Die Gabe des Geistes

Die Taufe mit Heiligem Geist und Feuer

Die Gabe des Geistes

Um die Frage zu beantworten: Was meint Johannes der Täufer, wenn er auf Jesus hinweisend sagt: „Ich zwar taufe euch mit Wasser zur Buße; der nach mir Kommende aber ist stärker als ich ....; Er wird euch mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen“ (Mt 3,11), müssen wir uns zunächst ein wenig mit den Umständen beschäftigen, unter welchen der Ausspruch geschah.

Johannes der Täufer war der Vorläufer des Herrn Jesu, der Herold des großen Königs, der in Bethlehem geboren worden war und nun im Begriff stand, in der Mitte Seines Volkes aufzutreten. Unter diesem Charakter erscheint Johannes ganz besonders in unserem Kapitel. In Erfüllung der Prophezeiung des Jesajas predigte er in der Wüste von Judäa: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen. Denn dieser ist der, von dem durch Jesaja, den Propheten, geredet ist, der spricht: „Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn; macht gerade seine Pfade“.“ Der Herr war inmitten Seines irdischen Volkes erschienen, um Sein Reich aufzurichten, und aller Augen sollten auf Ihn hingelenkt, aller Herzen auf Ihn aufmerksam gemacht werden. Johannes war nicht die wichtige Person; er war nur eine Stimme, welche durch ihr Rufen alle aus dem Schlaf aufrütteln und die Gedanken der Bußfertigen und Gottesfürchtigen auf den Messias, den Hirten Israels, richten sollte.

„Das Reich der Himmel“ war nahe gekommen, jenes Reich, von welchem schon in Daniel 2 und 7 die Rede ist. Welche Form dieses Reich zunächst annehmen würde, dass sein König verworfen und das Reich selbst in einer geheimnisvollen Gestalt (vergl. Mt 13) aufgerichtet werden sollte, darüber hatte Johannes wohl kein Verständnis. Er predigte einfach dem Volk Israel (denn um dieses handelt es sich hier ausschließlich) das Reich der Himmel als nahe bevorstehend und kündigte die Gegenwart des Jehova-Messias an, der an dem Bösen Gericht üben und in göttlicher Macht das Gute einführen und so der Herrlichkeit den Weg bahnen würde, welche Gott den Vätern verheißen hatte. Wie wenig Johannes auf die Verwerfung Jesu seitens der Juden und die darauf folgende Hinausschiebung der Erfüllung der Verheißungen vorbereitet war, geht aus seiner Sendung an den Herrn in Matthäus 11 hervor.

Dürfen wir uns über sein mangelhaftes Verständnis wundern? Nein; aber billig? sollten wir uns über Gläubige in unseren Tagen wundern, die trotz des hellen Lichtes des Neuen Testaments noch nicht zur Einsicht darüber gekommen sind, dass die Errichtung des Reiches Christi in sichtbarer Herrlichkeit und Macht, so wie es im Alten Testament beschrieben wird, aufgeschoben worden ist, und dass die Verwerfung Jesu hienieden und Seine Erhöhung zur rechten Hand Gottes zur Einführung des Reiches in der bereits genannten geheimnisvollen Gestalt geführt hat. Es ist ganz erstaunlich, wie schriftwidrig die Begriffe vieler Gläubigen in dieser Beziehung sind. Man vermengt das Reich mit der Kirche, die irdischen Hoffnungen und Erwartungen Israels mit der himmlischen Stellung und Hoffnung der neutestamentlichen Gläubigen, und man redet infolgedessen mehr von dem „König“ Jesus, als von dem hienieden verworfenen, aber droben verherrlichten Menschensohn, dem Haupt Seines Leibes, der Versammlung. Selbstverständlich entspricht dieser Anschauung dann auch mehr oder weniger die ganze Denkweise der betreffenden Gläubigen.

Aus diesem Grund mag es gut sein, noch einen Augenblick hierbei zu verweilen. Nie hat es eine Zeit auf Erden gegeben, in welcher die Wege Gottes dem Menschen solch weitgehende Segnungen gebracht hätten wie heute. Selbst im Tausendjährigen Reich geboren zu sein, ist nicht zu vergleichen mit der gegenwärtigen Segnung. Bei dem Gedanken an die Herrlichkeit, welche dann geschaut werden wird, wenn alles Christo unterworfen ist und Gottes Wille geschieht „wie im Himmel also auch auf Erden“, möchte freilich in manchem Herzen der Wunsch aufkommen: „Ach, wenn ich doch dann auf dieser Erde lebte!“ Aber die Gläubigen, welche in jenen Tagen hienieden weilen werden, genießen nicht das, was wir heute genießen. Sie stehen nicht in denselben Beziehungen zu dem Vater und dem Sohn, wie wir es tun. Sie werden nicht in der Weise wie wir wissen, was es heißt, innerhalb des Vorhangs ins Allerheiligste zu treten, oder hienieden an den Leiden Christi teilzunehmen. Sie werden nicht in dem vollen Sinn die Freude des Heiligen Geistes kennen, während sie zugleich von der Welt verworfen sind und um Christi willen geschmäht werden. Was die gegenwärtige Zeit kennzeichnet, ist der Umstand, dass die Gläubigen, während sie hienieden pilgern und verworfen sind, in bewusster Weise im Himmel wohnen. Unsere Heimat ist droben; wir gehören dieser Welt gar nicht an, alle unsere Erwartungen liegen außerhalb der sichtbaren Dinge, sind mit Christo verbunden, da wo Er jetzt ist.

Ein liebliches Bild von unserer Stellung in dieser Beziehung erblicken wir in unserem geliebten Herrn selbst, als Er nach Seiner Taufe durch Johannes aus dem Jordan wieder heraufstieg und der Himmel sich über Ihm öffnete. Der irdische Schauplatz um Ihn her war eine Wüste, aber der Himmel war geöffnet, und der Heilige Geist stieg auf Ihn hernieder, während der Vater Ihn anerkannte als Seinen geliebten Sohn.

Mein lieber gläubiger Leser, betrachte mit Anbetung den gesegneten Platz, auf welchen die Versöhnung dich gestellt hat! Nachdem Christus in den Himmel zurückgekehrt ist als Der, welcher Gott vollkommen verherrlicht hat im Blick auf die Sünde, ist der Vorhang für dich zerrissen und der Himmel aufgetan. Du bist gesalbt und versiegelt mit dem Heiligen Geist, und der Vater hat dich anerkannt als Sohn, als Sein geliebtes Kind. ̶ Dass Jesus jene Anerkennung von seiten des Vaters empfing auf Grund Seiner persönlichen Rechte, der Würdigkeit Seiner Person, während wir durch Gnade und auf Grund des Erlösungswerkes auf diesen Boden gebracht sind, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Darum wird Ihm auch kein Gegenstand im Himmel gezeigt, auf welchen Er Sein Auge zu richten hatte, wie z. B. dem Stephanus oder Paulus, sondern Er ist der Gegenstand, auf welchen der Himmel herabblickt.

Im Vorübergehen möchte ich noch bemerken, dass wir bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal die göttliche Dreieinheit völlig offenbart finden. Der Sohn ist da in sichtbarer Gestalt als Mensch hienieden; der Heilige Geist kommt auf Ihn herab und bleibt auf Ihm, und die Stimme des Vaters erkennt Ihn als Sohn an. Welch eine wunderbare Offenbarung in Verbindung mit der Stellung, die der Sohn eingenommen hatte! Diese Offenbarung der drei Personen in der göttlichen Einheit war, wie wir in dem ersten Abschnitt unserer Betrachtung sahen, im Alten Testament unmöglich; sie blieb, als Grundlage des Christentums, aufgespart für den herrlichen Augenblick, da der Sohn Gottes Seinen Platz einnehmen würde inmitten der Armen Seiner Herde, unter denen, welche Er in Seiner Liebe und herablassenden Gnade „die Herrlichen der Erde“ nennt (vgl Ps 16).

Kehren wir jetzt zu Johannes dem Täufer zurück. Angesichts des Reiches, dessen Nahen er ankündigte, forderte Johannes alle zur Buße auf. Der Zustand des jüdischen Volkes war ein solcher, dass der Täufer, entsprechend seiner Bußpredigt, außerhalb Jerusalems, des religiösen Mittelpunktes Israels, in der Wüste seinen Aufenthalt nahm, in härenem Gewand einherging und von Heuschrecken und wildem Honig sich nährte. Die Gnade kam in seinem Dienst nicht zum Ausdruck, wenngleich seine Sendung an und für sich ein Beweis der Gnade Gottes war. Er kam „auf dem Weg der Gerechtigkeit“ (Mt 21,32). Die äußeren Vorrechte des Israeliten erkannte er nicht an. Gott vermochte dem Abraham sogar aus den Steinen, die am Weg lagen, Kinder zu erwecken. Es handelte sich jetzt um wahre Buße und Umkehr zu Gott, um „der Buße würdige Frucht“. Der Messias war da. Der Herr der Ernte war erschienen. Er, der den Weizen von der Spreu zu unterscheiden wusste, der Herzenskenner, der Richter Israels, stand auf Seiner Tenne, d. h. inmitten Seines Volkes Israel. Die Aufforderung zur Buße erging an das ganze Volk, und schon lag die Axt an den Wurzeln der Bäume. Weigerte sich Israel, Buße zu tun, so war Gott bereit, mit dem alten religiösen System völlig zu brechen, wie es in Wirklichkeit ja auch hernach geschehen ist. Die Bäume, welche keine guten Früchte brachten, sollten abgehauen und ins Feuer geworfen werden; wer das Zeugnis des Johannes annahm und dem göttlichen Urteil sich unterwarf, wurde von dem übrigen Volk durch die Wassertaufe abgesondert.

Ich wiederhole also: es handelt sich in unserem Kapitel nur um Israel und um Gottes Wege mit den Juden. Die Botschaft des Johannes richtete sich ausschließlich an dieses Volk. Es ist notwendig, dies immer wieder zu betonen, weil gerade die Nichtbeachtung dieser Tatsache zu so vielen verkehrten Auslegungen des Ausspruchs unseres Propheten Anlass gegeben hat. Johannes war ein Prophet, ja, mehr als ein Prophet; nicht nur redete er ernste Worte von Seiten Gottes zu dem Volk, sondern er kündigte auch die Erfüllung der Verheißungen Gottes und damit den Anbruch einer ganz neuen Zeit für Israel an und zeugte von der Gegenwart des Herrn inmitten Seines Volkes. Welch eine Tatsache von unermesslicher Bedeutung war diese Gegenwart! Der Jehova-Jesus?, welcher in der Mitte Seines Volkes erschienen war, sollte sicherlich der Erfüller aller Verheißungen sein, aber Er musste auch notwendig alles Böse, das Er unter Seinem Volk fand, richten. Er kam nach Johannes, aber Er war vor ihm. Er war der Stärkere und Größere. Johannes war nicht würdig, Ihm die Schuhriemen zu lösen. Er war Herr, und Er stand im Begriff, Seine Tenne (Israel) durch und durch zu reinigen. Die Worfschaufel war in Seiner Hand. Diejenigen, welche wahrhaftig Sein waren (den Weizen), wollte Er aus Seinem Volk ausscheiden und in Seinen Scheunen in Sicherheit bringen; die Übrigen, die Bösen (die S preu), sollten verbrannt werden mit unauslöschlichem Feuer.

Damit kommen wir zu dem Ausspruch, der den eigentlichen Kernpunkt unserer Betrachtung bildet: „Er wird euch mit Heiligem Geist und Feuer taufen.“ Die lange Einleitung war notwendig, um zu zeigen, wie verkehrt, ja verhängnisvoll es ist, die Worte des Propheten aus ihrem Zusammenhang herauszunehmen, um ihnen auf diese Weise eine Auslegung zu geben, die der Belehrung des Geistes in unserem Kapitel und an anderen Stellen der Schrift unmittelbar widerspricht. Man redet im Anschluss an den Ausspruch des Propheten davon, dass „wir eine Feuertaufe brauchen“; man betrachtet die Feuertaufe als eine kostbare Verheißung für den Gläubigen und bittet in heißem Flehen um die Erfüllung dieser Verheißung. O wie gut ist es, dass Gott in Seiner Gnade solches Flehen nicht erhört! Er kann es nicht erhören; denn wenn Er es täte, so würde es ja die ewige Verdammung der Bittenden bedeuten.

„Ich zwar taufe euch mit Wasser zur Buße; der nach mir Kommende aber ist stärker als ich ....; er wird euch mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen.“ Zwei in ihrer Natur völlig verschiedene, ja, unmittelbar einander entgegengesetzte Dinge stellt Johannes hier, geleitet durch den Geist, in einem kurzen Satz zusammen; zwei Tätigkeiten des Herrn werden in knapper, charakteristischer Weise beschrieben, die nicht nur völlig verschieden sind, sondern auch, was die Zeit ihrer Ausübung betrifft, weit auseinander liegen. Letzteres konnte Johannes freilich damals nicht wissen, hat es auch später nicht gewusst, wie wir oben bereits gesehen haben. Was sind nun diese beiden Dinge? Jesus war gekommen, um mit Heiligem Geist zu taufen, d.h. Seinen Geist denen zu geben, die lebendig gemacht, gereinigt und erlöst werden würden; und Er war gekommen, um mit Feuer zu taufen, d.h. Sein Gericht an denen auszuführen, welche das Zeugnis des Johannes nicht annehmen und in ihren Sünden beharren würden. Während Johannes das Volk zur Buße rief und diejenigen, welche seinem Ruf folgten, mit Wasser taufte, stand ein Größerer als er bereit, Seine Tenne zu reinigen, an den Unbußfertigen Gericht auszuüben, aber auch mit Heiligem Geist diejenigen zu taufen, welche durch den Glauben an Ihn sich retten lassen würden. Beachten wir also wohl: Johannes stellt hier den Herrn Jesum nicht dar als den in Gnade erschienenen Heiland, nicht als das Lamm, welches gekommen war, um die Sünde derWelt hinwegzunehmen, sondern als das Haupt des Reiches, als Herr, welcher im Begriff stand, falls Israel nicht Buße tun würde, das Gericht an dem schuldigen Volk zu vollziehen. Die Tenne war Seine Tenne, der Weizen war Sein Weizen, und die Spreu wird Er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer.

Israel hat Jesus verworfen. Die ernste Botschaft des Johannes, auf dem Weg der Gerechtigkeit kam, und die freundlichen Einladungen Jesu, der, obwohl Er der Richter Israels war, in göttlicher Gnade Seinem Volk begegnete, blieben unbeantwortet. Der Messias, der König Israels, wurde ans Kreuz geschlagen. Damit war das Schicksal der jüdischen Nation als solcher besiegelt; nichts als Gericht blieb für sie übrig. Doch ist das Gericht noch nicht endgültig vollzogen. Wohl ist das ganze religiöse System hinweggetan, wohl befindet sich Israel in der Zerstreuung unter den Völkern der Erde und liegt unter dem Fluch, welchen es durch die Ermordung des Sohnes Gottes auf sich gebracht hat; aber das im 12. Vers unseres Kapitels angekündigte endgültige Gericht ist noch nicht vollzogen. Gott hat, wie uns allen bekannt ist, den Endabschluss Seiner Wege mit Israel hinausgeschoben, und inzwischen ist etwas ganz Neues, in Gottes Herzen bis dahin Verborgenes: die Versammlung oder Gemeinde, ans Licht getreten. Sie wurde am Tag der Pfingsten gebildet, und ihr tat der Herr nachher täglich diejenigen aus Israel hinzu, welche von dem kommenden Zorn gerettet werden sollten. Dem gläubigen Überrest aus Israel, der sich nach der Verwerfung Christi und nach Seiner Auferstehung aus den Toten vorfand, wurde, anknüpfend an das Zeugnis des Johannes, die Verheißung wiederholt: „... ihr werdet mit Heiligem Geist1 getauft werden nach nunmehr nicht vielen Tagen“ (Apg 1,5).

Johannes stellt also zwei wichtige Charakterzüge des ersten und zweiten Kommens Christi in einem Satz zusammen. Alles was zwischen beiden liegen mochte, war vor seinen Augen verborgen. Wohl hatten die alttestamentlichen Schriften von der ersten und zweiten Ankunft des Messias geredet, aber nicht in einer Weise, dass der Gedanke an zwei verschiedene Zeitabschnitte dadurch erweckt wurde. Selbst nach dem Tod und der Auferstehung des Herrn hatten die Jünger noch kein Verständnis hierüber. Daher stellt Johannes diese beiden Dinge: die Taufe mit dem Heiligen Geist und die Taufe mit Feuer, einfach nebeneinander. Er konnte, wie gesagt, nicht wissen, was wir heute wissen, dass die Taufe mit dem Heiligen Geist die Segnung Gottes im Reich der Himmel ist, so wie es heute besteht, während die Taufe mit Feuer die Errichtung des Reiches der Himmel in Macht und Herrlichkeit bei der Wiederkunft Christi begleiten wird. In jenen Tagen wird der Inhalt des 12. Verses in Erfüllung gehen: Christus wird die Gottlosen wie Spreu sammeln und ins Feuer werfen. Das ist die Taufe mit Feuer. Sie hat nichts zu tun mit der Wiedergeburt eines Menschen, noch mit seiner Zubereitung und Ausrüstung in Kraft zum Dienst; noch weniger ist sie eine Befreiung von der innewohnenden Sünde, eine Art Ausbrennung der alten Natur, so dass der, welcher sie empfangen hat, nun heilig und ohne Sünde lebt. Nein, sie steht in keinerlei Verbindung mit dem Gläubigen, sondern bedeutet das Ausgießen des Feuereifers Gottes, des brennenden Zornes des gerechten Richters, über alle, welche sich den ernsten und freundlichen Botschaften Gottes gegenüber verhärten und auf ihren Sündenwegen beharren.

Feuer ist in der Schrift überall das Symbol des Gerichts. (Mt 3,11 macht keine Ausnahme von der Regel.) Diese Tatsache ist so bekannt und geht aus so vielen Stellen des Alten und Neuen Testamentes hervor, dass wir nicht länger dabei zu verweilen brauchen. Nur eine Stelle aus dem Neuen Testament, die zuweilen Schwierigkeiten macht, möchte ich erwähnen. Sie lautet:

„Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden, und jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden“ (Mk 9,49). Der Herr redet hier von dem Ernst der Ewigkeit. Gott ist ein verzehrendes Feuer, und mit Ihm und Seiner vollkommenen Heiligkeit haben alle es zu tun. Ein jeder, ob gut oder böse, wird mit Feuer gesalzen werden. Ist Leben in einer Seele vorhanden, so wird das Feuer des Gerichts nur das treffen, was der Heiligkeit Gottes nicht entspricht; alles was aus dem Fleisch ist, begegnet einem schonungslosen Gericht. Gott will und muss in denen, die Ihm nahen, geheiligt werden (vgl. 3. Mose 10). In Verbindung damit lesen wir auch in 1. Kor 11,32: „Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden.“ Wenn aber das Gericht den Gottlosen und Bösen erreicht ̶ und das wird sicherlich geschehen – so bedeutet es für ihn die Verdammnis, das unauslöschliche Feuer.

Außerdem wird jedes Schlachtopfer, d.h. jeder Gute, Gott Geweihte, mit Salz gesalzen werden; d. h. die heiligende Gnade Gottes, welche die Seele innerlich vor dem Bösen bewahrt, darf denen nicht fehlen, deren Leben ein Opfer für Gott ist. Ist das Feuer ein Bild des verzehrenden Gerichts, so erblicken wir in dem Salz ein Bild jener göttlichen Kraft, die uns von allem Bösen absondert und uns vor innerer Fäulnis bewahrt.

Nirgendwo in der Schrift finden wir etwas, das uns Anleitung geben könnte, das, was am Pfingstag geschah, als Feuertaufe zu bezeichnen. Es handelt sich dort in keiner Weise um Gericht, sondern vielmehr um das Ausgießen der Gnade Gottes und die Gabe des Heiligen Geistes, damit Er in den Heiligen wohne und sie als Seine Werkzeuge benutze. Die „Zungen wie von Feuer“ weisen hin auf die Art und Weise, wie die Macht des Heiligen Geistes sich fortan offenbaren und in den Jüngern wirksam sein sollte. Das Wort, welches einem Feuer gleicht, indem es alles richtet und in dem Herzen des Menschen nichts Böses duldet, sollte von ihnen in Kraft verkündigt werden, zugleich aber auch die wunderbare Gnade Gottes in allen Sprachen den Menschen kundtun. Es waren Zungen, und zwar zerteilte Zungen, was uns wohl daran erinnert, dass Gottes Zeugnis nunmehr die Schranken des Judentums durchbrechen und zu allen, zu Juden und Heiden, hingelangen sollte.

So begegneten denn – auch das ist charakteristisch für das Christentum – bei dieser Gelegenheit die bedingungslose Gnade und die vollkommene Liebe Gottes dem Menschen, der gar keinen Anspruch auf dieselben hatte, indem zugleich alle seine Sünden durch dieselbe Gnade in dem Tod Christi als gerichtet erschienen. Im Kreuz sehen wir das Gericht über die Sünde; dort wurde das fleckenlose, reine Opfer von dem Feuer des Gerichts an unserer statt verzehrt. Das Böse im Menschen muss gerichtet werden und war tatsächlich bereits in Christo als dem großen Sündopfer gerichtet worden. Die Gnade herrscht jetzt durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesum Christum, unseren Herrn; und wer dieser Gnade teilhaftig geworden ist und sie in sich wirken lässt, wendet allezeit jenes göttliche Urteil auf sich an und wandelt in Aufrichtigkeit und Lauterkeit vor Gott und Menschen.

Auf Jesum kam der Heilige Geist in Gestalt einer Taube, des passenden Sinnbildes der Reinheit und Sanftmut. Auf diesen Reinen und Heiligen konnte Er herniederkommen und auf Ihm bleiben ohne irgendwelchen Hinweis auf ein notwendiges Gericht. Zugleich erinnert es uns daran, dass von Jesu gesagt war: „Er wird nicht streiten noch schreien, noch wird jemand seine Stimme auf den Straßen hören; ein geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen, und einen glimmenden Docht wird er nicht auslöschen“ (Mt 12,19.20).

Fußnoten

  • 1 Warum wird hier nicht auch hinzugefügt: „und Feuer“? Wenn die vorhin angeführte Erklärung über die Feuertaufe richtig wäre, würden die Worte an dieser Stelle wahrlich nicht ausgelassen worden sein.
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