Der gottesfürchtige Überrest wird hingegen keine gemeinsame Sache mit der abtrünnigen jüdischen Masse machen (Jes 8,11–13), sondern sich allein auf den HERRN stützen und Ihm vertrauen, dass Er sie zu seiner Zeit erretten wird (Ps 20,7.10).

Psalm 21

Psalm 21 ist die Antwort auf den Schrei des vorherigen Psalms. Christus ist als Israels Messias erschienen, um den gottesfürchtigen Überrest zu retten und dessen Feinde zu besiegen. Gott hat die Fürbitte Christi gehört und hat Ihm das Verlangen seines Herzens bezüglich seines leidenden Überrestes, der Ihn erwartete, gewährt. Als Messias offenbart Christus dem Überrest seine Herrlichkeit als König. Der Gebrauch des Titels „des Höchsten“ zeigt an, dass Er nun sein Königreich gemäß dem Versprechen an David aufrichten wird (Ps 21,2–8). Als der Überrest seinen Messias in dessen königlicher Herrlichkeit und Macht sieht, ist er voll Zuversicht, dass Er nun die verbliebenen Könige der Erde, die Feinde des Überrestes, richten wird (Ps 21,9–14).

Psalm 22

Im vorherigen Psalm offenbarte der Herr sich den Gläubigen des Überrestes als Messias, doch nun sehen sie etwas Größeres in Ihm, demjenigen, der gekommen ist, sie zu erretten. Sie sehen, dass es Jesus von Nazareth ist, derjenige, den sie als Volk verworfen und gekreuzigt haben. Schlagartig wird das Licht ihre Seelen überfluten. Sie werden auf Ihn blicken, den sie durchbohrt haben (vgl. Ps 22,17) und wehklagen in Buße (Sach 12,10–14). Dieser Psalm entfaltet die sühnenden Leiden Christi, wie sie vom Überrest erkannt werden. Jetzt lernen sie, dass der Herr Jesus auf dem Kreuz um ihrer Übertretungen willen verwundet war und um ihrer Missetaten willen zerschlagen (Jes 53,5.6). Die Überschrift des Psalms lautet „Hindin der Morgenröte“1. Nach der Erscheinung Christi (Ps 21) und nachdem der Überrest durch das Erkennen der Leiden Christi am Kreuz zurechtgebracht und zur Buße geführt worden ist (Ps 22), beginnt für Israel tatsächlich ein neuer Morgen. Der Psalm beginnt mit des Herrn Schrei des Verlassenseins am Kreuz (Mt 27,46). In den drei Stunden der Finsternis nahm sich Gott der Frage der Sünde an und löste sie zu seiner eigenen Verherrlichung, indem Er seinen Zorn der Sünde wegen über Christus ausgeschüttet hat (Ps 22,2–4). Anschließend führt uns der Psalm das ganze Ereignis vom Kreuz mit allen seinen Leiden und all seiner Schande vor Augen (Ps 22,5–22a). Die „vielen Stiere“ (Ps 22,13) sind die Führer Israels (das Synedrium) in ihrem eigenwilligen Charakter. Der „reißende und brüllende Löwe“ (Ps 22,14; 1. Pet 5,8) ist Satan selbst2, der die Menschen dazu gebracht hat, Christus zu kreuzigen. Die Formulierung „wie Wasser bin ich hingeschüttet“ (Ps 22,15) würde sich auf das enorme Schwitzen, das die Folge einer Kreuzigung ist, beziehen. Das Zertrennen all seiner Gebeine voneinander (Ps 22,15) wurde vielleicht dadurch verursacht, dass sein Kreuz zunächst erhoben und anschließend in seine Vertiefung in der Erde fallen gelassen wurde, während das Gewicht seines Körpers daran hing3. Dass seine Kraft „wie eine Tonscherbe“4 vertrocknet ist (Ps 22,16), bezieht sich auf seine körperliche Schwäche und seine physische Erschöpfung. Dass seine Zunge an seinem Gaumen klebt (Ps 22,16) ist die Folge gewaltiger Austrocknung. Die „Hunde“ (Ps 22,17–19), die Ihn umgeben, sind die heidnischen Soldaten. Das „Schwert“ und die „Gewalt des Hundes“ (Ps 22,21) sind die imperiale Macht Roms. Und der „Rachen des Löwen“ (Ps 22,22) ist der Tod selbst. Dies sind die Leiden Christi am Kreuz. Das Werk, das Er dort vollbracht hat, mit dem Er die Abschaffung der Sünde durch das Opfer seiner selbst bewirkte, bildet die Grundlage, von der aus aller Segen zu den Menschen fließt. Folglich stellt uns der letzte Teil dieses Psalms den umfassenden Segen vor, der sich über Israel und die Nationen der Erde erstreckt. Nachdem Christus das Werk der Erlösung vollendet hat, sieht Er in Auferstehung den Lobpreis, der von verschiedenen Menschengruppen zu Gott aufsteigen wird. Seine „Brüder“ (Ps 22,23) sind vielleicht die himmlische Gesellschaft (Heb 2,12). Die „Versammlung“ (Ps 22,23–25) ist der Überrest. Die „große Versammlung“ (Ps 22,26.27) ist ganz Israel. Und schließlich werden die heidnischen „Nationen“ (Ps 22,28–32) erwähnt, die in die Verehrung des HERRN miteinstimmen.

Psalm 23

Nachdem Christus zurückgekehrt ist (Ps 21) und nachdem Israel durch ihr Erkennen seines Werkes am Kreuz vor Gott wiederhergestellt wurde (Ps 22), spricht das erlöste Volk Israel nun sehr persönlich von seinem Herrn als seinem Hirten. Dieser Psalm sieht Christus als Jehova-Hirte, der die Schafe seiner Herde führt und für sie sorgt (Hes 34,11–13; Ps 77,21; Ps 95,7, Jes 40,11). Er bezieht sich in erster Linie auf den Schutz, den der Herr dem wiederhergestellten Volk Israel gewähren wird, während ihre Feinde auf der Erde noch existieren (Jes 31,4.5; Sach 9,8). Sie freuen sich über das, was der Herr getan hat. Er hat sie wiederhergestellt („Er erquickt 5 meine Seele“) und führt sie in die Ruhe des ihnen versprochenen Erbes („Er lagert mich auf grünen Auen“) ein (Ps 23,1–3). Obwohl das Volk nach wie vor im „Tal des Todesschattens“ der existierenden Feinde wandert, fürchtet es nichts Übles, da der Herr mit ihnen ist. Überwältigt von dem Gefühl der Güte und Gnade des Herrn, sieht das Volk seine Zukunft darin, für immer in der Gegenwart des Herrn zu bleiben (Ps 23,4–6).

Psalm 24

Der 24. Psalm beschließt diese Serie mit Christus, dem König der Herrlichkeit, verbindet sich mit den „Herrlichen“ (Ps 16,3), einem Ausdruck für die Gläubigen. Nachdem Er die rebellischen Nationen besiegt hat (vergleiche „Meere“ und „Ströme“ in Ps 46,3.4, Ps 65,8 und Ps 93,3.4) und die Erde in Besitz genommen hat, betritt Er den Tempel als der triumphierende HERR. Alle, die sich gereinigt haben, werden ebenfalls das Vorrecht genießen, den Tempel zur Anbetung zu betreten. Dies gilt genauso für die Heiden, wie für Israel 6 (Ps 24,3–6). Der letzte Teil des Psalms zeigt Ihn, wie Er Wohnung auf dem Berg Zion nimmt und wie seine Herrlichkeit den Tempel des 1000-jährigen Reiches (Hes 43,1–5) erfüllt (Ps 24,7–10).

Fußnoten

  • 1 Eine Hindin ist eine Hirschkuh. (Anm. d. Übers.)
  • 2 A. C. Gaebelein: „The book of the Psalms“, S. 106.
  • 3 Jedoch wurde keiner seiner Knochen gebrochen (Joh 19,33.36).
  • 4 Da der menschliche Körper aus dem Staub der Erde gebildet wurde, wird er in der Schrift mit irdenen Tongefäßen verglichen. Die Erwähnung einer Tonscherbe setzt ein zerbrochenes Gefäß voraus.
  • 5 Das hebräische Wort kann auch mit „stellt wieder her“ übersetzt werden. (Anm. d. Übers.)
  • 6 Vgl. Jes 56,6-8; Off 7,15.
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