Betrachtung über Apostelgeschichte (Synopsis)

Kapitel 16

Betrachtung über Apostelgeschichte (Synopsis)

Es gibt von dieser Freiheit vielleicht kein merkwürdigeres Beispiel als das, was Paulus in Betreff des Timotheus tut. Er macht von der Beschneidung in aller Freiheit Gebrauch, um jüdische Vorurteile zu beseitigen. Es ist sehr zweifelhaft, ob er dem Gesetz nach hätte beschnitten werden sollen. Esra und Nehemia zeigen uns, dass die fremden Frauen weggesandt werden mussten, aber hier, weil die Mutter eine Jüdin ist, lässt Paulus den Sohn dieser gemischten Ehe der Regel der Juden folgen und sich ihren Satzungen unterwerfen. Die Freiheit erkennt das Gesetz völlig an seinem Platz an, obwohl sie selbst davon frei ist, und bestätigt zur Beruhigung der Nationen deutlich, dass gar keine Ansprüche von Seiten der jüdischen Christen vorhanden sind, das Gesetz den Nationen aufzubürden. Paulus beschneidet Timotheus, während er sich auch nicht eine Stunde denen unterwirft, die Titus nötigen wollen, sich beschneiden zu lassen. Er wollte aus Liebe den Juden ein Jude werden; allein die Juden selbst mussten auf alle Ansprüche, anderen das Gesetz aufzuerlegen, verzichten. Die zu Jerusalem gegebenen Verordnungen werden den Versammlungen überlassen – eine einfache Antwort für einen jeden Juden, der die Nationen dem Judentum zu unterwerfen wünschte. Diese Verordnungen waren, was wir beachten mögen, die der „Apostel und Ältesten“.

Es ist der Heilige Geist allein, der den Apostel leitet. Er verhindert ihn, in der Provinz Asien zu predigen, und erlaubt ihm nicht, nach Bithynien zu reisen. Durch ein Gesicht in der Nacht wird er nebst seinen Gefährten berufen, nach Mazedonien zu gehen (V. 9 ff.). Hier treffen sie mit Lukas, dem Geschichtsschreiber ihres Werkes, zusammen. Es ist der Herr, der sie nach Mazedonien ruft, und sie suchen sogleich, dorthin abzureisen.

Zu Philippi angekommen, geht der Apostel zunächst zu den Juden, wenn es auch nur einige Frauen waren, die an dem Fluss zusammenkamen – ein Ort, der, wie es scheint, da gewählt wurde, wo es keine Synagoge gab. Eine griechische Frau, die den Gott Israels anbetete, wird durch die Gnade bekehrt. Also wird die Tür geöffnet, und auch noch andere glauben (V. 40). Hier sucht Satan sich in das Werk zu mischen, indem er den Dienern des Wortes Zeugnis gibt (V. 16 ff.). Der Geist, von dem hier die Rede ist, erkannte Jesum nicht an, sonst würde er nicht ein böser Geist gewesen sein und würde die Magd nicht auf solche Weise besessen haben. Er spricht von den Boten, um an der Ehre des Werkes Anteil zu haben, und von dem höchsten Gott. Vielleicht war er durch die Gegenwart des Heiligen Geistes genötigt, also zu sprechen, wie dies bei anderen durch die Gegenwart Jesu der Fall war, wenn sich seine Macht vor ihren Augen entfaltete. Das Zeugnis Satans konnte nicht so weit gehen, dass er Ihn als „Herrn“ anerkannte. Wäre Paulus nicht treu gewesen, so würde er das Werk des Feindes mit dem des Herrn vermischt haben. Allein er suchte nicht ein Zeugnis zu seinen Gunsten, ein Zeugnis für sich selbst, noch ein Zeugnis, das durch einen bösen Geist gegeben war, was auch der Schein dieses Zeugnisses sein mochte. Der Beweis, den der böse Geist von der Gegenwart der Kraft Gottes geben sollte, war, dass er sich dieser Kraft unterwarf und ausfuhr. Er konnte dem Werk Gottes nicht zur Stütze dienen. Wir sehen in diesem Umstande die Uneigennützigkeit des Apostels, sein geistliches Urteil, die Kraft Gottes, die mit ihm war, und den Glauben, der keine andere Stütze verlangt als die des Herrn. Ein für seinen Dienst gegebenes Zeugnis würde für Paulus von Nutzen gewesen sein, und die Vernunftschlüsse des Fleisches hätten sagen können: „Ich habe es nicht gesucht.“ Auf diese Weise wäre die Verfolgung vermieden worden. Gott aber will nur das Zeugnis, das Er Sich selbst gibt. Kein anderes Zeugnis kann ein Zeugnis von Ihm sein, denn Er offenbart Sich selbst da, wo Er nicht gekannt wird. Der Glaube wartet, um das Zeugnis zu geben, das er zu geben berufen ist, nur auf Ihn. Paulus setzte seinen Weg fort, ohne sich um diesen bösartigen Anschlag des Feindes zu kümmern, bis er durch dessen Beharrlichkeit genötigt war, darauf zu achten (V. 18). Der Geist Gottes duldet nicht die Gegenwart eines bösen Geistes, wenn dieser sich in tätiger Weise vor Ihm offenbar macht. Er lässt sich nicht mit seinen Kunstgriffen ein, indem Er ihm durch eine freiwillige Dazwischenkunft Wichtigkeit verleiht; denn Er hat sein eigenes Werk, und von diesem wendet Er sich nicht ab, um sich mit dem Feind zu beschäftigen. Er ist in Liebe mit den Seelen bemüht. Wenn aber Satan Ihm in den Weg tritt, um diese Seelen einzuschüchtern, so offenbart Er sich in seiner Kraft, und der Feind flieht vor Ihm. Doch ist Satan nicht ohne Hilfsquellen. Die Kraft, die er nicht unmittelbar ausüben kann, gebraucht er, um die Leidenschaften und Lüste der Menschen zu erregen, und zwar gegenüber einer Kraft, der er selbst nicht zu widerstehen vermag und die sich weder mit ihm vereinigt noch ihn anerkennt. Ebenso wie die Gadarener Jesum baten, von ihren Grenzen wegzugehen, als Er den Mann, Legion genannt, geheilt hatte (Mt 8, 34), so erheben sich die Philipper auf Antrieb der Männer, die ihren unehrlichen Gewinn verloren hatten, wider Paulus und seine Mitarbeiter. Gott aber gebraucht dies alles, um sein eigenes Werk zu fördern und ihm die Form zu geben, die Er für gut findet. In Philippi muss der Kerkermeister bekehrt werden und die Obrigkeit ihr Unrecht in Betreff der Boten Gottes anerkennen. Die Versammlung, eine Herde (wie die an sie gerichtete Epistel bezeugt) voller Liebe und Zuneigung, wird zusammengebracht. Der Apostel reist ab, um anderswo zu arbeiten. Wir sehen hier in Philippi ein wirksameres, ein kräftigeres Zeugnis und eine glänzende Dazwischenkunft Gottes als in dem ähnlichen Fall, der mit Petrus stattfand (Apg 12). Bei Petrus ist man in dem alten Jerusalem, das in allem veraltet ist, ausgenommen im Hass; und Gott ist demjenigen treu, der auf Ihn traut, der Hass wird getäuscht. Paulus und Silas lobsingen Gott, statt im Gefängnis zu schlafen. Alle Türen öffnen sich plötzlich. Der Kerkermeister selbst und seine Familie werden bekehrt. Die Hauptleute sind genötigt, als Bittende zu Paulus zu kommen. Das ist die Frucht des Aufruhrs zu Philippi. Der Feind hatte sich hier geirrt, und wenn er das Werk hemmte, so sandte er die Apostel hinweg, um anderswo nach dem Willen Gottes zu predigen.

Wir dürfen diese Energie, die ganze Häuser umfasste und sie dem christlichen Glauben unterwarf, nicht mit Stillschweigen übergehen – eine Energie, die sich jedoch nur dann zeigt, wenn es sich um die Einbringung der Nationen handelt 1. Kornelius, Lydia, der Kerkermeister von Philippi sind alle Zeugen dieser Kraft.

Fußnoten

  • 1 Was wir in Lydda und Saron sehen, stimmt vielmehr mit der Einbringung eines Volkes überein. Sie hörten von dem Wunder, das an Aeneas bewirkt worden war, und die Stadt und die Umgegend bekehrten sich zum Herrn [Apg 9,34.35]. Saron ist eine Gegend an der Küste entlang.
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