Antworten auf Fragen in Römer 11

Das Gleichnis vom Ölbaum

Die Erklärung der Stellung und der Hoffnung Israels, sowie diejenige seiner Beziehung zu den Nationen und deren Verantwortung ist in die Form eines Gleichnisses gekleidet, zu dem wir jetzt kommen. In diesem Abschnitt unseres Kapitels begegnen wir einigen für die Nationen sehr bedeutungsvollen Wahrheiten. Je mehr wir uns dem Ende dieses Kapitels nähern, das die Haushaltung Gottes behandelt, umso heller leuchtet uns die Hoffnung Israels entgegen, bis zu dem Hinweis auf den Erretter, der aus Jerusalem kommen und der die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden wird.

„Wenn aber der Erstling heilig ist, so auch die Masse; und wenn die Wurzel heilig ist, so auch die Zweige, wenn aber einige der Zweige ausgebrochen worden sind, du aber, der du ein wilder Ölbaum warst, unter sie eingepfropft und der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaums mitteilhaftig geworden bist, so rühme dich nicht gegen die Zweige, wenn du dich aber gegen sie rühmst – du trägst nicht die Wurzel, sondern die Wurzel dich. Du wirst nun sagen: Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit  ich eingepfropft würde. Recht; sie sind ausgebrochen worden durch den Unglauben; du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich; denn wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat, dass Er auch dich etwa nicht verschonen werde. Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes: gegen die, die gefallen sind, Strenge, gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst; sonst wirst auch du ausgeschnitten werden. Auch jene aber, wenn sie nicht im Unglauben bleiben, werden eingepfropft werden; denn Gott vermag sie wiederum einzupfropfen. Denn wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum ausgeschnitten und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist, wie viel mehr werden diese, die natürlichen Zweige, in ihren eigenen Ölbaum eingepfropft werden!“ (Vers 16–24).

Das Gleichnis betrifft einen edlen und einen wilden Ölbaum; Zweige, die ausgebrochen und Zweige, die eingepfropft worden sind; Zweige, denen angedroht wird, ausgeschnitten zu werden, während die ausgebrochenen wieder eingepfropft werden sollen. Durch dieses Gleichnis werden Ermahnungen und ernste Warnungen gegeben, und wichtige Belehrungen über die Haushaltungen Gottes durchziehen das Ganze.

Ehe wir die Bedeutung des Ölbaums zu ergründen suchen, möchten wir ein kurzes Wort sagen über den Satz: „wenn aber der Erstling heilig ist, so auch die Masse.“ Der Erstling bezieht sich keineswegs auf irgendetwas außerhalb Israels. Es gibt in unseren Tagen Christen, die von einem Erstling reden in dem Sinn, als ob in der Kirche, d. h. an dem Leib des Herrn Jesus Christus, eine erwählte Zahl von Gliedern wäre, die durch Selbstverleugnung, durch ihren Dienst einen besonderen Platz erlangen und als Erste in das von Gott gegebene Erbteil eingehen. Wenn wir in Römer 8 von denen lesen, die die Erstlinge des Geistes haben, so werden damit alle wahren Gläubigen umfasst. Wenn Jakobus sagt: „Damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien“ (Jak. 1, 18), so bezieht sich das auf gläubige Christen, die von Natur Israeliten waren, und die Stelle in Off 14,4: „Diese sind aus den Menschen erkauft worden als Erstlinge Gott und dem Lamm“ bezeichnet nicht einen Teil der Kirche, sondern den jüdischen Überrest.

Zum besseren Verständnis des obigen Wortes aus Römer 11 von dem Erstling, der heilig ist, und von der Masse müssen 4. Mose 15,19–21 und 3. Mose 23,15–17 in Betracht gezogen werden, wir können nicht näher darauf eingehen, möchten uns vielmehr dem Hauptgegenstand der uns beschäftigenden Stelle zuwenden. Zuerst wollen wir den edlen Ölbaum betrachten, der samt seiner Wurzel und seinen Zweigen vor uns gestellt wird, was stellt dieser Ölbaum dar? Er ist ein Bild von Israel. Gott hat sein irdisches Volk vielfach mit Bäumen verglichen, weil Bäume in die Erde eingewurzelt sind, ihre Zweige aufwärts zum Himmel ausstrecken und Frucht bringen, was Gott auch von seinem bekennenden Volk erwartet. Auch Jothams Gleichnis in Richter 9,7–15 behandelt die verschiedenen Haushaltungen. Die darin erwähnten Bäume, die aufgerufen werden, um König über die anderen Bäume zu sein, sind Vorbilder von Israel, und der Dornstrauch von den Nationen. Der Olivenbaum, der Feigenbaum und der Weinstock, von denen in diesem Abschnitt zuerst die Rede ist, finden sich in verschiedenen Teilen der Schrift als Darstellungen von Israel. Der so sorgfältig gepflanzte Weinberg in Jesaja 5 und der Weinstock, der Beeren brachte, sind ein Hinweis auf dieses Volk. „Einen Weinstock zogst du aus Ägypten, vertriebst Nationen und pflanztest ihn... Warum hast Du seine Mauern niedergerissen, so dass ihn alle berupfen, die auf dem Weg vorübergehen? Es zerwühlt ihn der Eber aus dem Wald, und das Wild des Feldes weidet ihn ab“ (Psalm 80,8–13). „Und ich hatte dich als Edelrebe gepflanzt, lauter echtes Gewächs; und wie hast du dich mir verwandelt in entartete Ranken eines fremden Weinstocks!“ (Jer 2,21).

Mit einem Feigenbaum wird Israel auch im Neuen Testament verglichen. Das Gleichnis in Lukas 13,6–9 bezieht sich in erster Linie auf Israel. Drei Jahre lang suchte der Herr Frucht an ihm. Als keine Frucht an ihm gefunden wurde, da wurde der Urteilsspruch ausgeführt; der Feigenbaum wurde abgehauen, aber die Wurzel blieb. In Matthäus 21,19 haben wir den Bericht von einer symbolischen Handlung des Herrn. „Und als er einen Feigenbaum am Weg sah, ging er auf ihn zu und fand nichts daran als nur Blätter. Und er spricht zu ihm: Nie mehr komme Frucht von dir in Ewigkeit! Und sogleich verdorrte der Feigenbaum.“ Unter dem Verdorren des Feigenbaums, durch das er dem äußeren Anschein nach stirbt, wird angedeutet, dass die Nation während des gegenwärtigen Zeitalters abgeschnitten ist.

Doch wieder sagte der Herr: „Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon weich wird und die Blätter hervortreibt, so erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist“ (Matth. 24,32). Der Feigenbaum wird wieder ausschlagen.

Der Olivenbaum wird nicht nur hier genannt, sondern wir lesen von ihm auch in Jer 11,16: „Einen grünen Olivenbaum, schön an herrlicher Frucht, hatte der HERR dich genannt; bei dem Lärm eines großen Getümmels legte er Feuer an ihn, und es brachen seine Äste.“ Der Öl -oder Olivenbaum stellt Israel im Bundesverhältnis mit Gott dar, und zwar das Bündnis Abrahams. Der Olivenbaum ist immergrün. So ist auch jenes Bündnis ein dauerndes und immerwährendes, und es unterliegt keinem Wechsel der Zeiten. Der Ungehorsam und die Untreue Israels heben es nicht auf.

Es wird von einer Wurzel gesprochen, und diese Wurzel wird heilig (abgesondert) genannt. Die Wurzel ist der, mit dem das Bündnis geschlossen wurde, nämlich Abraham; aber nicht er allein; die Wurzel ist dreifältig: Abraham, Isaak und Jakob. Jedem von ihnen wurde die Verheißung wiederholt. In 2. Mose 3,15 lesen wir, welchen Namen sich Gott im Blick auf die Kinder Israel beilegt: „So sollst du zu den Kindern Israel sagen: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name auf ewig, und das ist mein Gedächtnis von Geschlecht zu Geschlecht.“ Warum nannte Er sich so? Weil Gott sich in dieser Wurzel, Abraham, Isaak und Jakob offenbart hat als der Vater in Abraham, als Gott der Sohn in Isaak und, in der Überwindung des Fleisches und in der Leitung seines Weges, als Gott der Heilige Geist in Jakob. Ist diese Wurzel heilig, abgesondert, so sind es auch die Zweige: das, was aus der Wurzel hervorkommt. Der Vorsatz Gottes mit Israel ist, in ihm ein abgesondertes, ein heiliges Volk zu besitzen. Die Wurzel bürgt für den Ausgang des Ganzen. Wunderbar war der Ursprung jenes Volkes in diesem einen, Abgesonderten, und wunderbar, mehr noch als der Beginn, wird ihre Zukunft sein.

Infolge ihres Unglaubens sind einige der Zweige abgebrochen worden. Sie liegen am Boden, von der Wurzel getrennt, ohne Leben.

Danach sehen wir in dem Gleichnis einen wilden Ölbaum, der unter die Zweige eingepfropft, der der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaumes teilhaftig geworden ist. In diesem wilden Ölbaum haben wir ein Bild der Nationen. Es ist aber von der größten Wichtigkeit für uns zu erkennen, dass es sich bei diesem wilden Ölbaum nicht um eine Darstellung der wahren Kirche handelt. Das wird nämlich oft irrtümlich so ausgelegt. Später finden wir die Warnung, ja, mehr als eine Warnung: die Tatsache, dass die Zweige des wilden Ölbaums ausgeschnitten, ausgebrochen, von der Wurzel, auf die sie eingepfropft waren, entfernt werden müssen. Das kann niemals auf ein einzelnes Glied des Leibes des Herrn Jesus Christus zutreffen und ebenso wenig auf die wahre Kirche als Ganzes. Wohl ist es wahr, dass alle Gläubigen Mitteilhaber des Ölbaums sind, und sie stehen durch den Glauben. „Also seid ihr denn nicht mehr Fremdlinge und ohne Bürgerrecht, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, indem Christus Jesus selbst Eckstein ist“ (Eph 2,19, 20). Das große Geheimnis, das jetzt offenbart worden ist, besteht darin, „dass die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber seiner Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium“ (Eph 3, 6). Aber es wäre ganz verfehlt, wenn man sagen wollte, dass der wilde Ölbaum die wahre Kirche versinnbildlicht, die eingepfropft worden sei. Vielmehr sind damit alle die aus den Nationen gemeint, die das Vorrecht genießen, das zu hören und von dem ergriffen zu werden, was Israel gehörte. Als die natürlichen Zweige ausgebrochen waren, stellte Gott die Heiden auf den Boden der Verantwortung, auf dem Israel als Volk gestanden hatte, und damit gibt Gott den Nationen die Möglichkeit, der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaumes teilhaftig zu sein. Die natürlichen Zweige sind Israel, und die gegen die Natur eingepfropften Zweige sind die Nationen. Der wilde Ölbaum ist eine Darstellung des gleichen „Reiches der Himmel“, das in den sieben Gleichnissen im dreizehnten Kapitel des Matthäus-Evangeliums in seiner geheimnisvollen Gestalt erblickt wird. Wenn wir dies klar im Auge behalten, dann wird uns die Bedeutung alles dessen, was wir hier vor uns haben, verständlich.

Der Apostel wendet sich mit diesem Gleichnis in feierlicher Weise und mit einer ernsten Warnung an den wilden Ölbaum oder, wie wir ebenso gut sagen können, an die Christenheit. Noch immer heißt es: „Ich sage euch, den Nationen“.

Zuerst haben wir eine Warnung: „Rühme dich nicht gegen die Zweige“. Dann hören wir eine Antwort vonseiten des wilden Ölbaums: „Du wirst nun sagen: Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde.“ – worauf der Heilige Geist erwidert:

„Recht; sie sind ausgebrochen worden durch den Unglauben; du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich; denn wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat, dass er auch dich etwa nicht verschonen werde.“

Diese Warnung ist ebenso ernst wie eindrucksvoll, und es ist gleichzeitig eine Voraussage. Wir denken nochmals daran, dass dieser Brief nach Rom gesandt wurde, und dass von Rom aus später jener verderbliche Sauerteig kam, der das Ganze durchsäuert hat. Wäre diese Warnung beachtet worden, dann würde die „Christenheit“ mit ihren bösen Werken und Bräuchen, ihrem Hochmut und Unglauben, ihrem Abfall und ihrer Verderbtheit eine Unmöglichkeit gewesen sein. Aber eben das, wovor der Heilige Geist gewarnt hat, ist eingetreten. Die Nationen, die nun Mitteilhaber der Segnungen des Bundes geworden sind, den Gott mit Israel gemacht hat, spreizen sich und erklären: „Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde“, und sie rühmen sich gegen die Zweige. Statt an die Offenbarungen Gottes in Bezug auf seine Vorsätze mit Israel, den Nationen und der Kirche Christi zu glauben, lässt die Christenheit sie unbeachtet und rühmt sich, in einem Geist des Hochmuts und des Unglaubens, für immer auf Erden eingesetzt zu sein, um die Welt zu bekehren und zu verfeinern. Darin liegt die Wurzel der ganzen Verwirrung in der römischen, griechischen und protestantischen Christenheit und ihren zahlreichen Unterabteilungen. Dadurch, dass die Christenheit die Vorsätze Gottes mit Israel vergessen oder missverstanden hat, ist sie eine prahlerische, weltliche Organisation geworden, nennt sich selbst „Israel“ und nimmt Verheißungen für sich in Anspruch, die Israel für das künftige Zeitalter gegeben sind. Außerdem haben die Nationen sich gegen die Juden feindlich eingestellt, indem sie nicht glauben, dass sie noch immer „Geliebte“ sind, „um der Väter willen“, und dass Gott „sein Volk nicht verstoßen“ hat. Sie haben sie verfolgt und werden sie verfolgen bis an das Ende dieses Zeitalters.

Der Gipfelpunkt dieses Sichrühmens des wilden Ölbaums wird uns im letzten Teil des dritten Kapitels der Offenbarung gezeigt. Dort sehen wir die letzte und traurigste Entwicklungsstufe der bekennenden Christenheit: Laodizea. Es rühmt sich, reich geworden zu sein und seine Güter gemehrt zu haben! Laodizea ist stolz auf den von ihm erreichten kulturellen Aufschwung, auf die Millionen, die es für den Ausbau seines Erziehungs – und Bildungswesens und seiner Wohlfahrtseinrichtungen zur Bekehrung der Welt aufwendet; dabei hat es sich aber die Stellung und die Berufung Israels angeeignet.

Die Warnung verhallt natürlich ungehört. Gott hat die natürlichen Zweige nicht verschont. Er wird auch die eingepfropften Zweige nicht verschonen.  Er redet noch eindringlicher, wenn Er sagt: „Siehe nun die Güte und die Strenge Gottes: gegen die, welche gefallen sind, Strenge; gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst; sonst wirst auch du ausgeschnitten werden.“ Wie ernst sind doch diese Worte! Blieb die Christenheit der Nationen an der Güte Gottes? Alles andere! Sie hat Ihn und sein Wort verunehrt und hat in noch größerem Maß versagt als die Juden. Der besonders in unseren Tagen in der Christenheit zutage getretene Unglaube ist tatsächlich größer als der Unglaube Israels je gewesen ist.

„Auch du wirst ausgeschnitten werden“. Das ist der Urteilsspruch, der an dem wilden Ölbaum vollzogen werden wird. Er entspricht dem an Laodizea gerichteten Worte: „Also, weil du lau bist und weder kalt noch warm, so werde ich dich ausspeien aus meinem Mund“. Dieses Gericht ist nicht mehr fern. Der Abfall entwickelt sich zusehends. Gott wird nicht immerdar zulassen, dass sein heiliges Wort von den Nationen mit Füßen getreten wird, noch wird Er dulden, dass der Sohn seiner Liebe in beständig weiterem Umfang verworfen, seine Gottheit und Herrschaft abgeleugnet wird. „Auch du wirst ausgeschnitten werden!“ Wie bald mag das geschehen! Die wahre Kirche, die aus allen Gläubigen besteht, wird in die Herrlichkeit aufgenommen werden, und dann wird zurückbleiben, was sich brüstet, was hochmütig ist: diese bekennende Christenheit, über die am Ende das Gericht kommen wird.

Das ist aber noch nicht alles. Der Höhepunkt dieses wunderbaren Gleichnisses liegt in den Worten: „Und auch jene, wenn sie nicht im Unglauben bleiben, werden eingepfropft werden; denn Gott vermag sie wiederum einzupfropfen. Denn wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum ausgeschnitten und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist, wie viel mehr werden diese, die natürlichen Zweige, in ihren eigenen Ölbaum eingepfropft werden.“

Zwei Tatsachen lassen sich hieraus erkennen. Erste Tatsache: Gott wird diese ausgebrochenen Zweige wieder einpfropfen; Er wird sie wieder in Verbindung bringen mit ihrem eigenen Ölbaum. Diese Tatsache führt uns wieder zu der Frage zurück: „Hat Gott sein Volk verstoßen?“ Ganz gewiss hat Er es nicht verstoßen. Der Ölbaum der Verheißungen Israels ist so grün wie der wirkliche Ölbaum, was geschah, ist einfach nur, dass einige Zweige wegen Unglaubens ausgebrochen worden sind. Die Hand, die sie ausgebrochen und die den wilden Ölbaum genommen und diesem wilden Ölbaum – den Nationen – den Weg der Gnade freigegeben hat: diese Hand wird jene Zweige nehmen und sie wieder zurückbringen. Hier haben wir wieder „Leben aus den Toten“: Was ausgeschnitten war, wird wieder eingepfropft, das ist die Wiederherstellung Israels.

Die zweite Tatsache ist noch wichtiger. Sie gibt uns die Reihenfolge an, in der diese Ereignisse sich vollziehen werden. Zuerst erweist sich das Versagen des eingepfropften, wilden Ölbaums; dann werden die seine Zweige ausgeschnitten; an dritter Stelle werden ausgebrochene Zweige – Israel – wieder auf ihrem eigenen, edlen Ölbaum angebracht werden. Schon heute sind wir Zeugen des Abfalls der aus den Nationen gebildeten Christenheit. Das nächste Geschehnis wird die Hinwegnahme der wahren Kirche von der Erde sein (1.Thes 4,16–18)  Ihm folgt das Ausgeschnittenwerden dessen, was nichts ist als ein leeres Bekenntnis: Die abgefallene Christenheit wird gerichtet, und dann erfolgt die Wiederannahme Israels vonseiten Gottes. Die eigentliche Lehre dieses Gleichnisses lautet: Israel wird wieder angenommen werden. Es ist klar, dass die ausgebrochenen Zweige nicht etwa einzelne Menschen sind, wie seltsam berührt es, wenn gelehrt wird, das seien Einzelwesen, die ausgeschnitten worden sind, und die ungläubigen Juden aller Geschlechter, die je gelebt haben, werden aus ihren Gräbern auferweckt und in das Land zurückkehren, um dort alle Segnungen zu genießen, die dem treuen, gläubigen Überrest verheißen sind.

Die nächstfolgende und letzte Beweisführung dafür, dass Gott sein Volk nicht verstoßen hat, wird uns in der Reihenfolge der Ereignisse weiterführen und uns zeigen, wann und auf welche Weise Israel errettet werden wird.

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