Betrachtung über Lukas (Synopsis)

Kapitel 11

Betrachtung über Lukas (Synopsis)

Das Gebet, welches Jesus hier Seine Jünger lehrt, bezieht sich ebenfalls auf die Stellung, in die sie vor der Gabe des Heiligen Geistes eintraten. Jesus Selbst betete als der abhängige Mensch auf der Erde. Noch hatte Er nicht als gen Himmel Gefahrener die Verheißung des Vaters empfangen, um sie über Seine Jünger auszugießen; jedoch standen diese in Verbindung mit Gott, als ihrem Vater. Die Herrlichkeit Seines Namens und die Ankunft Seines Reiches sollten vor allem ihre Gedanken beschäftigen. Hinsichtlich ihres täglichen Brotes waren sie von Ihm abhängig. Sie bedurften der Vergebung und der Bewahrung vor der Versuchung. Das Gebet enthielt den Wunsch eines vor Gott wahrhaftigen Herzens, dann die Bedürfnisse des Leibes, die sie der Sorge ihres Vaters im Himmel anvertrauten; ferner die Gnade, die sie für ihren Wandel bedurften, wenn sie gesündigt hatten, und damit sich ihr Fleisch nicht offenbare, und endlich ihre Errettung von der Macht des Feindes.

Dann (V. 5-13) dringt der Herr auf Beharrlichkeit; die Bitten sollen nicht aus einem Herzen hervorgehen, das hinsichtlich des Erfolges gleichgültig ist. Er versichert Seinen Jüngern, dass ihre Gebete nicht vergeblich sein würden, und dass ihr himmlischer Vater sogar den Heiligen Geist geben würde denen, die Ihn darum bäten. Er setzt sie in Seine eigene Beziehung auf der Erde zu Gott. Auf Gott hören und sich an Ihn, als einen Vater wenden - das ist das Ganze des praktischen christlichen Lebens.

Hernach werden die beiden großen Waffen Seines Zeugnisses ans Licht gestellt, nämlich die Austreibung der Teufel und die Autorität Seines Wortes. Christus hatte die Macht geoffenbart, die die Teufel austrieb, und man schrieb diese Macht dem Obersten der Teufel zu. Dessen ungeachtet hatte Er den Starken gebunden; Er hatte ihn seiner Güter beraubt, und dies bewies, dass das Reich Gottes wirklich gekommen war. In einem Falle wie dieser nahm, da Gott zur Befreiung des Menschen gekommen war, alles seinen wahren Platz ein: alles war entweder vom Teufel oder von dem Herrn. Und obwohl der unreine Geist von dem Hause ausgegangen war, so wird er doch, wenn Gott Sich nicht in demselben befindet, mit sieben anderen, noch böseren Geistern zurückkehren; und der letzte Zustand dieses Hauses wird schlimmer sein als der erste (V. 26).

Diese Offenbarung der Macht des Reiches erfüllte sich in jenem Augenblick. Aber nicht nur wurden Wunder gewirkt; der Herr hatte auch das Wort verkündigt. Ein Weib, das die Freude fühlte, einen solchen Sohn zu haben, wie Jesus war, preist mit lauter Stimme den Wert einer Verwandtschaft mit Ihm nach dem Fleische. Jedoch wie im vorigen Kapitel bei Maria, so erklärt der Herr auch hier, dass diese Segnung allen denen angehöre, die Sein Wort hörten und bewahrten (V. 28). Die Niniviten hatten auf Jona, die Königin des Südens hatte auf Salomo gehört, ohne dass damals ein Wunder gewirkt worden wäre - und ein Größerer als Jonas war jetzt unter ihnen.

Zwei Dinge werden uns hier in den Beziehungen Jesu zu Israel vor Augen gestellt: das von der Wahrheit klar und vollständig abgelegte Zeugnis (V. 33), und die Beweggründe, die die Hörer desselben beherrschten. Wenn das wahre Licht völlig in das Herz scheint so bleibt keine Finsternis darin. Wenn die vollkommene Wahrheit nach der Weisheit Gottes vorgestellt ist, aber abgewiesen wird, so ist es das Herz, das dieselbe verwirft: das Auge ist böse. Die Begriffe und Beweggründe eines von Gott entfernten Herzens verfinstern dieses nur; ein Herz hingegen, das nur einen Gegenstand hat: Gott und Seine Herrlichkeit, wird voll von Licht sein. Überdies zeigt sich das Licht nicht nur, sondern es erhellt auch die ganze Umgebung (V. 34-36).

Eingeladen in das Haus eines Pharisäers (V. 37-52), verurteilt Jesus den Zustand der Nation und die Heuchelei derer, die sich anmaßten, Gerechtigkeit zu besitzen, indem Er auf das übertünchte Äußere und die innere Habsucht und Selbstsucht hinweist. Jene machten das Gesetz Gottes zu einer Bürde für andere, während sie selbst die Erfüllung desselben vernachlässigten. Der Herr kündigt ihnen die Sendung der Apostel und Propheten des Neuen Testamentes an, deren Verwerfung das Maß der Ungerechtigkeit Israels voll machen und alle diejenigen auf eine letzte Probe stellen würde, die heuchlerisch die Gräber der Propheten bauten, die von ihren Vätern getötet worden waren. All das Blut, bezüglich dessen Gott Seine Langmut gezeigt hatte, indem Er zur Erleuchtung des Volkes Zeugnisse sandte, ja, welches gerade wegen dieser Zeugnisse vergossen worden war, wird schließlich von diesem aufrührerischen Volke zurückgefordert werden. Die Worte des Herrn reizten, indes nur die Bosheit der Pharisäer, und sie trachteten Ihn in Seinen Reden zu fangen. Wir haben also anstatt eines Messias, der die Verheißungen erfüllt, einerseits das Wort des Zeugnisses völlig in den Vordergrund gestellt, und andererseits das Urteil über eine Nation, die beides verworfen hatte, und die auch das verwerfen würde, was die Gnade noch später zu ihrer Zurückführung senden wollte.

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