Der Prophet Obadja

Auslegung zum Buch Obadja

Obadja und Jeremia

{Obadja 1,1–6}

Das Wort Gottes sagt uns nichts über die Person des Propheten Obadja, auch nicht über den genauen Zeitpunkt seiner Prophezeiung. Alle Vermutungen in dieser Hinsicht sind nutzlos und dienen nicht der Erbauung. Wir wollen an dem festhalten, was Gott uns offenbart hat, und nicht müde werden, diese elementare, aber wenig verstandene Wahrheit zu wiederholen. Wenn die Kinder Gottes darauf achten, werden sie davor bewahrt, ihre eigenen Gedanken in das Wort Gottes hineinzulegen, statt sich vom Wort Gottes belehren zu lassen. Was hielte man von einem Menschen, der meint, das Wasser in einem See dadurch zu vermehren, dass er einen Krug voll Wasser hineingießt? Wäre es nicht klüger, seinen Krug damit zu füllen? Können unsere eigenen Gedanken die Heilige Schrift jemals bereichern? Dass der Prophet Obadja ebenso wie Jeremia gegen Ende des Reiches von Juda gewirkt hat, wird von den Christen nicht bezweifelt, die sich vom „Geist der Besonnenheit“ leiten lassen (2. Tim 1,7).

Ein Vergleich des Gerichtes an Edom in Jeremia 49,7–22 mit der Prophezeiung Obadjas, die die endgültige Vernichtung dieser Nation betrifft, macht das deutlich. Jeremia benutzt ungefähr dieselben Worte wie Obadja: „Eine Kunde habe ich vernommen von dem Herrn, und ein Bote ist unter die Nationen gesandt: Versammelt euch und kommt über es und macht euch auf zum Kampf!“ (Jer 49,14). In Bezug auf diese und ähnliche Analogien, die wir im Lauf unserer Betrachtung noch finden werden, befleißigen sich die Kommentatoren herauszufinden, wer wen kopiert habe! Hinter solch mehr als unnützen Fragen kann man unschwer einen kritischen Geist erkennen, der der vollkommenen Inspiration der Heiligen Schrift feindlich gegenübersteht. Zugegeben, ein Abschreiben ist nicht unmöglich, aber gibt es denn nur diese Alternative, um die Analogien zu erklären? Diese Kommentatoren stellen dieselbe Frage bezüglich der Synopsis der Evangelien; doch wozu haben diese Nachforschungen geführt? Der menschliche Geist reibt sich dabei auf und wird immer mehr verwirrt. Der gläubige Christ hingegen ist überzeugt, dass Gott zu ihm spricht, sowohl durch Jeremia als auch durch Obadja, und dass er einfach die in den prophetischen Schriften enthaltene besondere Unterweisung annehmen kann.

Bei Jeremia gibt es ein Merkmal, das man bei Obadja nicht findet. Jeremia sagt die unmittelbar bevorstehende Zerstörung Jerusalems voraus, dann die Vernichtung der Nationen durch Nebukadnezar (Kap. 46–49) und schließlich die Zerstörung dieses großen Königreichs vom Herrn selbst (Kap. 50). Er nennt auch die Werkzeuge, nämlich die Meder, durch die Gott das geschichtliche Ende dieser starken Macht des babylonischen Weltreichs herbeiführen wird (Kap. 51). Der Prophet Daniel hat einen anderen Gesichtspunkt: Er beschreibt nacheinander die Geschichte der vier großen Weltreiche, solange die Macht den Nationen gegeben ist; er betont jedoch auch den gleichzeitigen Fall dieser Weltreiche, damit dem Reich, das „in Ewigkeit nicht zerstört … werden wird“, Platz gemacht wird (Dan 2,44).

Dies ist der zweite Unterschied bei Jeremia. Für ihn ist das Los all dieser Reiche von Anfang an durch den Fall Babylons beschlossen, weil es die von Gott erhaltene Macht zur Selbsterhöhung und beständigen Ausbreitung des Götzendienstes missbrauchte. Aber Babylon ist es, das bis zu seinem eigenen Fall das Gericht an allen Nationen ausüben wird. Vom Augenblick seines historischen Untergangs an führt uns der Prophet über alle dazwischenliegenden Jahrhunderte hinweg bis hin zu den Ereignissen der letzten Tage. So sagt uns Jeremia, nachdem er den Untergang Ägyptens durch Nebukadnezar beschreibt: „Danach aber soll es bewohnt werden wie in den Tagen der Vorzeit, spricht der Herr“ (Jer 46,26); so fügt er nach der Vernichtung Moabs durch denselben König noch hinzu: „Aber ich werde die Gefangenschaft Moabs wenden am Ende der Tage, spricht der Herr“ (Jer 48,47); ebenso für Ammon: „Aber danach werde ich die Gefangenschaft der Kinder Ammon wenden“ (Jer 49,6). Und schließlich sagt Er über Elam (Persien), das von demselben Schwert Babylons zerstört worden ist: „Aber es wird geschehen am Ende der Tage, da werde ich die Gefangenschaft Elams wenden“ (Jer 49,39).

Das abschließende Gericht über Edom

Bei Edom verhält es sich nicht so (Jer 49,7–22). Nie wird es wiederhergestellt werden; dies ist sein endgültiges Gericht. Wenn sein Gericht durch Nebukadnezar beschrieben wird, der wie der Adler daherfliegt und seine Flügel über Bozra ausbreitet (vgl. 49,22), zeigt uns der Geist Gottes daher die Ereignisse der Endzeit, die den Fall Edoms begleiten. Daher rührt die auffallende Analogie zwischen Jeremia und Obadja. In beiden Beschreibungen wird das Ende Edoms – sein Sturz ohne die Möglichkeit einer Wiederherstellung – verursacht durch seine ehemaligen Verbündeten. Das sind die Nationen, die sich gegen es in seinem Land vereinigt haben. Letztlich ist es der Herr selbst, der wirkt, wenn ich folgende Stelle richtig verstehe: „Siehe, er steigt herauf, wie ein Löwe von der Pracht des Jordan“ (49,19; vgl. 50,44). Das sind Aussprüche, die wir parallel bei beiden Propheten finden. Schließlich ist auch Israel daran beteiligt. Das finden wir nicht in Jeremia, wohl aber in Obadja.

Edom und andere Völker

Wir wollen nun sehen, auf welche Umstände sich der erste Vers in Obadja bezieht. Kein einziges geschichtliches Ereignis passt zu dem, was wir hier lesen. Wie wir bereits bei der Betrachtung der Zukunft Edoms gesehen haben, handelt Psalm 83 von einem zukünftigen Zusammenschluss der Völker, die das Gebiet Israels umgeben, mit Edom an ihrer Spitze. Der Assyrer der Zukunft, der von den Propheten erwähnte Gog (Hes 38–39), unterstützt und begünstigt das Komplott (wenn auch nicht in eigener Person), das die Vernichtung des Volkes Gottes zum Ziel hat: „Sie sprechen: Kommt und lasst uns sie vertilgen, damit sie keine Nation mehr seien, damit nicht mehr gedacht werde des Namens Israels! … Weil sie gesagt haben: Lasst uns in Besitz nehmen die Wohnungen Gottes!“ (Ps 83,5.13). In diesen letzten Tagen wird das in sein Land zurückgekehrte Volk Israel zum Objekt der Begierde aller Nationen werden.

Der König des Nordens, das Haupt des assyrischen Staatenbundes – mit anderen Worten Gog oder Russland –, wird sich dieser Vereinigung bedienen, um seinen Plan gegen Jerusalem auszuführen. Edom und seine Verbündeten erwecken den Anschein und bekennen sich auch zu dem Ziel, „den Söhnen Lots zu einem Arm“ zu werden (Ps 83,9). Das heißt, sie wollen den Interessen Ammons und Moabs vordergründig durch diese gemeinsame Aggression zum Nachdruck verhelfen. Aber das von Ehrgeiz und Hass verzehrte Edom nimmt sich vor, selbst Hand an das Erbteil des Herrn zu legen. Es sagt: „Die beiden Nationen [Juda und Israel] und die beiden Länder sollen mein sein, und wir werden es in Besitz nehmen.“ Von den Bergen Israels sagt Edom: „Sie sind verwüstet, uns sind sie zur Speise gegeben!“ (Hes 35,10.12). Die erste Belagerung Jerusalems (Sach 14,1.2) scheint der Sache Edoms Recht zu geben. Zu diesem Zeitpunkt reagieren die vereinten Nationen auf seine ehrgeizigen Ansprüche und entlarven sie.

„Eine Kunde haben wir von dem Herrn gehört.“ Der Herr wird, nach den Worten Sacharjas, „Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker ringsum“ machen und „zu einem Laststein für alle Völker“ (Sach 12,2.3). Die Verbündeten Edoms senden einen „Boten unter die Nationen“, um sie anzuwerben, gegen Edom in den Krieg zu ziehen, und sichern ihnen ihre Unterstützung zu: „Macht euch auf und lasst uns gegen es aufstehen zum Kampf!“ Was für Nationen sind das? Aus den Prophezeiungen wissen wir, dass der Assyrer der Endzeit, nachdem er Israel erobert hat, die Absicht hat, es sich zu unterwerfen. Die Juden, das abtrünnige Volk des Antichrists, schließen ein Bündnis mit dem Westreich – dem Tier und den zehn Königen –, um dieser Invasion entgegenzutreten (Jes 28,14–22).

Inzwischen wird der Assyrer wie ein Unwetter Ägypten überfallen, jedoch zuerst in Palästina, „dem Land der Zierde“, einfallen: „Diese aber werden seiner Hand entkommen: Edom und Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon“ (Dan 11,41). Diese drei Nationen, die ihm entrinnen, sind genau die, die ihre eigenen Interessen verfolgen zum Nachteil des Assyrers und die seine Absichten bezüglich des Heiligen Landes vereiteln wollen. Aber wie wir gerade gesehen haben, hält ihr Übereinkommen nicht lange. Alle kehren sich gegen Edom, das sich an ihre Spitze gestellt hatte. Um der drohenden Gefahr zu entgehen, in die sein Ehrgeiz sie geführt hat, suchen sie Unterstützung bei den Nationen und bieten ihnen ihre Beteiligung an: „Macht euch auf und lasst uns gegen es aufstehen zum Kampf!“ Scheinbar gelingt dieser Plan.

{Obadja 1,7}

In dem Augenblick, wenn Edom sein Ziel, das Erbteil Israel einzunehmen, fast erreicht hat, fallen ihm seine Verbündeten in den Rücken. Sie „schicken es bis zur Grenze“; das bedeutet aus meiner Sicht, dass es bis zur Grenze seines eigenen Landes zurückgedrängt wird. Edom wird mit dem Heer aus dem Westen konfrontiert, das sich offensichtlich aufgemacht hat, um die Einnahme Jerusalems durch Edom zu verhindern und ebenso auch durch die Ammoniter, die Moabiter und den Assyrer. So wird sich Sacharja 12,2 erfüllen: „Siehe, ich mache Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker ringsum.“

Das Gebiet Edoms ist in diesem Augenblick ein äußerst wichtiger strategischer Punkt, um sich gegen Gog (den Assyrer) zu wenden, der sich wie ein reißender Wasserfall auf Ägypten gestürzt hat (Dan 11,40–43). Edom ist nicht begrenzt auf das Gebirge Seir, wie wir weiter oben bemerkt haben, sondern umfasst auch das Gebiet Idumäa. Dessen Besetzung durch die westlichen Heere schneidet dem Assyrer von Ägypten kommend den Rückweg nach Israel ab, entweder am Mittelmeer entlang oder über die Halbinsel Sinai. Der Plan der westlichen Heere scheint sehr weise zu sein, aber sie haben ihn ohne den Herrn gemacht. Er ist es, der sie ohne ihr Wissen in Edom gesammelt hat, um sie zu vernichten: „Denn der Zorn des Herrn ergeht gegen alle Nationen, und sein Grimm gegen ihr ganzes Heer … mein Schwert, siehe, auf Edom fährt es herab und auf das Volk meines Bannes zum Gericht … denn der Herr hat ein Schlachtopfer in Bozra und eine große Schlachtung im Land Edom. Denn der Herr hat einen Tag der Rache, ein Jahr der Vergeltung für die Rechtssache Zions“ (Jes 34,2.5.8). Dieses Gericht der Heere der Nationen geschieht durch den Herrn allein: „Von den Völkern [ist] niemand“ bei Ihm, wenn er „von Edom kommt, von Bozra in hochroten Kleidern“ (Jes 63,1–3).

Erst nach der Vernichtung der Heere des Westreiches und deren Anführer – des Tieres und des falschen Propheten (Off 19,19–21) – wird der Herr auf dem Gebiet Israels das ganze Heer des Assyrers vernichten, der von Ägypten herkommt, um seinerseits Jerusalem und Israel einzunehmen (Dan 11,44.45).

Die Vernichtung der westlichen Heere in Edom wird in der Prophezeiung Obadjas nicht erwähnt. Wir vernehmen nur, dass Edom selbst gründlich geplündert wird von seinen ehemaligen Verbündeten, die früher in Frieden mit ihm lebten, und dass dabei ein großes Gemetzel stattfindet.

Die zentrale Lage Edoms

Edom hat sich also in seinen klug erarbeiteten Plänen getäuscht. Sie führen alle zu seiner Vernichtung, weil es das alte Volk Gottes und die heilige Stadt im Augenblick ihrer Wiederherstellung angegriffen hat. Was helfen ihm jetzt seine so gerühmten Weisen?

{Obadja 1,1–9}

Es mag überraschen, dass diese kleine, so unbedeutende Nation, Edom, die wieder aufleben wird, in der Endzeit solch eine große Rolle spielt, dass sie sogar zum einzigen Gegenstand der Prophezeiung Obadjas wird. Der Grund dafür ist, dass neben seinem ungöttlichen Charakter, seinem unerbittlichen Hass gegen Gottes Volk und seinem hochmütigen Vorhaben, sich das Erbteil Israels und die Stadt des großen Königs mit Gewalt anzueignen, Edom das Zentrum sein wird, wo sich der ganze Konflikt der letzten Tage abspielen und auflösen wird:

  • der Kampf zwischen dem König des Nordens (Syrien) und dem König des Südens (Ägypten)

  • der Kampf um den Besitz des Erbteils Gottes zwischen den an Israel angrenzenden Nationen und Edom

  • der Kampf zwischen dem römischen Tier, dem Westreich und Gog, um Jerusalem zu besitzen und Ägypten zu erobern.

Mit einem Wort: Die ganze prophetische Geschichte der letzten Tage konzentriert sich auf dieses Gebiet, wenn „Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker“ geworden ist (Sach 12,2). Wenn der gordische Knoten von Edom einmal durchschnitten ist, wird der Messias wie eine wohltuende Morgenröte erscheinen, die die Sonne der Gerechtigkeit ankündigt.

Hass und Schmähungen gegenüber Israel

All diese Ereignisse der Endzeit lenken unsere Überlegungen auf den gegenwärtigen Konflikt, der sich prinzipiell nicht von den oben erwähnten Konflikten unterscheidet und der ein Wegbereiter für die zukünftigen, noch viel furchtbareren Ereignisse sein könnte.

Obadja 10: Wegen der an deinem Bruder Jakob verübten Gewalttat wird Schande dich bedecken, und du wirst ausgerottet werden auf ewig.

„Der Übermut deines Herzens“ (V. 3) war der erste Charakterzug Edoms. Der zweite war seine Gewalttätigkeit seinem Bruder gegenüber. So schuldig Israel auch geworden ist, vergisst der Herr dennoch nicht, dass es der Gegenstand seiner Verheißungen ist, und Gott ist seinen Verheißungen treu. Was sein Volk betrifft, betrifft Ihn selbst. Zur Zeit der Untreue Israels musste Er sein Angesicht vor dem Haus Jakobs verbergen. Doch jetzt ist die Stunde gekommen, wo Er die Sache seines Volkes wieder offen in die Hand nimmt. Wenn die letzten Tage Edoms gekommen sein werden und Jerusalem von den Nationen besetzt sein wird, deren Haupt Edom war, hat Reue das Herz des Überrestes Israels erfasst. „An jenem Tag werden die Tauben die Worte des Buches hören, und aus Dunkel und Finsternis hervor werden die Augen der Blinden sehen“ (Jes 29,18). Dann wird die Vergeltung für Esau hereinbrechen, die bis dahin aufgeschoben worden war, um das Gericht am Volk Gottes zu vollziehen. Den Feinden Jakobs, des vom Herrn Erwählten, kann nun nicht mehr vergeben werden. Edom wird „ausgerottet werden auf ewig“.

Welche Prophezeiung man betreffs Edom auch betrachtet, der Geist Gottes bezeugt immer, dass von Edom als Nation nichts mehr übrigbleiben wird. Sein Gebiet wird zur immerwährenden Einöde: „Zu ewigen Wüsteneien werde ich dich machen, und deine Städte sollen nicht mehr bewohnt werden. Und ihr werdet wissen, dass ich der Herr bin. Weil du sprachst:,Die beiden Nationen und die beiden Länder sollen mein sein, und wir werden es in Besitz nehmen‘, da doch der Herr dort war, darum, so wahr ich lebe, spricht der Herr, Herr, werde ich nach deinem Zorn und nach deiner Eifersucht handeln, wie du infolge deines Hasses gegen sie gehandelt hast; und ich werde mich unter ihnen kundtun, sobald ich dich gerichtet habe. Und du wirst wissen, dass ich, der Herr, alle deine Schmähungen gehört habe, die du gegen die Berge Israels ausgesprochen hast, indem du sagtest: Sie sind verwüstet, uns sind sie zur Speise gegeben! Und ihr habt mit eurem Mund gegen mich großgetan und eure Worte gegen mich gehäuft; ich habe es gehört. So spricht der Herr, Herr: Wenn die ganze Erde sich freut, werde ich dir Verwüstung bereiten. Wie du deine Freude hattest an dem Erbteil des Hauses Israel, weil es verwüstet war, ebenso werde ich dir tun: Eine Wüste sollst du werden, Gebirge Seir und ganz Edom insgesamt! Und sie werden wissen, dass ich der Herr bin“ (Hes 35,9–15).

Gott hat die Hassschreie und die Schmähungen gegen sein Volk gehört, „da doch der Herr dort war“! Vollendete Blindheit Edoms! Zu der Zeit, in der Gott vor dem Haus Israel sein Gesicht verborgen hatte, ließ Er dem Hass Edoms freien Lauf. Wenn Gott sich jedoch seinem bußfertigen Volk wieder als Retter offenbart, kann das Gericht gegen Edom nicht mehr aufgeschoben werden, denn es kämpft gegen das Volk der Verheißung, das Gott selbst verteidigt!

Zu dieser zukünftigen Verwüstung lese man noch Jesaja 34,9–17. Edom wird der Schlupfwinkel von allerlei unreinen, gefährlichen und bösen Geschöpfen sein. Wie dünn besiedelt heute diese Gegend auch sein mag, ihr jetziger Zustand ist nicht der, den Jesaja uns beschreibt. Man muss nachforschen im Buch des Herrn (Jes 34,16), um sein endgültiges Geschick zu erfahren. Kein böses Tier wird dort fehlen: „Es fehlt nicht eins von diesen, keins vermisst das andere. Denn mein Mund, er hat es geboten; und sein Geist, er hat sie zusammengebracht; und er hat ihnen das Los geworfen, und seine Hand hat es ihnen zugeteilt mit der Mess-Schnur. Bis in Ewigkeit werden sie es besitzen, von Geschlecht zu Geschlecht darin wohnen“ (Jes 34,16.17).

In den Versen 11–14 beschreibt Obadja die letzten Vorwürfe des Herrn gegen Edom:

{Obadja 1,11–14}

Es scheint auf der Hand zu liegen, diesen Abschnitt der vergangenen Geschichte Jerusalems, nämlich der Belagerung der Stadt durch Nebukadnezar zuzuschreiben. Man hat keinen Grund, sich dieser Auslegung zu widersetzen. Gott erinnert sich an die Gewalt, die man dieser ehebrecherischen Stadt angetan hat, die aber in seinen Ratschlüssen immer die von Ihm geliebte Stadt bleibt. An diesen Tag von Jerusalem erinnern sich die Gefangenen an den Flüssen Babels, wenn sie sagen: „Gedenke, Herr, den Kindern Edom den Tag Jerusalems, die da sprachen: Entblößt, entblößt sie bis auf ihre Grundfeste!“ (Ps 137,7). Auch in Amos 1,6.11.12 ist von diesem Tag die Rede und vielleicht auch in Joel 4,6. Andererseits ist diese Stelle aus Obadja 11–14 mit derselben Richtigkeit auch anwendbar auf die zukünftige Belagerung von Jerusalem, die in Psalm 83 und in Sacharja 14,1.2 erwähnt wird: „Siehe, ein Tag kommt für den Herrn, da wird deine Beute in deiner Mitte verteilt werden. Und ich werde alle Nationen nach Jerusalem zum Krieg versammeln; und die Stadt wird eingenommen und die Häuser werden geplündert und die Frauen vergewaltigt werden; und die Hälfte der Stadt wird in die Gefangenschaft ausziehen, aber das übrige Volk wird nicht aus der Stadt ausgerottet werden.“

Wodurch zeichnet sich Edom während seiner ganzen Geschichte aus, sowohl der zukünftigen als auch der vergangenen? Dieser Boshafte will sich das aneignen, was Gott ihm ausdrücklich verweigert hat und was Er seinem Bruder Jakob als Erbteil zugeteilt hat. Er wendet sogar Gewalt an, um es einzunehmen. Ohne Zweifel war Jakob untreu gewesen und hatte dieses Gericht verdient. Aber Edom, das in der Vergangenheit die Zuchtrute für Israel gewesen war (vgl. 2. Kön 8,20), verfolgt weiterhin seine eigenen Pläne, die völlig anders sind als die Pläne Gottes. Konnte Gott seine bedingungslosen Verheißungen widerrufen? Wie viel weniger in den letzten Tagen, wenn unter dem Druck der Gerichte ein Überrest in Israel Buße tut und zu dem einst von ihnen verworfenen Messias umkehrt, wie Sacharja und andere Propheten es voraussagen (Sach 12,8–14).

Gottes Langmut

Die Verse 11 bis 14 aus Obadja können sich daher auf das Verhalten Edoms in der historischen Vergangenheit wie auch in der prophezeiten Zukunft beziehen, so wie sie uns offenbart ist. Es scheint sogar, dass es sich hier eher um die zukünftige Geschichte handelt. In diesem Abschnitt ist die Rede vom Tag der Not und der Bedrängnis Jerusalems. Wir haben schon oft darauf aufmerksam gemacht, dass dieses letzte Wort in den Psalmen und den Propheten normalerweise, vielleicht immer, „die große Drangsal“ am Ende der Zeit bedeutet, auch „Drangsal für Jakob“ (Jer 30,7) genannt. Wie dem auch sei, diese Stelle handelt von einem Ereignis, das zur Zeit der Prophezeiung schon Vergangenheit war und das Gott nicht vergessen hatte. Das „Du solltest nicht!“ in diesen Versen berührt mich außerordentlich.

Wie klingt diese Ermahnung doch so barmherzig an dem Tag, wo das Gericht diese verhärtete Nation trifft! „Du solltest nicht!“ Oh, wenn du dieses Gericht nicht verdient hättest, wie sehr hätte ich gewünscht, dich zu verschonen! Nichts kann besser zeigen, dass der Herr langsam zum Zorn ist. Wie sehr verlangte Er danach, bei den schlimmsten Feinden seines Volkes einen Schimmer von Mitleid und Barmherzigkeit zu finden. So ist die Geduld Gottes, so ist der Charakter Christi. Aber nein, Edom hatte seinen Hass und seine Schmähungen bis auf die Spitze getrieben. Er nahm an der Plünderung teil und freute sich über das Unheil der Kinder Juda; er riss das Maul weit auf, um seinen Bruder zu beleidigen und ihm zu fluchen (vgl. Ps 35,21), er bemächtigte sich der Stadt, raubte die Güter, rottete die Flüchtlinge aus, verkaufte die restlichen Juden als Gefangene … Edom hätte all diese Dinge nicht tun sollen; jetzt aber ist es zu spät!

Dasselbe Erbarmen gegenüber Edom findet man auch im Ausspruch über Duma (Jes 21,11.12). In den Versen 5–9 in diesem Kapitel hat der Herr einen Wächter in Jerusalem bestellt, um zu sehen, was passiert. Der Wächter hat eine Vision vom Untergang Babylons, um anzuzeigen, dass das Ende der Herrschaft der Heiden nahe ist. Diese Vision wurde Israel übermittelt, für das sie auch gedacht war. Hier wird berichtet, wie Edom sich über das lustig macht, was der Geist Gottes ankündigt. Edom ruft: „Wächter, wie weit ist es in der Nacht? Wächter, wie weit in der Nacht?“ Der Wächter antwortet: „Der Morgen kommt, und auch die Nacht.“ Der Morgen, auf den das gläubige Israel wartet, wird bald erscheinen, aber auch die Nacht für den Ungläubigen und den Spötter! „Wollt ihr fragen, so fragt!“, sagt der Wächter noch. Es steht fest, dass das Gericht kommt. Edom ist also unentschuldbar, weil es sich nicht erkundigt hat. „Kehrt wieder, kommt her!“, wird ihm gesagt. Bis zum letzten Augenblick lässt Gott noch eine Tür zur Umkehr offen. Sind diese Worte nicht ergreifend? Wie stehen sie doch im Einklang mit den Worten Obadjas: „Du solltest nicht … du solltest nicht!“ Da du doch um das Geschick Babylons wusstest, wie konntest du dich mit ihm verbinden? Hättest du dich nicht von ihm distanzieren und begreifen sollen, dass ich mich wieder um mein Volk kümmere? Dass der Fall des Reiches der Nationen einen neuen Zeitabschnitt des Segens für Israel eröffnet, das mich einst verworfen hatte, aber jetzt „Zweifaches empfangen hat für alle ihre Sünden“ (Jes 40,2)?

Dies ist der segensreiche Zeitabschnitt, der sich diesem Volk öffnet. Die Befreiung Israels kann nicht anders stattfinden als nur durch ein endgültiges und gnadenloses Gericht an allen Nationen wegen der Ablehnung des Angebotes der Gnade Gottes:

{Obadja 1,15}

Die Not und die Bedrängnis Judas und Jerusalems zeigen, dass der Tag des Herrn nahe ist. Der Tag des Herrn bezeichnet überall in den Propheten den Tag des Gerichts, der dem Aufrichten des Reiches Christi auf der Erde vorangeht. Es ist der „Tag des Herrn“, der auch im Neuen Testament angekündigt wird. Zuerst bricht dieses Gericht über Israel und Jerusalem in der Zeit der großen Drangsal herein. Dann geht Gott mit den Nationen ins Gericht – allen voran mit Edom –, die das alte Volk Gottes mit Füßen getreten, versklavt, geplagt und gemartert haben. So wird Edom zum Beispiel für den Sturz der Nationen am „Tag des Herrn“, wie Babylon ein Bild ist für den Fall ihres Reiches, um dem universellen Reich Christi Platz zu machen, dem „Stein“, von dem es heißt: Er „wurde zu einem großen Berg und füllte die ganze Erde“ (Dan 2,35). Dieser Tag wird nicht nur Edom treffen, sondern alle Nationen. Es wird ein Tag der Vergeltung sein, wo es ihnen ergehen wird, wie sie dem Volk Gottes getan haben. Edom wird als Entgelt ein vernichtendes Urteil erhalten, aber das Urteil ist universell. Der Platz, den Edom dabei einnimmt, ist für alle übrigen Völker beispielhaft (Jes 34,2; Obad 15.16).

{Obadja 1,16}

Diese Nationen hatten sich schon über den Sieg über Jerusalem gefreut, sie hatten aber vergessen, dass sie sich auf dem heiligen Berg des Herrn befanden (vgl. Jer 49,12). Der Herr hat seine Verheißungen trotz des Ungehorsams seines Volkes nie aufgegeben. Für Gott ist Zion immer sein heiliger Berg gewesen. Hätte Er ihn vergessen können, Er, der seinen König auf dem heiligen Berg Zion eingesetzt hat (Ps 2,6)? Welcher Frevel, sich auf diesem heiligen Berg zu betrinken, wo der König der Herrlichkeit sich offenbaren wird, wenn die Tore ihre Häupter erheben und die ewigen Pforten sich erheben, damit der König der Herrlichkeit einziehe (Ps 24,7)! Edom und Babylon hatten dort getrunken, aber Gott hat ihnen, so wie auch allen Nationen, ein Getränk bereitet, das sie unaufhörlich trinken werden. Sie werden trinken und schlucken, trinken und schlucken – den Kelch des Zornes Gottes. Dann werden sie vernichtet und verschwunden sein, als hätten sie nie existiert. Der Psalmist hat es begriffen, als er „in die Heiligtümer Gottes [hineinging] und jener Ende gewahrte.“ Dann sagt er weiter: „Gewiss, auf schlüpfrigen Grund setzt du sie, stürzt sie hin zu Trümmern. Wie sind sie so plötzlich verwüstet, haben ein Ende genommen, sind umgekommen durch Schrecknisse! Wie einen Traum nach dem Erwachen wirst du, Herr, beim Aufwachen ihr Bild verachten“ (Ps 73,17–20).

Die Befreiung Israels

{Obadja 1,17}

Dieser Berg, der von den Nationen und insbesondere von dem gottlosen Edom entweiht worden war, wird nicht mehr ein Ort der Versklavung und Gefangenschaft sein, sondern ein Ort der Befreiung. Dann wird man sehen, dass Gott diesen Berg mit Heiligkeit schmücken kann, trotz aller eigenen Beschmutzung und der durch die Nationen.

Wie kann denn Jerusalem, dieser unreine Ort, geheiligt werden? Durch das Sühnungsblut Jesu, so wie jeder Einzelne von uns. Das wahre Israel wird für immer durch das Blut des Lammes erlöst werden, so wie damals das Volk, im Vorbild, aus Ägypten erlöst wurde. Es geschieht auch kraft des vergossenen Blutes auf dem Berg der Gnade, dem Berg Zion, dass in Jerusalem die Königsherrschaft errichtet wird. Sodann wird das Haus Jakob (ganz Israel, repräsentiert durch Juda) seinen Besitz einnehmen. Auf diese Weise wird das Wort in Erfüllung gehen, das David in den Mund Jesu und Israels legt: „Auf Edom will ich meine Sandale werfen … wer wird mich bis nach Edom leiten? Nicht du, Gott, der du uns verworfen hast und nicht auszogst, o Gott, mit unseren Heeren?“ (Ps 108,10–12). Zu dieser Zeit wird Israel seine „Besitztümer“ wieder in Besitz nehmen“ und völlig in sein Erbteil einziehen, bis zu den äußersten Grenzen, die der Herr ihm von Anfang an bestimmt hatte (Jos 1,4).

Gemeinsames Auftreten von Juda und Ephraim gegen Edom

„Und das Haus Jakob wird ein Feuer sein und das Haus Joseph eine Flamme, und das Haus Esau wird zu Stoppeln werden; und sie werden unter ihnen brennen und sie verzehren. Und das Haus Esau wird keinen Übriggebliebenen haben, denn der HERR hat geredet“ (Obadja 18).

Hier findet man die zukünftige Vereinigung der beiden Königreiche – bereits vorhergesagt in vielen Schriftstellen –, die damals infolge der Untreue Salomos getrennt wurden. Der Stab Judas und der Stab Josephs, früher getrennt, sind jetzt nur noch ein Holz in der Hand des Herrn (Hes 37,15–17; Sach 11,7–14). Das Haus Jakob (Israel, durch Juda repräsentiert) und das Haus Joseph (Israel, durch Ephraim repräsentiert) haben dann einen gemeinsamen Auftrag. Sie werden Edom verschlingen und keinen Einzigen übriglassen. Das ist die Verordnung des Herrn gegen dieses gottlose Volk, das Ihn verachtet hatte. Dieses gewalttätige Volk wollte aus Hass gegen seinen Bruder Jakob das Erbteil an sich reißen – obwohl es ihm verwehrt worden war – und sich der Entscheidung Gottes, der Jakob aus Gnaden erwählt hatte, widersetzen. Dieser Sieg der Kinder Israel über Edom wird uns in Jesaja 11,13.14 beschrieben. Alle Nationen werden durch das Volk des Herrn geplündert, Edom allen voran. In Jeremia 49 können wir lesen, dass die Gefangenen von Ammon und Moab wiederhergestellt werden – aber nichts dergleichen wird mit Edom geschehen. Genauso wird es auch den Philistern ergehen, wenn auch vielleicht in etwas kleinerem Ausmaß (Amos 1,8; Sach 9,6.7).

Vollstreckung des Gerichts durch den Herrn selbst

Die Zerstörung Edoms durch Israel muss von der Vollstreckung des Gerichts durch den Herrn selbst unterschieden werden. In Jesaja 34,1–8 ergießt der Herr seinen Zorn im Land Edom über alle Heere der Nationen, obwohl auch Edom seinen Teil abbekommt (V. 5): „Denn der Herr hat einen Tag der Rache, ein Jahr der Vergeltungen für die Rechtssache Zions“ (V. 8). In Jesaja 63,1–6 handelt es sich um die Vernichtung der Heere der Nationen auf dem Gebiet Edoms, durch Ihn allein: „Denn der Tag der Rache war in meinem Herzen“, spricht der Herr, „und das Jahr meiner Erlösung war gekommen“ (V. 4). Nach Offenbarung 19,11–16 kommt Er aus einem geöffneten Himmel herab, gefolgt von den himmlischen Heerscharen. Er allein wird die Nationen mit dem zweischneidigen Schwert schlagen, das aus seinem Mund hervorkommt. In Offenbarung 14,19.20 ist von derselben Vergeltung die Rede, die das abgefallene Volk der Juden in Israel trifft. All diese Gerichte werden allein vom Herrn ausgeübt. Dem Sieg über die Heere der Nationen folgt das Gericht im Tal Josaphat, das Er allein ausübt, Ernte und Weinlese zusammen (Joel 3; vgl. Off 14,14–20). In Matthäus 25,31–46 schließlich steht, dass alle Nationen vor dem Menschensohn versammelt sein werden, der auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzt. Auch hier ist es wieder Er allein, der sie ganz individuell richtet, je nachdem wie sie seine jüdischen Brüder, die Botschafter des Evangeliums vom Königreich, behandelt haben.

Juda besitzt Edom

Das Gericht Israels an Edom ist viel eingeschränkter. Davon heißt es in Hesekiel: „So spricht der Herr, Herr: Weil Edom mit Rachsucht gegen das Haus Juda gehandelt hat und sie sich sehr schuldig gemacht haben, indem sie sich an ihnen rächten, darum, so spricht der Herr, Herr, werde ich meine Hand gegen Edom ausstrecken und Menschen und Vieh aus ihm ausrotten; und ich werde es von Teman an zur Einöde machen, und bis nach Dedan hin werden sie durchs Schwert fallen. Und ich werde meine Rache über Edom bringen durch die Hand meines Volkes Israel“ (Hes 25,12–14). Bei Obadja geschieht dieses Gericht einzig in Bezug auf den Besitz des Erbteils, das Edom sich aneignen wollte. All die so oft wiederholten Anspielungen auf die Makkabäer durch Kommentatoren, die das Ziel und die Reichweite der Prophetie verkennen, sind bei alledem völlig hinfällig. Bei der Vergeltung am Tag des Herrn, wenn der Messias für sein wiederhergestelltes Volk kämpft, wird ganz Israel sein Erbteil wiedererhalten. So erfüllt sich die Aussage in Obadja 17: „Und die vom Haus Jakob werden ihre Besitzungen wieder in Besitz nehmen.“

Obadja 19: Und die vom Süden werden das Gebirge Esaus, und die von der Niederung die Philister in Besitz nehmen; und sie werden das Gebiet Ephraims und das Gebiet Samarias in Besitz nehmen, und Benjamin wird Gilead in Besitz nehmen.

Edom hatte sich beim Unheil, das über Juda gekommen war, des Südens bemächtigt, der Teil des Gebietes von Juda war. Jetzt ist es Juda – „die vom Süden“ –, das das Gebirge Esaus besitzt. Den Berg Seir durfte Israel einst auf den Befehl Gottes nicht anrühren, als Edom Israel den Durchzug durch sein Land verwehrt hatte (4. Mo 20,21). Zu jener Zeit war die Geduld Gottes noch nicht am Ende. Der Herr hatte einst prophetisch gewisse Segnungen für die Edomiter durch den Mund Isaaks aussprechen lassen, jetzt jedoch ist das Ende dieser Segnungen gekommen. Edom, ein zweifellos für immer verwüstetes Gebiet, gehört nun Juda und bleibt damit ein Zeuge des göttlichen Gerichts über seine Feinde. Andere Nationen werden Anteil am Segen Israels haben, so wie es heißt: „Gesegnet sei mein Volk Ägypten, und Assyrien, meiner Hände Werk, und Israel, mein Erbteil!“ (Jes 19,25). Edom wird nie mehr gesegnet werden.

Das gleiche Los wird auch den Philistern zufallen. Dieser beständige Feind Israels, der auf dessen Gebiet wohnte und dessen Grenzen besetzte, wird nicht fortbestehen. Das Land der Philister gehört zu dem Gebiet, das Gott einst Josua versprochen und das dieser nicht ganz eingenommen hatte (Jos 11,16.17). „Die von der Niederung [werden] die Philister in Besitz nehmen.“ Dieser Ausspruch betrifft offensichtlich auch Benjamin und nicht nur Juda; denn nach der Aufteilung des Landes in Hesekiel 47 und 48 wird das Land der Philister den beiden Stämmen als Erbteil zufallen. Andererseits wird sich Benjamin über den Jordan bis zum Gebiet Gilead ausbreiten. Eigentlich ist in diesen Versen nicht die Rede von Aufteilung, sondern es wird aufgezeigt, dass alles, was sich der Einnahme des Landes widersetzte, nun verschwunden ist. Es geht darum, dass Israel nun eine Einheit bildet, die die Gebiete seiner Feinde einschließt. Und Israel ist jetzt auch mit den Stämmen auf der anderen Seite des Jordan verbunden, deren Lage so oft die Einheit des Volkes beeinträchtigt hatte.

Wiederherstellen der alten Grenzen

{Obadja 1,20}

Der Prophet fährt fort und beschreibt die Einnahme des Landes innerhalb der früher von Gott verordneten Grenzen. Das Heer der zehn Stämme, einst in die Gefangenschaft geführt, wird nun das Gebiet Sidon bis Sarepta im Norden einnehmen. Diese Gegend gehörte früher den Kanaanitern und umfasst das Gebiet von Tyrus und den Libanon. Genauso spricht der Prophet Sacharja über die Rückkehr der Heere von Juda und Ephraim: „Und ich werde sie zurückführen aus dem Land Ägypten und sie sammeln aus Assyrien und sie ins Land Gilead und auf den Libanon bringen; und es wird nicht Raum genug für sie gefunden werden“ (Sach 10,10). Nun werden endlich die Gefangenen Jerusalems, die in Sepharad (Sardes?) waren, die Städte des Südens besitzen. Diese Rückkehr wird in Sacharja 9,11.12 beschrieben: „Und du – um des Blutes deines Bundes willen entlasse ich auch deine Gefangenen aus der Grube, in der kein Wasser ist. Kehrt zur Festung zurück, ihr Gefangenen der Hoffnung!“ Von diesem Propheten erfahren wir ebenfalls, dass der Herr aus diesen Deportierten sein Heer der Helden bildet, die wie ein Streitross mit Ihm in den Kampf ziehen und Ruhm ernten werden.

All dies ist nicht, wie in Hesekiel, eine detaillierte Beschreibung der jedem Stamm zugeteilten Gebiete. In Obadja geht es um die Ausbreitung des Volkes. Die früheren von Gott verheißenen Grenzen, die Israel allerdings aufgrund seiner Untreue nie erreicht hatte, werden ihnen nun durch die Gnade Gottes endgültig zugesichert. Diese erneute Eroberung des Erbteils Gottes durch sein Volk Israel scheint der Aufteilung des Gebietes unter die Stämme vorauszugehen. Wie wir in Obadja lesen, wird das Gebiet sich nach Süden, nach Westen, nach Norden und nach Osten ausdehnen.

Jerusalem und sein König

{Obadja 1,21}

Wer sind diese Retter? Sacharja 12,6–8 gibt uns darüber Auskunft. Es sind die Fürsten von Juda, die zu Richtern und Gesetzgebern der Nationen werden, nachdem sie rechts und links alle die Völker verschlungen haben, die sie umgeben (vgl. Mich 5,5). „An jenem Tag wird der Herr die Bewohner von Jerusalem beschirmen; und der Strauchelnde unter ihnen wird an jenem Tag wie David sein und das Haus David wie Gott, wie der Engel des Herrn vor ihnen her“ (Sach 12,8). Nach der Schlacht wird Juda als Gesetzgeber unter der herrlichen Herrschaft Christi über die Nationen auf der Erde herrschen; das trifft auch für Jerusalem, das Haus Davids und „den Fürsten“ zu (Hes 48,21). Diese Retter, deren Regierungszentrum Jerusalem sein wird, werden „das Gebirge Esaus richten“. Edom [Esau], das einzige Thema im Propheten Obadja, wird hier allein erwähnt. Wie wir schon gesehen haben, betrachtet der Prophet das Gebirge Esaus als Zentrum und Vertreter aller Nationen. Am Ende der Tage werden die Völker sich dort zum Gericht zusammenfinden. Nachdem das Gericht vollzogen ist, wird das Regierungszentrum in Jerusalem errichtet, in der Stadt, von der Edom gesagt hatte: „Entblößt, entblößt sie bis auf ihre Grundfeste!“ (Ps 137,7).

Die folgenden Ereignisse, die in dieser Prophezeiung behandelt werden, gehen der Errichtung der Königsherrschaft des Herrn voraus:

Edom wird von seinen kurzzeitigen Verbündeten verraten, die er zu Werkzeugen seines Ehrgeizes machen wollte.

Es wird durch diese Bundesgenossen vernichtet, die die Heere des Westens zu ihrer Hilfe rufen.

Die Häuser Juda und Israel, die dann wieder vereint sind, werden Edom das Böse vergelten.

Das Volk Gottes wird sein gesamtes Erbteil durch die Heere der ehemals Verschleppten in Besitz nehmen.

In der Stadt des großen Königs wird die Herrschaft über die Nationen errichtet.

Alles ist jetzt bereit, Ihn zu empfangen. Das Königreich Christi wird nicht plötzlich und unerwartet errichtet, sondern schrittweise, durch eine Folge von Handlungen, zuvorbestimmt durch die Weisheit, die Gerechtigkeit und das Erbarmen Gottes. Durch diese Taten erreicht der Herr sein Ziel: das Werk der Buße und der Wiederherstellung im Herzen seines Volkes, das Gericht über die Nationen, ein letzter Ruf an ihr Gewissen. Das alles wird in endgültiger Form geschehen, wenn die Geduld Gottes erschöpft ist und alle seine Bemühungen an dem verhärteten Herzen des Menschen erfolglos gewesen sein werden.

Die Morgenröte wird bald erscheinen; die letzten Nebel am Horizont lösen sich auf. Dann wird die Sonne der Gerechtigkeit über den ewigen Hügeln aufgehen und ihr strahlendes Licht über eine schier endlose Landschaft werfen, wo alles nach dem Herzen Gottes unter dem Herrscherstab des Sohnes seiner Rechten geordnet ist. Das Böse wird dann unterdrückt werden, sobald es sich nur zeigt. Das herrliche Tausendjährige Reich, ganz erfüllt von der Gegenwart des Herrn, wird dem Tag Gottes vorausgehen, dem Tag der neuen Himmel und der neuen Erde, wo Gerechtigkeit wohnt!

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