Betrachtung über Lukas (Synopsis)

Kapitel 8

Betrachtung über Lukas (Synopsis)

In diesem Kapitel erklärt der Herr die Tragweite und die Wirkung Seines Dienstes, und zwar, wie ich nicht zweifle, insbesondere dessen Wirkung unter den Juden.

Jesus setzt Sein Werk, wie groß auch der Unglaube sein mag, bis ans Ende fort, und die Früchte dieses Werkes kommen zum Vorschein. Er predigt das Evangelium des Reiches. Seine Jünger, die Frucht und, durch die Gnade (nach ihrem Maße und in derselben Weise wie Er), Zeugen Seines mächtigen Wortes, begleiten Ihn nebst anderen Jüngern, den Früchten desselben Wortes und auch Zeugen infolge ihrer Befreiung von der Macht des Feindes und ihrer durch die Gnade daraus entspringenden Anhänglichkeit und Hingebung. Diese Gnade wirkte auch in ihnen gemäß der Liebe und Hingebung, die das Herz mit Jesu verbinden. Hier nehmen auch die Weiber einen schönen Platz ein 1. Das Werk stärkte, befestigte und kennzeichnete sich durch seine Wirkungen.

Der Herr erklärt dann die wahre Natur dieses Werkes. Er nahm nicht Besitz von dem Reiche, noch suchte Er Frucht, sondern Er säte das Zeugnis Gottes, um Frucht hervorzubringen. Dies ist in einer augenscheinlichen Weise eine ganz und gar neue Sache; ihr Same ist das Wort. Überdies war es nur den Jüngern, die Ihm durch die Gnade und Kraft der Offenbarung der Macht und Gnade Gottes in Christo nachgefolgt waren und sich mit Seiner Person verbunden hatten, gegeben, die Geheimnisse zu verstehen, d. h. die in Christo geoffenbarten Gedanken Gottes bezüglich dieses Reiches, das nicht durch Macht öffentlich aufgerichtet werden sollte. Hier wird der Überrest sehr deutlich von der Nation unterschieden: den Jüngern ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu wissen; aber zu „den übrigen“ redet der Herr in Gleichnissen, damit sie es nicht verstehen. Zur Erlangung dieses Verständnisses musste der Herr innerlich aufgenommen werden. Das Gleichnis von dem Säemann wird an dieser Stelle von keinem anderen begleitet; es genügt, um die Stellung hervorzuheben. In V. 16 u. f. wird die Warnung hinzugefügt, die wir schon in Markus betrachtet haben. Schließlich war das Licht Gottes nicht angezündet worden, um verborgen zu bleiben; überdies sollte alles offenbar gemacht werden. Darum sollten sie darauf achten, wie sie hörten; denn wenn sie das besaßen, was sie hörten, so sollten sie mehr empfangen; im anderen Falle sollte selbst dieses von ihnen genommen werden.

Der Herr bestätigt dieses Zeugnis, dass es sich nämlich um Sein Wort handle, das jene Seelen, die die Segnung genießen sollten, zu Gott und zu Ihm hinzog, und dass dieses Wort die Grundlage jeder Verbindung mit Ihm bilde, indem Er - als sie Ihm von Seiner Mutter und Seinen Brüdern berichten, durch die Er mit Israel nach dem Fleische verbunden war - erklärt, dass Er nur solche als Verwandte anerkenne, die das Wort Gottes hörten und befolgten (V. 19-21).

Außer der augenscheinlichen Macht, die sich in Seinen, Wundern offenbarte, stellen die folgenden Begebenheiten (bis zum Ende des Kapitels) verschiedene Seiten des Werkes Christi sowie Seine Aufnahme und deren Folgen vor unsere Augen.

Zunächst (V. 22 u. f.) finden wir den Herrn - wiewohl Er dem Anschein nach keine Notiz davon nimmt - mit Seinen Jüngern in den Schwierigkeiten und Stürmen vereinigt, die sie umringten, weil sie sich in Seinen Dienst begeben haben. Wir haben gesehen, dass Er die Jünger um Sich sammelte: sie haben sich Seinem Dienste ergeben. Sie befinden sich in einer augenscheinlichen Gefahr, und keine menschliche Macht ist imstande, dieselbe abzuwenden. Die Wellen sind bereit, sie zu verschlingen, und anscheinend kümmert Sich Jesus gar nicht um sie. Allein es war Gott, der diese Glaubensübung zuließ. Die Jünger sind um Jesu willen und mit Ihm in dieser Lage. Christus ist bei ihnen; und die Macht Christi, um Dessentwillen sie im Sturme sind, ist gegenwärtig, um sie zu beschützen. Sie sind zusammen mit Ihm in demselben Schiffe; und wenn sie auch, an und für sich betrachtet, umkommen können, so sind sie doch in den Ratschlüssen Gottes mit Jesu vereinigt; Seine Gegenwart ist ihr Schutz. Jesus erlaubt den Sturm, aber Er Selbst ist in dem Schiffe; und wenn Er einmal aufwacht und Sich offenbart, so wird alles still.

In der Heilung des Besessenen in der Gegend der Gadarener haben wir ein lebendiges Bild von dem, was damals vorging. Im Blick auf Israel sehen wir, dass der Überrest befreit wird, wie groß auch die Stärke des Feindes sein mag (V. 26-39)., Die Welt bittet Jesum wegzugehen, da sie eine Ruhe begehrt, die durch die Gegenwart der Macht Gottes mehr gestört wird als durch eine Legion Teufel. Jesus geht hinweg. Der Geheilte, das Bild des Überrestes, will gern bei Ihm bleiben; aber der Herr sendet ihn zurück (in die Welt, die Er Selbst verließ), damit er ein Zeuge der Gnade und der Macht sei, die er an sich selbst erfahren hatte.

In der Herde Schweine erblicken wir, wie ich nicht zweifle, das blinde Fortschreiten Israels dem Untergang entgegen nach der Verwerfung Jesu.

Die Welt gewöhnt sich an die Macht des Satans, so peinlich ihr Anblick in gewissen Fällen auch sein mag; aber niemals gewöhnt sie sich an die Macht Gottes.

Die beiden folgenden Erzählungen stellen uns die Wirkung des Glaubens sowie die wahren Bedürfnisse vor Augen, mit denen die Gnade, die ihnen begegnete zu tun hat. Der Glaube des Überrestes sucht Jesum, um das Leben dessen, was sterben will, zu erhalten. Der Herr entspricht diesem Glauben und kommt persönlich, um ihm zu entsprechen. Während Er auf dem Wege ist (auf dem Er Sich damals befand und im Blick auf die schließliche Befreiung noch jetzt befindet), berührt Ihn, inmitten der Ihn umringenden Menge, der Glaube (V. 43-48). Das arme Weib hatte eine Krankheit, die durch keine dem Menschen zu Gebote stehenden Mittel geheilt werden konnte. In dem Menschen Jesus Christus aber war Macht vorhanden, und sie geht zur Heilung des Menschen von Ihm aus, wo irgend der Glaube sich findet, während sie auf die schließliche Erfüllung Seiner Mission auf Erden wartet, die zum Zweck hat, hienieden die gesegneten Wirkungen einer Macht einzuführen, die die Toten aufzuerwecken vermag. Das Weib wird geheilt, bekennt vor Christo ihre Lage und alles, was ihr begegnet ist; und auf diese Weise wird, vermittelst der Wirkung des Glaubens, ein Zeugnis für Christum abgelegt. Der Überrest ist geoffenbart, und der Glaube unterscheidet ihn von der Menge, da sein Zustand die Frucht der göttlichen Macht in Christo ist.

Dieser Grundsatz ist auf die Heilung eines jeden Glaubenden und mithin auch auf diejenige der Heiden anwendbar, wie Paulus dies in der Epistel an die Römer nachweist. Die heilende Macht ist in der Person Christi; der Glaube benutzt dieselbe infolge der Gnade und der Anziehungskraft Christi. Sie ist nicht von dem Verhältnis des Juden zu dem Messias abhängig, obwohl der Jude hinsichtlich seiner Stellung der erste war, der aus ihr hätte Nutzen ziehen sollen. Es handelt sich um das, was in der Person Christi ist, und um den Glauben in dem einzelnen Menschen. Ist der Glaube in dem Einzelnen vorhanden, so wirkt jene Macht; und der Mensch, geheilt durch die Macht Gottes Selbst, geht hin in Frieden.

Wenn man indes den Zustand des Menschen gänzlich ins Auge fasst, so handelt es sich nicht einfach um eine Krankheit, sondern um den Tod. Vor der völligen Offenbarung dieses Zustandes des Menschen (nämlich dieses Zustandes des Todes) begegnete Christus ihm, sozusagen, unterwegs; jedoch ist, wie auch bei Lazarus, die Offenbarung dieses Zustandes erlaubt worden. Für den Glauben hat diese Offenbarung in dem Tode Jesu stattgefunden. Ebenso wird auch hier erlaubt, dass die Tochter des Jairus vor der Ankunft Jesu stirbt. Allein die Gnade ist gekommen, um vom Tode aufzuerwecken, und zwar in Verbindung mit der göttlichen Macht, die allein dazu imstande ist; und Jesus, den armen Vater tröstend, ermuntert ihn, sich nicht zu fürchten, sondern nur zu glauben, und seine Tochter sollte errettet werden. Durch den Glauben an Seine Person, an die göttliche Macht in Ihm, oder an die Gnade, die da kommt, um diese Macht auszuüben, erlangt man Freude und Befreiung. Jedoch sucht Jesus hier nicht die Menge. Die Offenbarung jener Macht geschieht nur zum Troste derer, die ihr Bedürfnis für diese fühlen, sowie für den Glauben derer, die Ihm wahrhaft zugetan sind. Die Menge erkennt wohl, dass die Tochter des Jairus gestorben ist; sie beweint sie und versteht nicht die Macht Gottes, die sie auferwecken kann. Jesus gibt den Eltern das Kind zurück, nachdem Er ihm das Leben wiedergeschenkt hat. Gerade so wird es am Ende mit dem Überrest Israels sein inmitten des Unglaubens der Masse des Volkes. Inzwischen genießen wir im Voraus diese Freude durch den Glauben. Überzeugt, dass wir uns von Natur in diesem Zustande des Todes befinden, leben wir durch die Gnade; nur steht für uns, als den Erstlingen einer neuen Schöpfung, dieses Leben in Verbindung mit Christo in dem Himmel.

Jesus will, mit Rücksicht auf Seinen Dienst, dass dieses Werk verborgen bleibe. Er musste angenommen werden nach dem Zeugnis, das Er dem Gewissen und dem Herzen ablegte. Solange Er Sich auf dem Wege befand, war dieses Zeugnis nicht ganz vollendet; und in den folgenden Kapiteln werden wir Gelegenheit haben, Seine letzten Bemühungen an dem ungläubigen Herzen des Menschen zu sehen.

Fußnoten

  • 1 Es ist außerordentlich interessant, den unterschiedlichen Platz der Jünger und der Weiber zu sehen, und zwar nehmen die letzteren, wie oben gesagt, keinen schlechten Platz ein. Wir finden sie am Kreuze und an der Gruft wieder, als die Jünger, außer Johannes, alle geflohen waren; ja, die Jünger gingen sogar, als sie durch die Weiber zur Gruft gerufen wurden, wieder heim (!), sobald sie gesehen hatten, dass Jesus auferstanden war.
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